BUCH EINS. LEHRE welche mir die Himmelskönigin über dieses Hauptstück gegeben hat. Lehre: Hingabe an Gott. 237. Ich habe im bisherigen schon öfter gesagt, dass mir die Königin und Mutter der Barmherzigkeit versprochen habe, sie werde mir, wenn ich an die Beschreibung ihrer Tugenden und ihrer ersten Akte komme, eine Unterweisung oder Lehre geben, damit ich in dem reinsten Spiegel ihres Lebens das meinige ordne; dies sollte nämlich der Hauptzweck dieses Unterrichtes sein. Da aber diese grosse Herrin in ihren Worten höchst getreu ist und bei Erklärung dieser Geheimnisse mir ohnedies mit ihrer beseligenden Gegenwart stets beisteht, so hat sie bei diesem Hauptstück den Anfang gemacht, ihr Versprechen zu erfüllen. Sie hat mir gesagt, sie werde dies auch in der Folge tun, solange ich an diesem Leben schreibe. Ich werde demnach die Ordnung einhalten, dass ich am Schlusse eines jeden Hauptstückes die Lehre niederschreibe, welche Ihre Majestät mir mitteilen wird, wie sie mir eben jetzt eine solche gegeben hat, indem sie zu mir sprach: 238. "Meine Tochter! Ich will, dass du aus der Beschreibung meines heiligsten Lebens für dich selber die Frucht ziehest, die du wünschest. Der Lohn deiner Bemühungen soll kein anderer sein als eine grössere Reinheit und Vollkommenheit deines Lebens. Diese wirst du erlangen, wenn du mit der Gnade des Allerhöchsten das Deinige tust, um mich nachzuahmen und das auszuführen, was du hörst. Es ist der Wille meines allerheiligsten Sohnes, dass du alle deine Kräfte aufbietest, um die Lehren, die ich dir geben werde, zu befolgen. Darum sollst du mit aller Ehrfurcht deines Herzens meine Tugenden und Werke betrachten. Höre mich aufmerksam und gläubig an, denn Worte des ewigen Lebens werde ich zu dir reden. Ich werde dir zeigen, welches die höchste Stufe christlicher Vollkommenheit und Heiligkeit und was in Gottes Augen am wohlgefälligsten ist. Fange darum sogleich an, dich für die Aufnahme des Lichtes empfänglich zu machen, in welchem dir die verborgenen Geheimnisse meines heiligsten Lebens und die Lehren, die du wünschest, geoffenbart werden. Fahre mit dieser Übung fort und schreibe nieder, was ich dir zu diesem Zweck sagen werde. Nun höre!" 239. "Es ist eine Pflicht der Gerechtigkeit gegen den ewigen Gott, dass das Geschöpf, sobald es den Gebrauch der Vernunft erhält, sogleich seine ersten Anmutungen auf Gott richte, ihn als seinen Schöpfer, als seinen einzigen wahren Herrn erkenne, liebe, ehre und anbete. Die Eltern aber haben die natürliche Pflicht, ihre Kinder von zartester Jugend an zur Erkenntnis Gottes zu führen und sie sorgfältigst anzuleiten, dass sie gleich von Anfang an ihr letztes Ziel suchen und durch die ersten Akte des Verstandes und Willens mit ihm sich vereinigen. Die Eltern sollten darauf bedacht sein, ihre Kinder von den jugendlichen Unarten und Spielereien abzuhalten, zu denen die verdorbene Natur, wenn sie nicht durch einen Erzieher geregelt wird, von selber hinneigt. Würden Vater und Mutter bedacht sein, diesen Verirrungen und Unarten ihrer Kinder vorzubeugen, würden sie dieselben vom zartesten Alter an unterweisen und ihnen früh zeitig die Erkenntnis ihres Gottes und Schöpfers beibringen, dann würde es für die Kinder später viel leichter sein, Gott allzeit zu erkennen und anzubeten. Meine heilige Mutter, welche damals meine Weisheit und meinen Zustand noch nicht kannte, hat diese Pflicht mit solcher Pünktlichkeit und so frühzeitig an mir erfüllt, dass sie, während sie mich noch unter ihrem Herzen trug, den Schöpfer in meinem Namen anbetete und ihm den ehrerbietigsten, schuldigsten Dank dafür abstattete, dass er mich erschaffen hatte. Auch bat sie ihn flehentlich, dass er mich behüte, beschütze und aus meinem damaligen Zustande glücklich befreie. So sollten alle Eltern mit möglichstem Eifer Gott anrufen, dass er durch seine Vorsehung es so füge, dass jene kleinen Geschöpfe glücklich zur heiligen Taufe gelangen und aus der Sklaverei der Erbsünde befreit werden." 240. "Sollte aber ein vernünftiges Geschöpf es versäumt haben, gleich beim Erwachen der Vernunft den Schöpfer zu erkennen und anzubeten, so ist es schuldig, dies in jenem Augenblicke nachzuholen, da es durch den Glauben zur Erkenntnis des einzigen und höchsten Gutes, das es zuvor nicht kannte, gelangt. Und sobald die Seele einmal diese Erkenntnis erlangt hat, muss sie sich Mühe geben, Gott niemals mehr aus den Augen zu verlieren, sondern ihn allzeit zu fürchten, zu ehren und zu lieben. Du, meine Tochter, bist die ganze Zeit deines Lebens hindurch Gott diese Anbetung schuldig gewesen, jetzt aber will ich, dass du sie ihm fortan mit grösserer Vollkommenheit leistest, gemäss den Lehren, die ich dir geben werde. Richte das innere Auge deiner Seele auf die unwandelbare Wesenheit Gottes, die weder Anfang noch Ende hat. Betrachte, wie er unendlich ist in seinen Eigenschaften und Vollkommenheiten; er allein ist die wahre Heiligkeit, das höchste Gut, der erhabenste Gegenstand für ein Geschöpf. Er hat alles erschaffen, was da ist; und ohne dass er dessen bedürftig wäre, erhält und regiert er es. Er ist die vollendete Schönheit ohne Makel und Fehl; er ist ewig in der Liebe, wahrhaftig in seinen Worten, höchst ge treu in seinen Verheissungen. Ja, er hat zum Heile seiner Ge schöpfe sein eigenes Leben geopfert und den Peinen sich hingegeben, ohne dass eines derselben solche Gnade verdient hätte. Auf diesem unabsehbaren Gebiete der Güte Gottes und seiner Wohltaten lass dein Auge umherschweifen; strenge deine Fähigkeiten an, diesen Gegenstand nie mehr zu ver gessen, nie von ihm abzuweichen. Denn nachdem du einmal in solcher Weise das höchste Gut erkannt hast, wäre es ab scheuliche Gefühllosigkeit und Untreue, wenn du es wieder vergessen würdest; ja es wäre eine verabscheuungswürdige Undankbarkeit,wenn dein Verstand und dein Wille von dem Pfade der göttlichen Liebe wieder abirren würden, nachdem du doch das höhere, göttliche Licht des eingegossenen Glaubens in einem aussergewöhnlichen und ausserordentlichen Grade empfangen hast. Solltest du aber in deiner Schwachheit jemals solches tun, so kehre alsbald um, suche schleunigst und sorgfältigst wieder den rechten Pfad, bete den Allerhöchsten demütigst an und bringe ihm Ehre, Verherrlichung und ewige Lobpreisung dar. Beachte wohl, dass du dies unablässig in deinem Namen und im Namen aller Geschöpfe tust; das sollst du als deine ganz besondere Aufgabe ansehen, und ich will, dass du auf deren Erfüllung alle deine Sorge verwendest." 241. "Damit du dich hierin mit um so grösserem Eifer übest, so erwäge in deinem Herzen, was dir über mein Verhalten geoffenbart worden ist; betrachte, wie jene erste Anschauung des höchsten Gutes mein Herz derart mit Liebe verwundete, dass ich mich ganz und gar ihm hingab und niemals mehr von ihm abwich. Trotzdem lebte ich in steter Sorge und gönnte mir keine Ruhe, sondern schritt immer vorwärts, bis ich zum Ziel aller meiner Wünsche und Begierden gelangte; denn weil der Gegenstand ein unendlicher ist, so darf die Liebe sich weder ein Ziel setzen noch Ruhe sich gönnen, bis sie das höchste Gut besitzt. Auf die Erkenntnis und Liebe Gottes muss sodann die Selbstkenntnis folgen, zu welcher du gelangst, wenn du deine Geringfügigkeit und Niedrigkeit aufmerksam erwägst. Wisse, dass diese Wahrheiten, wenn sie wohl verstanden und oftmals erwogen werden, wunderbare Wirkungen in den Seelen hervorbringen." Nachdem ich diese und andere Lehren von der Himmelskönigin vernommen, sprach ich zu ihr: 242. "0 meine Gebieterin, deren Dienerin ich bin, und der ich mich aufs neue als Dienerin schenke und weihe, nicht ohne Grund hat mein Herz, von deiner mütterlichen Liebe angezogen, sehnsüchtig nach diesem Tage verlangt, um in dem Spiegel deiner heiligen Werke die unaussprechliche Erhabenheit deiner Tugenden zu sehen und die Süssigkeit deiner heilbringenden Worte zu vernehmen. O meine Königin, von ganzem Herzen bekenne ich, dass ich nicht ein gutes Werk aufzuweisen habe, das mit einer solchen Gnade belohnt zu werden verdiente. Und wenn ich auch dein heiligstes Leben beschreibe, so würde ich dies eher für eine grosse, unverzeihliche Verwegenheit als für ein gutes Werk ansehen, wenn ich hierin nicht deinem und deines allerheiligsten Sohnes Willen gehorchen würde. O so nimm doch, meine Herrin, dieses Opfer des Lobes an und rede, denn deine Dienerin hört'. O meine süsseste Herrin, lass deine lieblichste Stimme in meine Ohren klingen2, denn du hast Worte des Lebens3. Fahre fort, meine Frau, mich zu belehren und zu erleuchten, damit mein Herz in dem unermessenen Meere deiner Vollkommenheiten sich erweitere und würdigen Stoff finde, den Allmächtigen zu lobpreisen. In meinem Herzen brennt das Feuer, das deine Güte in mir angefacht hat, die feurige Begierde nämlich nach dem, was in jeder Tugend das Vollkommenste, Lauterste und dir Wohlgefälligste ist. Allein in dem niederen Teile fühle ich das Gesetz der Glieder, das dem Gesetze des Geistes widerstreitet4 und mich fesselt und aufhält; und ich fürchte nicht umsonst, es könnte mich von jenem Gute abhalten, das du, o liebste Mutter, mir anbietest. Darum, liebe Frau, sieh mich an als deine Tochter, lehre mich als deine Schülerin, weise mich zurecht als deine Magd und treibe mich an als deine Sklavin, wenn ich etwa zurückbleiben oder gar widerstehen sollte. Zwar ist es nicht mein Wille, dies zu tun, aber aus Schwachheit werde ich wieder zurückfallen. Ich will meine Augen erheben zur Erkenntnis der Wesenheit Gottes, und mit seiner göttlichen Gnade will ich die Anmutungen meines Herzens regeln, dass sie in Liebe zu seinen unendlichen Vollkommenheiten entbrennen; und wenn ich ihn besitze, werde ich ihn nicht mehr entlassen5. Du aber, o Herrin, du Mutter der Erkenntnisund schönen Liebe6, bitte für mich bei deinemSohne, meinem Herrn, dass er mich nicht verlasse, um jener freigebigsten Liebewillen, in welcher er herabgesehen hat auf deine Demut', o Königin und Herrin des Weltalls!" Buch eins. LEHRE welche mir die Himmelskönigin zu diesen Kapiteln gegeben hat. Lehre: Abtötung und Selbstverleugnung. 309. "Meine Tochter, die Geheimnisse dieser Kapitel schliessen wichtige Lehren und grosse Wahrheiten in sich. Zwar hast du vieles zu sagen unterlassen; bemühe dich aber, wenigstens aus dem, was du vernommen und niedergeschrieben hast, Nutzen zu ziehen, damit du das Licht der Gnade nicht umsonst empfangest. Worauf ich dich kurz aufmerksam machen will, ist dieses: Da du als ein Kind dieser Erde in Sünde empfangen und mit irdischen Neigungen behaftet bist, so darfst du im Kampfe gegen die Leidenschaften den Mut nicht sinken lassen. Höre nicht auf, zu streiten, bis du sie überwunden und damit deine Feinde besiegt hast; denn mit dem mächtigen Beistande der göttlichen Gnade wird es dir gelingen, dich über dich selbst zu erheben und ein Kind des Himmels zu werden, von woher die Gnade kommt. Damit du dieses Ziel erreichest, muss deine Wohnung stets im Himmel sein; dein Geist muss unverwandt gerichtet sein auf die Erkenntnis der unwandelbaren Wesenheit Gottes und seiner Vollkommenheiten. Nie darfst du freiwillig geschehen lassen, dass der Gedanke an irgend etwas Erschaffenes, und wäre es auch etwas Pflichtschuldiges, dich vom Gedanken an Gott abbringe. Dieses ununterbrochene Andenken an Gott, dieser stete Hinblick des Geistes auf seine Grösse wird dich befähigen, auch in allen übrigen Tugenden das zu tun, was das Vollkommenste ist; du wirst dich tauglich machen, den Heiligen Geist und seine Gaben in dich aufzunehmen und zur vertrautesten Freundschaft und innigsten Vereinigung mit Gott zu gelangen. Damit du nun die Erfüllung dieses seines heiligen Willens, der dir oftmals kundgeworden ist, nicht hinderst, so musst du dich bemühen, den niederen Teil der Natur, in welchem die ungeordneten Neigungen und Leidenschaften ihren Sitz haben, abzutöten. Stirb allem Irdischen ab, bringe alle deine irdischen Neigungen dem Allerhöchsten zum Opfer und gib keiner einzigen davon nach. Tue nicht deinen Willen, sondern gehorche. Gehe nicht hinaus aus dem Kämmerlein deines Herzens, wo die Leuchte des Lammes dir Licht spenden wird. Schmücke dich, um in das Gemach deines Bräutigams einzugehen; lasse dich also zurichten, wie die Hand des Allmächtigen es tun wird, wenn du deinerseits mitwirkst und kein Hindernis in den Weg legst. Reinige deine Seele durch viele Akte der Reue darüber, dass du ihn beleidigt hast. Lobe und preise ihn mit glühendster Liebe. Suche ihn und ruhe nicht, bis du ihn gefunden, den deine Seele liebt. Hast du ihn aber gefunden, dann lasse ihn nicht. Ich will, dass du in deiner Pilgerschaft lebest wie diejenigen, welche ihr Ziel bereits erreicht haben, und derjenige, der diese beseligt, sei der Gegenstand all deiner Gedanken. Dies muss die Richtschnur deines ganzen Lebens sein, dass du im Lichte des Glaubens und mit der Klarheit des allmächtigen Gottes, der dich erleuchten wird, ohne irgendwelche Unterbrechung ihm Liebe, Ehrfurcht und Anbetung erzeigest. Dies ist es, was der Allerhöchste von dir verlangt. Bedenke wohl, was du gewinnen, aber auch, was du verlieren kannst, und setze nicht aus eigener Schuld solchen Gewinn auf das Spiel. Unterjoche deinen Willen und unterwirf dich ganz und gar dem, was dein Bräutigam, was ich und was der Gehorsam dir sagen werden; denn nach dem Gerhorsam hast du alles einzurichten." Dies ist die Lehre, welche die Mutter des Herrn mir gegeben hat. Voll Beschämung antwortete ich ihr: 310. "0 Königin und Herrin alles Erschaffenen, ich bin dein Eigentum und verlange, es zu bleiben in alle Ewigkeit. Von Ewigkeit zu Ewigkeit wünsche ich zu lobpreisen die Allmacht des Allerhöchsten, welcher dich so hoch erheben wollte. Und weil du, o meine Gebieterin, bei Seiner Majestät soviel vermagst, darum bitte ich dich flehentlich, du wollest mit Barmherzigkeit auf diese deine arme, elende Dienerin herabsehen. Mit den Gnaden, welche der Herr in deine Hände niedergelegt hat, damit du sie an die Bedürftigen verteilest, hilf meinem Elende ab und bereichere meine so grosse Armut und Dürftigkeit. Als Herrin treibe mich so lange an, bis ich das Vollkommenste wirksam will und tue und bis ich Gnade gefunden habe in den Augen deines heiligsten Sohnes, meines Herrn. Verschaffe dir selbst die Ehre, das unnützeste aller Geschöpfe aus dem Staube erhoben zu haben. In deine Hände lege ich mein Heil. Würdige dich, o meine Herrin und Königin, dasselbe in wirksamer Weise zu wollen; denn dein Wollen ist heilig und mächtig, kraft der Verdienste deines heiligsten Sohnes und kraft des göttlichen Wortes. Hat ja doch die allerheiligste Dreifaltigkeit ihr Wort zum Pfande gegeben, dass sie deinen Willen tun und deine Bitten erhören wolle, ohne irgendeine abzuweisen. Ich kann nichts tun, was mir deine Gnade zu erwerben würdig wäre, denn ich bin ja ganz unwürdig; ich stelle dir aber, o Herrin, deine eigene Heiligkeit und deine Güte vor." ... Frage von Maria von Agreda. Auch ich sehne mich nach dem Ende dieser Kapitel, um die heilbringende Lehre meiner Meisterin und Herrin zu hören. Zwar kommt alles, was ich schreibe, von ihr; allein was mir am meisten frommt, das ist ihre mütterliche Unterweisung; diese erwarte ich mit höchster Freude, im Jubel meines Geistes. 320. So rede denn, o Herrin, deine Dienerin hört! Und wenn du es mir gestattest, so will ich, obgleich nur Staub und Aschen, dir einen Zweifel vortragen, der mir in diesem Hauptstücke aufgestossen ist. Denn in allen meinen Zweifeln wende ich mich an dich, meine gütigste Mutter, Lehrerin und Herrin. Mein Zweifel ist folgender: Du, die Herrin der ganzen Schöpfung, bist ohne Sünde empfangen worden und besassest infolge jener Vision, welche deine heiligste Seele in jenem Augenblicke gehabt hat, eine ganz erhabene Kenntnis von allen Dingen; wie ist es nun erklärlich, dass du bei so grosser Gnade dennoch so grosse Angst und Furcht gehabt hast, Gott zu beleidigen und seine Freundschaft zu verlieren? Wenn schon beim ersten Schritte, im ersten Augenblicke deines Daseins die Gnade dir zuvorgekommen ist, wie konntest du schon beim Beginne deines Lebens fürchten, sie wieder zu verlieren? Wenn der Allerhöchste dich von der ersten Schuld ausnahm, wie konntest du besorgt sein, in andere zu fallen und denjenigen zu beleidigen, welcher vor der ersten dich bewahrt hatte? LEHRE UND ANTWORT der Himmelskönigin. Lehre: Wirksamkeit der Gnade. 321. Meine Tochter, vernimm die Antwort auf deinen Zweifel! In der Vision, welche ich in meinem ersten Augenblicke von der Gottheit hatte, habe ich allerdings auch die Erkenntnis meiner Unschuld und unbefleckten Empfängnis erhalten. Allein diese Gnadenvorzüge aus der Hand des Allerhöchsten sind derart, dass, je grösser die Zuversicht ist, die sie verleihen, und je grösser die Klarheit, mit der sie erkannt werden, um so grösser auch die dadurch hervorgerufene Sorgfalt und Wachsamkeit ist, selbe zu bewahren und den Geber, der sie aus reiner Güte dem Geschöpfe mitteilt, nicht zu beleidigen. Sie bringen mit sich die klarste Erkenntnis, dass sie nur durch die Kraft von oben und um der Verdienste meines heiligsten Sohnes willen verliehen werden. Das Geschöpf sieht an sich selbst nichts als seine Unwürdigkeit und sein Unvermögen; es erkennt ganz klar, dass es empfängt, was es nicht verdient, und dass, was es empfängt, fremdes Eigentum ist, das es sich selber nicht zuschreiben darf und nicht zuschreiben kann. Das Geschöpf erkennt, dass der Spender solcher Gnaden ein so grosser Herr ist, dass, was er aus freigebiger Güte gegeben, er auch wieder nehmen und einem anderen nach Belieben verleihen kann. Hieraus entsteht dann notwendig die gewissenhafteste Sorgfalt, die empfangene Gnade nicht zu verlieren, vielmehr alles zu tun, was zur Erhaltung und Vermehrung des erhaltenen Talentes dienlich ist; und die Seele sieht klar ein, dass dies das einzige Mittel ist, um das ihr zur Verwahrung übergebene Gut nicht zu verlieren. Sie erkennt auch, dass ihr die Gnade zu dem Zwecke gegeben wurde, damit sie sich dafür dankbar erzeige und für die Verherrlichung ihres Schöpfers sich bemühe. Die Sorgfalt, diesen Zweck zu erfüllen, ist eine notwendige Bedingung zur Bewahrung der empfangenen Gnadengaben. 322. Überdies erkennt man alsdann auch die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur und deren Wahlfreiheit, sich für das Gute und Böse zu entscheiden. Diese Erkenntnis hat mir aber der Allerhöchste nicht entzogen; und er entzieht sie keinem Menschen, solange er noch auf Erden lebt; er lässt sie vielmehr allen Menschen, denn sie ist notwendig, damit die heilige Furcht, in eine wenn auch noch so geringe Sünde zu fallen, angesichts dieser Wahrheit mehr und mehr in der Seele Wurzel fasse. In mir war aber diese Erkenntnis viel klarer; ich wusste gar wohl, dass ein geringerer Fehler einem anderen, grösseren den Weg bereitet und dass der zweite eine Strafe ist für den ersten. Allerdings ist es wahr, dass es bei der Gnadenfülle, mit welcher der Herr meine Seele bereichert hatte, unmöglich war, in eine Sünde zu fallen; allein die göttliche Vorsehung hatte ihre Gnadengaben so eingerichtet, dass die absolute Sicherheit, nicht zu sündigen, mir verborgen blieb. Ich erkannte, dass, soweit es auf mich allein ankomme, die Sünde möglich sei und dass es nur vom göttlichen Willen abhänge, wenn ich in der Tat nicht sündige. So behielt also der Herr die Erkenntnis, dass ich gewiss nicht sündige, sich vor, mir aber liess er die Sorge und die heilige Furcht, ich möchte als Erdenpilgerin sündigen. Diese heilige Furcht habe ich von meiner Empfängnis an bis zu meinem Tode nie verloren, vielmehr wuchs sie in mir während meines ganzen Lebens. 323. Überdies hat mir der Allerhöchste auch Klugheit und Demut verliehen, so dass ich ihn über dieses Geheimnis nicht befragte und auch nicht darüber nachforschte. Ich war nur darauf bedacht, seiner Güte und Liebe zu vertrauen und seinen Beistand zu erwarten, um nicht zu sündigen. Hieraus ergaben sich zwei Wirkungen, welche beide im christlichen Leben notwendig sind; einerseits bewahrte ich in meiner Seele die Ruhe, anderseits verlor ich auch niemals die Furcht und die eifrige Sorgfalt, den mir anvertrauten Schatz zu erhalten. Und da diese Furcht eine kindliche war, so tat sie der Liebe keinen Eintrag, vielmehr entzündete sie dieselbe noch mehr und erweiterte sie. Diese beiden Wirkungen, Liebe und Furcht, bildeten in meiner Seele eine himmlische Harmonie, so dass ich bei all meinen Handlungen darauf bedacht war, mich vom Bösen fernzuhalten und an das höchste Gut mich anzuklammern. 324. Liebste Tochter, die sicherste Probe in geistlichen Dingen ist, dass sie mit dem Lichte der Wahrheit und mit gesunder Lehre kommen und dass sie zu grösserer Vollkommenheit in den Tugenden anhalten und mit grosser Kraft den Willen bewegen, diese Vollkommenheit anzustreben. Das ist das Merkmal, welches die Gnaden, die vom Vater der Lichter hinabsteigen, an sich tragen: sie beruhigen, indem sie verdemütigen, sie verdemütigen, ohne mutlos zu machen, sie flössen Vertrauen ein, verbunden mit Eifer und Wachsamkeit, sie geben Eifer, vereinigt mit Ruhe und Frieden, damit alle diese Stimmungen die Erfüllung des göttlichen Willens nicht hindern. Du aber, o Seele, bringe dem Herrn das Opfer demütiger und eifriger Dankbarkeit dar, dass er trotz deiner Armut an Verdiensten so freigebig gegen dich gewesen ist. Er hat dich mit seinem göttlichen Lichte erleuchtet, hat dir seine verborgensten Geheimnisse aufgeschlossen und ist dir mit der Gnade zuvorgekommen, sein Missfallen zu fürchten. Was diese Furcht betrifft, so halte darin Mass; was aber die Liebe betrifft, so erweitere sie. Furcht und Liebe, das sind die zwei Flügel, mit denen du dich erheben musst über alles Irdische und über dich selbst. Trachte, jede ungeordnete Stimmung, welche eine übertriebene Furcht in dir hervorbringt, sogleich zu vertreiben. Überlass deine Sache dem Herrn, und seine Sache mache zu der deinigen. Fürchte so lange, bis du gewaschen und gereinigt bist von deinen Sünden und Unwissenheiten. Liebe den Herrn, bis du ganz in ihn umgewandelt bist und er der Herr und Lenker aller deiner Handlungen ist; du darfst es in keiner sein. Verlass dich nicht auf dein eigenes Urteil und sei nicht weise in deinen Augen'. Denn das eigene Urteil wird leicht von den Leidenschaften verdunkelt und umstrickt, so dass das Urteil, mit den Leidenschaften verbündet, den Willen zum Falle bringt. Man fürchtet sich dann da, wo nichts zu fürchten ist, und übt Freiheit, wo diese nicht am Platze ist. Handle mit Zuversicht, jedoch so, dass du nicht in Leichtsinn dir selbst gefallest. Sorge und fürchte so lang, bis du in Ruhe und Vorsicht die rechte Mitte in allem gefunden hast. Diese wirst du aber immer finden, wenn du dich dem Gehorsame unter deine Oberen sowie den inneren Antrieben und Unterweisungen des Allerhöchsten unterwirfst. Was aber die inneren Antriebe betrifft, so müssen dieselben, mag auch ihr Ziel ein noch so gutes sein, alle nach der Weisung des Gehorsams und nach der Richtschnur eingeholten Rates beurteilt werden; ohne diese Leitung gibt es lauter Missgeburten und unnützes Tun. In allem sei dein Absehen auf das Heiligste und Vollkommenste gerichtet. ... Frage von Maria von Agreda. 337. Meine Frage ist die: Wie ist es erklärlich, dass du durch die Hände der Engel leiblicherweise bis in den obersten Himmel emporgetragen und der Anschauung Gottes gewürdigt wurdest? Nach der Lehre der heiligen Kirche und ihrer Lehrer war der Himmel verschlossen und der Zutritt zu ihm den Menschen verwehrt, bis dein heiligster Sohn durch sein Leben, Leiden und Sterben ihn geöffnet und, von Toten erstanden, am Tage seiner wunderbaren Auffahrt als Erlöser und Haupt aller Menschen seinen Einzug in den Himmel gehalten hatte. Er war der erste, für den die ewigen Pforten sich öffneten, die durch die Sünde verschlossen waren. ANTWORT UND LEHRE der Himmelskönigin. Lehre: Lob Gottes Name Mariä. 338. Es ist wahr, dass die göttliche Gerechtigkeit wegen der ersten Sünde den Sterblichen den Himmel verschlossen hatte, bis ihn mein heiligster Sohn wieder öffnete, nachdem er durch sein Leben und Sterben für die Menschen überfliessende Genugtuung geleistet hatte. Darum war es auch ganz angemessen und gerecht, dass der Erlöser, welcher die Erlösten mit sich wie Glieder mit dem Haupte vereinigt und ihnen den Himmel geöffnet hatte, zuerst und vor allen anderen Adamskindern in den Himmel eingehe. Hätte Adam nicht gesündigt, dann wäre die Beobachtung dieser Reihenfolge nicht notwendig gewesen, und die Menschen hätten auch sonst zur Anschauung Gottes in den Himmel eingehen können. Allein mit Rücksicht auf den Fall des Menschengeschlechtes hat die allerheiligste Dreifaltigkeit die Ordnung beschlossen, welche jetzt tatsächlich eingehalten wird. Dieses grosse Geheimnis hat David in dem dreiundzwanzigsten Psalme angedeutet, wo er, die Geister des Himmels anredend, zweimal die Worte spricht: "Hebet eure Tore, ihr Fürsten, erhebet euch, ihr ewigen Tore, dass einziehe der König der Herrlichkeit!"' Der Psalmist sagt zu den Engeln "eure Tore", weil dieselben nur für die Engel geöffnet, für die Menschen aber geschlossen waren. Jene Himmelsfürsten wussten zwar wohl, dass das menschgewordene Wort die infolge der Sünde angelegten Riegel und Schlösser von den Himmelspforten weggenommen hatte und dass er, der Erlöser, glorreich zum Himmel aufstieg mit der reichen Beute, die er dem Tode und der Sünde abgenommen hatte, begleitet von den heiligen Vätern aus der Vorhölle, deren Glorie die erste, herrliche Frucht seines Leidens war. Allein nichtsdestoweniger waren nach der Darstellung des Psalmisten die Engel über ein so neues, noch nie gesehenes Wunder gleichsam überrascht und fragten voll Erstaunen: "Wer ist dieser König der Herrlichkeit?"' Ihr Erstaunen hatte seinen Grund darin, weil er ein Mensch war und der Natur desjenigen angehörte, welche das Recht, in den Himmel aufzusteigen, für sich und sein ganzes Geschlecht verloren hatte. 339. Die gestellte Frage beantworten die Engel selbst mit den Worten: "Es ist der Herr, der starke und mächtige im Kriege; der Herr der Heerscharen, dieser ist der König der Herrlichkeit!" Mit diesen Worten wollen die Engel ausdrücken, wie es ihnen gar wohl bekannt sei, dass dieser Mensch, der von der Erde heraufsteige, um die ewigen Pforten zu öffnen, kein blosser Mensch und dem Gesetze der Sünde keineswegs unterworfen sei, dass er vielmehr wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich sei, dass er, "stark und mächtig im Kriege", den "starken Bewaffneten"3, der die Welt beherrschte, überwunden und ihn seiner Herrschaft wie seiner Waffenrüstung beraubt habe. Er wird "Herr der Heerscharen" oder "Herr der Tugenden - Dominus virtutum" genannt, weil er die Tugenden als ihr Herr mit unumschränkter Macht geübt hatte, ohne dass die Sünde und deren Folgen ihm dabei Hindernisse bereiten konnten. Als Herr der Tugend und König der Glorie kommt er triumphierend, Tugenden und Glorie an seine Erlösten verteilend. Als Mensch hatte er Leiden und Tod für sie erduldet, als Gott aber erhob er sie zur ewig beseligenden Anschauung, nachdem er die ewigen Schlösser und Riegel gebrochen,welche die Sünde an die Himmelspforte gelegt hatte. 340. Dies, meine Tochter, ist es, was mein geliebter Sohn, wahrer Gott und wahrer Mensch, gewirkt hat. Als Herr der Tugenden und Gnaden hat er mich von dem ersten Augenblicke meiner unbefleckten Empfängnis an mit solchen reichlichst aus gestattet und geziert. Und weil die erste Sünde mich nicht berührte, darum bestand für mich nicht, wie für die übrigen Sterblichen, ein Hindernis, durch die ewigen Pforten des Himmels einzugehen; vielmehr hat der allmächtige Arm meines Sohnes an mir getan, was sich für die Herrin der Tugenden und Königin des Himmels geziemte. Weil ich überdies auserwählt war, ihn mit meinem Fleisch und Blut zu bekleiden und ihm die menschliche Natur zu geben, darum wollte seine Güte mir mit Gnaden zuvorkommen und mich in der Reinheit, in der Freiheit von der Schuld und in anderen göttlichen Gaben und Vorzügen zu seinem Ebenbilde machen. Da ich also keine Sklavin der Schuld war, so übte ich auch die Tugenden nicht als eine unter dem Joch der Sünde Stehende, sondern als Herrin, ohne Widerstand, mit ungehinderter Herrschaft, nicht als Ebenbild der Kinder Adams, sondern als Ebenbild des Sohnes Gottes, der auch mein Sohn war. 341. Das ist der Grund, warum die himmlischen Geister die ewigen Tore, die sie als die "ihrigen" betrachteten, mir öffneten; sie wussten, dass der Herr mich reiner erschaffen hatte als die höchsten Engel des Himmels insgesamt und dass er mich zu ihrer Königin und zur Herrin aller Geschöpfe gemacht hatte. Überdies wisse, meine liebste Tochter, dass derjenige, der das Gesetz gegeben, mit Fug und Recht davon dispensieren konnte; und eben dies hat der höchste Herr und Gesetzgeber bei mir getan. Gnädiger als Assuerus der Esther' hat der Herr mir das Zepter seiner Gnade entgegengehalten, zum Zeichen, dass hinsichtlich der Schuld die für die übrigen Menschen allgemein geltenden Gesetze keine Anwendung finden auf mich, die ich zur Mutter des Urhebers der Gnade auserwählt war. Zwar konnte ich als blosses Geschöpf diese Gnadenvorzüge nicht verdienen, aber die Milde und Güte Gottes neigten sich aus freier Liebe zu mir und sahen auf mich herab als auf eine demütige Magd, damit ich den Urheber so grosser Werke in alle Ewigkeit lobpreise. Von dir aber, meine Tochter, will ich, dass auch du den Herrn um derselben willen lobest und benedeiest. 342. Die Lehre, die ich heute dir gebe, ist die: Da ich aus reiner Güte dich, die Arme und Hilfsbedürftige, zu meiner Schülerin und Gefährtin auserwählt habe, so musst du alle deine Kräfte aufbieten, um mich in einer Übung nachzuahmen, die ich vom Tage meiner Geburt an mein ganzes Leben lang täglich vorgenommen habe, ohne sie auch nur ein einziges Mal, selbst unter den schwersten Sorgen und Anstrengungen, zu unterlassen. Diese Übung war aber folgende. Sobald der Tag anbrach, warf ich mich jedesmal in der Gegenwart des Allerhöchsten auf mein Angesicht nieder und sagte ihm Lob und Dank für seine unwandelbare Wesenheit und seine unendlichen Vollkommenheiten sowie für die Liebe, in der er mich aus dem Nichts erschaffen hatte. Indem ich mich als ein Geschöpf und als das Werk seiner Hände bekannte, brachte ich ihm, dem ewigen Gott, Preis, Anbetung, Ehre und Verherrlichung dar, als dem allerhöchsten Herrn und Schöpfer aller Dinge, der auch mich ins Dasein gerufen hat. Ich erhob meinen Geist und empfahl ihn in seine Hände, in welche ich mit tiefer Demut und vollkommener Hingabe mich aufopferte. Ich bat ihn, er wolle heute und alle Tage meines ganzen übrigen Lebens über mich verfügen nach seinem Willen und wolle mich lehren, was ihm am meisten wohlgefällig sei, um dies zu tun. Dies wiederholte ich oftmals während der äusseren Werke des Tages; und bei meinen inneren Übungen wendete ich mich zuerst an Seine Majestät und bat um Rat, Erlaubnis und Segen für alle meine Handlungen. 343. Zu meinem süssesten Namen sollst du eine grosse Andacht tragen. Du musst wissen, dass die Vorzüge und Gnaden, welche der Allmächtige demselben verlieh, so gross und zahlreich sind, dass, als ich in der Anschauung Gottes dieselben sah, ich meine höchste Dankesschuld dafür erkannte und besorgt war, wie ich diese Schuld abtragen möge. Sooft mir der Name Maria in die Erinnerung kam, und dies geschah oft, und sooft ich mich mit demselben nennen hörte, wurde in mir aufs neue die Dankbarkeit und der Entschluss rege, schwere Dinge im Dienste des Herrn, der mir denselben gegeben hatte, zu unternehmen. Denselben Namen trägst auch du, und ich wünsche, dass er dieselben Anmutungen nach Verhältnis auch in dir hervorrufe. Was ich dich in diesem Hauptstücke gelehrt habe, musst du von heute an pünktlich nach meinem Beispiele tun und darfst es in keinem Stücke mangeln lassen, was immer für ein Entschuldigungsgrund sich dir etwa darbieten möchte. Solltest du aber einmal aus Schwäche saumselig sein, so raffe dich alsbald wieder auf, bekenne vor dem Herrn und vor mir deine Schuld und klage dich in Schmerz derselben an. Durch diese Sorgfalt und durch oftmaliges Wiederholen der Akte dieser heiligen Übung wirst du viele Unvollkommenheiten vermeiden und nach und nach den höchsten Gipfel der Tugenden und des Wohlgefallens Gottes erreichen. Der Herr aber wird dir seine göttliche Gnade hiezu nicht verweigern, sofern du nur auf sein Licht achtest und nicht aus den Augen verlierst, was deinen und meinen Wünschen am vollkommensten entspricht; dies ist aber nichts anderes, als dass du aus allen Kräften darnach trachtest, auf deinen Bräutigam und Herrn allezeit zu hören, zu sehen und ihm zu gehorchen. Er verlangt von dir die grösstmögliche Reinheit, Heiligkeit und Vollkommenheit und den guten, tatkräftigen Willen, sie zu erreichen. ... Frage von Maria von Agreda. 353. 0 Königin und Beherrscherin des Himmels, wenn du, als meine gütige Mutter und Lehrmeisterin, auf meine Unwissenheit hörst und sie dir nicht missfällt, so werde ich dir einige Zweifel vorlegen, welche mir in diesem Hauptstücke aufgestiegen sind. Falls aber meine Unwissenheit und Verwegenheit fehlerhaft wäre, so weise mich, anstatt zu antworten, mit deiner mütterlichen Barmherzigkeit zurecht. Ich zweifle nämlich, ob du als Kind die Hilflosigkeit und den Hunger fühltest, welchen andere Kinder naturgemäss empfinden. Wenn ja, auf welche Weise hast du diese Beschwerde ertragen? Wie verlangtest du die nötige Nahrung und Hilfe, da deine Geduld so wunderbar gewesen, während bei den übrigen Kindern das Weinen die Sprache der Worte ersetzt? Auch weiss ich nicht, ob die natürlichen Beschwerden dieses Alters dir peinlich waren, z. B. dass dein jungfräulicher Leib in Windeln gewickelt, dann wieder aus den Windeln herausgenommen wurde; dass man dir die Nahrung der Kinder reichte und anderes, was die übrigen ohne Vernunftgebrauch, also ohne davon zu wissen, empfangen, während dir, o Herrin, nichts verborgen war? Wenn ich dich so betrachte, wie du dem Alter nach ein Kind, aber gross an Verstand warst, um alles nach Gebühr zu überlegen, so scheint es mir beinahe unmöglich, dass hinsichtlich der Zeit, der Weise, der Quantität und der anderen Umstände gar kein Obermass oder Mangel vorgekommen sei. Vermöge deiner himmlischen Klugheit bewahrtest du eine würdevolle, majestätische Haltung; dein Alter, die Natur und ihre Gesetze verlangten das Notwendige. Du aber hast es weder mit Weinen begehrt, wie die Kinder, noch mit Worten, wie die Grossen. Dein Verlangen war den anderen nicht bekannt, und sie behandelten dich nicht nach dem Vernunftgebrauche, den du besassest. Sogar deine heilige Mutter wusste nicht alles; auch konnte sie nicht alles tun und stets das Richtige erraten, da ihr die Zeit und Weise unbekannt waren. Darum konnte sie dir auch nicht in allem zu Diensten sein. Alles dieses setzt mich in Staunen und erregt in mir das Verlangen, die hier vorliegenden Geheimnisse zu kennen. LEHRE UND ANTWORT der Himmelskönigin. Lehre: Dankbarkeit. Gehorsam. 354. Meine Tochter, gerne antworte ich auf dein Staunen. Ich hatte allerdings die Gnade und den vollkommenen Vernunftgebrauch vom ersten Augenblicke meiner Empfängnis an, wie ich dir so oftmals gezeigt habe; anderseits fühlte ich die Beschwerden der Kindheit und erhielt Pflege und Behandlung wie alle anderen Kinder. Ich empfand Hunger, Durst, Bedürfnis des Schlafes und körperliche Leiden; all diesem war ich unterworfen als Tochter Adams. Denn es war billig, dass ich meinen heiligsten Sohn, der diese Gebrechen und Leiden auf sich nehmen wollte, nachahme, um dadurch nicht nur Verdienste zu sammeln, sondern auch zugleich mit meinem Sohne den Sterblichen ein Beispiel zur Nachahmung zu geben. Von der göttlichen Gnade geleitet, genoss ich Nahrung und Ruhe mit Mass. Ich begnügte mich mit wenigerem als die übrigen, nämlich mit dem, was für die Erhaltung des Lebens und der Gesundheit sowie zum Wachstume durchaus notwendig war. Denn das Übermass in diesen Dingen verstösst nicht nur gegen die Tugend, sondern auch gegen die Natur, welche dadurch in Unordnung gerät und Schaden leidet. Wegen meiner vollkommenen und zarten Leibesbeschaffenheit empfand ich Hunger und Durst schmerzlicher als andere Kinder; auch war mir der Abgang der Nahrung schädlicher als anderen. Wenn mir aber die Nahrung nicht zur rechten Zeit oder nicht im gehörigen Masse gereicht wurde, so blieb ich ruhig und geduldig, bis sich eine passende Gelegenheit bot, auf schickliche Weise darum zu bitten. Die Entbehrungen des Schlafes dagegen fühlte ich weniger, weil es mir dann, wenn ich allein war, freistand, die Engel zu sehen und mich mit ihnen über die göttlichen Geheimnisse zu unterhalten. 355. Dass ich in Windeln eingeengt und gebunden war, bereitete mir nicht sowohl Qual als vielmehr grosse Freude, weil ich wusste, dass das menschgewordene Wort den schimpflichsten Tod leiden und schmählich gebunden werden sollte. Schon in jenem Alter betete ich, wenn ich allein war, in der Form des Kreuzes; denn ich wusste, dass mein Geliebter an dem Kreuze sterben sollte, obwohl mir damals unbekannt war, dass der Gekreuzigte mein Sohn sein werde. Bei allen Widerwärtigkeiten war ich von meiner Geburt an gleichmütig und heiter, weil stets eine Erwägung meinem Geiste gegenwärtig war, die es auch dem deinigen beständig sein soll. Du sollst nämlich deinem Herzen die grossen Wahrheiten, welche ich betrachtete, tief einprägen, um über alle Dinge ohne Täuschung zu urteilen und jedem nach Gebühr Wert und Gewicht beizulegen. Hierin sind die Menschen gewöhnlich verblendet und irren. Ich möchte aber nicht, dass dies auch bei dir, meiner Tochter, der Fall sei. 356. Sobald ich das Licht der Welt erblickte, gewahrte ich die Wirkungen der Elemente, die Einflüsse der Planeten und Gestirne, die Erde, welche mich aufnahm, die Nahrung, welche mein Leben erhielt, und alle übrigen zum Leben notwendigen Dinge. Ich dankte dem Schöpfer aller dieser Dinge und betrachtete seine Werke als eine Wohltat, die er mir schenkte, nicht als eine Schuld, zu welcher er verpflichtet wäre. Deswegen bekannte ich auch, wenn mir etwas Notwendiges mangelte, ohne Verwirrung, ja mit Freude, dass mir Recht widerfahre, da ich alles ohne Verdienst, aus Gnade empfange und es gerecht sei, mich desselben zu berauben. Nun sage an, o Seele: wenn ich dies sagte und damit eine Wahrheit bekannte, welche der menschlichen Vernunft weder unbekannt sein noch von ihr geleugnet werden kann, wo ist dann der Verstand der Menschen, wenn sie beim Mangel einer heissbegehrten, vielleicht nicht einmal zuträglichen Sache traurig werden, gegen einander in Wut geraten, ja über Gott selbst zürnen, als ob er ihnen Unrecht tue? Sie mögen sich fragen, welche Schätze, welche Reichtümer sie besassen, ehe sie das Leben erhielten? Welche Dienste sie dem Schöpfer erwiesen, damit er ihnen das Leben schenke? Wenn aber das Nichts sich nichts verschaffen konnte, wenn es das Dasein, welches ihm aus nichts verliehen wurde, sich nicht verdienen konnte, wie sollte dann der Schöpfer aus Gerechtigkeit verpflichtet sein, ein Leben zu erhalten, das er aus Gnade gegeben hat? Wenn Gott ein Geschöpf ins Dasein ruft, so ist dies nicht für ihn selbst eine Wohltat, sondern für das Geschöpf, und zwar eine so grosse, als das Leben und dessen Endziel es ist. Hat aber der Mensch schon mit dem Leben eine Schuld auf sich geladen, die er niemals abzahlen kann, welches Recht kann er nun geltend machen, dass man ihm das unverdient geschenkte Leben erhalte, nachdem er sich oft desselben unwürdig erwiesen hat? Wo hat er denn ein verbrieftes Recht, eine Versicherung, dass ihm nichts mangeln darf? 357. War schon seine erste Bewegung und Tätigkeit ein Geschenk, das seine Schuld vergrösserte, wie verlangt er dann ungeduldig eine zweite? Wenn trotzdem Gott in seiner höchsten Güte den Menschen aus Huld mit dem Notwendigsten versieht, warum ist dieser dann ungehalten, falls ihm das Überflüssige abgeht? O meine Tochter, weich fluchwürdige Verkehrtheit, weich verdammliche Blindheit ist dies von seiten der Menschen! Für das, was der Herr ihnen aus Gnade gibt, wissen sie keinen Dank; wegen dessen aber, was er ihnen aus Gerechtigkeit und manchmal aus grösster Barmherzigkeit verweigert, werden sie ungehalten, ja toben sie, verschaffen sich dasselbe durch ungerechte, unerlaubte Mittel und jagen so dem Unglücke nach, welches vor ihnen flieht. Schon durch die erste Sünde, welche der Mensch begeht, verliert er mit der Freundschaft Gottes zugleich die Freundschaft a//er Geschöpfe. Würde der Herr die Geschöpfe nicht zurückhalten, so würden sich alle erheben, um für die ihrem Schöpfer zugefügte Beleidigung Rache zu nehmen und dem Menschen die Guttaten und Dienste zu entziehen, durch welche sie ihm das Leben fristen. Der Himmel würde ihm sein Licht und seine heilsamen Ein flüsse, das Feuer seine Wärme versagen, die Luft würde nicht mehr das Atmen ermöglichen und alle anderen Dinge würden je in ihrer Art dasselbe tun; denn sie wären dies aus Gerechtigkeit schuldig. Wenn also mit Recht die Erde ihre Früchte verweigern könnte, wenn die Elemente ihre wohltätigen, harmonischen Einflüsse einstellen und aile übrigen Geschöpfe sich bewaffnen könnten', um die ihrem Schöpfer zugefügten Unbilden zu rächen, dann hat der undankbare, elende Mensch allen Grund, sich zu verdemütigen, damit er nicht Schätze des Zornes sich aufhäufet für den unausbleiblichen Tag der Rechenschaft, an welchem seine ganze, furchtbare Schuld ihm vorgehalten werden wird. 358. Du aber, meine Freundin, fliehe solch ungeheure Undankbarkeit, bekenne demütig, dass du aus Gnade Dasein und Leben empfangen hast und dass der Urheber deines Lebens aus Gnade es dir erhält; bekenne, dass du aus Gnade und ohne dein Verdienst auch alle anderen Wohltaten empfängst. Ja bekenne, dass du viel empfängst und gar wenig vergiltst, dass also mit jedem Tage deine Würdigkeit abnimmt, die Freigebigkeit Gottes aber und deine Dankesschuld sich mehrt. Ich will, dass du dies beständig erwägest und durch diese Erwägung zu vielen Tugendakten angetrieben werdest. Hast du etwas von seiten der vernunftlosen Geschöpfe zu leiden, so erfreue dich in dem Herrn, danke ihm und preise jene Geschöpfe, weil sie ihrem Schöpfer gehorchen. Verfolgen dich aber die vernünftigen Geschöpfe, so liebe sie von ganzem Herzen und achte sie als Werkzeuge der göttlichen Gerechtigkeit, damit du deine Schuld gegen diese wenigstens in etwas abtragest. Leiden, Widerwärtigkeiten und Trübsale nimm mutig und freudig an, denn sie sind nicht bloss die verdiente Strafe deiner Sünden, sondern auch der Schmuck deiner Seele und ihr kostbarstes Geschmeide in den Augen deines Bräutigams. 359. Dies ist die Antwort auf deinen Zweifel. Ich will dir aber auch die Lehre geben, wie ich sie dir für jedes Hauptstück versprochen habe. Beachte, o Seele, mit welcher Pünktlichkeit meine heilige Mutter Anna zum grössten Wohlgefallen des Herrn die Vorschrift des göttlichen Gesetzes erfüllte. Du sollst sie hierin nachahmen, indem du die Vorschriften deiner Regeln und Konstitutionen, alle und jede, unverletzt beobachtest. Gott be lohnt diese Treue freigebig, dagegen betrachtet er die Nachläs sigkeit hierin als ein Unrecht. Ich war ohne Sünde empfangen und hatte nicht nötig, zum Priester zu gehen, damit der Herr mich reinige. Auch meine Mutter hatte dies nicht vonnöten, denn sie war sehr heilig. Dennoch haben wir demütig dem Gesetze gehorcht, wodurch wir grossen Zuwachs an Tugend und Gnade verdienten. Wenn man die gerechten und wohlgeordneten Gesetze geringachtet und alle Augenblicke davon dispensiert, so hat es mit dem Dienste und der Frucht Gottes ein Ende, und jedes menschliche Regieren wird verwirrt,ja unmöglich gemacht. Dispensiere nicht leicht weder dich noch andere von den Verpflichtungen deines Ordens. Wenn dies jedoch wegen Krankheit oder aus einem andern gerechten Grunde zulässig ist, so geschehe es mit Mass und nach dem Rate deines Beichtvaters, so dass deine Handlung vor Gott und den Menschen als gerechtfertigt erscheint und vom Gehorsam gutgeheissen wird. Bist du ermüdet oder entkräftet, so lass deswegen nicht alsbald nach von der Strenge; denn Gott wird dir nach dem Masse deines Glaubens Kräfte verleihen. Wegen der Beschäftigungen aber dispensiere niemals. Der Geringere muss dem Höheren, das Geschöpf dem Schöpfer dienen und abwarten. Du wärest wegen deines Amtes als Oberin weniger zu entschuldigen, denn du musst zuerst das Beispiel geben in Beobachtung der Gesetze. Darum darfst du für dich niemals einen menschlichen Grund gelten lassen, wenn du auch deine Schwestern und Untergebenen das eine oder andere Mal dispensierst. Beachte wohl, Teuerste, ich verlange von dir das Beste und Vollkommenste. Hiezu aber ist solche Strenge nötig; denn die Beobachtung der Gebote ist eine Pflicht gegen Gott und die Menschen. Und niemand denke, es sei genug, wenn man nur Gott befriedige, möge man auch die Pflichten gegen den Nächsten verletzen. Nein, wir sind schuldig, dem Nächsten gutes Beispiel zu geben und uns zu hüten, ihm Stoff zu wahrem Ärgernis zu bieten. O Königin und Herrin aller Geschöpfe, hätte ich doch die Reinheit und Stärke der himmlischen Geister, damit auch der niedere Teil, welcher die Seele beschwert', behende wäre, diese himmlische Lehre zu befolgen. Ich bin mir selbst zur Laste. Doch mit deiner Fürsprache und mit dem Beistande der Gnade Gottes werde ich trachten, o Herrin, deinem und seinem Willen rasch und freudig zu gehorchen. Möge deine Fürsprache, dein Schutz und deine heilige, erhabenste Lehre mir niemals mangeln! Buch eins. LEHRE welche mir die Himmelskönigin gab. 374. Meine Tochter, ich gebe dir drei Ermahnungen für dieses Hauptstück. Fürs erste, sei Gott dankbar und preise ihn ewiglich für die Wohltat, dass er dir Engel beigegeben, welche dich begleiten, unterweisen und in deinen Trübsalen und Mühen leiten. Die Menschen vergessen gewöhnlich diese Wohltat mit schändlicher, roher Undankbarkeit; sie achten nicht auf diese Barmherzigkeit und Güte Gottes, dass er diesen heiligen Fürsten geboten, irdische Geschöpfe, voll Elend und Sünde, zu begleiten und zu beschützen, während sie, die Engel, doch von viel edlerer, geistiger Natur sind, voll von Herrlichkeit, Würde und Schönheit. Die undankbaren Menschen berauben sich durch dies Vergessen vieler Gnaden von seiten der Engel und erzürnen den Herrn. Du dagegen, Teuerste, anerkenne die dir erwiesene Wohltat und zeige dich dafür dankbar aus allen Kräften. 375. Die zweite Ermahnung ist: Hege jederzeit und an jedem Orte für diese himmlischen Geister dieselbe Liebe und Ehrfurcht, wie wenn du sie mit leiblichen Augen sehen würdest. Sei also in deinem Benehmen behutsam und umsichtig, weil diese Himmelsfürsten zugegen sind. Wage nicht, in ihrer Gegenwart zu tun, was du nicht öffentlich tun würdest. Lass nicht ab, im Dienste Gottes zu tun, was sie tun und von dir verlangen. Bedenke, dass sie als Selige immerfort das Angesicht Gottes schauen, und darum wäre es nicht recht,dass,wenn sie zugleich auch dich sehen, sie etwas Ungeziemendes bemerken. Danke ihnen dafür, dass sie dich behüten, verteidigen und beschützen. 376. Die dritte Ermahnung ist: Sei aufmerksam auf die Eingebungen, Einsprechungen und Warnungen, durch welche sie dich erleuchten und anspornen, Herz und Sinn auf das Andenken an Gott und auf die Übung aller Tugenden zu richten. Erwäge wohl: du rufst sie so oft an, und sie antworten dir; du suchst und findest sie; wie oft hast du sie über die Eigenschaften deines geliebten Bräutigams befragt, und sie haben dir dieselben genannt. Wie oft haben sie dich angespornt, deinen Bräutigam zu lieben, wie oft dich wegen deiner Nachlässigkeit und deiner Fehler liebreich zurechtgewiesen! Hattest du in deinen Versuchungen, bei deiner Schwäche den Pfad des Lichtes verloren, so haben sie dich geduldig ertragen, haben gewartet,dir die Augen geöffnet und dich auf den rechten Weg der Satzungen und Zeugnisse des Herrn zurückgeführt. 0 Seele, vergiss nicht, wieviel du für solche Wohltaten der Engel Gott schuldig bist, mehr als viele Völker und Geschlechter! Bemühe dich daher, deinem Herrn und den Engeln, seinen Dienern, dankbar zu sein ! Buch eins. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN. Lehre: Demut Stillschweigen 384. Meine Tochter, je mehr jemand empfängt, für um so ärmer muss er sich ansehen, denn seine Dankesschuld ist um so grösser. Und wenn alle sich demütigen müssen, weil sie aus sich selbst nichts sind, nichts können und nichts besitzen, so muss sich doch aus dem gleichen Grunde derjenige am allermeisten in den Staub erniedrigen, der, obwohl Staub und Asche, durch die allmächtige Hand Gottes erhöht worden ist. Denn einerseits bleibt er an und für sich das, was er zuvor war, nämlich ein Nichts, das aus sich selbst nichts vermag, anderseits aber ist es eine Verpflichtung und seine Dankesschuld demjenigen gegenüber grösser, dem er aus sich selber nichts vergelten kann. Das Geschöpf soll anerkennen, was es von sich selbst ist. Niemand wird sagen können: "Ich habe mich selbst geschaffen; ich erhalte mich am Leben; ich kann mein Leben verlängern und den Tod fernhalten." Unser Sein und Fortbestehen hängt ganz und gar von Gottes Hand ab. Darum verdemütige sich das Geschöpf vor ihm, und du, Teuerste, vergiss diese Lehren nicht! 385. Es ist auch mein Wille, dass du die Tugend des Stillschweigens als ein kostbares Kleinod hochschätzest. Ich habe dieselbe von meiner Geburt an geübt. Denn da ich infolge des Lichtes, das ich vom Herrn empfing, in Gott selbst alle Tugenden erkannte, so schenkte ich gerade dieser Tugend meine besondere Zuneigung und nahm mir vor, dieselbe für mein ganzes Leben als Begleiterin und Freundin zu behalten. Deshalb beobachtete ich unverletzliches Stillschweigen, obwohl ich sprechen konnte, sobald ich das Licht der Welt erblickte. Das unmässige und unüberlegte Reden ist ein zweischneidiges Schwert; es verwundet mit der einen Schneide den, der spricht, mit der andern den, der zuhört; mit beiden zugleich zerstört oder hemmt es die Liebe nebst allen anderen Tugenden. Hieraus ersiehst du, wie sehr das Laster einer zügellosen Zunge Gott verhasst ist und wie er mit Recht seinen Geist abwendet und sein Angesicht verbirgt vor geschwätzigem Lärm und Geplauder; denn wo viel geredet wird, geht es nicht ohne schwere Sünde ab'. Nur mit Gott und seinen Heiligen kann man ungefährdet reden, und auch hiebei ist weise Umsicht nötig. Im Umgange mit den Menschen dagegen ist es sehr schwer, auf dem goldenen Mittelwege zu bleiben und nicht von dem, was gerecht und notwendig ist, zum Überflüssigen und Ungerechten überzugehen. 386. Das Mittel, das dich vor dieser Gefahr schützen wird, besteht darin, dass du dich mehr dem entgegengesetzten Extreme näherst, d.h., dass du eher im Schweigen als im Reden zuviel tuest. Denn die kluge Mitte, nur zu sprechen, soviel als notwendig ist, liegt dem vielen Schweigen näher als dem übermässigen Reden. Beachte wohl, o Seele: Du kannst unnötigen und freigewollten Unterhaltungen mit den Geschöpfen nicht nachgehen, ohne Gott in deinem Innern zu verlassen. Was du aber keinem Menschen tun könntest, ohne dich schämen und den Vorwurf der Unhöflichkeit fürchten zu müssen, das darfst du dir auch Gott gegenüber nicht erlauben, welcher dein und aller Herr ist. Verschliesse deine Ohren den trügerischen Unterhaltungen, welche dich verleiten können, Ungehöriges zu reden; denn du hast kein Recht, mehr zu sprechen, als was dein Gott und Herr dir befiehlt. Höre auf sein heiliges Gesetz, welches er mit gütiger Hand in dein Herz geschrieben hat. Horche dort auf die Stimme deines Hirten; antworte ihm und ihm allein. Ich mache dich aufmerksam: Willst du meine Schülerin und Gefährtin sein, so musst du dich in der Tugend des Stillschweigens im höchsten Grade auszeichnen. Schweige viel; schreibe jetzt diese Ermahnung in dein Herz und suche diese Tugend immer mehr liebzugewinnen. Denn zuerst verlange ich von dir Liebe zum Stillschweigen; nachher werde ich dich lehren, wie du reden sollst. 387. Damit will ich dir jedoch nicht verbieten, mit deinen Töchtern und Untergebenen zu sprechen, um sie zu ermahnen und zu trösten. Auch mit denjenigen sollst du sprechen, welche mit dir von Gott und seinen Vollkommenheiten reden können und seine Liebe in dir entzünden. Bei solchen Unterredungen wirst du das ersehnte, deiner Seele so heilsame Stillschweigen erwerben; denn dadurch werden dir die menschlichen Unterhaltungen zum Ekel, du wirst nur daran noch Freude finden, von dem ewigen Gute zu sprechen, nach welchem du dich sehnst. Dann wird durch die Macht der Liebe, welche dein ganzes Wesen in Gott, den Gegenstand deiner Liebe, umgestalten wird, die Heftigkeit der Leidenschaften gebrochen werden, und du wirst etwas von jenem süssen Martyrium erfahren, das ich erlitt, als ich über meinen Leib und das Leben klagte. Denn diese erschienen mir als harte Gefängnisse, welche zwar nicht meine Liebe, aber doch meinen Flug zu Gott hemmten. O meine Tochter, vergiss alles Irdische in deinem Stillschweigen und folge mir nach mit all deinem Eifer, mit all deinen Kräften, damit du den Stand, zu welchem dein Bräutigam dich einladet, erreichest und dort jene tröstlichen Worte hörest, welche mich in meinem Liebesschmerze aufrechthielten: "Meine Taube, erweitere dein Herz! Teuere, nimm diese süsse Qual an; denn mein Herz ist durch deine Liebe verwundet." So sprach der Herr zu mir, und auch du hast es wiederholt gehört; denn Gott spricht zu dem, der einsam ist und das Stillschweigen liebt. Buch eins LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN. Lehre: Benützung der Gnaden Gottes. 409. Meine teuerste Tochter, bedenke, dass allen Lebenden schon bei ihrer Geburt bestimmt ist, zu sterben; das Ende ihres Lebens aber wissen sie nicht. Sie wissen jedoch gewiss, dass ihr Lebenslauf kurz, die Ewigkeit aber endlos ist. Sie wissen, dass sie in der Ewigkeit nur dasjenige ernten, was sie jetzt in der Zeit säen an guten oder bösen Werken; denn diese werden alsdann ihre Frucht bringen, sei es zum ewigen Tode, sei es zum ewigen Leben. Es ist aber der Wille Gottes, dass kein Mensch, solange er sich auf dieser gefahrvollen Wanderschaft befindet, gewiss wisse, ob er der Liebe oder des Hasses würdig sei'. Gott will nämlich, dass diese Ungewissheit dem Menschen, sofern er nur vernünftig denkt, zum Sporne diene, die Freundschaft des Herrn mitaller Sorgfalt und mit Aufbietung aller seiner Kräfte zu suchen. Gott aber rechtfertigt seine Sache von dem Augenblicke an, da die Seele den Gebrauch der Vernunft erlangt. Denn in demselben Augenblicke zündet er in der Seele ein Licht an und gibt ihr eine Stimme, welche die Seele zur Tugend anleitet und anspornt, vom Bösen aber abhält. Diese Stimme lehrt die Seele, zwischen "Feuer und Wassert" zu unterscheiden, denn sie billigt das Gute und tadelt das Böse, sie wählt die Tugend und verwirft das Laster. Ausserdem weckt und ruft Gott selbst die Seele durch heilige Einsprechungen, durch beständige Antriebe, durch die heiligen Sakramente, Glaubensartikel und Gebote, durch die Engel, die Prediger, Beichtväter, Eltern und Lehrer. Er bedient sich der Leiden und Wohltaten, sowie des Beispiels anderer, der Unglücks- und Todesfälle und verschiedener anderer Ereignisse und Mittel; all dies leitet seine Vorsehung, um alle an sich zu ziehen; denn er will, dass alle Menschen selig werden3. Aus all dem bildet er eine Kette von kräftigen Gnadenhilfen, welche der Mensch benützen kann und soll. 410. Diesen Antrieben Gottes wirkt aber der niedere, sinnliche Teil des Menschen entgegen. Durch den Zunder der Sünde neigt er den Menschen zu den sinnenfälligen Dingen hin und erregt in ihm die Affekte der Zuneigung und der Abneigung, der Liebe und des Hasses (passiones partis concupiscibilis et irascibilis), dass diese die Vernunft verwirren und den blinden Willen fortreissen, sich ungebunden dem Vergnügen hinzugeben. Der Satan aber verdunkelt durch den Zauber der Eitelkeit und durch boshafte, trügerische Vorspiegelungen den inneren Sinn und verbirgt das tödliche Gift jenes vergänglichen Vergnügens. Allein Gott verlässt seine Geschöpfe nicht so bald. Er erneuert vielmehr seine Erbarmungen und Gnadenhilfen und ruft die Seelen durch neue Gnaden zurück. Entsprechen sie diesen ersten Einladungen, dann fügt er gemäss seiner Gerechtigkeit noch grössere hinzu, und seine Gnaden werden immer zahlreicher und stärker, je besser man dieselben benützt. Zum Lohne dafür, dass die Seele sich selbst überwunden hat, verlieren die Leidenschaften und bösen Neigungen an Kraft, der Geist aber wird freier, um sich in die Höhe emporzuschwingen und seinen Neigungen und dem bösen Feinde weit überlegen zu werden. 411. Wenn sich dagegen der Mensch von dem Vergnügen und dem Leichtsinne verleiten lässt und dem Feinde Gottes, der auch sein Feind ist, die Hand reicht, dann wird er der himmlischen Einsprechungen um so unwürdiger und selbst für grosse Gnaden unempfänglicher, je weiter er sich von Gottes Güte entfernt. Denn der Satan und die Leidenschaften haben dann eine grössere Herrschaft über die Vernunft erlangt, so dass dieselbe der Gnade Gottes weniger zugänglich wird. In dieser Lehre, meine Tochter und Freundin, habe ich dir dasjenige genannt, was vor allem anderen über die Rettung und Verdammnis der See/en entscheidet. Diese Entscheidung hängt nämlich hauptsächlich davon ab, ob man die Gnadenhilfen sogleich im Anfange annimmt oder zurückweist'. Vergiss also nie diese Lehre, damit du den zahlreichen Einsprechungen, die du vom Allerhöchsten empfängst, Folge leistest. Sei stark im Widerstande gegen deine Feinde. Sei gewissenhaft und tatkräftig in Ausführung dessen, was der Herr von dir verlangt. Dadurch wirst du ihm wohlgefallen und auf seinen Willen achten, den du im himmlischen Lichte erkennst. Ich trug grosse Liebe zu meinen Eltern, und die zärtlichen Worte meiner Mutter verwundeten mein Herz. Allein da ich wusste, es sei der Wille Gottes, dass ich sie vergesse, vergass ich ihr Haus und mein Volke, um nur meinem Bräutigam zu folgen. Die gute Erziehung und Unterweisung in der Kindheit ist sehr wichtig für die Zukunft; denn wenn das Geschöpf vom ersten Erwachen seiner Vernunft an diesem wahren und zuverlässigen Leitstern folgt, dann erlangt es grössere Freiheit und Fertigkeit in Übung der Tugend. @@@@@ Buch 2 @@@@@ BUCH 2 MARIA VON AGREDA: BUCH ZWEI. LEHRE der allerseligsten Jungfrau Maria. Lehre: Die Gnade des Ordensberufes. 425. Meine Tochter, das höchste Glück, welches einer Seele in diesem sterblichen Leben zuteil werden kann, ist, dass der Allerhöchste sie in sein Haus beruft und gänzlich seinem Dienste weiht. Denn durch diese Gnade befreit er dieselbe von einer gefahrvollen Sklaverei und entreisst sie der entehrenden Knechtschaft der Welt, wo man sein Brot im Schweisse seines Angesichtes' isst, ohne sich jemals einer vollkommenen Freiheit zu erfreuen. Wer ist so töricht und verblendet, dass er nicht einsieht, wie gefahrvoll das Leben in der Welt ist, wo es so viele verabscheuungswürdige, ganz und gar verkehrte Grundsätze und Gebräuche gibt, welche durch die Arglist des Teufels und die Bosheit der Menschen eingebürgert sind? Der "beste Teil" ist der Ordensstand und die Zurückgezogenheit. - Da findet man einen sicheren Hafen; alles andere ist voll Qual, Sturm, Unruhe, Schmerz und Elend. Wenn die Menschen für diese Wahrheit blind und für diese ausgezeichnete Wohltat undankbar sind, so verrät dies eine abscheuliche Härte des Herzens und eine grosse Geringschätzung des eigenen Heils. Du nun, meine Tochter, sei nicht taub gegen die Stimme des Allerhöchsten, höre darauf und handle darnach. Denn ich sage dir, eine der Hauptsorgen des Teufels geht dahin, die Seelen, welche der Herr zu seinem Dienste beruft und vorbereitet, von dem Gehorsam gegen den göttlichen Ruf abzuhalten. 426. Schon jene öffentliche und heilige Handlung, wodurch jemand das Ordenskleid empfängt und in den Ordensstandeintritt, sollte dies auch nicht immer mit dem erforderlichen Eifer und der gebührenden Reinheit der Absicht geschehen, versetzt die höllische Schlange und ihren Anhang in Wut und Raserei, teils weil durch diese Handlung der Herr verherrlicht und die heiligen Engel erfreut werden, teils weil der Ordensstand jenen Akt heiligt und vervollkommnet, was dem Todfeinde der Seelen gar wohl bekannt ist. Und in der Tat geschieht es sehr oft, dass, selbst wenn jemand aus menschlichen und irdischen Rücksichten in den Ordensstand eingetreten ist, die Gnade doch nachher wirkt und alles verbessert und in Ordnung bringt. Vermag aber die Gnade selbst in dem Falle solches zu wirken, wenn ursprünglich die Absicht nicht so rein war, wie es sich gebührte, so wird das Licht und die Kraft des Herrn in Vereinigung mit der Ordenszucht noch mächtiger wirken, wenn die Seele rein aus Liebe zu Gott in den Ordensstand tritt, beseelt von dem lebhaften und aufrichtigen Verlangen, Gott zu finden, ihm zu dienen und ihn zu lieben. 427. Soll nun aber der Allerhöchste jemanden, der aus was immer für einem Beweggrunde in den Ordensstand eintritt, zur Besserung und Vollkommenheit führen, so muss dieser, nachdem er der Welt den Rücken gekehrt, nicht mehr auf dieselbe zurückblicken, aus seinem Gedächtnisse alle Vorstellungen derselben entfernen und das vergessen, was er mit vollem Rechte in der Welt verlassen hat. Wer auf diese Lehre nicht achtet und sich undankbar und treulos gegen den Herrn benimmt, der zieht sich ohne Zweifel die Strafe zu, von welcher das Weib Loths getroffen wurde'. Sollte diese Strafe auch aus göttlicher Barmherzigkeit nicht ebenso sichtbar und für die äusseren Augen wahrnehmbar sein, innerlich erfährt er dieselbe sicher, indem er kalt, trocken, ohne Eifer und Tatkraft bleibt. Die Folge dieser Verlassenheit von der Gnade ist, dass solche Unglückliche das Ziel ihres Berufes nicht erreichen, im Ordensleben keine Fortschritte machen, keinen geistlichen Trost darin finden und nicht verdienen, dass der Herr sie als seine Kinder ansehe und heimsuche; vielmehr überlässt sie der Herr als treulose, flüchtige Sklaven ihren Verirrungen. Bedenke also, Maria, dass die Welt mit all ihren Gütern dir abgestorben und gekreuzigt sein muss, und du der Welt, und dass du darum deine Gedanken und Vorstellungen, dein Sinnen und Trachten auf nichts Irdisches mehr richten darfst. Und solltest du bisweilen ein Liebeswerk gegen den Nächsten zu üben genötigt sein, so verfahre dabei so, dass du vor allem das Heil deiner Seele vor Augen habest sowie die Sicherheit, die Ruhe, den Frieden und die Stille deines Innern. Und willst du meine Schülerin bleiben, so ermahne ich dich und befehle dir, dass du bei diesen Vorschriften in allem bis auf das Äusserste gehest, soweit es nicht fehlerhaft ist. BUCH ZWEI. LEHRE der seligsten Jungfrau Maria. Lehre: Maria, die Mutter der Ordenspersonen. 439. Meine Tochter, zu den grossen und unaussprechlichen Gunstbezeigungen, welche mir im Verlaufe meines Lebens aus der Hand des Allmächtigen zukamen, gehört diejenige, welche du soeben erkannt und beschrieben hast. Denn in der klaren Anschauung der Gottheit und der unbegreiflichen Wesenheit des Allerhöchsten habe ich die verborgensten Geheimnisse erkannt, und durch diesen Schmuck und diese Vermählung wurde mir eine unermessliche Wohltat zuteil und mein Geist mit der Süssigkeit göttlicher Wirkungen erfüllt. Mein Verlangen, die vier Gelübde der Armut, des Gehorsams, der Keuschheit und der beständigen Klausur abzulegen, war Gott überaus angenehm, und ich habe dadurch verdient, dass in der Kirche und im Gesetze der Gnade die bis heute noch bestehende Gewohnheit sich bildete, wonach gottesfürchtige Jungfrauen sich durch diese Gelübde verpflichteten'. Damals also wurde begonnen, was ihr Klosterfrauen heute noch tut gemäss den Worten des königlichen Psalmisten: "Nach ihr werden Jungfrauen dem Könige zugeführt werden2." Gott hat nämlich angeordnet, dass jenes mein Verlangen die Grundlage der religiösen Orden im Gesetze des Evangeliums sei. Und was ich in Gottes Gegenwart mir vorgenommen habe, das habe ich auch ganz und aufs vollkommenste erfüllt, soweit Lebensweise und Stand es mir erlaubten. Niemals habe ich einem Mann ins Gesicht geschaut, selbst meinem Bräutigam Joseph nicht, ja nicht einmal den Engeln, wenn diese in menschlicher Gestalt vor mir erschienen; ich habe sie aber alle in Gott gesehen und gekannt. Ebenso habe ich mich niemals von einer besonderen Zuneigung zu irgendeiner geschaffenen Sache oder Person in meinen Werken oder Wünschen leiten lassen; ich hatte auch keinen eigenen Willen, so dass ich jemals "ja oder nein, ich werde es tun oder nicht tun" gesagt hätte. Denn in allem leitete mich der Allerhöchste, teils unmittelbar selbst, teils durch die Befehle der Geschöpfe, denen ich aus freiem Willen gehorchte. 440. Du musst wohl wissen, meine Tochter, dass der Allerhöchste den Ordensstand geheiligt und eingesetzt hat, damit durch denselben die Lehre von der christlichen Vollkommenheit sowie die vollkommene Nachahmung des heiligsten Lebens meines Sohnes erhalten werde. Darum ist er auch aufs höchste erzürnt gegen jene Ordensleute, welche, uneingedenk einer so ausserordentlichen Gunst, dem Schlafe sich überlassen und ganz sorglos, ja in grösserer Ungebundenheit als manche Weltleute dahinleben. Solche Ordensleute haben ein strengeres Gericht und eine schwerere Strafe zu gewärtigen als die Weltleute. Auch der Teufel, die alte und listige Schlange, wendet grössere Mühe und Umsicht an, um Ordensmänner und Klosterfrauen zu versuchen und zu besiegen, als er dieses bei den übrigen Weltleuten zusammengenommen tut. Und fällt eine Ordensperson, so gebraucht die gesamte Hölle wirksamere Mittel und grössere Sorgfalt, damit dieselbe ja nicht mit Hilfe der im Ordensstande reichlicher dargebotenen Heilsmittel, wie solche der Gehorsam, die heiligen Übungen, der häufige Empfang der heiligen Sakramente sind, von ihrem Falle sich erhebe. Und damit diese Mittel alle nutzlos bleiben und die gefallene Ordensperson nicht aufstehe, greift der Feind zu solchen Kunstgriffen und Mitteln, dass man bei Wahrnehmung derselben erschrecken würde. Es tritt jedoch vieles davon in den Bewegungen und Handlungen zutage, welche eine solche Ordensperson vornimmt, um ihre Nachlässigkeiten zu verteidigen, indem sie dieselben womöglich mit irgendeinem schönen Vorwand oder, falls dies nicht möglich ist, durch Hinweis auf gröberen Ungehorsam und ärgere Unordnungen und Sünden zu entschuldigen sucht. 441. Darum, meine Tochter, beachte und fürchte eine so entsetzliche Gefahr! Trachte durch die Kraft der göttlichen Gnade dich über dich selber zu erheben und dulde in deinem Willen keine ungeordnete Anhänglichkeit oder Neigung. Ich will, dass du mit aller Anstrengung deine Leidenschaften abtötest und im geistlichen Leben immer mehr erstarkest, damit du, wenn alles Irdische in dir erstorben ist, zu einem englischen Leben und Wandel gelangest. Willst du den Namen einer Braut Christi tragen, so musst du dich über den Gesichtskreis des menschlichen Lebens erheben und zu einem höheren Zustande, zu einem göttlichen Leben erschwingen. Du bist zwar Erde, aber du sollst ein gesegnetes Erdreich sein, ohne die Dornen der Leidenschaften, ein Erdreich, dessen reichliche Früchte ganz seinem Herrn, dem Allerhöchsten, gehören. Und weil du den höchsten und mächtigsten Herrn, den König der Könige und den Herrn der Herren zum Bräutigam hast, so darfst du dich nicht herabwürdigen und deine Augen und viel weniger dein Herz den niedrigen Dienern, d. h. den Menschen, zuwenden; denn selbst die Engel lieben und ehren dich um der Würde einer Braut des Allerhöchsten willen. Und gilt es bei den Menschen als eine grosse Verwegenheit und Unschicklichkeit, wenn ein niedriger Mensch seine Augen auf die Gemahlin eines Fürsten wirft, welch ein Verbrechen müsste es nicht sein, würde er sie auf die Braut des allmächtigen und himmlischen Königs werfen? Und würde diese so etwas zulassen oder ein Wohlgefallen daran zeigen, ihre Schuld wäre nicht geringer. Denke ernstlich hierüber nach und sei versichert, dass die von Gott für eine solche Sünde bestimmte Strafe ebenso schrecklich als unbegreiflich ist. Ich will sie dir nicht vor Augen halten; deine Schwäche vermöchte ja ihren Anblick nicht zu ertragen. Meine Belehrung sei dir genug, damit du in allem nach meinem Befehle handelst und als Schülerin nach Massgabe deiner Kräfte mir nachfolgest. Trachte auch, diese Belehrungen deinen Nonnen einzuprägen und dieselben zu deren Befolgung zu ermuntern. 442. Meine gütigste Herrin und Königin, mit der grössten Freude der Seele vernehme ich deine süssesten Worte, die voll Geist und Leben sind; und ich wünsche sie mit der Gnade deines heiligsten Sohnes, um deren Erlangung ich dich anflehe, in das Innerste meines Herzens einzuschreiben. Willst du es mir aber erlauben, so will ich in deiner Gegenwart reden, wie eine unwissende Schülerin vor ihrer Herrin und Meisterin. Damit ich meine vier Ordensgelübde dem Befehle deiner Majestät und meiner Verpflichtung gemäss erfülle, so bitte ich, obwohl ich so unwürdig und tau bin, dass du, o meine Mutter und Lehrmeisterin, mir eine weitläufigere Unterweisung erteilest, die mir als Richtschnur und Anleitung bei Ausübung dieser Pflicht und bei Ausführung des Verlangens diene, das du meiner Seele eingeflösst hast. Buch zwei. LEHRE der Himmelskönigin über meine vier Ordensgelübde. 443. Meine Tochter und Freundin, ich will dir die erbetene Unterweisung, die du zu befolgen verlangst, nicht versagen: nimm sie aber mit Hochachtung, mit andächtigem Herzen und mit der Bereitwilligkeit an, darnach zu handeln. Der Weise spricht: "Mein Sohn, bist du Bürge geworden für deinen Freund, hast du einem Fremden deine Hand gegeben, so bist du durch deines Mundes Worte gebunden und gefangen durch die eigenen Reden'." Gemäss dieser Wahrheit hat der, welcher Gott etwas gelobt hat, die Hand seines eigenen Willens angenagelt, sodass er nicht mehr nach freier Wahl, sondern nur nach dem Willen und Wohlgefallen dessen handeln darf, gegen den or sich durch seinen eigenen Mund und die Worte seiner Profess verpflichtet hat. Vor seiner Gelübdeablegung stand ihm die Wahl seines Weges frei; hat aber eine Ordensperson sich einmal durch die Gelübde gebunden und verpfändet, dann muss sie wissen, dass sie ihre Freiheit gänzlich verloren und sich vollkommen Gott in der Person ihres Obern übergeben hat. Das ganze Heil oder das Verderben der Seelen hängt von dem Gebrauch ihrer Freiheit ab; weil aber die meisten dieselbe missbrauchen und sich dadurch ins Verderben stürzen, hat der Allerhöchste die Ordensstände eingesetzt und ihnen mittels der Gelübde Festigkeit verliehen, damit die Kreatur ein für allemal von ihrer Freiheit nach vollkommener und kluger Wahl Gebrauch mache und der göttlichen Majestät in jenem einen Akte das weihe, was sie durch mehrere verlieren würde, falls sie die Freiheit hätte, zu wollen oder nicht zu wollen. 444. Durch diese Gelübde wird in glücklicher Weise die Freiheit für das Böse verloren und für das Gute befestigt und gesichert; denn sie sind gleichsam ein Zaun, der von Gefahren zurückhält und auf den ebenen und sicheren Weg führt. Es entgeht die Seele dem Sklavenjoch ihrer Leidenschaften und erlangt über dieselben eine neue Herrschaft wie eine Herrin und Königin über den ihr unterworfenen Staat. Sie bleibt nur mehr der Gnade und den Anregungen des Heiligen Geistes unterworfen, der sie, wenn sie anders gänzlich seinem Willen sich unterwirft, bei allen ihren Verrichtungen leitet, damit sie nach ihren Gott gemachten Versprechen handle. Dadurch erhebt sich die Kreatur aus dem Stand und der Lage einer Dienerin zur Würde einer Tochter des Allerhöchsten und von dem irdischen Stand in den englischen. Die Fehler ihrer Gebrechlichkeit sowie die Strafen der Sünde berühren sie nicht mehr. Unmöglich kannst du im sterblichen Leben verstehen und begreifen, wie viele und grosse Güter und Schätze die Seele sich sammelt, welche aus allen Kräften ihre Ordensgelübde vollkommen zu beobachten sich bemüht. Darum versichere ich dich, meine teuerste Tochter, dass vollkommene und observante Ordenspersonen das Verdienst der Martyrer, ja selbst ein noch höheres zu erlangen vermögen. 445. Du, meine Tochter, hast den glücklichen Anfang dieser so grossen Güter an jenem Tage erlangt, wo du den besten Teil erwählt hast. Aber bedenke wohl, dass du dich gegen einen ewigen, allmächtigen Gott verpflichtet hast, dem auch das Verborgenste des Herzens offenbar ist. Und wenn es eine so abscheuliche und schon von der natürlichen Vernunft verurteilte Sache ist, einen irdischen Menschen zu täuschen und gerechte Versprechen nicht zu halten, was muss es erst um die Untreue gegen Gott in den gerechtesten und heiligsten Versprechungen für eine schwere Sache sein? Als deinem Schöpfer, Erhalter und Wohltäter schuldest du ihm Dankbarkeit, als deinem Vater kindliche Ehrfurcht, als deinem Bräutigam Treue, als deinem Freunde wohlwollendes Entgegenkommen, als dem Wahrhaftigen und Getreuen Glauben und Hoffnung, als dem höchsten und ewigen Gute Liebe, als dem Allmächtigen Unterwürfigkeit und als dem gerechtesten Richter demütige und heilige Furcht. Du würdest also gegen diese und viele andere Verpflichtungsgründe fehlen und treulos handeln, wolltest du nachlässig sein und die bei der Profess gemachten Versprechungen nicht halten. Und ist es für alle Nonnen wegen ihrer Verpflichtungen zu einem geistlichen Lebenswandel eine ganz entsetzliche Sache, Bräute Christi zu heissen und Glieder und Dienerinnen des Teufels zu sein, so wäre das bei dir noch abscheulicher. Denn du hast mehr als alle anderen empfangen, du musst deshalb auch die anderen an Liebe, Eifer und Dankbarkeit für solch unvergleichliche Gnaden und Wohltaten übertreffen'. 446. Merke also wohl, o Seele, wie verabscheuungswürdig dich eine solche Schuld machen würde vor dem Herrn, vor mir, vor den Engeln und Heiligen, die wir alle Zeugen sind von der Liebe und Treue dieses reichen, wohlwollenden und freigebigen Bräutigams gegen dich. Sei darum mit aller Sorgfalt bedacht, ihn niemals weder im Grossen noch im Kleinen zu beleidigen, und zwinge ihn ja nicht, dich den wilden Tieren, d. i. den bösen Leidenschaften, zu überlassen. Denn du musst wohl wissen, dass dieses für dich ein grösseres Unglück und eine grössere Strafe wäre, als wenn er dich der Wut der Elemente und aller wilden und reissenden Tiere, ja selbst der Teufel überliesse, damit alle miteinander ihre Bosheit an dir auslassen und die ganze Welt alle erdenklichen Qualen und Unbilden gegen dich anwende. Alles dieses würde dir weniger schaden als die Beleidigung Gottes durch eine einzige lässliche Sünde. Denn du bist in allem und durch alles ihm zu dienen und ihn zu lieben verbunden. Jedwede Strafe dieses Lebens ist geringer als die Schuld; denn jene wird mit diesem sterblichen Leben endigen, die Schuld aber kann ewig bleiben und mit ihr auch die Strafe und Züchtigung. 447. In diesem Leben haben die Menschen grosse Furcht und Angst vor jeglicher Strafe und Trübsal, weil sie dieselben vor Augen haben und gleichsam mit Händen greifen; die Sünde aber kümmert und schreckt sie nicht. Denn ganz in das Sichtbare verstrickt, schauen sie nicht auf das, was unmittelbar auf die Sünde folgt, nämlich auf die ewige Strafe der Hölle. Und obwohl diese in der Sünde selber eingeschlossen und mit ihr verbunden ist, so ist doch das menschliche Herz so schwerfällig und träge, dass es sich mit der Sünde berauscht und die Strafe nicht achtet, weil es die Hölle nicht mit den Sinnen wahrnimmt. Wohl könnte der Mensch mittels des Glaubens die Hölle sehen und gleichsam mit Händen greifen; aber er lässt den Glauben untätig und tot, als ob er gar keinen hätte. 0 überaus unselige Verblendung der Menschen! O Trägheit und Nachlässigkeit, welche so viele Seelen, die mit Vernunft begabt und einer ewigen Seligkeit fähig sind, so schmählich unterdrücken! Es gibt keine Worte, keine Ausdrücke, welche hinreichend wären, eine so schaudervolle, entsetzliche Gefahr nach Gebühr zu schildern. Meide und fliehe darum, meine Tochter, mit heiliger Furcht einen so unglücklichen Zustand und ertrage lieber alle Mühen und Martern dieses flüchtigen Lebens, als dass du dich einer solchen Gefahr näherst; denn an nichts wird es dir mangeln, wenn du nur Gott nicht verlierst. Ein sehr kräftiges Mittel aber zur Bestärkung im Guten wird es für dich sein, wenn du vor Augen hast, dass an dir und deinem Stande kein Fehler gering ist. Auch vor dem kleinen musst du grosse Furcht haben; es weiss ja der Allerhöchste, dass das Geschöpf durch die Nichtbeachtung der geringen Fehler anderen und grösseren den Weg zu seinem Herzen öffnet. Auch ist eine Liebe nicht preiswürdig, wenn sie nicht mit Sorgfalt es vermeidet, der geliebten Person irgendwie zu missfallen. 448. Die Ordnung, welche die Ordenspersonen bei Ausführung ihrer Vorsätze einhalten sollen, ist folgende: Vor allem sollen sie in Beobachtung der Gelübde und in Übung aller darin enthaltenen Tugenden sorgfältig und pünktlich sein. Die zweite Stelle nehmen die freiwilligen Werke oder die sogenannten Werke der Übergebühr ein. Diese Ordnung pflegen manche Seelen zu verkehren; mit einem unklugen Eifer im Streben nach Vollkommenheit vom Teufel getäuscht, begehen sie durch Vernachlässigung ihrer Standespflichten schwere Sünden, während sie freiwillige Werke und Beschäftigungen hin zufügen wollen, welche gewöhnlich nur unbedeutend oder unnütz sind und dem Geiste des Hochmutes oder der Sonderbarkeit entspringen. Denn sie wollen bewundert und als besonders eifrig und vollkommen unter allen angesehen werden, während sie sogar vom Anfange der Vollkommenheit noch sehr weit entfernt sind. Ich will nicht, meine Tochter, dass du einem solchen Fehler verfallest; ich fordere vielmehr, dass du an erster Stelle deine Gelübde und das gemeinschaftliche Leben beobachtest und dann erst beifügest, was du mit der Gnade Gottes und nach deinen Kräften darüber noch vermagst; denn beides zusammen schmückt und vervollkommnet die Seele und macht sie wohlgefällig in Gottes Augen. 449. Das Gelübde des Gehorsams ist das vorzüglichste unter den Ordensgelübden; denn es schliesst eine vollkommene Entsagung und Verleugnung des eigenen Willens in sich, dergestalt, dass einer Ordensperson keinerlei Gewalt oder Recht mehr über sich selbst bleibt, um zu sagen: "Ich will, oder ich will nicht; ich werde es tun, oder ich werde es nicht tun."Alles dessen hat sie sich durch das Gelübde des Gehorsams beraubt und begeben und hat alles in die Hände ihres Obern niedergelegt. Und willst du diesem nachkommen, so darfst du nicht auf deine eigene Weisheit bauen und dich als die Herrin deiner Neigungen, deines Willens und deines Verstandes betrachten. Denn der wahre Gehorsam muss aus der Wurzel des Glaubens hervorgehen; und das vom Obern Befohlene soll man ehrerbietig annehmen und glauben, ohne sich anzumassen, es untersuchen oder verstehen zu wollen. Du musst demnach, willst du gehorsam sein, dich so betrachten, als ob du ohne Vernunft, Leben und Urteil, ja ein entseelter Leichnam wärst, den man beliebig bewegen und behandeln kann, und als ob du nur lebest, um hurtig in allem den Willen des Obern zu vollziehen. Niemals denke bei dir selbst hin und her, was du etwa tun sollst, denke vielmehr nur daran, wie du dasjenige ausführst, was dir befohlen worden ist. Bringe deinen eigenen Willen zum Opfer und schlage allen deinen Begierden und Leidenschaften den Kopf ab. Und bist du durch diesen wirksamen Entschluss deinen Neigungen abgestorben, so lasse den Gehorsam die Seele und das Leben deiner Werke sein. Den Willen deines Obern musst du auch als den deinigen mit allen deinen Regungen, Worten und Werken anschauen. Bei allem verlange, dass dein eigenes Ich dir entrissen werde und ein anderes, ein neues an seine Stelle komme, so dass nichts mehr dein sei, sondern alles nach dem Gehorsam ohne irgendeine Widerrede oder eine Widersetzlichkeit geschehe. 450. Die vollkommenste Art und Weise zu gehorchen - merke es dir wohl - besteht in der Sorge, dass der Obere kein Widerstreben wahrnehme, das ihn betrüben müsste. Man schuldet ihm ja einen solchen Gehorsam, der ihn befriedigt und ihm beweist, dass man mit Bereitwilligkeit, ohne ein Wort des Widerspruches oder Murrens oder andere Zeichen der Unzufriedenheit gehorche. Der Obere vertritt die Stelle Gottes, und wer den Vorgesetzten gehorcht, der gehorcht Gott selber, der in ihnen ist, sie leitet und in dem erleuchtet, was sie den Untergebenen zum Wohle und Heile ihrer Seelen befehlen. Ebenso fällt auch die Verachtung gegen den Vorgesetzten auf Gott zurück, welcher durch denselben und in demselben dir seine Anordnungen gibt und seinen Willen offenbart. Und du musst wissen, dass der Herr selber ihre Zunge bewegt oder dass ihre Zunge die Zunge des Allmächtigen selber ist. Sei darum, meine Tochter, auf den Gehorsam eifrig bedacht; dann wirst du von Siegen reden. Fürchte nichts beim Gehorsam; denn er ist der sichere Weg, und zwar in dem Grade, dass Gott die Fehler der Gehorsamen nicht in seinem Gedächtnis bewahrt für den Tag der Rechenschaft, sondern vielmehr um dieses einzigen Opfers des Gehorsams willen auch ihre übrigen Sünden verzeiht. Auch hat mein heiligster Sohn dem ewigen Vater sein kostbares Leiden und seinen Tod mit besonderer Liebe für die Gehorsamen aufgeopfert, damit sie durch diese Tugend eine vollkommene Verzeihung und grössere Gnaden erhalten und bei allem, was sie aus Gehorsam unternehmen, zum vorgesteckten Ziele und zur Vollkommenheit gelangen. Und damit er seinen Vater zur Versöhnung gegen die Menschen bewege, stellt er ihm auch jetzt noch öfter vor, wie er für sie gehorsam geworden ist bis zum Tode am Kreuze, und dadurch wird der Herr besänftigt. Und weil ihm der Gehorsam Abrahams und seines Sohnes isaak so wohlgefällig war, so hielt er sich für verpflichtet, nicht bloss seinen so gehorsamen Sohn dem Tode zu entreissen, sondern ihn auch zum Ahnherrn seines menschgewordenen Sohnes zu machen und aus allen anderen zum Haupt und Fundamente so grosser Segnungen zu erwählen. 451. Das Gelübde der Armut ist eine grossmütige Entsagung und Lostrennung von der schweren Last des Zeitlichen; es ist eine Erleichterung des Geistes, eine Erquickung der menschlichen Schwachheit und eine edle Freiheit des Herzens, welches ewiger und geistiger Güter fähig ist. Es ist eine Befriedigung und Sättigung, in welcher die nach irdischen Schätzen lechzende Begierlichkeit unterdrückt wird; es ist eine Herrschaft, ein Besitz und ein überaus edler Gebrauch von allen Reichtümern. Meine Tochter, alle diese und noch viel grössere Güter schliesst die freiwillige Armut in sich. Aber die Kinder der Welt, die Liebhaber des Reichtums und die Feinde der reichen und heiligen Armut, wissen von all diesem nichts, weil sie dessen entbehren. So sehr sie auch darunter seufzen und gequält werden, so bemerken sie doch das schwere Joch der Reichtümer nicht, das sie bis auf den Boden, ja sogar bis in die Eingeweide der Erde niederdrückt, um daselbst Gold und Silber mit Sorgen, Nachtwachen, Mühen und Schweiss auszugraben, wie sie nicht für vernünftige Menschen, sondern nur für vernunftlose Tiere passen, die nicht wissen, was sie tun und was sio leiden. Und wenn sodann die Reichtümer schon solche Beschwerden verursachen, noch bevor man sie besitzt, um wieviel mehr werden sie erst drücken, wenn man sie einmal aufgehäuft hat? Mögen jene dieses beantworten, welche diese Last bis in die Hölle hinabgedrückt hat; mögen die unaufhörlichen Sorgen es sagen, welche mit deren Bewahrung verbunden sind, und namentlich jene unerträglichen Gesetze, welche der Reichtum und seine Besitzer in dieser Welt eingeführt haben. 452. Wenn alles dieses den Geist erstickt, seine Schwachheit tyrannisch unterdrückt und die so edle Empfänglichkeit der Seele für die ewigen Güter und für Gott selber entehrt, so ist os gewiss, dass die freiwillige Armut es ist, welche die Kreatur widerum zu ihrem erhabenen Rang erhebt, sie aus ihrer so schmählichen Sklaverei befreit und in die edle Freiheit versetzt, in der sie zur Herrin aller Dinge geschaffen worden ist. Niemals ist sie vollkommener Herrin über diese, als wenn sie dieselben verachtet; und sie übt dann das vollkommenste Eigentumsrecht und macht den edelsten Gebrauch von ihren Reichtümern, wenn sie dieselben verteilt oder freiwillig verlässt. Vollkommen gesättigt ist ihr Verlangen aber dann, wenn sie sich freut, nichts zu besitzen. Noch mehr. Durch eine solche Losschälung bleibt das Herz des Menschen fähig und weit genug, dass der Herr die Schätze seiner Gottheit in ihm niederlege, für welche os von Gott mit einer gleichsam unendlichen Fassungskraft erschaffen worden ist. 453. Meine Tochter, ich wünsche, dass du dich mit allem Heiss auf das Studium dieser heiligen Philosophie, dieser göttlichen Wissenschaft verlegst, einer Wissenschaft, welche von der Welt, und nicht bloss von der Welt, sondern sogar von vielen gottgeweihten und durch Gelübde dazu verbundenen Personen ganz und gar vergessen ist. Gross ist der Zorn Gottes über ein solches Vergehen, und schwere Strafe trifft dafür alsbald solche Seelen. Freilich beachten die Übertreter dieses Gelübdes diese Strafe nicht, weil sie mit Verwerfung der freiwilligen Armut den Geist Christi, meines heiligsten Sohnes, von sich entfernt und jene Lehren verworfen haben, welche er und ich in Armut und Not den Menschen verkündigt haben. Wenn sie aber auch jetzt, da der gerechte Richter noch Nachsicht trägt und sie selbst des erwünschten Überflusses sich erfreuen, die Strafe nicht fühlen, so werden sie doch am Tage der ihnen bevorstehenden Rechenschaft sich beschämt sehen und die richtige Vorstellung bekommen von der Strenge der göttlichen Gerechtigkeit, die sie hienieden nicht bedacht, nicht erwogen und nicht beherzigt haben. 454. Die zeitlichen Güter hat der Allerhöchste dazu erschaffen, damit sie den Menschen einzig und allein zum Lebensunterhalte dienen; ist dieser Zweck erreicht, so ist kein Grund für ihre Notwendigkeit mehr vorhanden. Und weil das Leben begrenzt, schnell vorüber und zur Fristung desselben wenig erfordert ist, während die Seele bleibt und ewig lebt, so ist es unvernünftig, wenn die Menschen für die Seele nur zeitweilig und wie im Vorbeigehen sorgen, das Verlangen aber und die Sorge um Anhäufung der Reichtümer beständig und ewig unterhalten. Höchst verkehrt ist es, wenn der Mensch bei Dingen, die so weit voneinander abstehen und wo es sich um so vieles handelt, die Ziele und die Mittel verwechselt, wenn er in seiner Unwissenheit dem kurzen und höchst unsicheren Leben seines Leibes alle Zeit, alle Sorge, die Anstrengung aller seiner Kräfte und die ganze Sorgfalt seines Geistes zuwendet, seiner armen Seele aber in vielen Jahren seines Lebens nichts weiter schenken will als ein Stündlein, und zwar oftmals nur das letzte und schlechteste seines Lebens. 455. Ziehe darum, meine teuerste Tochter, aus dem wahren Licht und der von Gott dir verliehenen Erkenntnis dieses so verderblichen Irrtums für dich Nutzen. Lege jede Neigung zu irgendeiner irdischen Sache ab. Auch unter dem Vorwand und Scheingrunde der Not und Armut deiner Ordensgemeinde darfst du dich nicht mit einer unordentlichen Sorge für das zum Lebensunterhalt Erforderliche quälen. Und verwendest du auch nach Schuldigkeit eine mässige Sorge darauf, so geschehe es (Joch so, dass du, falls das Gewünschte mangelt, den Frieden nicht verlierest und nicht mit sorgender Unruhe dasselbe wünschest, sollte es auch den Anschein haben, als gereiche es zur Ehre Gottes. Du wirst ihn ja um so weniger lieben, je mehr du anderes neben ihm lieben willst. Dem Zuviel musst du entsagen, weil es überflüssig ist und du desselben nicht bedarfst; dasselbe nutzlos behalten, wäre Sünde. Das Wenige aber muss man auch wenig schätzen; denn es wäre eine noch grössere Vorirrung, das Herz mit dem zu beschweren, was nichts wert und dennoch ein Hindernis ist. Wenn du alles, was dir nach deinem menschlichen Ermessen notwendig ist, erlangst, so bist du nicht wahrhaft arm; denn die Armut, im strengen und eigentlichen Sinne genommen, besteht darin, dass man nicht einmal (las Notwendige hat; und nur jener wird reich genannt, dem nichts mangelt. Denn Überfluss haben bereitet mehr Unruhe und verwirrt den Geist, und Überflüssiges verlangen und aufbewahren, ohne es zu gebrauchen, das ist eine Armut ohne Ruhe und Frieden. 456. Ich verlange von dir diese Freiheit des Geistes, so dass du an nichts eine Anhänglichkeit bewahrest, mag es nun klein oder gross, überflüssig oder notwendig sein. Von dem zur Irrhaltung des menschlichen Lebens Notwendigen sollst du nur so viel gebrauchen, als gerade hinreicht, um das Leben und die Wohlanständigkeit zu bewahren. Zur Kleidung soll dir das Geringste und Abgetragenste dienen; zur Nahrung ganz gewöhnliche Gerichte, ohne dass du Verlangen trägst nach ausgesuchten Dingen. Suche nur das, was mehr fad und minder schmackhaft ist, und wünsche für dich eher zu erhalten, was deinem Gaumen nicht entspricht, und zu entbehren, wonach denselben gelüstet; und tue in allem das Vollkommenste. 457. Das Gelübde der Keuschheit begreift die Reinheit der Seele und des Leibes in sich. Es ist leicht, dieselbe zu verlieren; dagegen ist es sehr schwer, und nach Umständen sogar unmöglich, sie wiederherzustellen. Dieser überaus kostbare Schatz Ist in einer mit zahlreichen Toren und Fenstern versehenen Burg aufbewahrt und schwebt darum in grosser Gefahr, wenn diese nicht gut bewacht und verteidigt werden. Willst du, meine Tochter, dieses Gelübde vollkommen beobachten, so musst du notwendig mit deinen Sinnen einen unverletzlichen Vertrag schliessen, dass du dich ihrer nur bedienest, insoweit es die Vernunft und die Ehre des Schöpfers erfordern. Hast du deine Sinne abgetötet, so ist der Sieg über deine Feinde leicht, weil diese nur durch die Sinne über dich Herr zu werden vermögen. Denn keine Gedanken können da aufsteigen und erwachen, wo keine durch die äusseren Sinne hervorgebrachten Bilder und Vorstellungen Eingang finden. Keine menschliche Person, wer es auch sei, Mann oder Frau, sollst du berühren oder anschauen noch auch mit ihr sprechen, damit nicht Vorstellungen oder Bilder davon in deine Phantasie kommen. Von dieser Vorsichtsmassregel, deren Beobachtung ich dir zur strengen Pflicht mache, hängt die Bewahrung dieser Reinheit ab, die ich von dir verlange. Und musst du aus Liebe oder Gehorsam sprechen, denn nur aus diesen zwei Gründen sollst du mit Geschöpfen verkehren, so soll es mit allem Ernste, mit aller Bescheidenheit und Zurückhaltung geschehen. 458. Für deine eigene Person lebe so, als ob du der Welt fremd wärst und ihr gar nicht angehörtest. Sei arm, abgetötet, geduldig und zufrieden bei allen zeitlichen Drangsalen, ohne nach Erholung oder Annehmlichkeit zu verlangen; betrachte dich wie eine, die von Heimat und Vaterland verstossen und zur Arbeit und zum Kampfe gegen mächtige Feinde gedungen ist. Und weil unter diesen das Fleisch der heftigste und gefährlichste ist, so musst du deinen natürlichen Neigungen und in denselben den Versuchungen des Teufels stets sorgfältig widerstehen. Erhebe dich über dich selber und richte dir eine über alles Irdische weit erhabene Wohnung ein, damit du unter dem Schatten desjenigen wohnest', nach welchem du verlangst, und unter seinem Schutze Ruhe und wahren Frieden geniessest. Übergib dich aus ganzem Herzen und aus allen Kräften seiner keuschen und heiligen Liebe und stelle dir vor, es gebe für dich gar keine Geschöpfe ausser nur insoweit, als sie dich unterstützen und antreiben, deinen Herrn zu lieben und ihm zu dienen; in jeder anderen Hinsicht müssen sie dir ein Gegenstand des Abscheues sein. 459. Obwohl derjenigen, welche sich eine Braut Christi nennt und durch ihre Profess es wirklich ist, keine Tugend mangeln darf, so steht ihr doch die Keuschheit am meisten an und macht sie ihrem Bräutigam ähnlich. Denn diese macht sie geistlich, entzieht sie dem irdischen Verderben und erhebt sie zu einem englischen Stande, ja gewissermassen zur Teilnahme an der göttlichen Natur. Sie ist eine Tugend, welche allen andern Schmuck verleiht, den Körper in einen höheren Zustand erhebt, den Verstand erleuchtet und die Seelen in ihrem über alles Verwesliche erhabenen Adel erhält. Und weil diese Tugend eine besondere Frucht der Erlösung ist, die mein Sohn am Kreuze, wo er die Sünden der Welt hinwegnahm, verdient hat, so heisst es deshalb besonders von den Jungfrauen, dass sie das Lamm begleiten und demselben folgen'. 460. Das Gelübde der Klausur ist die Schutzmauer der Keuschheit und aller Tugenden, die Einfassung, wodurch sie in ihrem Glanz erhalten werden, und ein Privilegium des Himmels, wodurch die gottgeweihten Bräute Jesu Christi von dem schweren und gefährlichen Tribut ausgenommen werden, welchen die Freiheit der Welt an den Fürsten ihrer Eitelkeiten entrichtet. Durch dieses Gelübde leben die Jungfrauen in einem ganz sicheren Hafen, während die anderen Seelen von gefahrvollen Stürmen herumgeworfen werden und jeden Augenblick Gefahr laufen, zugrunde zu gehen. In Anbetracht so grosser Vorteile ist die Klausur wahrhaftig kein enger Ort; denn in ihr eröffnen sich der Ordensperson die weiten Gefilde der Tugenden, der Erkenntnis Gottes, seiner unendlichen Vollkommenheiten sowie der Geheimnisse und Wunderwerke, die er für die Menschen vollbracht hat und immer noch vollbringt. Auf diesen ausgedehnten Gefilden, auf diesen weiten Räumen darf und muss man lustwandeln und sich erholen, und nur dann, wenn man dies nicht tut, erscheint die höchste Freiheit als ein enges Gefängnis. Für dich, meine Tochter, gibt es keinen anderen Spielraum mehr; ich will nicht, dass du dich auf ein so enges Gebiet einschränkest, wie die ganze Welt es ist. Steig empor in die Höhe der Erkenntnis und der Liebe Gottes. Dort sind keine Grenzen und Schranken, welche dich einengen. Dort lebst du in den weiten Räumen der Freiheit. Von dort aus wirst du auch sehen, wie alles Erschaffene viel zu beschränkt, zu gemein und verächtlich ist, als dass deine Seele sich darin orweitern könnte. 461. Mit dieser strengen Klausur des Leibes musst du auch die deiner Sinne verbinden, um dadurch, wie durch ebenso viele Vorwerke, deine innere Reinheit und in dieser das Feuer des Heiligtums2 zu bewahren, welches du beständig unterhalten und niemals erlöschen lassen sollst. Und um die Sinne besser zu bewahren und Nutzen aus der Klausur zu ziehen, nähere dich niemals der Pforte noch dem Sprechzimmer, noch den Fenstern, ja denke nicht einmal daran, dass das Kloster solche habe, es sei denn, dass dein Amt oder der Gehorsam etwas anderes verlangt. Verlange nichts, denn du wirst es ja doch nicht erhalten; und bemühe dich nicht um das, was du nicht verlangen darfst. In der Zurückgezogenheit, Abgeschlossenheit und Behutsamkeit wirst du Glück und Frieden finden; dort wirst du mir Freude machen und als reichliche Frucht und Belohnung jene Liebe und Gnade verdienen, nach der du verlangst. BUCH ZWEI. LEHRE DER HIMMELSKONIGIN. Lehre: Streben nach Vollkommenheit. 475. Meine Tochter, die menschliche Natur ist unvollkommen und träge bei Ausübung der Tugend und ermattet leicht; denn sie ist äusserst geneigt zur Ruhe und widerstrebt aus allen Kräften der Anstrengung. Wenn nun aber die Seele den Neigungen der sinnlichen Natur das Ohr leiht, wenn sie gegen dieselbe nachgiebig ist und ihr die Hand reicht, so ergreift die Sinnlichkeit die dargebotene Hand so fest, dass sie die Oberhand über die Kräfte der Vernunft und des Geistes gewinnt und diesen in Bälde in eine gefährliche und niedrige Sklaverei versetzt. Und ist diese Unordnung der Natur an allen Seelen hässlich und schimpflich, so verabscheut sie doch Gott unvergleichlich mehr an seinen Dienern und an Ordenspersonen. Diese sind ja strenger zum Streben nach Vollkommenheit verbunden und erleiden darum auch einen grösseren Schaden, wenn sie nicht allezeit als Sieger aus dem Kampfe mit den Leidenschaften hervorgehen. Aus dieser Nachlässigkeit im Widerstand und den wiederholten Niederlagen entsteht eine Gew?sse Kleinmütigkeit und Verkehrtheit des Urteils, so dass sie sich schon zufriedengeben und einer falschen Sicherheit überlassen, weil sie einige ganz leichte Übungen der Tugend verrichten; ja sie wähnen Berge zu versetzen, wiewohl sie im Grunde nichts tun, was der Rede wert wäre. Dazu fügt der Teufel auch andere Zerstreuungen und Versuchungen, und bei ihrer Geringschätzung gegen die allgemeinen Vorschriften und Gebräuche des Ordens kommen sie dann dahin, dass sie es fast in allem fehlen lassen, jeglichen Regelpunkt für unbedeutend anschauen, die Erkenntnis der Tugend verlieren und in einer falschen Sicherheit dahinleben. 476. Du aber, meine Tochter, sollst dich vor einer so gefährlichen Täuschung in acht nehmen und dir wohl merken, dass eine freiwillige Nachlässigkeit in einer Unvollkommenheit zu einer andern vorbereitet und den Weg bahnt, diese aber den lässlichen Sünden und solche hinwiederum den Todsünden die Pforte öffnen. Und so stürzt man von einem Abgrunde in den andern und gelangt zur Geringschätzung jeden Übels. Will man einem solchen Schaden zuvorkommen, so muss man schon in weiter Ferne seinen Lauf hemmen; denn jede Handlung und jeder Gebrauch, auch wenn sie unbedeutend scheinen bildet eine Vormauer, die den Feind von fern abhält. Die Vorschriften und Satzungen aber in wichtigen Dingen bilden die eigentliche Schutzmauer des Gewissens; durchbricht und erobert der Teufel die erste Verteidigungslinie, so rückt er näher heran, um die zweite zu nehmen, und gelingt es ihm auch hier, durch eine wenn auch nicht gerade besonders schwere Sünde eine kleine Türe zu öffnen, dann ist ihm der Weg zum inneren Reiche der Seele leichter und sicherer. Und weil diese durch fehlerhafte Handlungen und Gewohnheiten geschwächt ist und zugleich der Gnadenhilfe entbehrt, so leistet sie keine kräftige Gegenwehr, und der Teufel nimmt sie ein, unterjocht und bezwingt sie ohne Widerstand. 477. Erwäge darum jetzt, meine teuerste Tochter, welche Sorgfalt du bei so vielen Gefahren anwenden und wie sehr du dabei alle Nachlässigkeit vermeiden musst. Du bist, bedenke es wohl, eine Ordensperson, eine Braut Christi, eine Vorsteherin, belehrt und erleuchtet und mit so vielen besonderen Wohltaten überhäuft. Nach diesen und andern Gründen, die du in denselben erwägen sollst, bemiss deine Sorgfalt; denn wegen aller schuldest du deinem Herrn Gegenliebe und Dienst. Bemühe dich, in Beobachtung aller Gebräuche und Vorschriften des Ordens genau zu sein. Keine Vorschrift, keine Übung der Voll kommenheit darf dir geringfügig scheinen. Verachte und vergiss keine, sondern beobachte streng eine jede; denn was immer zum Dienste Gottes geschieht, ist kostbar und gross in seinen Augen. Und sicher erfreut er sich, seine Befehle vollzogen zu sehen, wird aber durch ihre Übertretung beleidigt. Bei allem habe vor Augen, dass du einen Bräutigam hast, dem du gefallen, einen Gott, dem du dienen, einen Vater, dem du gehorchen, einen Richter, den du fürchten, und eine Lehrmeisterin, der du folgen sollst. 478. Damit du aber alles dieses vollziehest, musst du in deinem Geiste den festen und wirksamen Entschluss erneuern, weder auf deine Neigungen zu achten noch einer gewissen Saumseligkeit und Trägheit der Natur nachzugeben, noch auch wegen einer etwaigen Schwierigkeit eine Handlung oder Übung zu unterlassen, und wäre es auch nur das Küssen des Bodens, das du nach dem Gebrauche des Ordens vorzunehmen pflegst. Mit Entschiedenheit und Standhaftigkeit vollziehe das Kleine wie das Grosse, so wirst du den Augen meines Sohnes und mir gefallen. Bei den Werken der Übergebühr hole den Rat deines Seelenführers und Obern ein und bitte zuvor Gott, dass er sie hierüber erleuchte. Lege jede Neigung und jeden Wunsch nach einer bestimmten Sache ab. Wird dir etwas aufgetragen, so höre es an, präge es deinem Herzen ein und vollführe es pünktlich. Steht dir der Gehorsam oder Rat zu Gebote, so beschliesse nichts für dich allein, so gut es dir auch erscheinen mag; denn der Wille Gottes wird dir immer mittels des heiligen Gehorsams kundwerden. BUCH ZWEI. LEHRE der heiligsten Gottesmutter und Jungfrau Maria. Lehre: Ubung der Tugenden. 484. Meine Tochter, allen Menschen ohne Unterschied gibt der Allerhöchste das Licht der natürlichen Tugenden; und jenen, welche sich mittels derselben und mit Hilfe der Gnade vorbereiten, verleiht er durch die Rechtfertigung auch die eingegossenen. Als Urheber der Natur und der Gnade gewährt er diese Gaben bald in grösserem, bald in geringerem Masse, je nach seinem Wohlgefallen und seiner Güte. In der Taufe giesst er die Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe und mit denselben auch andere ein, damit das Geschöpf mit allen mitwirke und das Gute tue und die durch die Kraft des Sakramentes empfangenen Gaben nicht bloss bewahre, sondern durch seine eigenen Werke und Verdienste auch noch andere erlange. Es wäre für die Menschen die höchste Glückseligkeit, wenn sie sich die Liebe zunutze machen würden, welche ihr Schöpfer und Erlöser ihnen dadurch erweist, dass er ihre Seelen schmückt und mittels der eingegossenen Fertigkeiten ihrem Willen die Übung der Tugend leichtmacht. Weil sie aber einer so unschätzbaren Wohltat nicht entsprechen, so sind sie äusserst unglücklich; denn eben diese Untreue ist der erste und grösste Sieg, den der Satan über sie erringt. 485. Von dir aber, o Seele, verlange ich, dass du dich mit beharrlichem Fleiss in den natürlichen und übernatürlichen Tugenden übest, um dir auch die Fertigkeit in den andern Tugenden zu erwerben, welche du mittels häufiger Übung der durch Gottes Gnade und Freigebigkeit dir mitgeteilten erlangen kannst. Denn die eingegossenen Gaben bilden in Verbindung mit jenen, welche die Seele selbst gewinnt und erwirbt, einen mannigfachen Schmuck von wunderbarer Schönheit, der den Augen Gottes überaus wohl gefällt. Und ich mache dich, geliebteste Tochter, darauf aufmerksam, wie die allmächtige Hand deines Herrn gegen deine Seele mit diesen Wohltaten so freigebig war und wie sie mit dem grossen Kleinod seiner Gnade dich so bereichert hat, dass, solltest du dich undankbar erzeigen, deine Sünde und Verantwortung weit schwerer wäre als die vieler Geschlechter. Betrachte und erwäge darum die Erhabenheit der Tugenden, bedenke, wie sehr sie schon an und für sich die Seele erleuchten und zieren, so dass, würden sie auch keinen andern Zweck haben und keinen andern Lohn erlangen, ihr Besitz schon um ihrer Erhabenheit willen etwas Grosses wäre. Nun aber wird ihr Wert dadurch ungemein erhöht, dass sie Gott selbst zu ihrem Endziele haben, nach welchem sie mit der ihnen innewohnenden Vollkommenheit und Wahrheit streben; wenn sie aber einmal ihres erhabenen Lohnes teilhaftig werden, welcher kein anderer ist als die Ruhe in Gott, dann machen sie eben dadurch das Geschöpf glücklich und selig. BUCH ZWEI. LEHRE der heiligen Gottesmutter, unserer Herrin. Lehre: Hochschätzung des Glaubens. 501. Meine Tochter, der überaus kostbare Schatz der Tugend des göttlichen Glaubens ist jenen Menschen verborgen, welche alles nur mit fleischlichen und irdischen Augen ansehen. Sie wissen nicht, welche Hochschätzung diese Gabe und unvergleichlich kostbare Wohltat verlangt. Bedenke und erwäge aber, meine Teuerste, was die Welt ohne den Glauben war und was sie heutzutage sein würde, wenn mein Sohn und Herr denselben nicht bewahrte. Wie viele Grosse, Mächtige und Weise der Welt haben sich, weil ihnen das Licht des Glaubens fehlte, aus der Finsternis ihres Unglaubens in abscheuliche Sünden und von diesen in die ewigen Finsternisse der Hölle gestürzt! Und wie viele Königreiche und Länder gibt es, welche blind diesen noch blinderen Führern gefolgt sind und heute noch folgen, bis aile miteinander in den Abgrund der ewigen Verdammnis hinabstürzen! Ihnen folgen die schlechten Gläubigen, welche diese Gnade und unschätzbare Wohltat des Glaubens empfangen haben, aber gerade so leben, als wäre er niemals ihren Seelen verliehen worden. 502. Unterlasse ja nicht, meine Freundin, die Kostbarkeit dieser Perle dankbar anzuerkennen, welche der Herr dir als ein Unterpfand und ein Band der mit dir geschlossenen Vermählung geschenkt hat, um dich dadurch in das Brautgemach seiner heiligen Kirche und von da zu seiner ewigen glückseligen Anschauung zu führen. Übe aber auch beständig diese Tugend des Glaubens; denn sie bringt dich deinem letzten Ziele, dem du entgegengehest, sowie dem Gegenstande deines Verlangens und deiner Liebe nahe. Der Glaube ist es, der den sichern Weg zur ewigen Seligkeit zeigt; er ist es, der die Erdenpilger in der Finsternis des sterblichen Lebens erleuchtet und sie sicher zum Besitze ihres Vaterlandes führt, dem sie zuwandern sollten, wenn sie nicht in Unglauben und Sünde erstorben dahinlebten. Er ist es, der die andern Tugenden hervorbringt, der dem Gerechten zur Nahrung dient und ihn bei seinen Mühseligkeiten mit Trost unterstützt. Er ist es, welcher die Ungläubigen beschämt und aufschreckt und den lauen Gläubigen, welche nachlässig sind in guten Werken, heilsame Furcht einflösst; denn er zeigt ihnen in diesem Leben ihre Sünden und die bevorstehende Strafe im andern. Der Glaube ist mächtig zu allem; denn dem, der glaubt, ist nichts unmöglich, im Gegenteil, er kann alles und erreicht alles. Der Glaube ist es, der den menschlichen Verstand erleuchtet und veredelt; denn er leitet ihn richtig, damit er sich in den Finsternissen seiner natürlichen Unwissenheit nicht verirre, und er erhebt den Menschen über sich selbst, damit er das, was er mit seinen natürlichen Kräften nicht zu erfassen vermag, mit unfehlbarer Gewissheit sehe und verstehe und mit solcher Sicherheit glaube, als ob es ganz offen vor seinem Blicke läge. Der Glaube benimmt dem Menschen die grobe Schwerfälligkeit und niedrige Beschränktheit, welche ihn nur dasjenige glauben lassen, was er mit seiner schwachen Einsicht erreicht. Diese ist aber ganz gering, solange die Seele im Gefängnis ihres verweslichen Leibes lebt und bei ihrem Erkennen an den Gebrauch der schwerfälligen Sinne gebunden ist. Schlage darum, meine Tochter, die kostbare Perle des katholischen Glaubens, welche dir Gott geschenkt hat, hoch an, bewahre und gebrauche sie mit Sorgfalt und heiliger Furcht. BUCH ZWEI. LEHRE der allerseligsten Jungfrau Maria 511. Meine Tochter, mittels der beiden Tugenden des Glaubens und der Hoffnung erhob sich mein Geist wie mit zwei Flügeln in unermüdetem Flug und suchte das unumschränkte und höchste Gut, bis er in der Vereinigung mit demselben durch die innigste und vollkommenste Liebe Ruhe fand. Ich verkostete zwar öfters die klare Anschauung und den Genuss desselben; allein diese Gunstbezeigung währte keineswegs ununterbrochen, weil ich mich ja noch im Zustande der reinen Wanderschaft befand. Und darum übte ich den Glauben und die Hoffnung. Da diese ausser der Anschauung und dem Besitze Gottes mir verblieben, so fand ich sie alsbald in meinem Geist und unterliess keinen Augenblick, mittels derselben tätig zu sein. Die Wirkungen aber, welche die Sehnsucht, das Verlangen und Streben nach dem ewigen Besitz und Genusse Gottes in meinem Geiste hervorbrachten, kann kein erschaffener Verstand in seiner Beschränktheit hinreichend begreifen. Wer aber zur Anschauung Gottes im Himmel zu gelangen verdient, wird sie in diesem erkennen und ihn ewig dafür loben. 512. Du, meine teuerste Tochter, hast so viele Erleuchtung über die Erhabenheit dieser Tugend und meiner durch sie geübten Werke empfangen. Darum sei ohne Unterlass bemüht, mittels der göttlichen Gnadenhilfe dieselbe nachzuahmen. Einnere dich allezeit an die Versprechen des Allerhöchsten und präge sie tief deinem Gedächtnis ein; und durch die Gewissheit des Glaubens, welche du von deren Wahrheit hast, erhebe dein Herz mit einem heiligen Verlangen und seufze nach deren Erfüllung. Mit dieser sicheren Hoffnung kannst du durch die Verdienste meines heiligsten Sohnes darauf rechnen, eine Bewohnerin des himmlischen Vaterlandes und Genossin aller jener zu sein, welche dort in unvergänglicher Glorie das Angesicht des Allerhöchsten schauen. Und erhebst du mit dieser dir gebotenen Hilfe dein Herz über das Irdische und richtest du deinen ganzen Geist unverwandt auf das ersehnte, unwandelbare Gut, so wird dir alles Sichtbare zur Last und Beschwernis werden und als nichtig und verächtlich erscheinen. Du wirst nach nichts mehr verlangen können als nach dem liebenswürdigsten und wonnevollen Gegenstande deiner Wünsche. In meiner Seele brannte allezeit dieser Eifer der Hoffnung, weil ich durch den Glauben für wahr hielt und durch die Erfahrung gekostet hatte, was Sprache und Worte nicht zu erklären oder auszudrücken vermögen. 513. Um deinen Eifer noch mehr anzuspornen, bedenke und beweine mit innigem Schmerze die Unglückseligkeit so vieler Seelen, welche zwar Ebenbilder Gottes und seiner Herrlichkeit fähig sind, ihrer Sünden wegen aber der wahren Hoffnung, ihn einst zu geniessen, beraubt sind. Würden die Kinder der heiligen Kirche ihre eitlen Gedanken ein wenig beiseite lassen und sich eine Zeitlang damit beschäftigen, zu bedenken und zu erwägen, welche Wohltat ihnen durch das Geschenk des unfehlbaren Glaubens und der untrüglichen Hoffnung geworden ist, dass sie nämlich dadurch den Finsternissen entrissen und ohne ihr Verdienst mit diesem Merkmal ausgezeichnet sind, während die Ungläubigen in ihrer Verblendung verlorengehen, so würden sie wohl über ihre so schimpfliche Vergessenheit erröten und sich wegen ihres schwarzen Undankes Vorwürfe machen. Sie mögen aber überzeugt sein, dass ihrer die schrecklichste Pein wartet und dass sie vor Gott und seinen Heiligen besonders verabscheuungswürdig sind, weil sie das heilige, von Christus für sie vergossene Blut, die Quelle dieser Wohltaten, verunehren. Die Frucht der Wahrheit verachten sie gleich einer Fabel; inzwischen verfliesst ihre ganze Lebenszeit, und sie nehmen sich nicht einen Tag, ja viele nicht einmal eine Stunde Zeit, um über ihre Pflichten und über die Gefahr, in der sie schweben, nachzudenken. Beweine darum, meine Seele, dieses beklagenswerte Unglück und bemühe dich nach Kräften und flehe bei meinem heiligsten Sohn um Abhilfe und sei überzeugt, dass Seine Majestät deine Sorgfalt und Mühe in dieser Angelegenheit belohnen wird. Lehre der Himmelskönigin. Lehre: Übung der göttlichen Liebe. 527. Wenn ich, meine Tochter, mit mütterlichem Wohlwollen verlange, dass du durch Übung aller anderen Tugenden mir nachfolgest, so geht doch hinsichtlich der Liebe, welche das Endziel und die Krone aller andern ist, mein Wunsch und Wille dahin, dass du mit aller Kraftanstrengung in deiner Seele ganz vollkommen nachbildest, was du in der meinigen wahrgenommen hast. Zünde darum das Licht des heiligen Glaubens und der Vernunft an und suche diese unendlich kostbare Drachme zu finden; und hast du sie gefunden, dann vergiss und verachte alles Irdische und Vergängliche, und betrachte und erwäge wiederholt in deinem Geiste, welch zahllose Gründe und Ursachen Gott in sich selber hat, um über alles geliebt zu werden. Und damit du erkennest, wie du ihn deinem Verlangen gemäss vollkommen lieben sollst, so merke dir die Kennzeichen und Wirkungen der vollkommenen und wahren Liebe; es sind folgende: wenn deine Betrachtungen und Gedanken sich ununterbrochen mit Gott beschäftigen; wenn du seine Gebote und Räte bereitwillig und unverdrossen beobachtest; wenn du fürchtest, ihn zu beleidigen, und, falls dieses geschehen ist, ihn alsbald zu versöhnen suchst; wenn dir seine Beleidigung Trauer bereitet, dagegen die Wahrnehmung, dass alle Ge schöpfe ihm dienen, dir Freude verursacht; wenn dir das be ständige Sprechen von seiner Liebe erwünscht ist; wenn dici sein Andenken und seine Gegenwart mit Wonne, seine Ver gessenheit aber und seine Abwesenheit mit Trauer erfüllt wenn du liebst, was er liebt, und verabscheust, was er ver abscheut; wenn du alle für seine Freundschaft und Gnade zr gewinnen dich bemühst; wenn du mit Vertrauen zu ihm betest seine Wohltaten mit Dank empfängst, dieselben treu bewahrst und zu seiner Ehre und Verherrlichung verwendest; wenn du das Verlangen hast und dir Mühe gibst, in dir selber die Neigungen der Leidenschaften zu unterdrücken, welche dich im Eifer der Liebe und in der Ausübung der Tugenden aufhalten oder hindern. 528. Diese und andere Wirkungen sind gleichsam der Gradmesser für die geringere oder grössere Vollkommenheit der Liebe in einer Seele. Und ist die Liebe stark und feurig, so lässt sie vor allem die Seelenkräfte nicht untätig sein und duldet keinen Fehler im Willen, sie reinigt und vervollkommnet alsbald dieselben alle und ruht nicht, bis sie die Süssigkeit des geliebten höchsten Gutes kostet. Denn ohne dieses schmachtet sie, ist verwundet und krank und dürstet nach jenem Weine, welcher das Herz berauscht, indem er alles Irdische und Vergängliche vergessen macht. Und weil die Liebe die Mutter und die Wurzel aller andern Tugenden ist, so bemerkt man in der Seele, in welcher sie wohnt und lebt, schnell ihre Fruchtbarkeit. Denn sie erfüllt und schmückt die Seele mit den Fertigkeiten der übrigen Tugenden, die sie durch wiederholte Akte hervorbringt2, wie der Apostel andeutet3. Zudem besitzt die Seele, welche "in der Liebe bleibt", nicht bloss die Anmutungen dieser Tugend, womit sie dem Herrn ihre Liebe bezeigt, sondern weil sie in der Liebe weilt, wird sie von Gott wiedergeliebt; sie erfährt jene Rückwirkung der göttlichen Liebe, wegen welcher Gott in demjenigen bleibt, der ihn liebt4, und dank welcher der Vater, der Sohn und der Heilige Geist kommen und in ihm wie in ihrem Tempel Wohnung nehmen. U+is aber ist eine so erhabene Wohltat, dass man zu deren Erkenntnis im sterblichen Leben weder Worte noch Beispiele findet. 529. Die Ordnung dieser Liebe erfordert, dass wir vor allem Gott lieben, der über den Geschöpfen steht, dann uns selbst und sodann das, was uns am nächsten steht, d. h. den Mitmenschen. Ferner muss man Gott lieben mit dem ganzen Verstand ohne Irrtum, mit dem ganzen Willen ohne Falschheit und Geteiltheit, mit dem ganzen Gemüt ohne Vergesslichkeit und mit allen Kräften ohne Nachlässigkeit, Trägheit und Saumseligkeit. Der Beweggrund der Liebe zu Gott und zu allem andern, worauf sie sich erstreckt, ist Gott selbst; denn ihn muss man lieben wegen seiner selbst, da er ja das höchste, unendlich vollkommene und heilige Gut ist. Liebt ein Mensch Gott aus diesem Beweggrunde, so folgt daraus, dass er auch sich selbst und den Nächsten wie sich selber liebe; denn er und sein Nächster gehören nicht so sehr sich selbst als vielmehr dem Herrn an, von dessen Güte sie Dasein, Leben und Bewegung empfangen. Und liebt jemand Gott wahrhaft, weil or Gott ist, so liebt er auch alles, was Gott angehört und einigermassen an dessen Güte teilnimmt. Die Liebe sieht darum im Nächsten ein Werk Gottes und eine Teilnahme an demselben und macht keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Sie schaut ja nur auf das, was er von Gott besitzt, sowie darauf, dass er Gottes Eigentum ist. Ob nun ein Mensch Freund oder Feind, gut oder übelgesinnt ist, darauf sieht diese Tugend nicht. Den ganzen Unterschied bildet die geringere oder grössere Teilnahme an der unendlichen Liebe Gottes; und nach dieser richtigen Ordnung liebt sie alle in Gott und um Gottes willen. 530. Jede Liebe aber, welche die Menschen aus andern Absichten oder Beweggründen hegen, z. B. in der Hoffnung auf Vorteil, Nutzen oder Wiedervergeltung, ist entweder eine ungeordnete und eigennützige oder eine rein menschliche und natürliche Liebe; und sollte sie auch eine tugendhafte und wohlgeordnete sein, so gehört sie doch nicht zur eingegossenen göttlichen Liebe. Weil aber gewöhnlich die Menschen sich durch derlei besondere Güter und andere auf ihren Vorteil gerichtete irdische Absichten leiten lassen, so gibt es nur sehr wenige, welche die Erhabenheit dieser edlen Tugend beachten, verstehen und erkennen und dieselbe mit der geziemenden Vollkommenheit üben. Und es ist dies nicht zu verwundern, da sie Gott selber nur um zeitlicher Güter oder etwa um der Wohltat geistlichen Trostes willen suchen und anrufen. Von dir aber, meine Tochter, verlange ich, dass du dein Herz von all dieser ungeordneten Liebe fernhälst und nur die gutgeordnete Liebe darin herrschen lassest, wonach dir Gott der Allerhöchste ein Verlangen eingeflösst hat. Und wiederholst du es so oft, dass diese Tugend so schön und lieblich ist und von allen Kreaturen gesucht und geschätzt zu werden verdient, so musst du dich auch eifrig um ihre Erkenntnis bemühen. Hast du aber diese so kostbare Perle erkannt, so verschaffe dir dieselbe, indem du in deinem Herzen jede nicht ganz vollkommene Liebe vergissest und entfernst. Du sollst kein Geschöpf lieben ausser wegen Gott und um dessentwillen, was du an ihm als einen Hinweis auf Gott und als dessen Eigentum erkennst, und so, wie eine Braut alle Diener und Hausgenossen ihres Bräutigams liebt, weil sie nämlich ihm angehören. Lässt du dich aber herbei, ein Geschöpf zu lieben, ohne darin Gott zu erkennen, und willst du es nicht um dieses Herrn willen lieben, so sei überzeugt, dass du ihn nicht mit der wahren christlichen Liebe (charitas) und so liebst, wie ich es von dir verlange und der Allerhöchste es dir befohlen hat. Dasselbe Urteil musst du auch fällen, wenn du bei deiner Nächstenliebe einen Unterschied zwischen Freund und Feind, zwischen dem Friedfertigen und dem Streitsüchtigen, zwischen dem mehr oder minder Höflichen und zwischen jenem machst, der gewisse natürliche Vorzüge besitzt, und jenem, dem dieselben abgehen. Alle derartigen Unterscheidungen kennt die wahre Liebe nicht, sondern nur die natürliche Neigung und die natürlichen Begierden. Diese aber musst du mittels dieser Tugend bemeistern, ertöten und ersticken. Buch zwei. LEHRE der Himmelskönigin 548. Was du, meine Tochter, in diesem Hauptstücke beschrieben und sonst noch vernommen hast, soll dir nach meinem Willen zur Lehre und Ermahnung dienen, welche ich dir zur Regelung aller deiner Handlungen gebe. Die dir mitgeteilte Erkenntnis meiner Klugheit bei all meinem Denken, Wollen und Handeln präge deinem Geiste tief ein und bewahre sie treu im Gedächtnis. Dieses Licht wird dich mitten in den Finsternissen der menschlichen Unwissenheit leiten, so dass dich die Blendwerke der Leidenschaften nicht verwirren und stören und noch viel weniger das, was deine Feinde mit äusserster Bosheit und Emsigkeit deinem Verstand einzuflössen suchen. Wenn der Mensch nicht alle Regeln der Klugheit kennt, so ist das für ihn noch keine Sünde; versäumt er es aber aus Nachlässigkeit, dieselben so zu erlernen, dass er sich bei allem mit der geziemenden Klugheit zu benehmen weiss, so ist das eine schwere Verschuldung und die Ursache vieler Täuschungen und Irrtümer beim Handeln. Von dieser Vernachlässigung kommt es her, dass die Leidenschaften, welche die Klugheit zerstören und hindern, zur Herrschaft kommen, namentlich die ungeordnete Traurigkeit und ungeordnete Freude, welche das zu einer klugen Schätzung des Guten und des Bösen erforderliche richtige Urteil verkehren. Daraus, sage ich, entstehen zwei gefährliche Fehler, nämlich die Übereilung beim Handeln ohne Berücksichtigung der geeigneten Mittel, und die Unbeständigkeit bei den guten Vorsätzen und den begonnenen Werken. Übermässiger Zorn oder unbescheidener Eifer treiben bei manchen äusseren, ohne Plan und Mass unternommenen Handlungen ihr Spiel. Leichtsinn beim Beurteilen aber sowie Mangel an Fertigkeit beim Handeln sind Ursache, dass die Seele von dem einmal Begonnenen wieder ablässt, weil sie auf das eingeht, was ihr von entgegengesetzter Seite daherkommt, und weil sie leichtsinnigerweise bald an dem wahren Gute, bald an dem scheinbaren und trügerischen Gute ihre Freude findet, das die Leidenschaften begehren und der Satan vorspiegelt. 549. Gegen alle diese Gefahren möchte ich dir Vorsicht und Klugheit anempfehlen. Und du wirst diese auch anwenden, wenn du auf das Beispiel meiner Werke achtest und die Lehren und Ratschläge befolgst, welche dir der Gehorsam gegen deinen Seelenführer an die Hand gibt, ohne den du nichts tun sollst, damit du planmässig und auf gelehrige Weise vorgehest. Auch das musst du wohl wissen, dass dir durch den Gehorsam grosse Weisheit vom Allerhöchsten zufliesst; denn ein zartes, unterwürfiges und gelehriges Herz ist Gott unaussprechlich gefällig. Erinnere dich beständig an das Schicksal jener törichten und unklugen Jungfrauen, welche aus unvorsichtiger Nachlässigkeit die Sorgfalt und den guten Rat da versäumten, wo sie dieselben gerade am meisten hätten anwenden sollen. Später aber, als sie es wünschten, fanden sie die Pforte der Rettung verschlossen'. Trachte darum, meine Tochter, die Einfalt der Taube mit der Klugheit der Schlange zu verbinden2; dann werden deine Werke vollkommen sein. BUCH ZWEI. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN. Lehre: Dankbarkeit gegen Gott. 566. Meine Tochter, du kennst zwar, was diese umfangreiche Tugend der Gerechtigkeit betrifft, vieles von der ihr gebührenden Hochschätzung; aber das meiste von ihr bleibt dir im Zustande des sterblichen Fleisches noch unbekannt. Und darum können auch deine Worte keine vollkommene Erkenntnis von ihr geben. Nichtsdestoweniger wirst du darin alles finden, was dir notwendig ist, um mit den Geschöpfen gut zu verkehren und dem Dienste Gottes gebührend nachzukommen. Und diesbezüglich bemerke ich dir, Teuerste, dass die höchste Majestät des Allmächtigen mit gerechtem Unwillen ob der Beleidigung erfüllt wird, welche ihm die Menschen antun, wenn sie die ihm gebührende Verehrung, Anbetung und Huldigung vergessen oder wenn sie bei Darbietungen derselben so roh, leichtsinnig und unordentlich sich benehmen, dass sie eher Strafe als Belohnung verdienen. Den Fürsten und Grossen der Welt erweisen sie grosse Ehrfurcht und Achtung, erflehen von denselben Gnaden und wenden hiezu ausgesuchte Mittel und Sorgfalt an; und haben sie das Gewünschte erlangt, so bezeigen sie grossen Dank und verpflichten sich zu lebenslänglicher Erkenntlichkeit. Aber dem höchsten Herrn, der ihnen Dasein, Leben und Bewegung gibt, ihm, der sie erhält und ernährt, ihm, der sie erlöst und zur Würde seiner Kinder erhoben hat und seiner eigenen Herrlichkeit teilhaftig machen will, ihm, dem höchsten und unendlichen Gute, der unendlichen Majestät, wissen sie keinen Dank. Weil sie ihn mit leiblichen Augen nicht sehen, darum vergessen sie ihn, und gerade so, als ob sie nicht alles Gute von ihm empfingen, begnügen sie sich im besten Falle mit einer lauen Erinnerung und eilfertigen Danksagung. Davon will ich jetzt gar nicht sprechen, wie sehr jene den gerechtesten Lenker des Weltalls beleidigen, die auf die ungerechteste Weise die Ordnung der Gerechtigkeit gegen den Mitmenschen zerstören und mit Füssen treten. Denn indem sie ihren Brüdern wünschen, was sie für sich selbst nicht wollen, handeln sie geradezu gegen alle natürliche Vernunft. 567. Verabscheue, meine Tochter, diese fluchwürdigen Laster und leiste nach deinen Kräften durch deine Werke Ersatz für das, was durch diese Treulosigkeit dem Dienste des Allerhöchsten entzogen wird. Und weil du durch deine Profess dem Dienste Gottes dich geweiht hast, so lass dies deine erste Beschäftigung und Sorge sein, indem du dich den englischen Geistern ähnlich machst, welche unaufhörlich den Herrn fürchten und ihm dienen. Behandle mit Ehrerbietung die göttlichen und heiligen Dinge, selbst die zu diesem Dienste bestimmten Ornamente und Gefässe. Bei den göttlichen Tagzeiten, beim heiligen Messopfer und beim Gebete trachte allezeit, zu knien. Bitte mit Glauben und empfange mit demütigem Danke und handle ebenso gegen alle Menschen, selbst gegen deine Beleidiger. Gegen alle zeige dich mitleidig, leutselig, freundlich, einfältig und wahrhaftig, ohne Verstellung und Doppelsinnigkeit, mit Vermeidung aller Ehrabschneidung und Verleumdung und jedes freventlichen Urteils über den Nächsten. Und damit du dieser Pflicht der Gerechtigkeit nachkommest, so halte sie beständig in deinem Gedächtnis fest und wünsche mit deinem Nächsten so zu verfahren, wie du wünschest, dass andere gegen dich verfahren; und noch mehr denke an das, was mein heiligster Sohn und nach seinem Vorbild ich für alle Menschen getan haben. BUCH ZWEI. LEHRE welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Uberwindung der Leidenschaften. 578. Wenn du, meine Tochter, meinem Befehle gemäss die Eigenschaften und die Notwendigkeit der Tugend des Starkmutes mit Aufmerksamkeit betrachtest, so wirst du in derselben einen Zügel zur Bändigung des Zornes haben, der schneller als andere Leidenschaften sich erhebt und die Vernunft verdunkelt. Und zugleich wirst du in ihr ein Werkzeug zur Vollbringung dessen haben, was an den Tugenden das Erhabenste und Vollkommenste ist und deinem Verlangen entspricht. Du wirst damit die Hindernisse überwinden und beseitigen, welche deine Feinde dir entgegenstellen, um dich bei den schwierigsten Punkten der Vollkommenheit zu entmutigen. Wie nun aber - merke dies wohl, Teuerste - die zornmütige Kraft der begierlichen zur Be kämpfung dessen dient, was der Erreichung der gewünschten Sache entgegensteht, so geschieht es auch, dass die begierliche Leidenschaft, wenn sie sich verirrt und das liebt, was böse oder bloss scheinbar gut ist, alsbald auch die zornmütige Leidenschaft nach sich zieht und diese dann, wenn sie einmal in Unordnung ist, nicht zum tugendhaften Starkmut, sondern zu vielen abscheulichen und schimpflichen Lastern führt. Und hieraus kannst du entnehmen, wie aus dem ungeordneten Verlangen nach eigener Auszeichnung und eitler Ehre, der Tochter des Stolzes und der Eitelkeit, so grosse Laster in der zürnenden Leidenschaft entstehen, nämlich: Zwietracht, Uneinigkeit, Streitigkeiten, Prahlerei, Klagen, Ungeduld, Starrsinn; dazu dann noch andere Laster in der begierlichen Leidenschaft selber, wie Heuchelei, Lüge, eitle Begierden, Vorwitz, das Verlangen, grösser zu erscheinen als andere Menschen und nicht als das, was man in Wahrheit wegen seiner Sünden und natürlichen Armseligkeit ist. 579. Von allen diesen abscheulichen Fehlern wirst du frei bleiben, wenn du dich bemühst, die ungeordneten Regungen der Begierlichkeit mittels der Mässigkeit, von der du im folgenden sprechen wirst, abzutöten und zu bändigen. Verlangst und liebst du aber, was recht und schicklich ist, so musst du zu dessen Erreichung dich zwar des Starkmutes und der wohlgeordneten zürnenden Leidenschaft bedienen, jedoch so, dass du das Mass nicht überschreitest. Denn es ist immer etwas Gefährliches, sich im Eifer für die Tugend zu erzürnen, solange man noch ungeordneter Selbstliebe unterworfen ist. Und bisweilen verstellt und verbirgt sich dieses Laster unter dem Vorwande des Eifers für das Gute, und der Mensch lässt sich täuschen, indem er sich wegen etwas erzürnt, was er für sich selber sucht, dabei aber will, man solle das als Elf er für Gott und das Wohl des Nächsten anschauen. Darum ist die Geduld so notwendig und ruhmreich, welche aus der Liebe entspringt und die Begleiterin eines weiten und grossmütigen Herzens ist. Denn wer das höchste und wahre Gut/lebt, erträgt leicht den Verlust der Ehre und des eitlen Ruhmes, den er als eine niedrige und verächtliche Sache grossmütig verachtet. Und wenn ihm die Menschen Ehre erweisen, so achtet er nicht darauf, und ebenso zeigt er sich bei den übrigen Beschwerden unbesiegbar und standhaft und verdient sich dadurch, soweit dieses möglich ist, das Gut der Beharrlichkeit und Geduld. BUCH ZWEI. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN 593. Meine Tochter, du hast einiges gesagt von dem, was du erkannt hast über die Würde dieser Tugend der Mässigkeit und über die Art, wie ich dieselbe übte. Doch es ist noch vieles zu sagen, damit die Menschen vollständig verstehen, wie unentbehrlich ihnen diese Tugend bei ihren Handlungen ist. Zur Strafe für die erste Sünde hat nämlich der Mensch den vollkommenen Gebrauch der Vernunft verloren, die Leidenschaften waren ihm nicht mehr untertänig, sondern empörten sich gegen ihn, der sich gegen seinen Gott aufgelehnt und dessen höchst gerechtes Gebot verachtet hatte. Damit nun dieser Schaden gutgemacht würde, war die Tugend der Mässigkeit notwendig; sie soll die Leidenschaften bezähmen, deren lockende Regungen zügeln und mässigen; sie soll den Menschen aufs neue lehren, den vollkommenen Mittelweg einzuhalten mit seinem Begehrungsvermögen, und ihn aufs neue bewegen, als ein der Teilnahme an Gott fähiges Wesen der Vernunft zu folgen, nicht aber einem unvernünftigen Tiere gleich dem Vergnügen nachzugehen. Ohne diese Tugend ist es unmöglich, den alten Menschen auszuziehen und sich für die Geschenke der göttlichen Gnade und Weisheit vorzubereiten; denn diese geht nicht in eine Seele ein, welche in einem der Sünde unterworfenen Leibe wohnt'. Wer dagegen seine Leidenschaften durch die Mässigkeit zu bezähmen versteht und ihnen das ungeordnete, tierische Vergnügen, wonach sie begehren, verweigert, der kann sagen und erfahren, dass der König ihn in den Keller seines köstlichen Weinest und in die Schatzkammer der Weisheit und der geistlichen Gaben einführt. Denn diese Tugend ist gleichsam eine allgemeine Vorratskammer, voll der schönsten und gottgefälligsten Tugenden. 594. Zwar musst du dir viele Mühe geben, um diese alle zu erwerben, doch ganz besonders erwäge die Schönheit und den Wohlgeruch der Keuschheit, die Kraft der Enthaltsamkeit und die Mässigkeit in Speise und Trank, die Lieblichkeit und die segensreichen Wirkungen der Sittsamkeit in Wort und Tat, endlich den Adel der äussersten Armut im Gebrauche der Dinge. Durch diese Tugenden wirst du das göttliche Licht, den Frieden und die Ruhe deiner Seele, die Freiheit deiner Seelenkräfte und die Herrschaft über deine Neigungen erlangen. Du wirst durch die Strahlen dergöttlichen Gnade und der Gaben ganz erleuchtet und von dem sinnlichen und tierischen Leben erhoben werden zu dem Leben und Wandel der Engel. Ein solches Leben verlange ich von dir, und du selbst begehrst es durch die Gnade Gottes. Sei darum, Teuerste, eifrig bedacht, immer mit dem Lichte der Gnade zu wirken; gebrauche deine Fähigkeiten niemals zu ihrem Vergnügen allein, sondern handle immer der Vernunft gemäss und zur Ehre Gottes. In allem, was zum Leben notwendig ist, im Essen, im Schlafen, in der Kleidung, im Sprechen, Hören, Verlangen, Zurechtweisen, Befehlen, Bitten, kurz, in allem muss dich das Licht und das Wohlgefallen deines Herrn und Gottes leiten, nicht aber das deine. 595. Damit du aber die Schönheit und Anmut dieser Tugend noch mehr liebgewinnest, so betrachte auch die Hässlichkeit der entgegengesetzten Laster. Erwäge mit dem Lichte, welches du empfängst, wie hässlich, wie verabscheuungswürdig, wie verwerflich und entsetzlich vor den Augen Gottes und der Heiligen die Welt ist wegen so vieler abscheulichen Greuel, welche die Menschen gegen diese liebenswürdige Tugend begehen. Sieh, wie viele, vernunftlosen Tieren gleich, der schändlichen Sinnlichkeit folgen, andere der Schwelgerei und Trunksucht; die einen dem Spiel und der Eitelkeit, die anderen der Hoffart, wieder andere dem Geiz und der Habsucht; im allgemeinen gesprochen folgen alle dem Drang ihrer Leidenschaften und suchen für jetzt nur das Vergnügen. Dadurch sammeln sie sich aber für das Jenseits Schätze ewiger Qualen und berauben sich der beseligenden Anschauung ihres Gottes und Herrn. BUCH ZWEI. LEHRE der heiligsten Königin Maria 609. Meine Tochter, diese überaus edlen und ausgezeichneten Gaben des Heiligen Geistes, welche dir zu erkennen gegeben wurden, sind der Erguss, wodurch sich die Gottheit den heiligen Seelen mitteilt und in sie sich ergiesst. An sich sind sie darum nicht beschränkt; sie sind beschränkt nur durch die Person, die sie empfängt. Würden aber die Menschen ihre Herzen losmachen von den irdischen Neigungen und Anhänglichkeiten, dann würden sie - so klein auch ihr Herz ist - ohne Mass teilnehmen an dem Strom der unendlichen Gottheit mittels der Gaben des Heiligen Geistes. Die Tugenden reinigen die Seele von dem Schmutz und den Makeln der Laster, wenn sie solche hatte. Durch Übung der Tugenden stellt die Seele nach und nach die harmonische Ordnung ihrer Kräfte, welche zuerst durch die Erbsünde und darnach durch die eigenen aktuellen Sünden verloren war, wieder her; die Tugenden verleihen der Seele Schönheit, Kraft und Freude am Gutentun. Die Gaben des Heiligen Geistes aber erheben die Tugenden selbst zu einer hohen Vollkommenheit, Zierde und Schönheit, und dadurch wird die Seele bereitet, geziert und geschmückt, um einzutreten in das Gemach des Bräutigams, wo sie, durch das Band des ewigen Friedens, auf wunderbare Weise mit der Gottheit zu einem Geister vereinigt wird. Aus diesem überaus glücklichen Zustande tritt sie dann treu und sicher heraus zur Übung heldenmütiger Tugenden; und mit diesen zieht sie sich wieder zurück zu dem, von dem sie ausging, zu Gott; unter seinem Schattens ruht sie alsdann in ungestörtem Frieden aus, ohne dass die tobenden Stürme der Leidenschaften und ungeordneten Neigungen sie verwirren könnten. Allein zu diesem Glücke gelangen nur wenige, und es wird nur durch Erfahrung von dem erkannt, der desselben teilhaftig wird. 610. Erwäge deshalb, Teuerste, mit grösster Aufmerksamkeit, wie du zum Gipfel dieser Gaben emporsteigen kannst. Denn es ist der Wille Gottes und mein Wille, dass du weiter hinaufrückest3 bei dem Gastmahle, welches die Güte Gottes dir bereitet mit den Segnungen der Gaben, die du zu diesem Zwecke von seiner Freigebigkeit empfangen hast. Bedenke wohl: nur zwei Wege gibt es in die Ewigkeit. Der eine führt zum ewigen Tode durch die Verachtung der Tugend und durch die Unkenntnis Gottes. Der andere führt zum ewigen Leben durch die fruchtbringende Erkenntnis Gottes; denn das ist das ewige Leben, dass man ihn erkennt und seinen Eingebornen, den er in die Welt gesandt hat4. Dem Wege des Todes folgen zahllose Toren, welche in schauderhaftem Unverstande nichts wissen von ihrer eigenen Unwissenheit, von ihrer Selbstüberschätzung und ihrem Stolze. Denjenigen aber, welche er barmherzig zu seinem wunderbaren Lichte berufen' und als Kinder des Lichtes wiedergeboren hat, verlieh er bei dieser Wiedergeburt ein neues Leben durch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, wodurch sie seine Kinder und Erben des ewigen Besitzes Gottes wurden. Nachdem sie seine Kinder geworden, gab er ihnen die Tugenden, welche bei der ersten Rechtfertigung eingegossen werden, damit sie als Kinder des Lichtes in entsprechender Weise auch Werke des Lichtes vollbringen2; nächst den Tugenden aber hält er die Gaben des Heiligen Geistes für sie bereit. Wie nun die materielle Sonne niemandem ihre Wärme und ihr Licht verweigert, falls man nur fähig und empfänglich ist, die Kraft ihrer Strahlen aufzunehmen, ebensowenig entzieht und verbirgt sich die göttliche Weisheit für niemanden. Sie ruft vielmehr auf den Höhen, auf den Landstrassen, wie auf den verborgensten Pfaden; bei den Toren und auf den Plätzen der Städte ladet sie alle ein3. Allein die Torheit macht die Menschen taub, die gottlose Bosheit macht sie zu Spöttern, und ungläubige Verkehrtheit trennt sie von Gott, dessen Weisheit keine Stätte findet in einem böswilligen Herzen noch im Leibe, welcher der Sünde dient4. 611. Du aber, meine Tochter, achte auf deine Versprechen, auf deinen Beruf, auf dein Verlangen. Denn der Mund, welcher Gott belügt, ist ein schändlicher Mörder seiner Seele. Laufe nicht dem Tode zu in dem Irrwahne deines Lebens und ziehe nicht herbei das Verderben durch die Werke deiner Hände5. Dies tun die Söhne der Finsternis, wie du im himmlischen Lichte siehst. Fürchte den allmächtigen Gott und Herrn mit heiliger, demütiger, wohlgeordneter Furcht; richte dich nach diesem Meister in all deinen Werken. Dein Herz sei weich, gefügig und gelehrig für die Zucht und die Werke der Frömmigkeit. Urteile richtig über Tugend und Laster. Waffne dich mit unüberwindlicher Stärke, um das Schwierigste und Erhabenste zu vollbringen und um die bittersten, schwersten Leiden zu ertragen. Wähle mit Klugheit die Mittel, um diese Werke auszuführen. Schaue hin auf die Kraft des göttlichen Lichtes. Mit seiner Hilfe wirst du über alles Sinnliche dich erheben, du wirst aufsteigen zur höchsten Erkenntnis der Geheimnisse der göttlichen Weisheit und lernen, den neuen Menschen vom alten zu scheiden; du wirst dich befähigen, die Weisheit zu empfangen, wenn du einmal, eingeführt in den Weinkeller deines Bräutigams6, trunken sein wirst von seiner Liebe und wenn seine ewige Liebe in dir geordnet sein wird. BUCH ZWEI. LEHRE DER HIMMELSKONIGIN. Lehre: Kenneichen. echter Visionen. 641. Meine Tochter, das Licht, welches du in diesem Hauptstück erhalten hast, gibt dir die sichere Regel für dein Verhalten bei den Gesichten und Offenbarungen des Herrn. Dieselbe umfasst zwei Stücke: Fürs erste musst du deine Visionen mit demütigem und aufrichtigem Herzen dem Urteil deiner geistlichen Führer und Obern unterwerfen und Gott mit lebendigem Glauben bitten, er möge sie erleuchten, damit sie seinen Willen und die göttliche Wahrheit in allem erkennen und dir mitteilen. Das zweite betrifft dein Inneres; um nämlich die Visionen und Offenbarungen mit Klugheit und Sicherheit zu unterscheiden, musst du auf die Wirkungen achten, welche sie in deinem Inneren hervorbringen; denn die göttliche Kraft, welche dabei tätig ist, wird dich mit reiner Liebe entflammen, mit Ehrfurcht gegen Gott durchdringen, zur Erkenntnis deiner Niedrigkeit, zum Abscheu gegen die Eitelkeit der Welt, zum Verlangen nach Verachtung, zu freudigem Leiden anspornen. Sie wird dich bewegen, das Kreuz zu lieben und mit starkem, grossmütigem Herzen es zu tragen, den letzten Platz zu suchen, deine Verfolger zu lieben, die Sünde, sei sie auch noch so klein, zu fürchten und zu hassen, nach der lautersten, vollkommensten Tugendstufe zu trachten, deine Neigungen zu verleugnen und dich mit dem höchsten, wahren Gute zu vereinigen. Dies sind unfehlbare Kennzeichen, dass Gott dich in Wahrheit mittels seiner Offenbarungen besucht, indem er dich das Vollkommenste und Heiligste im christlichen Gesetz und in seiner und meiner Nachfolge lehrt. 642. Damit du aber, Teuerste, diese Lehre, welche Gottes Güte dir gibt, ins Werk setzest, so lasse sie niemals deinem Gedächtnis entschwinden; verliere nie aus den Augen, welche Gnade er dir erwiesen hat, indem er mit soviel Liebe und Zärtlichkeit sie dir erteilte. Verzichte auf jede Aufmerksamkeit und jeden Trost von seiten der Menschen und auf die Vergnügungen, welche die Welt dir anbietet. Entsage starken, entschlossenen Sinnes allem, was die irdischen Neigungen verlangen, sei es auch in erlaubten und geringfügigen Dingen. Kehre allem Irdischen den Rücken und liebe allein das Leiden, das ist mein Wille. Das ist die Wissenschaft, das ist die himmlische Philoso phie, welche die Heimsuchungen des Allerhöchsten dich gelehrt haben, dich jetzt noch lehren und auch in der Folge dich lehren werden. Bei diesen Heimsuchungen wirst du aber auch die Macht des göttlichen Feuers empfinden, das niemals in deinem Herzen durch Sünde oder Lauheit erlöschen darf. Sei wachsam, erweitere dein Herz und umgürte dich mit Kraft, um Grosses zu empfangen und Grosses zu tun. Sei standhaft im Glauben an diese Ermahnungen, achte sie hoch, präge sie deinem Herzen mit Demut und innigster Hochschätzung ein als gesendet durch die Treue deines Bräutigams und mitgeteilt durch mich, deine Lehrerin und Herrin. BUCH ZWEI. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria 652. Meine Tochter, wunderbar ist die Liebe, die Treue urid die Sorgfalt, mit welcher die heiligen Engel den Menschen in ihren Nöten beistehen; höchst verwerflich aber ist die Vergessenheit und die rohe Undankbarkeit, womit die Menschen diese Wohltat erwidern. Die himmlischen Geister schauen mit beseligender Klarheit das Angesicht des Vaters, der im Himmel ist, und erkennen so in seinem Herzen selbst dessen unendliche, väterliche Liebe zu uns'. Dort schätzen sie nach Gebühr das Blut des Lammes, durch welches die Menschen erkauft und erlöst sind; dort sehen sie, was die Seelen wert sind, die um den Preis der Gottheit erkauft sind2. Und aus dieser Erkenntnis geht die Wachsamkeit und Aufmerksamkeit hervor, womit diese heiligen Engel die Seelen behüten und ihnen Gutes tun, diesen Seelen, die der Allerhöchste gerade deshalb ihrer Obhut anvertraut hat, weil er selbst sie so sehr schätzt. Wisse, dass die Sterblichen durch diesen erhabensten Dienst der Engel von dem Herrn reiches Licht und unvergleichlich grosse Gnaden erhalten würden, wenn sie nicht durch ihre Sünden und Greuel und durch die Verachtung, womit sie eine so grosse Wohltat erwidern, diesen Gnadeneinflüssen einen Riegel vorschieben würden. Da sie aber den Weg, auf welchem sie Gott in seiner unaussprechlich liebevollen Vorsehung zur ewigen Seligkeit zu führen beschlossen hat, versperren, darum gehen die meisten von ihnen verloren, welche durch den Schutz der Engel gerettet würden, wenn sie diese Gnade und dieses Rettungsmittel nicht verschmähen wollten. 653. 0 meine Tochter, weil so viele Menschen zu träge und schläfrig sind, um die väterlichen Werke meines Sohnes und Herrn zu erwägen, so verlange ich von dir hierin ganz besondere Dankbarkeit. Er hat dich ja rnit freigebiger Hand begünstigt, indem er dir die Engel als Beschützer anwies. Achte auf ihre Gesellschaft; höre ihre Weisungen mit Ehrfurcht, lasse dich durch ihr Licht leiten, achte sie hoch als Gesandte des Allerhöchsten und bitte um ihren Beistand, damit du, von Sünden gereinigt, von Unvollkommenheiten frei, in Liebe zu Gott entzündet, zu einem ganz geistigen Stande dich erhebest und auf diese Weise befähigt werdest, mit ihnen zu verkehren, ihre Gemich mit allen Kräften meines Willens einzig seiner heiligen Liebe hinzugeben, so heiligte Gott wegen dieser Zubereitung, welche er meiner Seele verliehen, alle meine Kräfte, und gerade die so zahlreichen Gunsterweise, Visionen und Erleuchtungen waren der Lohn für diese Seelenkräfte, welche ihm zuliebe auf jedes irdische Vergnügen verzichtet hatten. Dieser Lohn, den ich, im sterblichen Fleische wandelnd, für meine Werke erhielt, war so gross, dass du ihn während deines irdischen Lebens nicht verstehen noch beschreiben kannst. So freigebig und gütig ist Gott, der uns diesen Lohn alsbald einhändigt zum Pfande für jenen, welchen er uns im ewigen Leben vorbehalten hat. 656. Der Allmächtige hat allerdings diese Mittel angewendet, um vom Augenblicke meiner Empfängnis an die Menschwerdung des ewigen Wortes in meinem Schosse würdig vorzubereiten. Meine Seelenkräfte und meine Sinne sollten auf diese Weise geheiligt und zu dem künftigen Verkehre mit dem menschgewordenen Worte geeignet werden. Allein wenn die anderen Seelen sich nach meinem Beispiele vorbereiten und nicht nach dem Fleische, sondern im Geiste leben würden, rein und ferne von der Berührung mit dem Irdischen, dann würde Gott auch ihnen seine Gunstbeweise nicht verweigern; denn er ist getreu gegenüber solch edelmütigen Seelen, und seine Vorsehung ist gerecht. BUCH ZWEI. LEHRE welche die Himmelskönigin mir gegeben hat. Lehre: Wertschatzung der Leiden. 670. Meine Tochter, belebe in deinem Innern oftmals aufs neue die gebührende Hochschätzung der Leiden, dieser Wohltat, welche die verborgene Vorsehung den Menschen nach Billigkeit austeilt. Dieselben sind "die Gerichte des Herrn, gerechtfertigt in sich selber; wünschenswerter sind sie als Gold und Edelgestein und süsser als Honigseim" für jenen, der vernünftig urteilt. Ich will, dass du wohl beachtest, o Seele: Wenn Gott den Menschen leiden lässt ohne Sünde oder nicht wegen derselben, so ist dies eine Wohltat, deren man ohne grosse Barmherzigkeit des Herrn nicht würdig sein kann. Sendet Gott dagegen den Menschen Leiden wegen ihrer Sünden, so ist dies zwar auch Barmherzigkeit, ist jedoch zum grossen Teil Sache der Gerechtigkeit. Erkenne nun hieraus die so allgemeine Torheit der Kinder Adams. Alle verlangen sinnliche Freuden, Wohltaten und Gaben, wie sie ihrem Geschmacke zusagen; dagegen sind sie sorgsam bemüht, alles Beschwerliche von sich fernzuhalten und den Schmerz der Leiden nicht an sich herankommen zu lassen. Es wäre ihr grösstes Glück, das Leiden eifrig zu suchen, ohne es zu verdienen; anstatt dessen verwenden sie all ihre Sorgfalt darauf, dem Leiden auszuweichen, das sie verdienen und ohne welches sie weder glücklich sein noch selig werden können. 671. Wollte das Gold fliehen vor dem Glutofen, das Eisen vor der Feile, das Getreide vor der Tenne und der Mühle, die Trauben vor der Presse, dann wären alle diese Dinge nutzlos, und der Zweck, zu dem sie erschaffen sind, wäre nicht erreicht. Warum lassen sich dann aber die Menschen täuschen und meinen, sie könnten, obwohl voll schändlicher Laster, voll abscheulicher Sünden, doch ohne den Feuerofen und die Feile der Leiden rein und würdig werden, Gott ewig zu geniessen? Wären sie auch unschuldig, so würden sie doch nicht fähig und würdig sein, das unendliche, ewige Gut als Lohn und als Krone zu erhalten. Wie soll dies nun geschehen, da sie in Finsternis und in der Ungnade Gottes leben? Überdies verwenden die Kinder des Verderbens all ihre Sorgfalt darauf, in ihrer Unwürdigkeit und Feindschaft Gottes zu bleiben und das Kreuz der Leiden von sich fernzuhalten; und doch sind die Leiden der Weg, um zu Gott zurückzukehren, das Licht für den Verstand die Leuchte, um die Eitelkeit der irdischen Dinge zu erkennen; die Speise der Gerechten das unumgänglich notwendige Mittel, um die Gnade zu finden; der Preis der Glorie und vor allem die rechtmässige Erbschaft, welche mein Sohn und Herr für sich und seine Auserwählten erkoren hat; denn zum Leiden wurde er geboren, in Leiden hat er allezeit gelebt, und am Kreuz ist er gestorben. 672. Meine Tochter, das ist der Massstab, nach dem du den Wert der Leiden bemessen musst. Die Kinder der Welt haben hiefür kein Verständnis, denn sie sind dieser göttlichen Wissenschaft gar nicht würdig; und wie sie dieselbe nicht kennen, so verachten sie dieselbe auch. Freue und tröste dich in den Trübsalen; und wenn der Herr sich würdigt, dir eine Trübsal zu senden, so gehe ihr entgegen, uni dieselbe in Empfang zu nehmen als seinen Segen, als ein Unterpfand seiner Liebe und der Glorie. Erweitere dein Herz in Grossmut und Standhaftigkeit, damit du dir im Leiden wie im Wohlergehen gleichbleibest und nicht traurig vollbringest, was du freudig versprichst. Denn der Herr liebt jene, die im Geben wie im Opfern sich gleich sind'. Bring ihm also dein Herz und deine Seelenkräfte als Opfer der Geduld dar; dann wirst du mit frohen Lobliedern die Gerichte des Allerhöchsten lobpreisen, wenn er am Orte deiner Pilgerschaft dich als die Seinige behandelt und dich bezeichnet mit dem Zeichen seiner Freundschaft, das kein anderes ist als Mühsal, Kreuz und Leiden. 673. Teuerste Tochter, mein göttlicher Sohn und ich, wir möchten unter den Menschen, die den Weg des Kreuzes betreten haben, eine Seele finden, welche wir in dieser Wissenschaft regelrecht unterrichten, dagegen abbringen könnten von der weltlichen und teuflischen Weisheit, in welcher die Kinder Adams in blinder Hartnäckigkeit Fortschritte machen und die heilsame Zucht der Leiden von sich stossen wollen. Willst du unsere Schülerin sein, so tritt in diese Schule ein, in der allein die Lehre vom Kreuze vorgetragen und gelehrt wird, in dem Kreuze wahre Ruhe und Freude zu suchen. Unverträglich mit dieser Weisheit ist die irdische Liebe zu sinnlichen Freuden und Reichtümern, ebenso die eitle Pracht und Prahlerei, von welcher die schwachen Augen der Weltmenschen geblendet werden, die gierig sind nach eitler Ehre, nach dem, was von Unwissenden als kostbar und gross bewundert wird. Du, meine Tochter, liebe und wähle für dich den besten Teil, nämlich verborgen und von der Welt vergessen zu sein. Ich war die Mutter des menschgewordenen Gottes und infolgedessen mit meinem heiligsten Sohne die Herrin der ganzen Schöpfung; und dennoch war ich nur wenig bekannt, der Herr aber höchst verachtet bei den Menschen. Wäre diese Lehre nicht die kostbarste und sicherste, so hätten wir sie nicht durch Wort und Beispiel gegeben. Sie ist das Licht, welches in der Finsternis leuchtet, geliebt von den Auserwählten, gehasst von den Verworfenen. BUCH ZWEI. LEHRE welche mir meine Herrin und Königin gab 683. Meine Tochter, alle Güter werden nach dem Werte geachtet, den die Menschen ihnen beilegen, und man legt ihnen Wert bei, insofern man sie als Güter erkennt. Es gibt jedoch nur ein wahres Gut, alle anderen Güter sind Schein und Trug. Darum muss man dies höchste Gut allein kennen und hochschätzen. Du wirst ihm aber erst dann die gebührende Hochachtung und Liebe schenken, wenn du es kostest, kennst und höher schätzest als alle Geschöpfe. Dem Grade dieser Hochschätzung und Liebe entspricht dann der Schmerz über dessen Verlust. Hieraus wirst du einigermassen verstehen, welcher Schmerz mich erfüllte, als das ewige Gut sich von mir zurückzog und mich in der Furcht liess, dasselbe durch meine Schuld verloren zu haben. Ohne Zweifel hätte der Schmerz ob dieser Furcht und die Gewalt der Liebe mich oftmals des Lebens beraubt, wenn der Herr es nicht erhalten hätte. 684. Erwäge nun, wie gross der Schmerz einer Seele sein sollte, welche durch Sünden Gott wirklich verloren hat, wenn schon die Abwesenheit dieses wahren Gutes einer Seele, welche die traurigen Wirkungen der Sünde nicht zu leiden hat, solch bitteren Schmerz bereiten kann, da sie doch das höchste Gut nicht verloren hat, sondern im Besitze desselben ist, jedoch ohne es zu wissen. Allein die fleischlich gesinnten Menschen sind dieser Weisheit nicht zugänglich, vielmehr schätzen sie in törichter Blindheit die Schein- und Truggüter; sie härmen sich ab und sind untröstlich, wenn diese ihnen abgehen. Das wahre und höchste Gut dagegen achten und schätzen sie nicht, weil sie es niemals gekannt und gekostet haben. Allerdings hat mein göttlicher Sohn diese schreckliche, von der ersten Sünde herstammende Unwissenheit verbannt. Er hat den Menschen den Glauben und die Liebe verdient, damit sie das Gut, das sie noch nie aus Erfahrung kennengelernt haben, wenigstens einigermassen kennenlernen und geniessen könnten. Aber ach, die Liebe wird verscherzt und jedem beliebigen Vergnügen nachgesetzt; der Glaube bleibt untätig und tot und darum nutzlos; und so leben die Kinder der Finsternis dahin, als ob sie von der Ewigkeit nur eine erdichtete oder zweifelhafte Kunde erhalten hätten. 685. Fürchte, o Seele, eine solche Gefahr, die man nie genugsam erwägt. Sei eifrig besorgt und lebe in beständiger Wachsamkeit gegen die Feinde, die niemals schlafen. Tag und Nacht erwäge, was du zu tun hast, um das höchste Gut, welches du liebst, nicht zu verlieren. Von unsichtbaren Feinden umringt, darfst du nicht schlafen noch schlummern. Und wenn sich manchmal dein Bräutigam dir verbirgt, so erwarte ihn mit Geduld, suche ihn mit unermüdeter Sorgfalt, denn du kennst seine verborgenen Ratschlüsse nicht. Für die Zeit der Abwesenheit und der Prüfung aber halte das Öl der Liebe und der reinen Meinung bereit, damit es dir nicht ausgehe und du nicht mit den törichten Jungfrauen verworfen werdest. BUCH ZWEI. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Marja 706, Meine Tochter, da du mein Beispiel bei diesen Begebnissen betrachtest, so lass es dir zu einer Lehre dienen, die du mit grosser Hochschätzung deinem Herzen einprägen sollst. Erweitere dein Herz, um die Verfolgungen und Verleumdungen von seiten der Menschen mit Freuden hinzunehmen, falls dir eine solche Wohltat zuteil werden sollte. Die Kinder des Verderbens, die der Eitelkeit dienen und nicht wissen, welch kostbarer Schatz es ist, Beleidigungen zu ertragen und zu verzeihen, setzen ihre Ehre darein, sich zu rächen; und doch ist die Rachsucht selbst nach dem Naturgesetze das gemeinste und hässlichste aller Laster, sie ist der natürlichen Vernunft am meisten zuwider und kommt aus einem Herzen, das nicht mehr dem eines Menschen, sondern dem eines unvernünftigen, wilden Tieres gleicht. Wer dagegen Beleidigungen verzeiht und vergisst, wird durch diese Grossherzigkeit gleichsam der Herr und König der Natur, selbst wenn er auch den göttlichen Glauben und das Licht des Evangeliums nicht besitzt. Denn er hat von der Natur das, was das Edelste und Ausgezeichnetste an ihr ist, und entrichtet nicht den so schmählichen Tribut, sich durch die Rache zum unvernünftigen Tiere zu erniedrigen. 707. Wenn nun aber das Laster der Rachgier schon mitder Natur in so grellem Widerspruche steht, wie sehr wird es dann, o Teuerste, der Gnade widerstreiten! Wie verhasst, wie verabscheuungswürdig wird der Rachgierige in den Augen meines heiligsten Sohnes sein, der zu keinem anderen Zwecke Mensch geworden ist und Leiden und Tod erduldet hat, als um zu verzeihen und um dem Menschengeschlechte die Verzeihung der Unbilden zu verdienen, die es gegen ihn, seinen Herrn, begangen hat! Dieser Absicht des Herrn widersetzt sich der Rachgierige; er widersetzt sich den Werken des Herrn, seiner Natur und seiner unendlichen Güte; ja er vernichtet, soweit es auf ihn ankommt, Gott selbst samt seinen Werken ganz und gar. Darum verdient er auch durch diese Sünde in ganz besonderer Weise, dass der Herr all seine Macht aufbiete, um ihn zu vernichten. Zwischen jenem, der Beleidigungen erträgt und verzeiht, und dem Rachgierigen besteht der nämliche Unterschied wie zwischen einem einzigen Sohn und Erben und einem Todfeind. Letzterer fordert die ganze Wucht des Zornes gegen sich heraus, jener dagegen verdient und erwirbt alle Güter, da er durch seine Gesinnung das vollkommenste Ebenbild des himmlischen Vaters ist. 708. Versteh es wohl, o Seele: mit ruhigem Herzen Beleidigungen ertragen und dieselben Gott zuliebe vollständig verzeihen, ist ihm wohlgefälliger, als wenn du nach deiner Wahl strenge Busswerke verrichten und dein Blutvergiessen würdest. Demütige dich vor deinen Verfolgern, liebe sie, bete für sie mit aufrichtigem Herzen. Dadurch wirst du das Herz Gottes für dich gewinnen, zur vollkommenen Heiligkeit emporsteigen und die ganze Hölle überwinden. Durch Demut und Sanftmut habe ich den grossen Drachen, der alle verfolgt, zuschanden gemacht. Diese Tugenden waren ihm unerträglich; schneller als der Blitz floh er ihretwegen von mir; so habe ich durch dieselben grosse Siege für meine Seele und glorreiche Triumphe zur Ehre Gottes errungen. Wenn sich ein Mensch gegen mich erhob, wurde ich nicht zornig gegen ihn, da ich wusste, dass er eigentlich nur das Werkzeug Gottes sei und von der göttlichen Vorsehung zu meinem Besten gelenkt werde. Dieser Gedanke sowie die Erwägung, dass er Gottes Geschöpf und seiner Gnade fähig sei, bewogen mich, ihn aufrichtig und tatkräftig zu lieben, und ich ruhte nicht, bis ich ihm, soweit dies möglich war, zum Dank für die mir erwiesene Wohltat das ewige Heil erlangt hatte. 709. Sei also eifrigst bemüht, nachzuahmen, was du erkannt und niedergeschrieben hast. Zeige dich ganz sanftmütig, friedfertig und freundlich gegen alle, die dir lästig fallen. Hege für dieselben aufrichtige Hochachtung in deinem Herzen und räche dich nicht an dem Herrn, indem du dich an seinen Werkzeugen rächst. Verachte nicht die kostbarste Perle der Beleidigungen, und soviel von dir abhängt, vergilt immer Böses mit Gutem, Unrecht mit Wohltaten, Hass mit Liebe, Tadel mit Lob, Fluch mit Segen'. Dann wirst du eine vollkommene Tochter deines Vaters2, eine geliebte Braut deines Herrn und meine teuerste Freundin sein. BUCH ZWEI. LEHRE DER HEILIGSTEN KÖNIGIN MARIA. Lehre: Vertrauen auf die göttliche Vorsehung. 722. Meine Tochter, die höchste Weisheit des Geschöpfes besteht darin, sich gänzlich den Händen seines Schöpfers zu überlassen, welcher wohl weiss, wozu er dasselbe gebildet hat und wie er es leiten muss. Dem Geschöpfe kommt nur zu, darauf bedacht zu sein, seinen Herrn zu lieben und ihm zu gehorchen. Mit grösster Treue sorgt Gott dann für jene, die sich ihm also hingeben. Er nimmt alle ihre Anliegen und Begegnisse auf sich, um einen jeden, der auf seine Wahrhaftigkeit vertraut, siegreich und mit geistigem Vorteil aus denselben hervorgehen zu lassen. Er weist die Guten zurecht, sucht sie heim und prüft sie durch Widerwärtigkeiten; er tröstet und belebt sie durch Gnaden; er macht ihnen Mut durch Versprechungen und flösst ihnen Furcht ein durch Drohungen. Bald verbirgt er sich ihnen, damit ihr liebevolles Verlangen desto lebhafter werde; bald zeigt er sich ihnen, um sie zu belohnen und aufrechtzuha!ten. Durch diese Abwechslung macht er das Leben der Auserwählten schöner und angenehmer. Dies alles hat sich an mir in dem, was du geschrieben hast, bewahrheitet; denn er hat mich in seiner Barmherzigkeit auf verschiedene Weise heimgesucht und vorbereitet, durch Gnaden, durch Anfechtungen des bösen Feindes, durch Verfolgungen von seiten der Menschen, durch den Verlust meiner Eltern, durch Verlassensein von allen. 723. Doch bei diesen verschiedenen Prüfungen vergass der Herr meiner Schwäche nicht. Zu dem Schmerz über den Tod meiner heiligen Mutter Anna gab er mir den Trost, bei ihrem Hinscheiden gegenwärtig zu sein. O Seele, wie vieler Güter gehen die Menschen verlustig, weil sie diese Weisheit nicht erfassen! Unwissend entziehen sie sich der göttlichen Vorsehung, die stark, lieblich und wirksam ist, die Himmelskreise und Elemente misste, die Schrittee und Gedanken zählt und alles zum Besten des Geschöpfes leitet. Sie bauen nur auf ihre eigene Sorgfalt, die doch hart, fruchtlos, schwach, blind, unzuverlässig und voreilig ist. Aus dieser verdorbenen Quelle entspringen unersetzliche Verluste für den Menschen. Denn auf diese Weise beraubt er sich selbst des göttlichen Schutzes und verliert die Würde, seinen Schöpfer zum Schutz und Hort zu haben. Zudem, wenn er manchmal erreicht, was er mit fleischlicher und teuflischer Weisheit sucht, dann hält er sich bei all seinem Unglück für glücklich und trinkt mit der trügerischen Lust, die er, von Gott verlassen und verabscheut, geniesst, voll Wohlbehagen das verhängnisvolle Gift hinein, welches ihm den ewigen Tod bringt. 724. Verstehe darum wohl diese Gefahr, meine Tochter, und sei nur darauf mit aller Sorgfalt bedacht, dich ruhig der Vorsehung deines Herrn und Gottes zu überlassen. Unendlich ist seine Weisheit und seine Macht, und dabei liebt er dich weit mehr, als du selbst dich liebst. Er kennt und wünscht für dich grössere Güter, als du zu wünschen und zu begehren verstehst. Vertraue also auf diese seine Güte und seine untrüglichen Verheissungen. Höre, was er durch seinen Propheten zu dem Gerechten spricht: "dass es wohl urn ihn steht"3, da er dessen Wünsche und Sorgen auf sich nehmen und freigebig belohnen will. Durch dieses vollkommen sichere Vertrauen wirst du schon während deines irdischen Lebens einen Vorgeschmack der himmlischen Seligkeit geniessen in der Ruhe und dem Frieden deines Gewissens. Und mögen auch die stürmischen Wogen der Versuchungen und Widerwärtigkeiten von allen Seiten auf dich eindringen, mögen auch die Schmerzen des Todes dich befallen und die Qualen der Hölle dich umringen', hoffe nur und leide in Geduld; du wirst den sicheren Hafen der Gnade und des Wohlgefallens Gottes nicht verlieren. BUCH ZWEI. LEHRE der Königin des Himmels, unserer Herrin. Lehre: Hochschätzung des Kreuzes. 736. Meine Tochter, ich werde dich oftmals über die höchste Weisheit der Seelen belehren, welche darin besteht, dass man zur rechten Erkenntnis des Kreuzes gelangt durch die Liebe zu den Leiden und durch das Ertragen derselben nach meinem Beispiele. Wären die Menschen nicht so roher Art, so müssten sie nach Leiden verlangen schon deshalb, um ihrem Gott und Herrn zu gefallen, der ihnen hierüber seinen Willen kundgegeben hat. Der treue, liebevolle Diener muss ja immer das Wohlgefallen seines Herrn seiner eigenen Bequemlichkeit vorziehen. Doch die stumpfsinnigen Weltkinder kümmern sich weder um das Wohlgefallen und die Freundschaft ihres Vaters und Herrn noch um seine Versicherung, wie all ihr Heil darin bestehe, dass sie Christus auf dem Kreuzwege nachfolgen und dass sie, die sündhaften Kinder, mit ihrem sündelosen Vater leiden, damit durch die Gleichförmigkeit der Glieder mit dem Haupt die Frucht der Erlösung in ihnen wirksam werde. 737. So nimm denn, o Teuerste, diese Lehre an und schreibe sie mitten in dein Herz. Wisse, dass du als Tochter des Allerhöchsten, als Braut meines heiligsten Sohnes und als meine Schülerin, auch wenn du sonst keinen weiteren Vorteil hättest, die kostbare Perle des Leidens dir zum Schmuck erwerben müsstest, um deinem Herrn und Bräutigam wohlzugefallen. Ich mache dich aufmerksam, meine Tochter, dass du bei der Wahl zwischen den Tröstungen und Gnadenauszeichnungen seiner Hand und den Mühsalen seines Kreuzes das Leiden der Freude seiner Tröstungen vorziehen und jenes umfangen musst. Denn wählst du Wonne und Gunstbezeigungen, so kann deine Eigenliebe dabei beteiligt sein; nimmst du aber Trübsale und Leiden hin, so kann hiebei nur die Liebe zu Christus wirken. Wenn nun aber selbst bei der Wahl zwischen den Tröstungen des Herrn und jeglicher nicht mit Sünde verbundenen Trübsal die Leiden selbst den Tröstungen des Geistes vorzuziehen sind, welche Torheit ist es dann von den Menschen, wenn sie die schändlichen Vergnügungen der Sinne so blindlings lieben, dagegen jedes Leiden für Christus und für das Heil ihrer Seele so sehr verabscheuen! 738. Meine Tochter, dein beständiges, immer zu wiederholendes Gebet sei: "Herr, hier bin ich; was willst du mit mir tun? Mein Herz ist bereit, bereit ist es und nicht verwirrt; was willst du, dass ich für dich tue?" Diese Worte müssen aber aufrichtig gemeint sein und wahrhaft von Herzen kommen; du musst dieselben mehr durch das inbrünstige Verlangen als mit den Lippen aussprechen. Deine Gedanken seien erhaben, deine Meinung sei ganz gerade, rein und edel, sie ziele nämlich in allem auf das grössere Wohlgefallen Gottes, welcher sowohl das Leiden als auch die Gnaden und Auszeichnungen mit Mass und Gewicht austeilt. Untersuche und beobachte dich immer, mit welchen Gedanken, mit welchen Handlungen und in welchen Gelegenheiten du deinem Geliebten missfallen oder wohlgefälliger werden könntest, damit du so erkennest, was du an dir verbessern oder was du verlangen sollst. Jede, auch die kleinste Unordnung, oder was weniger rein und vollkommen ist, mag es auch erlaubt und nützlich scheinen, sollst du alsbald wegschneiden und entfernen; denn alles, was dem Herrn nicht wohlgefällig ist, musst du als böse oder für dich als unnütz betrachten, und keine Unvollkommenheit darf dir als klein erscheinen, wenn sie dem Herrn missfällt. Mit dieser sorgsamen Furcht und heiligen Sorgfalt wirst du sichergehen; und sei versichert, meine teuerste Tochter, dass kein Mensch die Grösse des Lohnes zu fassen vermag, welchen der allerhöchste Herr jenen Seelen bereithält, die in solcher Wachsamkeit und Umsicht leben. BUCH ZWEI. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN. Lehre: Gehorsam gegen den gottlichen Wun n . 749. Meine geliebteste Tochter, die Urteile Gottes sind überaus hoch und unerforschlich; und keine Seele soll sie erforschen, weil sie dieselben nicht zu ergründen vermag. Der Herr hat mir den Ehestand anzutreten befohlen, aber das Geheimnis damals noch verborgen gehalten. Es war aber ganz und gar in Ordnung, dass es also geschah, damit dadurch die Geburt meines Sohnes vor den Augen der Welt als ehrbar erscheine, welche das in meinem Schosse fleischgewordene Wort für den Sohn meines Bräutigams ansah, weil sie damals von diesem Geheimnis noch nichts wusste. Und ebenso war dieses ein geeignetes Mittel, um das Geheimnis dem Luzifer und seinem Anhange zu verbergen, welche gegen mich heftig ergrimmt waren und ihren masslosen Zorn an mir auszulassen suchten Denn als Luzifer sah, wie ich ähnlich den anderen Frauen den Ehestand antrat, so wurde er dadurch getäuscht, indem er es für unvereinbar hielt, einen Mann zum Gemahl zu haben und die Mutter Gottes selbst zu sein. Dadurch wurde er etwas beruhigt und hielt mit den Fallstricken seiner Bosheit inne. Überdies hatte der Allerhöchste hiebei noch andere Absichten, welche mir erst später offenbar wurden; damals aber wurden sie mir aus guten Gründen noch verborgen gehalten. 750. Du sollst wissen, meine Tochter, dass der grösste Schmerz und die grösste Betrübnis, die ich bis zu jenem Tage je erfahren hatte, für mich das Bewusstsein war, dass ich einen Mann zum Bräutigam nehmen müsse, während mir der Herr damals das Geheimnis noch nicht eröffnete. Und hätte er in dieser Bedrängnis nicht selbst durch seine göttliche Macht meine Kräfte gestärkt, indem er mir einige wenn auch nur dunkle und unbestimmte Hoffnung liess, so wäre ich vor Schmerz gestorben. Du aber sollst aus dieser Begebenheit lernen, mit welcher Unterwürfigkeit sich der Mensch dem göttlichen Willen überlassen und der beschränkte Verstand sich gefangen geben soll, ohne die erhabenen und verborgenen Geheimnisse Seiner Majestät ergründen zu wollen. Ergibt sich auch für den Menschen in der Anordnung oder dem Befehle Gottes irgendeine Schwierigkeit oder Gefahr, so soll er auf ihn vertrauen lernen und überzeugt sein, dass er von Gott derselben ausgesetzt sei, nicht damit er verlassen werde, sondern damit er siegreich und triumphierend daraus hervorgehe, vorausgesetzt nämlich, dass er von seiner Seite mit der Hilfe Gottes auch mitwirke. Will aber eine Seele die Ratschlüsse der göttlichen Weisheit erforschen und eher sich selber zufriedenstellen als gehorchen und glauben, so möge sie wissen, dass sie ihrem Schöpfer seinen Ruhm und seine Grösse raube, zugleich aber auch das eigene Verdienst verliere. 751. Ich erkannte wohl, dass der Allerhöchste über alle Geschöpfe erhaben sei und dass er darum unseres Urteils nicht bedürfe, sondern nur die Unterwürfigkeit des Willens verlange. Das Geschöpf vermag ihm ja keinen Rat zu erteilen, sondern bloss Gehorsam und Lob darzubringen. Allerdings geriet ich damals, weil ich die Jungfräulichkeit liebte, in grosse Betrübnis, da ich nicht wusste, was mir der Herr im Ehestande befehlen und anordnen werde; allein dieser Schmerz und diese Betrübnis veranlassten mich nicht zum vorwitzigen Nachgrübeln; sie dienten vielmehr dazu, meinen Gehorsam erhabener und gottgefälliger zu machen. Nach diesem Beispiele muss auch dein Gehorsam sich richten, indem du allem, was du als den Willen deines Bräutigams und Herrn gemäss erkennst, den Vorzug gibst, dich seinem Schutz überlässest und auf die Sicherheit seiner unfehlbaren Verheissungen dich stützest. Ebenso musst du in jenen Dingen, bei denen du die Gutheissung der Priester Gottes und deiner Obern hast, dich leiten lassen und darfst ihren Befehlen und den Einsprechungen Gottes nicht widerstehen. BUCH ZWEI. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN. Lehre: Die Vollkommenheit in jedem Stande möglich. 676. Meine Tochter, du wirst durch das Beispiel meines Lebens, das ich in dem von Gott mir angewiesenen Ehestand führte, die Entschuldigung widerlegt finden, womit jene Seelen, die in der Welt im nämlichen Stande leben, ihre Unvollkommenheiten beschönigen. Bei Gott ist nichts unmöglich, aber ebenso auch jenen nicht, welche mit lebendigem Glauben auf ihn vertrauen und sich in allem seiner göttlichen Anordnung unterwerfen. Ich habe im Hause meines Bräutigams ebenso vollkommen wie im Tempel gelebt; denn mit dem Stande habe ich keineswegs auch die Gesinnung oder das Verlangen oder die Sorge um die Liebe und den Dienst Gottes geändert; ja ich war auf dieses alles noch mehr bedacht, damit ich es an keiner Pflicht einer Braut fehlen lasse. Darum ist mir auch die göttliche Gnade mehr beigestanden, und die mächtige Hand Gottes hat alles meinem Verlangen entsprechend angeordnet und eingerichtet. Geradeso nun würde Gott auch mit allen andern Menschen verfahren, wenn diese von ihrer Seite entsprechend handeln würden. Sie schieben aber die Schuld auf den Ehestand und täuschen sich dabei selber. Denn wenn sie nicht vollkommen und nicht heilig sind, so liegt das Hindernis nicht am Stande; es entspringt vielmehr aus den eitlen und unnützen Sorgen und Kümmernissen, denen sie sich überlassen, indem sie das Wohlgefallen Gottes aus den Augen verlieren, dagegen ihr eigenes Wohlgefallen suchen und dem göttlichen vorziehen. 768. Gibt es aber schon in der Weit keine Entschuldigung, wenn man die Vollkommenheit in der Tugend nicht erreicht, so kann man im Ordensstande noch viel weniger eine solche in den übertragenen Ämtern und Beschäftigungen finden. Halte dich ja niemals deshalb für verhindert, weil du das Amt einer Vorsteherin versiehst; denn Gott hat dich mittels des Gehorsams auf diese Stufe gestellt, und darum darfst du auch an seinem Beistand und Schutze nicht zweifeln; an demselben Tage hat er es ja auch auf sich genommen, dir die Kräfte und Hilfe zu verleihen, wodurch du deinen Geist auf die Verpflichtungen einer Oberin und zugleich auf die besondere Vollkommenheit richten kannst, womit du deinen Gott und Herrn lieben sollst. Mache ihn dir geneigt durch das Opfer deines Willens, indem du dich demütig und geduldig in alle Anordnungen seiner göttlichen Vorsehung fügst. Denn widerstrebst du diesen nicht, so verspreche ich dir ganz sicher seinen Schutz; und du wirst allezeit erfahren, dass die Macht seines Armes jede deiner Handlungen vollkommen leitet und regiert. BUCH ZWEI. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN 800. Du hast, meine Tochter, eine für dein Verhalten sehr wichtige Belehrung in diesem Hauptstücke. Allerdings hast du den ganzen Inhalt derselben nicht aufgeschrieben; aber ich will doch, dass du das, was du angeführt, wie auch das, was du nicht vorgebracht hast, tief in das Innerste deines Herzens dir einprägest und bei dir selbst mit unveränderlicher Standhaftigkeit vollbringest. Du musst dich deshalb in dein Inneres zurückziehen, auf alles Sichtbare und Irdische vergessen und mit aller Aufmerksamkeit auf das göttliche Licht achten, das dich umgibt und alle deine Fähigkeiten mit einem doppelten Gewande bekleidet, damit du beim Streben nach Vollkommenheit keine Kälte und Lauigkeit fühlest und ebenso den unordentlichen Regungen deiner Leidenschaften widerstehest. Umgürte und töte dieselben ab mit dem Gürtel der Furcht Gottes; halte deinen Geist fern von dem täuschenden Schein der Dinge und richte ihn hin auf die Betrachtung und das Verständnis der Wege und Pfade deines Innern, welche dir Gott gezeigt hat, damit du ihn in deinem verborgenen Kämmerlein suchest und ohne Gefahr einer Täuschung auch findest. Und hast du einmal die himmlische Geschäftigkeit versucht, so lasse es ja nicht durch deine Nachlässigkeit dahin kommen, dass in deinem Geiste das göttliche Licht erlischt, welches dich entflammt und in der Finsternis erleuchtet. Iss dein Brot nicht müssig, sondern arbeite im Schweisse und gönne deiner Sorgfalt keine Ruhe. So wirst du die Frucht deines Fleisses ernten und gestärkt im Herrn Werke vollbringen, die ihm angenehm und wohlgefällig sind. Du wirst dem Geruche seiner Salben nachlaufen, bis du endlich zu seinem ewigen Besitze gelangst. Amen. @@@@@ Buch 3 @@@@@ Buch drei. LEHRE, weiche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Lob Gottes Demut 13. Meine Tochter, die Menschen sind nicht imstande, die unaussprechlichen Werke zu verstehen, welche der Allmächtige in mir vollbracht hat, da er mich auf die Menschwerdung des ewigen Wortes vorbereitete; besonders aber wurde mein Geist während jener neun Tage, welche diesem unbegreiflichen Geheimnisse unmittelbar vorangingen, erhoben und mit dem unveränderlichen Wesen der Gottheit vereinigt; er wurde derart in diesen Ozean der unendlichen Vollkommenheiten versenkt und erhielt von denselben so erhabene, göttliche Einflüsse, dass sie in keines Menschen Herz kommen können. Gott verlieh mir eine Kenntnis der Geschöpfe, die ihr Innerstes durchdrang, eine Kenntnis, die weit klarer und vortrefflicher war als die aller englischen Geister, welche doch von allem Geschaffenen eine so wunderbare Kenntnis besitzen, seitdem sie Gott anschauen. Die Vorstellungen aber von allen), was ich geschaut hatte, blieben meinem Geiste eingeprägt, damit ich mich derselben in der Folge nach Belieben bedienen könnte. 14. Was ich jetzt von dir verlange, dass du dasjenige, was ich mit Hilfe dieser Kenntnis getan habe, aufmerksam betrachtest und mir nach Kräften nachfolgest mit Hilfe des einbegossenen Lichtes, welches du hiezu erhalten hast. Ziehe Nutzen aus der Kenntnis der Geschöpfe und mache aus denselben eine Leiter, die dich zu deinem Schöpfer emporträgt, so dass du in allen den Ursprung suchst, von dem sie herkommen, und das Ziel, zu dem sie bestimmt sind. Bediene dich derselben wie eines Spiegels, der dir die Gottheit des Schöpfers vor Augen stellt, um dich an seine Allmacht zu erinnern und mit dieser heiligen Liebe zu entflammen, welche er von dir verlangt. Bewundere und lobe die Grösse und die Herrlichkeit des Schöpfers; demütige dich in seiner Gegenwart tief in den Staub und tue und leide gerne alles, um sanftmütig und demütig von Herzen zu werden. Betrachte, meine Teuerste, dass diese Tugend der Demut das festeste Fundament all der Wunder war, welche der Allerhöchste in mir gewirkt hat. Und damit du diese Tugend hochschätzest, so wisse, wie sie kostbar ist vor allen andern, so ist sie auch sehr zart und vielen Gefahren ausgesetzt; wenn du sie aber in einem Stücke verlierst und nicht in allen Dingen ohne Unterschied demütig bist, so wirst du dies in keinem einzigen in Wahrheit sein. Erkenne dein irdisches und vergängliches Wesen und vergiss nicht, wie der Allerhöchste mit grosser Weisheit den Menschen derart geschaffen hat, dass schon seine Entstehung und Erschaffung eine ebenso eindringliche, deutliche und andauernde als wichtige Lehre der Demut für ihn ist. Und damit ihm diese Unterweisung niemals mangle, so hat er den Menschen nicht aus edlerem Stoffe gebildet und hat überdies in sein Inneres das "Gewicht des Heiligtums"' gelegt, damit er in die eine Waagschale das unendliche und ewige Wesen des Herrn, in die andere aber seinen allerniedrigsten Stoff lege und so Gott gebe, was Gottes ist, sich selbst aber, was ihm gebührt. 15. Ich habe diesen Unterschied auf vollkommene Weise gemacht zum Beispiele und zur Belehrung der Menschen; und ich will, dass du mir hierin nachfolgest und alle deine Sorgen darauf richtest, demütig zu werden; denn durch dieses Mittel wirst du dem Allerhöchsten und mir Wohlgefallen. Ich will, dass du die wahre Vollkommenheit erreichest und dass sie gegründet sei auf das tiefste Fundament der Erkenntnis deiner selbst. Je tiefer du dieses Fundament graben wirst, desto höher wird sich das Gebäude deiner Tugend erheben und desto inniger wird dein Wille vereinigt sein mit dem Willen des Herrn; denn von der Höhe seines Thrones sieht er herab auf die Demütigen der Erde. Buch drei. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Herrschaft des Menschen über die Geschöpfe. 24. Meine Tochter, aus dem, was du über die hohen Gnadenauszeichnungen, die mich zur Würde der Mutter des Allerhöchsten vorbereiteten, inne wirst, musst du die wunderbare Ordnung der Weisheit Gottes in der Erschaffung des Menschen erkennen. Betrachte, wie der Mensch von seinem Schöpfer aus nichts gemacht ist, nicht damit er der Diener, sondern der Herr und König aller Dinge sei und sich derselben als Gebieter und Herr bediene. Zugleich soll sich aber der Mensch auch als ein Geschöpf und als das Ebenbild seines Schöpfers betrachten und soll darum eben diesem Schöpfer mehr untertänig und auf seinen Willen mehr achtsam sein, als es die übrigen Geschöpfe auf den Willen des Menschen sind; denn so fordert es die Ordnung der Vernunft. Damit es aber dem Menschen nicht am Lichte fehle, seinen Schöpfer zu erkennen und die Mittel einzusehen, welche geeignet sind, dessen Willen zu erfahren und zu vollziehen, so hat ihm der Herr ausser dem natürlichen Lichte der Vernunft noch ein anderes, grösseres Licht gegeben, welches schneller, leichter und müheloser erworben wird und zu gleich sicherer und allen Menschen mehr zugänglich ist, nämlich das Licht des göttlichen Glaubens, mit dessen Hilfe der Mensch Gottes Weisheit und Eigenschaften und zugleich auch Gottes Werke erkennen sollte. Durch diese Erkenntnis und durch die vorhin genannte Herrschaft war der Mensch wohlgeordnet, geehrt und bereichert, so dass er keine Entschuldigung hat, wenn er sich nichtganz dem göttlichen Willen hingibt. 25. Doch die Torheit der Menschen verkehrt diese ganze Ordnung und vernichtet diese göttliche Harmonie; derjenige, der geschaffen war, um Herr und König der Geschöpfe zu sein, macht sich zu ihrem niedrigen Diener und unterwirft sich ihrer Knechtschaft; er entehrt so seine Würde und gebraucht die sichtbaren Dinge nicht wie ein kluger Herr, sondern wie ein unwürdiger Untergebener, und erkennt sich nicht mehr als Herrn, da er sich tief unter das niedrigste der Geschöpfe erniedrigt. All diese Verkehrtheit kommt daher, weil man die sichtbaren Dinge nicht mittelst des Glaubens auf den Schöpfer bezieht und sie so für seinen Dienst gebraucht, sondern weil man von allen einen schlechten Gebrauch macht, nur um die Leidenschaften und die Sinne zu befriedigen durch das Vergnügen, welches die Geschöpfe bieten; und darum verabscheut man so sehr alles, was kein Vergnügen bietet. 26. Du, meine teuerste Tochter, betrachte deinen Schöpfer und Herrn mit den Augen des Glaubens und strebe, das Bild seiner göttlichen Vollkommenheiten in deiner Seele auszuprägen; bewahre die Herrschaft über die Geschöpfe, auf dass keines Herr werde über deine Freiheit. Ich will im Gegenteile, dass du über alle triumphierest und nichts sich zwischen Gott und deine Seele stelle. Du darfst dich den Lockungen der Geschöpfe nicht unterwerfen, denn dadurch würde dein Verstand verdunkelt und dein Wille geschwächt. Du musst vielmehr dich mit Liebe dem unterwerfen, was sie Lästiges, Peinliches und Widerwärtiges an sich haben; dies musst du mit freudigem Willen ertragen, da auch ich es getan habe, um meinem heiligsten Söhne nachzufolgen, obwohl es in meiner Macht stand, die Ruhe zu wählen, und obwohl ich keine Sünde abzubüssen hatte. Buch drei. LEHRE, welche mir die heiligste Königin gab. Lehre: Dankbarkeit gegen Gott 35. Meine liebste Tochter, der Arm des Allmächtigen hat Grosses an mir getan bei den Visionen seiner Gottheit während dieser Tage, die seiner Empfängnis in meinem Schosse vorausgingen. Zwar wurde mir die Gottheit nicht unmittelbar und unverhüllt geoffenbart, aber doch in erhabenster Weise und mit Wirkungen, die seiner Weisheit vorbehalten sind. So oft ich mir das Geschaute durch die Vorstellungen, die mir davon geblieben waren, in das Gedächtnis zurückrief und, im Geiste mich erhebend, erkannte, was Gott für die Menschen ist und was diese für die göttliche Majestät sind, da entbrannte mein Herz in Liebe und brach vor Schmerz, denn ich erkannte die unendliche Grösse der Liebe Gottes zu den Menschen und zugleich auf seiten der Menschen die undankbarste Vergessenheit für eine so unaussprechliche Güte. Gar oft wäre ich bei dieser Erwägung gestorben, hätte Gott mich nicht gestärkt und erhalten. Die göttliche Majestät aber nahm dieses Opfer ihrer Magd mit grösserem Wohlgefallen an als alle Opfer des Alten Bundes; denn der Herr sah auf meine Demut, die ihm sehr wohigefiel, und wenn ich mich in diesen Akten übte, erwies er mir grosse Erbarmungen, sowohl für mich selbst, als für mein Volk. 36. Meine teure Tochter, ich offenbare dir diese Geheimnisse, damit du dich entschliessest, soweit es deine Kräfte mit dem Beistande der Gnade zulassen, mir nachzufolgen, indem du meine Werke, die du erkannt, als Muster und Vorbild betrachtest. Erwäge oft und aufmerksam in deinem Geiste, sowohl im Lichte des Glaubens, als im Lichte der Vernunft, welchen Dank die Menschen Gott schulden für seine unermessliche Güte und für sein Verlangen, ihnen zu helfen; und im Zusammenhalte mit dieser Wahrheit betrachte dann den Stumpfsinn und die Herzenshärte der Kinder Adams. Dann soll sich, das ist mein Wille, dein Herz ergiessen und auflösen in die Gefühle der Dankbarkeit gegen den Herrn und des Mitleidens mit diesem unglückseligen Zustande der Menschen. Ich versichere dich, meine Tochter, dass am Tage der allgemeinen Rechenschaft der gerechte Richter gerade darüber am allermeisten zürnen wird, dass die höchst undankbaren Menschen diese Wahrheit vergessen haben. Und dieser Zorn wird so gewaltig und die Vorwürfe des Richters werden für die Menschen an jenem Tage so beschämend sein, dass sich die Menschen vor Scham selbst in den Abgrund der Pein stürzen würden, wenn nicht die Diener der göttlichen Gerechtigkeit bereit stünden, dies zu tun. 37. Willst du eine so hässliche Sünde vermeiden und einer so schrecklichen Strafe entgehen, so erneuere in dir oft das Andenken an die Wohltaten, welche du von dieser unendlichen Liebe und Güte empfangen hast, und beachte, dass sie dich vor vielen Nationen bevorzugt hat. Glaube nicht, so viele besondere Gaben und Geschenke seien für dich allein bestimmt gewesen; sie sind dir auch für deine Brüder gegeben, denn die göttliche Barmherzigkeit dehnt sich auf alle aus. Darum bist du auch dem Herrn Dank schuldig in erster Linie für dich selbst, in zweiter für sie. Weil du jedoch arm bist, so opfere das Leben und die Verdienste meines allerheiligsten Sohnes auf und in Vereinigung damit all das, was ich durch die Gewalt der Liebe gelitten habe, damit du auf diese Weise dich dankbar erzeigest gegen Gott und einigen Ersatz leistest für die Undankbarkeit der Menschen; dies musst du öfters tun, indem du dich an die Gefühle erinnerst, welche mich bei eben diesen Übungen und Akten beseelten. Buch drei. LEHRE, welche die Himmelskönigin mir gab 45. Meine liebe Tochter, ich will, dass du mit grosser Aufmerksamkeit erwägest und hochschätzest, was du verstanden hast von dem, was ich tat und litt, als der Herr mir eine solche Erkenntnis verlieh, einerseits über seine Güte, welche unendlich verlangt, die Menschen zu bereichern, und anderseits über ihre geringe Erkenntlichkeit, ja ihren schwarzen Undank. Als ich von der Betrachtung dieser freigebigsten Güte niederstieg, um die unverständige Härte der Sünder ernstlich zu erwägen, wurde mein Herz durchbohrt durch einen Pfeil von tödlicher Bitterkeit, der mein ganzes Leben lang mich schmerzte. Ich will dir auch ein anderes Geheimnis mitteilen: Um die Betrübnis und Traurigkeit, welche mein Herz in diesem Schmerze fühlte, zu lindern, antwortete der Allerhöchste mir oftmals: "Empfange, meine teure Braut, was die unwissende und blinde Welt verachtet, da sie unwürdig ist, es zu kennen und zu erhalten." Bei dieser Antwort liess dann der Herr dem Strome seiner Schätze freien Lauf, und diese trösteten meine Seele mehr, als der menschliche Verstand fassen und eine Zunge aussprechen kann. 46. Ich will nun, meine liebe Freundin, dass du meine Genossin seiest in diesem Schmerze, den ich für die Lebenden litt und auf welchen diese so wenig achthaben. Um mich aber hierin und in den Wirkungen, welche eine so gerechte Pein in dir hervorbringen wird, nachzuahmen, musst du gänzlich dir selbst entsagen, dich in allem vergessen und dein Herz mit Dornen und Schmerzen krönen, ganz anders als die Sterblichen tun. Weine über das, worüber sie lachen und sich erfreuen zu ihrer ewigen Verdammung; denn dies ist die gerechteste Beschäftigung der wahren Bräute meines heiligsten Sohnes, sie dürfen sich nur erfreuen in den Tränen, die sie vergiessen über ihre Sünden und über die Sünden der verblendeten Welt. Bereite dein Herz durch diese Gesinnung vor, damit der Herr dir seine Schätze mitteile; aber tue dies nicht so sehr deshalb, um reich zu werden, als vielmehr, damit die göttliche Majestät ihre freigebige Liebe an dir erfüllen könne, welche dir ihre Schätze mitteilen und die Seelen retten will. Folge mir in allem nach, was ich dich lehre; denn du weisst, dass ich dies von dir verlange. Buch drei. LEHRE, welche mir die himmlische Herrin gab. Lehre: Flehen für das Heil der Mitmenschen 57. Meine Tochter, die vollkommenere Erkenntnis der Wunderwerke, welche der Arm des Allmächtigen an mir getan, um mich durch die abstrakten Visionen der Gottheit zur Würde seiner Mutter zu erheben, ist den Auserwählten vorbehalten, 2velche dies in dem himmlischen Jerusalem schauen. Dort werden sie es in Gott selbst sehen und verstehen mit besonderer Freude und Bewunderung, wie die Engel solche fühlten, als der Allerhöchste ihnen dies offenbarte, wofür sie ihn lobten und verherrlichten. Weil aber die göttliche Majestät hinsichtlich fieser Gnade dich vor allen Geschlechtern ausgezeichnet und dir durch Verleihung der Erkenntnis und des Lichtes, das du über diese hohen Geheimnisse empfängst, ihre freigebige Liebe in besonderer Weise erzeigt hat, so verlange ich auch von dir, meine Freundin, dass du vor allen Geschöpfen dich auszeichnest in Lobpreisung seines heiligen Namens für das, was die Macht seines Armes an mir getan. 58. Sodann musst du mit aller Sorgfalt trachten, mir in den Werken nachzufolgen, welche ich mit jenen grossen und wunderbaren Gnaden verrichtete. Bitte und rufe zum Herrn, dass deine Brüder zum ewigen Heile gelangen und dass der Name meines Sohnes von der ganzen Welt erkannt und von allen Menschen gepriesen werde. Diesen Bitten sollst du mit beharrlichem Eifer obliegen, gegründet in lebendigem Glauben und mit festem Vertrauen, aber ohne dein Elend aus dem Auge zu verlieren, mit tiefer Demut und Selbsterniedrigung. So vorbereitet musst du mit der göttlichen Liebe ringen für das Wohl deines Volkes, fest überzeugt, dass die herrlichsten Siege der Liebe Gottes darin bestehen, dass sie sich besiegen lässt von den Demütigen, welche mit aufrichtigem Herzen ihn lieben. Erhebe dich über dich selbst und danke Gott für die Wohltaten, die er dir im besonderen und die er dem ganzen Menschengeschlechte erwiesen hat. Zu dieser göttlichen Liebe gewendet, wirst du neue Gnaden erlangen sowohl für dich als auch für deine Brüder; endlich bitte den Herrn jedesmal um seinen Segen, so oft du dich in seiner göttlichen Gegenwart befindest. Buch drei. LEHRE, welche mir die himmlische Frau gegeben 67. Meine Tochter, wunderbar war die Gabe der Demut, welche der Allerhöchste mir bei dem Ereignisse verlieh, das du eben beschrieben hast. Und weil Seine Majestät denjenigen nicht zurückstösst, der zu ihm ruft, und weil er seine Gunst demjenigen nicht verweigert, welcher sich bereitet, dieselbe zu empfangen, so will ich, dass du in der Übung dieser Tugend mir nachfolgest und meine Gefährtin seiest. Ich hatte keinen Anteil an der Schuld Adams, da ich von seinem Ungehorsam ausgeschlossen war; weil ich aber teil hatte an seiner Natur und in dieser Hinsicht, aber nur in dieser, seine Tochter war, so demütigte ich mich in meinen Augen bis in den Abgrund des Nichts. Wie tief muss sich dann nach diesem Beispiele derjenige demütigen, der nicht allein an der ersten Schuld teil hatte, sondern nachher noch andere ohne Zahl begangen hat? Der Beweggrund und Zweck dieser demütigen Erkenntnis muss aber nicht sowohl der sein, der Strafe dieser Sünden zu entgehen, als vielmehr, die Ehre wiederherzustellen und zu ersetzen, welche man dadurch dem Schöpfer und Herrn aller Dinge geraubt und verweigert hat. 68. Wenn einer deiner Brüder deinen leiblichen Vater schwer beleidigt hätte, so wärest du keine dankbare und treue Tochter deines Vaters noch eine wahre Schwester deines Bruders, wenn du nicht über die Beleidigung des ersteren dich betrübtest und des letzteren Fehler wie deine eigenen beweintest; denn dem Vater schuldest du alle Ehrfurcht, und den Bruder musst du lieben wie dich selbst. Erwäge nun, liebste Tochter, und prüfe mit dem Lichte der Wahrheit, wie gross der Abstand ist zwischen deinem leiblichen Vater und deinem Vater, der im Himmel ist, und dass ihr alle dessen Kinder seid, vereinigt durch enge Bande als Brüder und als Diener des einen wahren Herrn. Wie du also dich demütigen und mit grosser Beschämung weinen würdest,falls deine leiblichen Brüdereinen schändlichen Fehler begingen, so will ich, dass du auch tuest für die Sünden, welche die Sterblichen gegen Gott begehen, dass du nämlich dieselben mit Beschämung beklagest, wie wenn du sie dir selbst zuzuschreiben hättest. Dies habe ich getan, als ich den Ungehorsam Adams und Evas und dessen unglückliche Folgen für das Menschengeschlecht erkannte, und der Allerhöchste hatte Wohlgefallen an meiner Dankbarkeit und Liebe; denn sehr wohlgefällig ist seinen Augen, wer jene Sünden beweint, welche vergessen werden von dem, der sie begeht. 69. Beachte zugleich, dass, so gross und erhaben auch die Gnaden sind, welche du vom Allerhöchsten erhältst, du darum die Gefahr nicht übersehen und ebensowenig es vernachlässigen darfst, zu den Werken der Pflicht und der Liebe dich herabzulassen. Du wirst auf diese Weise keineswegs Gott verlassen; denn der Glaube lehrt dich, und die Vernunft leitet dich an, ihn zu jeder Beschäftigung und an jeden Ort mit dir zu nehmen; nur dich selbst musst du verlassen und deinen Willen, um den deines Herrn und Bräutigams zu erfüllen. Lasse dich bei deinen Affekten nicht leiten durch den Zug deiner Neigungen, noch durch die gute Meinung und innerliche Tröstung; denn diese sind gar oft der Mantel, unter welchem eine grosse Gefahr sich verbirgt. In Fällen, wo du zweifelst und nicht weisst, was zu tun i~ t, soll dir als Schiedsrichter und Lehrmeister immer der heilige Gehorsam dienen. Durch ihn wirst du ganz gewiss bei deinen Handlungen das Rechte treffen und bist du jeder anderen Unt3rsuchung überhoben. Denn grosse Siege und grosse Fortschritte in den Verdiensten sind an die wahre Unterwürfigkeit und an die Unterwerfung unseres eigenen Urteils unter das Urteil anderer geknüpft. Niemals darfst du ein Wollen oder Nachtwollen haben; dann wirst du von Siegen reden und deine Feinde überwinden. Buch drei. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Himmelskönigin, gab 84. Meine Tochter, die geheimen Werkstätten und Schatzkammern des Allerhöchsten sind dieses göttlichen Königs und allmächtigen Herrn würdig; darum finden sich darin die reichsten Geschmeide ohne Mass und Zahl, welche den Schmuck seiner Bräute und Auserwählten bilden. Und wie er meine Seele reich geschmückt hat, so könnte er es mit unzählbaren andern tun, und immer würde ihm unendlich viel übrigbleiben. Freilich wird seine freigebige Hand keinem anderen Geschöpf soviel mitteilen, wie sie mir gegeben, jedoch nicht deshalb, weil Gott dies nicht könnte oder nicht wollte, sondern weil niemand auf die Gnade sich vorbereitet, wie ich es getan. Aber gegen viele ist der Allmächtige sehr freigebig und bereichert sie in hohem Grade, weil dieselben ihm weniger Hindernisse entgegenstellten und sich besser vorbereiten als andere. 85. Ich verlange, meine Teuerste, dass du der Liebe Gottes zu dir kein Hindernis entgegensetzest, vielmehr dich bereitest, um die Gaben zu empfangen, mit welchen er dich ausrüsten will, damit du seine würdige Braut werdest. Beachte, dass alle gerechten Seelen diesen Schmuck aus seiner Hand empfangen, aber jede in dem Grade der Freundschaft und Gnade, dessen sie sich fähig macht. Willst du also zu den höchsten Graden der Vollkommenheit gelangen und der Gegenwart deines Herrn und Bräutigams würdig sein, so trachte in seiner Liebe zuzunehmen und stark zu werden; diese aber nimmt zu mit der Selbstverleugnung und Abtötung. Du musst daher allem Irdischen entsagen und es vergessen; alle Liebe zu dir selbst und zum Sichtbaren musst du in dir vernichten; nur in der Liebe zu Gott musst du wachsen und fortschreiten. Wasche und reinige dich in dem Blute deines Erlösers Jesus Christus und wende es dir oft zu, indem du wiederholt die Liebesreue über deine Sünden erweckst. So wirst du Gnade finden in seinen Augen; er wird nach deiner Schönheit verlangen' und dein Schmuck wird ganz rein und vollkommen sein. 86. Da der Herr dich durch solche Gnaden so sehr begünstigt und ausgezeichnet hat, so ist es gerecht, dass du dankbarer seiest als viele andere und ihn mit unaufhörlichem Lobe preisest für das, was er an dir zu tun sich gewürdigt hat. Schon bei den Geschöpfen, die weniger Dank schuldig sind, ist das Laster der Undankbarkeit so schändlich und verwerflich, wenn sie irdisch gesinnt und gefühllos die Wohltaten des Herrn geringachten und vergessen; wieviel grösser wird dann die Schuld eines so niedrigen Benehmens bei deinen Verpflichtungen sein! Täusche dich nicht mit dem Vorwande, dich zu demütigen; denn es ist ein grosser Unterschied zwischen der dankbaren Demut und der demütig scheinenden Undankbarkeit. Wisse, dass der Herr gar oft auch den Unwürdigen grosse Gnaden erweist, um seine Güte und seine Grösse zu offenbaren, und damit niemand wegen solcher Gnaden sich erhebe, sondern jeder seine Unwürdigkeit erkenne. Dieser Gedanke muss jedem als Gegengewicht und als Verwahrungsmittel gegen das Gift des Stolzes dienen. Hiemit verträgt sich jedoch die Dankbarkeit allezeit sehr wohl, indem man nämlich erkennt, dass jede vollkommene Gabe vom Vater der Lichter kommt' und das Geschöpf durch sich selbst dieselbe niemals verdienen konnte, dass ihm dieselbe vielmehr aus reiner Güte gegeben wird. Bei diesem Gedanken aber muss das Geschöpf in Demut anerkennen, dass es durch die Pflicht der Dankbarkeit gebunden ist. Buch drei. LEHRE, welche die heiligste Jungfrau Maria mir gegeben hat. Lehre: die Liebe Gottes zu den Menschen. 96. Meine liebste Tochter, wie weit sind doch die wunderbaren Werke, welche der Allmächtige in diesen Geheimnissen der Menschwerdung des ewigen Wortes an mir vollbracht hat, von der Weisheit der Welt entfernt! Weder Fleisch, noch Blut, noch die Engel und die erhabensten Seraphim können durch sich allein diese Geheimnisse erforschen, die so verborgen und über die Gnadenordnung der übrigen Geschöpfe so weit erhaben sind. Du aber, meine Freundin, sollst um ihretwillen den Herrn lobpreisen in beständiger Liebe und Dankbarkeit; sei nun nicht mehr so langsam an Fassungskraft, um die Grösse seiner göttlichen Liebe und die Menge der Gnaden zu erkennen, die er seinen Freunden und liebsten Kindern erweist, da er sie vom Staube erheben und auf verschiedene Weise bereichern will. Wenn du in diese Wahrheit eindringst, so wird sie dich zur Dankbarkeit zwingen und dich bewegen, grosse Dinge zu tun als seine treue Tochter und Braut. 97. Damit du dies mit desto grösserem Eifer tuest, mache ich dich aufmerksam, dass der Herr oft an seine Auserwählten diese Worte richtet: Revertere, revertere, ut intueamur te; weil er so grosses Wohlgefallen an ihren Werken hat. Ein Vater ergötzt sich an seinem einzigen, schönen und gar anmutigen Sohne und betrachtet denselben oft unter Liebkosungen; ein Künstler hat Freude am Meisterwerk seiner Hände, ein König an der reichen Stadt, welche er erobert hat, ein Freund an seinem vielgeliebten Freunde; aber unvergleichlich mehr als diese alle er freut und ergötzt sich Gott an den Seelen, welche er zu seiner Wonne erwählt; und in demselben Masse, als diese sich für seine Gnaden befähigen und vorwärts schreiten in der Vollkommenheit, vermehren sich auch seine Gunstbeweise und sein Wohlgefallen. Wenn die Gläubigen diese Wahrheit wohl verstünden, sie würden allein schon um dieses Wohlgefallens willen nicht nur die Sünde meiden, sondern auch Grosses tun und selbst in den Tod gehen, um demjenigen ihren Gehorsam und ihre Liebe zu bezeigen, der so freigebig ist im Belohnen und so geneigt zum Geben und Helfen. 98. Als an diesem achten Tage, welchen du beschrieben hast, der Herr im Himmel zu mir sprach: Revertere, revertere, das heisst, dass ich ihn anschauen solle, damit die himmlischen Geister mich sehen, war, wie ich erkannte, das Wohlgefallen Seiner göttlichen Majestät so gross, dass es allein alle Freude und Wonne übertraf, welche alle heiligen Seelen auf dem Gipfel ihrer Heiligkeit ihm bereitet haben. Seine Güte fand an mir grösseres Wohlgefallen als an allen Aposteln, Märtyrern, Bekennern, Jungfrauen und allen übrigen Heiligen. Aus diesem Wohlgefallen des Allerhöchsten ergossen sich in meine Seele so reiche Gnaden und eine solche Teilnahme an der Gottheit, dass du es weder verstehen noch erklären kannst, solange du im sterblichen Fleische bist. Ich teile dir aber dieses grosse Geheimnis mit, damit du den Urheber desselben lobest und dich immer mehr zu befähigen suchest, während deiner Verbannung vom Vaterlande an meiner Statt und in meinem Namen deine Hand an grosse Werke zu legen und dem Herrn das Wohlgefallen zu bereiten, welches er von dir begehrt. Bemühe dich allezeit um dieses Wohlgefallen, mache Gebrauch von seinen Gnaden und erflehe solche in vollkommener Liebe nicht nur für dich, sondern auch für deine Mitmenschen. Buch drei. LEHRE der Königin des Himmels, unserer Herrin. Lehre: Kindliche Liebe zutGott 107. Meine Tochter, wer eine eigennützige und knechtische Liebe hegt, ist keine würdige Braut des Allerhöchsten; denn die Braut darf nicht lieben oder fürchten wie eine Dienerin, und ebensowenig darf sie um den Taglohn bitten. Aber obwohl ihre Liebe kindlich sein muss und edelmütig wegen des hohen Ranges und der unermesslichen Güte ihres Bräutigams, so muss sie sich doch auch ihm gegenüber für höchst verpflichtet halten, weil er so reich und freigebig ist und den Seelen zuliebe die sichtbaren Güter in solcher Mannigfaltigkeit erschaffen hat, damit sie alle denjenigen dienen, welche Seiner Majestät dienen; vor allem aber wegen der verborgenen Schätze, welche er mit übergrosser Milde für denjenigen bereit hält, die als Kinder dieser Wahrheit ihn fürchten. Ich will also, dass du dich als höchst verpflichtet erachtest gegen deinen Herrn und Vater, deinen Bräutigam und Freund, da du weisst, wie reich die Seelen sind, welche durch die Gnade das Glück haben, seine Töchter und Lieblinge zu sein, und wie dieser mächtige Vater so grosse und mannigfaltige Güter bereit hält für seine Kinder und selbst alle diese Güter jedem einzelnen geben würde, wenn es nötig wäre. Wahrlich, die Lieblosigkeit der Menschen lässt sich nicht rechtfertigen inmitten so vieler Beweggründe und Antriebe zur Liebe, und ihre Undankbarkeit findet keine Entschuldigung angesichts so grosser Wohltaten, welche sie ohne Mass empfangen. 108. Beachte sodann, meine Teuerste, dass du im Hause des Herrn, das heisst in seiner heiligen Kirche, keine Fremde bist, sondern Hausgenossin und Braut Christi unter den Heiligen, genährt mit seinen Gunstbezeigungen und Brautgeschenken. Weil nun alle Schätze und Reichtümer, welche der Bräutigam besitzt, auch der rechtmässigen Braut gehören, so erwäge, wie zahllos die Güter sind, an denen er dich teilnehmen lässt und über die er dich zur Herrin gesetzt hat. Benütze denn alle als Hausgenossin; eifere für seine Ehre als so bevorzugte Tochter und Braut und sei dankbar für alle seine Werke und Wohltaten, als hätte sie dein Herr für dich allein geschaffen. Liebe und ehre ihn in deinem Namen sowie im Namen deiner Mitmenschen, gegen die er auch so freigebig gewesen ist. In all dem ahme mit deinen schwachen Kräften nach, was du über mein Verhalten erkannt hast, und wisse, meine Tochter, dass es mir sehr wohlgefällig ist, wenn du mit grosser Inbrunst dem Allmächtigen dankest und ihn preisest für die über alle menschliche Vorstellung erhabenen Gnaden und Schätze, welche seine Rechte während dieser Novene mir verliehen hat. Buch drei. LEHRE DER KÖNIGIN DES HIMMELS. Lehre: Der vertraute Umgang mit Gott 120. Meine Tochter, ich eröffne dir jetzt mit besonderer Zuneigung meinen Willen und mein Verlangen, dass du dich des innigen, vertrauten Umganges mit Gott würdig machest und dich dazu mit grosser Sorgfalt vorbereitest, indem du deine Sünden beweinst und auf alles Sichtbare vergissest und verzichtest, so dass du an nichts anderes mehr denkest als an Gott. Zu diesem Zwecke sollst du alle Lehren in Ausführung bringen, welche ich dir bis jetzt gegeben habe und noch geben werde bei den weiteren Aufschreibungen, welche dir obliegen. Ich werde dir Weisung und Anleitung geben, wie du in diesem vertrauten Umgange mit Gott dich benehmen und mit den Gaben handeln musst, welche du von seiner Güte erhalten wirst, indem du ihn in deinem Herzen empfängst durch den Glauben, durch das Licht und die Gnade, welche ich dir geben werde. Wenn du aber nicht zuerst dieser Mahnung zufolge dich vorbereitest, so wirst du nicht zur Erfüllung deiner Wünsche gelangen und ich werde die Frucht meiner Lehre, welche ich dir als deine Lehrmeisterin gebe, nicht sehen. 121. Da du, ohne es zu verdienen, den verborgenen Schatz und die kostbare Perle meiner Unterweisung und Lehre gefunden hast, so verachte alles, was du haben kannst, um allein dieses unschätzbare Kleinod dir zu eigen zu machen; denn mit ihm wirst du zugleich alle Güter erhalten und dich der innigsten Freundschaft des Herrn und seines ewigen Verbleibens in deinem Herzen würdig machen. Als Gegenleistung für dieses grosse Glück verlange ich, dass du allem Irdischen absterbest, deinen Willen in der Glut dankbarer Liebe aufopferest und nach meinem Beispiele in der Demut so weit gehest, zu glauben und anzuerkennen, dass du nichts taugest, nichts könnest, nichts verdienest und nicht würdig seiest, als Dienerin der Dienerinnen Christi angenommen zu werden. 122. Beachte, dass es ferne von mir war, an die Würde der Mutter Gottes, zu welcher der Allerhöchste mich bestimmt hatte, auch nur zu denken; und dies selbst dann noch, als er mir bereits verheissen hatte, dass seine Ankunft in dieser Welt in Bälde erfolgen werde, und als Er mir auferlegte, dieselbe mit solcher Liebesglut zu verlangen, dass ich am Tage vor diesem wunderbaren Geheimnisse zu sterben glaubte, da mein Herz in diesen Liebesängsten gebrochen wäre, wenn die göttliche Vorsehung mich nicht gestärkt hätte. Freilich erweiterte sich mein Herz bei der Gewissheit, dass der Eingeborne des ewigen Vaters bald vom Himmel niedersteigen werde; anderseits aber flösste die Demut mir den Gedanken ein, ob nicht seine Ankunft sich verzögere, weil ich auf der Welt sei. Erwäge also, Teuerste, dieses Geheimnis meines Herzens und welches Beispiel dies ist für dich und für alle Menschen! Weil es jedoch schwer ist, eine so hohe Weisheit zu erreichen und niederzuschreiben, so beschaue mich in dem Herrn; da wirst du in seinem göttlichen Lichte meine ganz vollkommenen Handlungen betrachten und verstehen; folge mir dann, indem du dieselben nachahmest, und tritt in meine Fußstapfen. Buch drei. LEHRE DER HEILIGSTEN KÖNIGIN MARIA 141. Meine Tochter, du bist, wie ich sehe, erstaunt, und mit Recht, da du in neuem Lichte das Geheimnis erkannt hast, in welchem die Gottheit so tief sich erniedrigt hat, dass sie im Schosse einer armen Jungfrau, wie ich war, mit der menschlichen Natur sich vereinigte. Ich will nun, meine Teuerste, dass du mit grösster Aufmerksamkeit erwägest, wie Gott sich so tief gedemütigt hat, nicht für mich allein, sondern für dich ebensogut wie für mich. Des Herrn Barmherzigkeit ist ja unendlich, und seine Liebe kennt keine Grenzen; und jede Seele, die ihn aufnimmt, bewacht und beschützt er in solcher Weise und erfreut sich über sie, als ob er sie allein erschaffen hätte und Mensch geworden wäre für sie allein. Darum musst du dich betrachten, als ob du allein in der Welt wärest, um ihm von ganzem Herzen für seine Ankunft in dieser Welt zu danken, und dann wirst du ihm auch Dank sagen, dass er zugleich für alle anderen gekommen ist. Wenn du mit lebendigem Glauben erfassest und bekennst, dass derselbe Gott, der unendlich ist in seinen Vollkommenheiten und ewig in seiner Majestät, der herabgekommen ist, um menschliches Fleisch in meinem Schosse anzunehmen, dass dieser nämliche Gott dich sucht, dich ruft, dich pflegt, dich liebt und sich ganz dir hingibt, als ob du sein einziges Geschöpf wärest: dann erwäge auch und beherzige wohl, wozu solch wunderbare Herablassung dich verpflichtet, und gehe von dieser Bewunderung über zu lebhaften Akten des Glaubens und der Liebe. Denn alles dies bist du einem solchen Könige und Herrn schuldig, der sich gewürdigt hat, zu dir zu kommen, da du ihn nicht suchen und nicht zu ihm gelangen konntest. 142. Alles, was der Herr dir geben kann ausser sich selbst, wird dir gross scheinen, wenn du es nur mit dem Lichte der Vernunft und mit menschlichen Gefühlen betrachtest, auch wenn du nicht höher hinaufblickst. Und es ist wahr, jede Gabe aus der Hand eines so grossen und erhabenen Königs verdient kochgeschätzt zu werden. Wenn du aber auf Gott selbst schaust, ihn mit göttlichem Lichte erkennst und bedenkst, dass er dich fähig gemacht hat, an seiner Gottheit teilzunehmen, dann wirst du einsehen, dass, wenn Gott sich dir nicht mitteilte und nicht zu dir käme, alles Erschaffene für dich verächtlich, ja nichts wäre; und du wirst Ruhe und Frieden nur in dem Bewusstsein finden, dass du einen so grossen, so liebevollen, so liebenswürdigen, so mächtigen, milden und reichen Gott hast, einen Gott, welcher, obwohl so unendlich gross, sich gewürdigt hat, zu deiner Nied rigkeit herabzusteigen, um dich aus dem Staube zu erheben, deine Armut zu bereichern und sich gegen dich als Hirten, Vater, Bräutigam und treuesten Freund zu erweisen. 143. Achte denn, meine Tochter, in deinem Inneren auf die Wirkungen dieser Wahrheit. Erwäge wohl die zärtliche Liebe, welche dieser grosse König dir beweist durch seine beständige Sorgfalt, durch seine Geschenke und Liebkosungen, durch die Gnaden, welche du empfängst, durch die Arbeiten, welche er dir anvertraut, durch das Licht, welches seine göttliche Weisheit in deinem Innern angezündet hat, damit du gründlich erkennst, wie unendlich gross sein Wesen, wie wunderbar seine Werke, wie tief seine Geheimnisse sind, wie er die Wahrheit ist in allem, die sichtbaren Dinge aber nichts sind. Diese Erkenntnis ist der Beginn, die Grundlage und das Fundament der Lehre, welche ich dir gegeben, damit du verstehst, mit welcher Ehrfurcht und Hochschätzung du die Gnaden und Wohltaten dieses Herrn und Gottes empfangen musst, welcher dein wahres Gut, dein Schatz, dein Licht und dein Führer ist. Betrachte ihn als den unendlichen, liebevollen und schrecklichen Gott. Höre, meine Teuerste, auf meine Worte und auf meine Lehre; sie gibt Frieden deinem Herzen und Licht deinen Augen. Buch drei. LEHRE, welche mir unsere Königin gab. Lehre: Ehrfurcht gegen Gott 155. Meine liebe Tochter, da du durch den Glauben und durch himmlische Erleuchtung die Grösse Gottes erkannt hast und die unaussprechliche Güte, womit er für dich und für alle Menschen vom Himmel herabgestiegen ist, so lasse diese Wohltaten für dich nicht unnütz und fruchtlos sein. Bete Gott mit tiefer Ehrfurcht an und preise ihn für seine Güte, soweit du sie,erkannt hast. Empfange das Licht und die Gnade nicht umsonst, und lasse dir zum Muster und zum Ansporn dienen, was mein heiligster Sohn getan hat und was auch ich nach seinem Beispiele tat, wie du gesehen hast. Denn obwohl er wahrer Gott ist und ich seine Mutter bin - er ist ja auch Mensch und seine heiligste Menschheit erschaffen -, so haben wir doch unser menschliches Wesen anerkannt und uns tiefer gedemütigt und die göttliche Majestät mehr verherrlicht, als ein Gesch?pl begreifen kann. Auch du musst Gott diese Ehrfurcht und diesen Kult zu jeder Zeit und an jedem Ort darbringen, ganz besonders aber dann, wenn du den Herrn im allerheiligsten Sakramente empfängst. In diesem wunderbaren Sakramente kommt ja auf unbegreifliche Weise zu dir und ist in dir die Gottheit und Menschheit meines heiligsten Sohnes, und da offenbart sich die ganze Grösse seiner Güte, einer Güte, welche die Menschen zu wenig kennen und achten, als dass sie dieselbe dankbar erwiderten. 156. Deine Dankbarkeit muss sodann von so tiefer Demut, Ehrfurcht und Andacht begleitet sein, als deine Kräfte und Fähigkeiten nur immer zulassen; denn soweit sie auch reichen, es wird immer weniger sein, als du schuldig bist und als Gott verdient. Um nun soviel als möglich deine Unzulänglichkeit zu ersetzen, sollst du aufopfern, was mein heiligster Sohn und ich getan haben; auch sollst du deinen Geist und dein Herz mit dem der triumphierenden und streitenden Kirche vereinigen und mit derselben, indem du hiefür dein Leben aufopferst, flehen, dass alle Nationen ihren wahren Gott, der für alle Mensch geworden ist, erkennen, bekennen und anbeten mögen. Sage Dank für die Wohltaten, welche er allen Menschen erwiesen hat und noch erweist, sei es, dass sie ihn kennen oder nicht, dass sie ihn bekennen oder leugnen. Vor allem aber, meine Teuerste, verlange ich von dir - und dies wird dem Herrn sehr wohlgefällig und mir sehr angenehm sein -, dass du trauerst und mit süsser Rührung klagest über die Gefühllosigkeit, Unwissenheit und Saumseligkeit der Menschen und über ihre Gefahr, verloren zu gehen, über die Undankbarkeit der gläubigen Kinder der heiligen Kirche, welche das Licht des göttlichen Glaubens empfangen haben und dennoch innerlich in einer solchen Vergessenheit dieser Wohltaten der Menschwerdung, ja Gottes selbst dahinleben, dass sie sich von den Ungläubigen nur durch einige Zeremonien und äussere gottesdienstliche Akte zu unterscheiden scheinen; aber auch diese verrichten sie ohne Geist und ohne Teilnahme des Herzens, und gar oft beleidigen und erzürnen sie dabei die göttliche Gerechtigkeit, welche sie besänftigen sollten. 157. Diese ihre Unwissenheit und Gefühllosigkeit kommt daher, weil sie es an der nötigen Vorbereitung zum Erwerb und Empfang der wahren Erkenntnis des Allerhöchsten fehlen lassen. So verdienen sie, dass das göttliche Licht sich von ihnen entferne und sie mitten in ihrer dichten Finsternis lasse. Auf diese Weise werden sie unwürdiger als selbst die Ungläubigen, und ihre Strafe wird ohne Vergleich grösser sein als die der letzteren. Trauere über ein so grosses Unglück deiner Mittuen schen und bitte aus dem Grunde deines Herzens um Abhilfe. Damit du dich aber selbst von einer so schrecklichen Gefahr weiter entfernst, darfst du die Gnaden und Wohltaten, welche du empfängst, nicht leugnen noch sie unter dem Scheine der Demut geringschätzen oder vergessen. Erinnere dich und erwäge in deinem Herzen, welch weiten Weg die Gnade des Allerhöchsten gemacht hat, um dich zu rufen. Erwäge, wie er dich erwartet und getröstet hat, wie er dir in deinen Zweifeln Sicherheit, in deinen Ängsten den Frieden gegeben, wie er deine Fehler, als sähe er sie nicht, ertragen und verziehen und wie er seine Gnaden, seine Liebesbeweise, seine Wohltaten vervielfältigt hat. Ich versichere dir, meine Tochter, du musst von Herzen bekennen, dass der Allerhöchste an keinem anderen Geschöpfe so viel getan hat, während du nichts taugtest und nichts vermochtest, vielmehr ärmer und unnützer warst als die andern. Darum sei auch deine Dankbarkeit grösser als die aller Geschöpfe! Lehre: Nachahmung Jesu und Mariä. Liebe zu Gott. Frage: Meine Mutter und Herrin, wie kommt es, dass deine heiligste Seele, nachdem sie doch Gott so oft geschaut und genossen, als Seine Majestät dies wollte, nicht immer im Stande der Seligen verblieb? Warum sagen wir nicht, dass du allezeit in diesem Stande warst, da demselben doch keine Sünde, noch ein anderes Hindernis in dir entgegenstand, gemäss dem Lichte, welches mit über deine erhabene Würde und Heiligkeit verliehen wurde? ANTWORT UND LEHRE UNSERER KÖNIGIN UND HERRIN 175. Meine teuerste Tochter, du zweifelst, weil du mich liebst, und du fragst, weil du unwissend bist. So wisse denn: Die ununterbrochene Dauer ist eine der wesentlichen Eigenschaften der ewigen Seligkeit, welche den Heiligen des Himmels vorbehalten ist; denn diese Seligkeit muss in jeder Beziehung vollkommen sein, und wäre sie dies auch nur während eines Augenblickes nicht, so würde ihr die vollkommen entsprechende Vollendung fehlen, welche zur höchsten und vollkommenen Seligkeit notwendig ist. Überdies ist es nach den allgemeinen und gewöhnlichen Gesetzen unmöglich, dass ein Geschöpf - und wäre es auch sündelos - zu gleicher Zeit beseligt und dem Leiden unterworfen sei. Und wenn bei meinem heiligsten Sohne in dieser Hinsicht eine Ausnahme stattfand, so ist der Grund dieser: Er war Mensch und wahrer Gott zugleich, und darum durfte seine heiligste, mit der Gottheit persönlich vereinigte Seele der beseligenden Anschauung nicht entbehren; weil er aber zugleich Erlöser des Menschengeschlechtes war, so musste er leiden, um die Sündenschuld - das ist die Strafe - zu bezahlen. Dies hätte er aber nicht tun können, wenn er nicht einen leidensfähigen Leib gehabt hätte. Ich aber war ein blosses Geschöpf, und darum war es nicht angemessen, dass ich beständig die Anschauung genoss, welche nur dem gebührte, der zugleich Gott war. Darum konnte man mich auch nicht "allzeit selig " nennen, denn ich war es nur vorübergehend. Auf diese Weise war ich in der Lage und Verfassung, zu Zeiten zu leiden und zu Zeiten mich zu erfreuen; anhaltender aber war das Leiden und Verdienen als die Freude, weil ich noch Erdenpilgerin und nicht im Besitze der ewigen Seligkeit war. 176. Der Allerhöchste hat durch ein gerechtes Gesetz festgestellt, dass man die Freuden des ewigen Lebens nicht schon im sterblichen Leben geniesse und dass man zur Unsterblichkeit nicht anders gelange als durch den leiblichen Tod, nachdem man im Stande des Leidens, das ist im gegenwärtigen menschlichen Leben, sich Verdienste gesammelt hat. Nun war aber der Tod für alle Kinder Adams der Sold und die Strafe der Sünde, und in dieser Hinsicht hatte ich keinen Anteil am Tode, noch an den übrigen Folgen und Strafen der Sünde; allein der Allerhöchste verordnete, dass auch ich, wie mein heiligster Sohn, mittelst des körperlichen Todes zum ewigen Leben und zur Seligkeit eingehe. Hierin lag nichts Ungeziemendes für mich; vielmehr sprachen viele Gründe dafür, dass auch ich den gemeinsamen Weg alles Fleisches wandle, um auf diese Weise durch das Leiden und Sterben reiche Früchte an Verdiensten und an Glorie zu sammeln. Ein weiterer Grund lag auf seiten der Menschen; sie sollten nämlich erkennen, wie wir, mein allerheiligster Sohn und ich, seine Mutter, von wahrer menschlicher Natur waren wie alle anderen, da wir ja sterblich waren wie sie. Infolge dieser Erkenntnis aber wurde das Beispiel, das wir den Menschen hinterliessen, wirksamer, so dass sie leichter im leidensfähigen Fleische die Werke nachahmen, die wir in demselben verrichteten; und alles dieses gereichte zur grösseren Ehre und Verherrlichung meines Sohnes und Herrn und auch zur meinigen. Alle diese Vorurteile wären aber zum grossen Teile weggefallen, wenn die Visionen der Gottheit bei mir ununterbrochen fortgedauert hätten. Später aber, nachdem ich das ewige Wort empfangen hatte, waren die Gnaden und Gunstbezeigungen, die ich erhielt, häufiger und grösser, weil derjenige, von dem sie kamen, inniger mir angehörte und näher mit mir vereinigt war. Dies ist meine Antwort auf deine Zweifel. Soviel du aber auch verstanden und dich angestrengt hast, um die Privilegien zu offenbaren, welche ich im sterblichen Leben genoss, so wirst du doch unmöglich alles begreifen, was der mächtige Arm des Allerhöchsten an mir getan hat, und noch viel weniger wirst du mit menschlichen Worten ausdrücken können, was du verstehst. 177. Vernimm jetzt die Lehre, welche aus derjenigen, die ich dir in den vorhergehenden Hauptstücken erteilt habe, sich ergibt. Wenn ich das Vorbild bin, nach welchem du das Eingehen Gottes in die Seelen und in diese Welt mit der Gott gebührenden Ehrfurcht und Andacht, Demut, Dankbarkeit und Liebe feiern sollst, so musst du mich hierin nachahmen; und wenn du dies tust, so wird ganz gewiss der Allerhöchste zu dir kommen - und dasselbe gilt auch von jeder anderen Seele überhaupt -, um in dir ganz wunderbare Gnadenwirkungen hervorzubringen, ähnlich denjenigen, die er in mir hervorbrachte, wenn sie auch in dir und in anderen Seelen nicht so erhaben und wirksam sind wie in mir. Denn würde das Geschöpf schon vom Erwachen der Vernunft an, wie es seine Pflicht ist, sich zum Herrn wenden und seine Schritte auf die geraden Pfade des Heiles und des Lebens lenken, dann würde Seine allerhöchste Majestät, welche ihre Geschöpfe lieb hat, ihm entgegenkommen und ihm ihre Gnaden schon zum voraus mitteilen; denn eine allzulange Frist scheint es dem Herrn zu sein, das Ende der Pilgerschaft abzuwarten, um erst da seinen Freunden sich zu offenbaren. 178. Daher kommt es, dass die Seelen mittelst des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sowie durch den würdigen Empfang der heiligen Sakramente viele und wunderbare Gnadenwirkungen aus der gütigen Hand Gottes empfangen, die einen nach der gewöhnlichen Ordnung der Gnade, andere auf einem noch mehr übernatürlichen und wunderbaren Wege, ein jeder aber nach Massgabe seiner grösseren oder geringeren Disposition und nach den Absichten des Herrn, welche man aber nicht sogleich erkennt. Würden die Seelen ihrerseits kein Hindernis entgegensetzen, dann wäre die Liebe Gottes gegen sie ebenso freigebig, wie sie es gegen einige ist, welche sich dazu disponieren. Diesen gibt Gott grösseres Licht und höhere Erkenntnis über sein unveränderliches Wesen; durch einen übernatürlichen und überaus lieblichen Gnadeneinfluss bildet er sie in sich selbst um und teilt ihnen oft einen Vorgeschmack der Seligkeit mit; denn er lässt sich festhalten und geniessen durch jene geheime Umarmung, welche die Braut fühlte, als sie ihn gefunden hatte und sprach: "Ich halte ihn fest und werde ihn nicht lassen'". Und Gott gibt diesen Seelen viele Unterpfänder und Beweise, dass er ihnen gegenwärtig ist und sie ihn besitzen, damit sie ihn, wie die Heiligen des Himmels, in ruhiger Liebe besitzen, wenn auch nur für kurze Zeit. So freigebig ist Gott unser Herr in Belohnung der Liebe und der Mühen, welche das Geschöpf auf sich nimmt, um ihm zu gefallen, ihn festzuhalten und nicht zu verlieren. 179. Durch die süsse Gewalt der Liebe stirbt das Geschöpf allem Irdischen nach und nach ab, und darum ist gesagt, dass die Liebe stark sei wie der Tode. Von diesem Tode erwacht es aber zu einem neuen, geistlichen Leben, wodurch es fähig wird zu neuer Teilnahme an der Seligkeit und ihren Gaben; denn es geniesst dann häufiger den Schutz und die süssen Früchte des höchsten Gutes, welchem seine Liebe gehört. Aus diesen geheimnisvollen Wirkungen strömt sogar auf den niederen, animalischen Teil des Menschen eine Art Klarheit über, welche ihn von den Folgen der geistigen Finsternis reinigt, ihn stark und wie unempfindlich macht für das Leiden, um alles zu ertragen, was der fleischlichen Natur zuwider ist. Mit dem brennendsten Durste verlangt dann die Seele nach all den Mühsalen und der Gewalt, welche das Himmelreich erleidet. Sie wird behende und von der irdischen Schwere frei, so dass manchmal sogar der aus sich selbst schwerfällige Leib dieses Vorrecht fühlt und 125 die Arbeiten leicht werden, die vorher schwer schienen. Meine Tochter, du kennst alle diese Wirkungen aus Erfahrung; ich habe dir dieselben erklärt und vor Augen gestellt, damit du dich noch mehr dazu bereitest und auf solche Weise dich bemühest und vorgehest, dass der Allerhöchste bei seinem mächtigen, göttlichen Wirken dich wohlzubereitet finde und nichts ihn hindere, in dir zu wirken, wie es ihm gefällt. Buch drei. LEHRE DER HEILIGSTEN KÖNIGIN UND HERRIN. Lehre: ehrfurcht gegen Gott. 187. Meine Tochter, du bist bereits hinlänglich von mir unterrichtet, um nach der göttlichen Wissenschaft zu verlangen und zu trachten; ich wünsche, dass du sie mit Eifer erlernest, damit du durch sie gründlich erkennest und verstehest, mit welcher Ehrfurcht und Hochachtung du mit Gott verkehren musst. Ich mache dich aufs neue aufmerksam, dass diese Wissen schaft unter den Sterblichen nur schwer zu finden ist und dass nur wenige Verlangen darnach haben, ihrer Unwissenheit wegen, aber zu ihrem grossen Nachteile; denn daher kommt es, dass sie im Verkehr mit Gott, im Dienste und in der Verehrung Gottes keine rechte Hochachtung vor seiner unendlichen Grösse haben und sich auch nicht von den düsteren Bildern und irdischen Geschäften losmachen. Dadurch aber werden sie niedrig und fleischlich gesinnt, unwürdig und ungeeignet für den erhabenen Verkehr mit der allerhöchsten Gottheit. Aus dieser rohen Gesinnung folgt eine andere Unordnung, dass sie nämlich im Umgange mit dem Nächsten ohne Ordnung, Mass und Schranken sich den sinnlichen Handlungen hingeben, das Andenken und die Aufmerksamkeit auf ihren Schöpfer vollständig verlieren und mit der ganzen Wut ihrer Leidenschaften sich ins Irdische versenken. 188. Ich will daher, liebste Tochter, dass du dich von dieser Gefahr fernhaltest und jene Wissenschaft erlernest, deren Gegenstand die unveränderliche Wesenheit und die unendlichen Vollkommenheiten Gottes sind. Und zwar musst du auf solche Weise ihn kennenlernen und dich mit ihm vereinigen, dass sich kein Geschöpf zwischen deine Seele und das wahre und höchste Gut stelle. Zu jeder Zeit, an jedem Orte und bei jeder Beschäftigung musst du ihn im Auge haben und ihn niemals aus dieser innigen Umarmung deines Herzens loslassen. Zu diesem Zwecke aber sage und befehle ich dir, dass du voll Hochachtung, mit gebührender Ehrfurcht und ganz durchdrungen von heiliger Scheu mit ihm umgehest. Was immer den Dienst Gottes betrifft, musst du mit aller Aufmerksamkeit und Hochachtung verrichten. Ganz besonders aber musst du, wenn du dich zur Betrachtung und zu den mündlichen Gebeten in Gottes Gegenwart begibst, alle Gedanken an sichtbare und irdische Dinge verabschieden. Weil jedoch die menschliche Gebrechlichkeit nicht ununterbrochen in der Kraft der Liebe verharren und ihre heftigen Antriebe ertragen kann, da der Mensch eben ein irdisches Wesen ist, darum gönne dir eine geziemende Erholung, solcherart, dass du auch in ihr Gott findest, indem du zum Beispiel Gott lobest in der Schönheit des Himmels und der Sterne, in der Mannigfaltigkeit der Pflanzen, in dem lieblichen Anblicke der Felder, in der Kraft der Elemente, ganz besonders aber in den Vorzügen der Engel und in der Glorie der Heiligen. 189. Für immer musst du dir aber gesagt sein lassen, und niemals darfst du die Mahnung vergessen, dass du in keiner Lage und in keiner Mühsal bei den Menschen Erleichterung oder Unterhaltung suchest oder annimmst, am allerwenigsten bei Männern; denn da du von Natur schwach und geneigt bist, niemanden zu betrüben, so kannst du Gefahr laufen, zu weit zu gehen und die Schranken des Erlaubten und Gerechten zu überschreiten, indem sich die natürliche Freude in einem höheren Grade einschleicht, als es geweihten Bräuten meines heiligsten Sohnes geziemt. Die Nachlässigkeit in dieser Sache ist bei allen Menschen gefährlich; denn lässt man der gebrechlichen Natur die Zügel schiessen, so achtet sie nicht mehr auf die Vernunft noch auf das wahre Licht des Geistes, sondern alles vergessend folgt sie blindlings dem stürmischen Drange der Leidenschaften, und diese suchen ihr Vergnügen. Zum Schutz gegen diese allgemeine Gefahr wurde die Klausur und die Zurückgezogenheit der meinem Sohne und Herrn geweihten Seelen angeordnet, damit verderbliche und gefährliche Gelegenheiten, welche von einzelnen Ordensfrauen freiwillig gesucht und unterhalten würden, mit der Wurzel ausgerissen werden. Deine Erholungen, meine Tochter, und die deiner Schwestern dürfen nicht so voll Gefahr und tödlichen Giftes sein, sondern du musst immer diejenigen eigens aussuchen, welche du in dem Verborgenen deines Herzens und in dem Kämmerchen deines Bräutigams findest, der getreu ist, um die Traurigen zu trösten und den Betrübten beizustehen. Buch drei. LEHRE, welche mir die himmlische Königin und Herrin gab. Lehre: Gehorsam gegen den göttlichen Willen 197. Meine liebste Tochter, ich offenbare dir oftmals die Liebe meines Herzens, weil ich gar sehr verlange, dass dieselbe auch dein Herz entflamme und dass du Nutzen ziehest aus der. LEHRE, welche ich dir gebe. Glücklich die Seele, welcher Gott seinen heiligen und vollkommenen Willen offenbart; noch glücklicher und seliger aber jene, welche ihn ausführt, nachdem sie ihn erkannt hat. Gott zeigt den Menschen den Weg zum ewigen Leben durch verschiedene Mittel: durch die Evangelien und die Heiligen Schriften überhaupt, durch die Sakramente und die Gebote der heiligen Kirche, durch fromme Bücher und durch die Vorbilder der Heiligen, insbesondere aber durch die. LEHREn und Anordnungen seiner Diener, von welchen er gesagt hat: "Wer euch höret, der höret mich'", denn ihnen gehorchen heisst dem Herrn selbst gehorchen. Hast du also auf einem dieser Wege den Willen Gottes erkannt, so verlange ich von dir, dass du mit den Flügeln der Demut und des Gehorsams in ra schem Fluge, ja mit Blitzesschnelle eilest, Gottes Willen und Wohlgefallen auszuführen. 198. Ausser den genannten Mitteln der Belehrung hat der Allerhöchste noch andere, durch die er die Seelen leitet, indem er ihnen nämlich seinen vollkommenen Willen auf übernatürliche Weise zu erkennen gibt und ihnen zu diesem Zwecke manche Geheimnisse offenbart. Diese Art der Unterweisung hat ihre Abstufungen, und zwar sehr verschiedene, und nicht alle sind gewöhnlich oder allen Seelen gemein: denn Gott teilt sein Licht "mit Mass und Gewicht" aus. Das eine Mal spricht er mit gebieterischer Macht zum Herzen und zu den inneren Sinnen; ein anderes Mal weist er zurecht, noch andere Male ermahnt und belehrt er. Bald bewegt er das Herz des Menschen, dass es zu ihm bete; bald stellt er selbst ihm klar vor Augen, was er verlangt, damit die Seele bewogen werde, dies zu tun; bald zeigt er in sich selbst, wie in einem klaren Spiegel, grosse Geheimnisse, damit der Verstand dieselben schaue und erkenne und der Wille sie liebe. Immer aber ist dieser grosse Gott, das höchste Gut, sehr sanft im Befehlen, mächtig, um Stärke zum Gehorsam zu verleihen, gerecht in seinen Anordnungen, schnell, um alles so einzurichten, dass man gehorcht, und wirksam, um die Hindernisse dernisse zu überwinden, damit sein heiligster Wille geschehe. 199. Ich will, meine Tochter, dass du sehr aufmerksam seiest, um diese göttliche Erleuchtung aufzunehmen, und sehr behende und sorgfältig, um sie auszuführen. Um den Herrn zu hören und seine sanfte, geistige Stimme zu vernehmen, müssen die Seelenkräfte von allem, was sie Irdisches und Plumpes an sich haben, gereinigt sein; das Geschöpf muss ganz und gar nach dem Geiste leben, denn der tierisch gesinnte Mensch versteht die erhabenen, göttlichen Dinge nicht. Hab also acht auf dein Inneres und vergiss alles Äusserliche, und nachdem du allem Sichtbaren entsagt, höre, meine Tochter, und neige dein Ohr. Damit du aber sorgfältig seiest, so liebe; denn die Liebe ist ein Feuer, welches ohne Zögern seine Wirkungen hervorbringt, wo es einen empfänglichen Stoff findet. So will ich, dass auch dein Herz allezeit bereit und empfänglich sei. Und wenn der Allerhöchste dir etwas sagt oder befiehlt, was das Wohl des Nächsten und insbesondere das Seelenheil desselben betrifft, so biete dich mit Unterwürfigkeit dazu an; denn die Seelen sind der kostbarste Preis des Blutes des Lammes Gottes und der göttlichen Liebe. Lass dich nicht zurückhalten durch deine Niedrigkeit und Zaghaftigkeit; besiege vielmehr die Furcht, welche dich entmutigt. Taugst du auch nicht viel und bist du zu allem unnütz, so ist doch der Allerhöchste reich, mächtig, gross, und alles hat er gemacht durch sich selbst. Deine Bereitwilligkeit und dein Eifer werden des Lohnes nicht entbehren, wiewohl ich verlange, dass das Wohlgefallen des Herrn der einzige Grund deines Handelns sei. Buch drei. LEHRE, welche unsere Königin und Herrin mir gab. Lehre: Unterwürfigkeit unter den Willen Gottes 213. Meine Tochter, wenn der Mensch die gebührende Hochachtung hat für die guten Werke und für die Befehle, welche der Herr zu seiner Ehre ihm auferlegt, so erhält er dadurch eine grosse Leichtigkeit, um dieselben auszuführen, eine grosse, höchst süsse Lieblichkeit, um sie zu beginnen, und sorgfältige Behendigkeit, um sie fortzusetzen und zu vollenden. Und diese Wirkungen bezeugen, dass diese Befehle wahr und die Werke nützlich sind. Doch kann die Seele diese Wirkung nicht fühlen und diese Erfahrung nicht machen, wenn sie nicht dem Herrn ganz unterworfen ist, Augen und Ohren auf Gottes Willen richtet, um denselben mit Freude zu vernehmen und mit Behendigkeit auszuführen, dabei ihrer eigenen Neigung und Bequemlichkeit ganz vergessend, gleich dem treuen Diener, welcher einzig darnach trachtet, den Willen seines Herrn zu tun, nicht aber seinen eigenen. Dies ist die Weise, mit Furcht zu gehorchen, wie alle Geschöpfe es Gott schuldig sind, und noch vielmehr die Ordensfrauen, welche es so versprochen haben. Damit du, Teuerste, dies in vollkommener Weise tuest, so erwäge, mit welcher Hochachtung David an vielen Stellen von den Geboten des Herrn redet, von seinen Worten und seinen Satzungen, von den Wirkungen, welche sie in ihm, dem Propheten, hervorgebracht haben und noch zur Stunde in den Seelen hervorbringen. Denn er bekennt, dass sie den Kindern Weisheit verleihen, des Menschen Herz erfreuen, die Augen der Seele erleuchten; dass sie ein hellstrahlendes Licht waren für seine Füsse, dass sie süsser sind als Honig, feuriger zu verlangen und höher zu schätzen sind als Gold und die kostbarsten Edelsteine. Diese behende Unterwürfigkeit unter den Willen Gottes und sein Gesetz machte den König David zum Manne nach dem Herzen Gottes, denn solche Diener und Freunde will Seine Majestät. 214. Achte also, meine Tochter, mit grosser Hochschätzung auf alle Werke der Tugend und Vollkommenheit, welche du als Gott wohlgefällig erkennst; schätze keines gering; widersetze dich nicht, noch lasse ab, dieselben zu unternehmen, wenn auch deine Neigungen und deine Schwachheit dir noch so grosse Schwierigkeit bereiten. Mache dich ans Werk mit dem Vertrauen auf den Herrn, dass seine Macht alle Schwierigkeiten sogleich überwinden werde; und alsbald wirst du durch eine gluckliche Erfahrung dich überzeugen, wie leicht die Bürde und wie lieblich das Joch des Herrn ist, und dass er mit diesem Worte nicht getäuscht hat, wie die Lauen und Nachlässigen annehmen wollen, welche durch ihre Trägheit und ihr Misstrauen diese Wahrheit stillschweigend leugnen. Ferner ist es mein Wille, dass du, uni mich in dieser Vollkommenheit nachzuahmen, die Wohltat betrachtest, welche Gottes Güte mir erwies, indem sie mir die zärtlichste, mitleidsvollste Liebe zu den Menschen verlieh, als zu Geschöpfen, welche an der Güte und an dem Sein Gottes teilnehmen. In dieser liebevollen Gesinnung verlangte ich, alle Seelen zu trösten, zu erleichtern und zu ermutigen. Aus angeborenem Mitleiden verschaffte ich ihnen jedes geistliche und leibliche Gut. Keinem Menschen, und wäre er auch der grösste Sünder gewesen, habe ich je etwas Böses gewünscht, vielmehr neigte sich mein mitleidsvolles Herz gerade zu diesen mit grosser Macht, um ihnen das ewige Heil zu erlangen. Eben diese mitleidsvolle Gesinnung war auch der Grund, warum der Schmerz, den mein Bräutigam Joseph bei Wahrnehmung meines gesegneten Zustandes voraussichtlich erdulden sollte, mich in bange Unruhe versetzte; war ich ja doch gerade ihm mehr zum Danke verpflichtet als allen anderen. Dieses zarte Mitleid hatte ich ganz besonders für die Betrübten und Kranken, und allen suchte ich irgendeine Erleichterung zu verschaffen. Ich verlange, dass du mit Klugheit und so gut du es verstehst, mir in dieser Handlungsweise nachfolgest. BUCH DREI. LEHRE, welche mir unsere Herrin und Königin gab. Lehre: Wert der heiligmachende Gnade. 228. Meine Tochter, damit das brennende Verlangen nach Gottes Gnade und Freundschaft, welches ich immer in deinem Herzen sehe, sich noch mehr entzünde, wünsche ich sehr, dass du die erhabene Würde und das grosse Glück einer Seele er kennest, welche die Schönheit der Gnade empfängt; diese ist jedoch so wunderbar und von so hohem Werte, dass du sie, auch wenn ich sie dir offenbare, doch nicht begreifen und noch viel weniger mit Worten ausdrücken kannst. Schaue auf den Herrn und betrachte ihn in seinem göttlichen Lichte, das du empfängst; in diesem Lichte wirst du erkennen, dass es für den Herrn ein weit glorreicheres Werk ist, eine einzige Seele zu rechtfertigen, als alle Kreise des Himmels und der Erde in all ihrer Vollkommenheit und mit allem, was darauf ist, erschaffen zu haben. Wenn nun die Geschöpfe schon durch diese Wunder, die wir mittelst der leiblichen Sinne wahrnehmen, die Grösse und Macht Gottes zum grossen Teile erkennen, was würden sie erst sagen und urteilen, wenn sie mit den Augen der Seele sähen, wie kostbar und wertvoll die Schönheit der Gnade ist, und zwar in so vielen Geschöpfen, welche fähig sind, sie zu empfangen. 229. Es gibt keine Ausdrücke und keine Worte, welche imstande wären, das Wesen der Gnade als einer Teilnahme an der Natur und den Vollkommenheiten Gottes-denn dieses schliesst die heiligmachende Gnade ein - in gebührender Weise auszudrücken. Es ist nur ein weniges, wenn ich sage: sie ist reiner und weisser als der Schnee, glänzender als die Sonne, kostbarer als Gold und Edelgestein, lieblicher, angenehmer und süsser als alle Vergnügungen und Ergötzungen, schöner als alles, was das Herz der Geschöpfe verlangen kann. Betrachte auch die Hässlichkeit der Sünde, um so die Gnade durch ihren Gegensatz besser kennenzulernen; denn weder Finsternis, noch Fäulnis, noch das Erschrecklichste, Fürchterlichste und Hässlichste kann mit der Sünde und ihrem üblen Geruche verglichen werden. Die Märtyrer und andere Heilige haben dies wohl erkannt; denn um die Schönheit der Gnade zu erhalten und um anderseits den Sturz in das unselige Verderben der Sünde zu vermeiden, haben sie nichts gefürchtet, weder das Feuer, noch die wilden Tiere, noch die Messer, noch Foltern, Gefängnisse, Schmach, Pein und Schmerzen, selbst nicht den Tod, noch langwieriges, beständiges Leiden; denn dieses alles ist weniger, oder vielmehr für nichts zu achten, wenn man dadurch auch nur einen einzigen Grad der Gnade erwerben kann. Jede Seele aber, wäre sie auch die verachtetste der Welt, kann diesen Grad der Gnade, ja sehr viele Grade erlangen. Doch von all dem wissen die Menschen nichts; sie schätzen und begehren nur die flüchtige und sinnenfällige Schönheit der Geschöpfe; was derselben entbehrt, ist ihnen gering und verächtlich. 230. Hieraus wirst du einigermassen die Grösse der Wohltat zu erkennen vermögen, welche das menschgewordene Wort seinem Vorläufer Johannes im Schosse seiner Mutter erwiesen hat; dieser hat sie erkannt und ist bei dieser Erkenntnis voll Freude und Jubel aufgehüpft. Du wirst auch ersehen, wie vieles du tun und leiden musst, um dieses Glück zu bewahren und diese Zierde nicht zu verlieren, oder sie durch eine, wenn auch noch so kleine Sünde zu beflecken, oder ihre Kraft durch irgend eine Unvollkommenheit zu schwächen. Auch ist es mein Wille, dass du mein Verhalten gegen meine Base Elisabeth nachahmest, also mit keinem Menschen Freundschaft schliessest oder solche zulassest; nur mit solchen darfst du verkehren, mit denen du über die Werke des Allerhöchsten und über seine Geheimnisse sprechen kannst und sprechen musst, und welche dich den wahren Weg seines göttlichen Wohlgefallens lehren können. Endlich sollst du auch, wenn du wichtige Geschäfte und grosse Sorgen hast, dennoch die geistlichen Übungen und die Ordnung des vollkommenen Lebens nicht unterlassen oder verabsäumen; denn man muss dieser Ordnung treu bleiben nicht nur wenn es bequem geht, sondern auch bei den grössten Widersprüchen, Schwierigkeiten und Geschäften, weil die unvollkommene Natur bei einem geringen Anlasse erschlafft. Buch drei. LEHRE, welche mir die heiligste Königin Maria gab 240. Meine Tochter, die Gaben des Allerhöchsten und die Erkenntnis seiner göttlichen Geheimnisse bringen in den aufmerksamen Seelen eine gewisse Neigung und Hochschätzung für die Demut hervor; diese aber stellt dieselben mit wirksamer und zugleich lieblicher Kraft an den ihnen gebührenden und natürlichen Platz, gleichwie die Leichtigkeit dies tut am Feuer und die Schwere bei dem Steine. Dies bewirkt das wahre Licht, welches das Geschöpf zur wahren Erkenntnis seiner selbst bringt und die Werke der Gnade auf Gott als ihren Ursprung zurückführt, von welchem jede vollkommene Gabe kommt, und auf diese Weise wird jeder an seinen rechten Platz gesetzt. Dies ist die ganz richtige Ordnung der gesunden Vernunft, welche von dem falschen Eigendünkel der Menschen gestört und wie mit Gewalt umgestossen wird. Darum kann der Hochmut und das Herz, wo dieser lebt, die Verachtung nicht begehren noch annehmen, noch einen Obern ertragen, ja selbst gegen Seinesgleichen ist er ungehalten und gewalttätig in allem, um allein über allen zu stehen. Ein demütiges Herz dagegen vernichtigt sich desto mehr, je grössere Wohltaten es empfängt, und diese geben ihm eine Begierde, ja einen brennenden, obwohl ruhigen Durst, sich zu erniedrigen und den letzten Platz zu suchen; ja es ist ihm, als tue man ihm Gewalt an, wenn es nicht unter allen steht und der Demütigung entbehrt. 241. Die vollkommene Ausführung dieser Lehre wirst du, meine Teuerste, an mir sehen; keine der Gnaden und Wohltaten, welche Gottes Güte mir verlieh, war klein; allein niemals erhob sich mein Herz, noch blies es sich auf mit Eigendünkel, noch begehrte es irgend etwas mehr, als die Erniedrigung und den letzten Platz unter allen Geschöpfen. Dass du mir hierin nachfolgest, das ist mein ganz besonderes Verlangen; sei eifrig besorgt, als die geringste von allen zu gelten, Befehle zu erhalten, erniedrigt und für unnütz geachtet zu werden. Vor Gott sowohl als vor den Menschen musst du dich für geringer halten als den Staub der Erde. Du kannst ja nicht leugnen, dass niemand mehr Wohltaten empfangen hat als du, obwohl niemand dieselben so wenig verdient; wie willst du nun diese grosse Schuld abtragen, wenn du dich nicht vor allen und unter alle Kinder Adams verdemütigst, und wenn du für die Demut keine grosse Hochachtung und innige Liebe in dir zuwege bringst? Es ist gut, dass du deinen Obern und Vorgesetzten gehorchst, und du musst dies immer tun. Aber ich verlange von dir, dass du weiter gehst und auch dem Geringsten in allem, was nicht Sünde ist, gehorchest, gerade wie du dem höchsten Obern gehorchen würdest, und ich will, dass du hierin voll Eifer seiest, wie ich es war. 242. Nur deinen Untergebenen gegenüber wirst du acht haben, diese Unterwürfigkeit mit mehr Vorsicht zu regeln, damit sie, wenn ihnen dein Verlangen zu gehorchen bekannt wird, dir nicht etwa zumuten, zuweilen zu gehorchen, wo es nicht am Platze ist. Du kannst jedoch viel gewinnen, ohne dass sie ihre Unterwürfigkeit verlieren, wenn du ein gutes Beispiel gibst und immer am Gehorsam festhältst, wo der Gehorsam gut ist, ohne deinem Ansehen als Oberin Eintrag zu tun. Betrachte jeden Verdruss und jede Beleidigung, welche etwa dir persönlich zugefügt wird, als etwas sehr Kostbares und nimm sie an, ohne deine Lippen zu bewegen, um dich zu verteidigen oder dich zu beklagen; die Fehler dagegen, welche gegen Gott begangen werden, tadle, ohne deine Sache mit der Sache Gottes zu vermengen; denn niemals sollst du auf Gründe sinnen, um dich zu verteidigen, immer aber, um Gottes Ehre zu wahren. Doch weder für das eine noch für das andere darfst du dich zum Zorne und zu ungeordneter Aufregung hinreissen lassen. Ich wünsche auch, dass du mit grosser Klugheit die besonderen Gnaden des Herrn verbergest; denn man darf das "Geheimnis des Königs" nicht leichtsinnigerweise offenbaren. Auch sind die fleischlichgesinnten Menschen weder fähig noch würdig, die Geheimnisse des Heiligen Geistes zu kennen. In allem folge mir eifrig nach, da du ja meine teuerste Tochter sein willst; dies wirst du sein, wenn du mir gehorchst. Du wirst dann auch den Allmächtigen bewegen, dass er dich stärke und deine Schritte zu dem lenke, was er in dir wirken will. Widerstehe ihm nicht, sondern bereite ihm dein Herz mit Sanftmut und Behendigkeit, um seinem Lichte und seiner Gnade zu gehorchen. Empfange die Gnade niemals vergeblich, sondern wirke eifrig mit und sei vollkommen in allen deinen Handlungen. Lehre: Gute Meinung beim Handeln. Frage: 250. 0 Königin und Herrin des Himmels und der Erde, unsere Beschützerin und Fürsprecherin, obwohl du die Lehrmeisterin aller Heiligkeit und Vollkommenheit bist, so wage ich es doch, voll Bewunderung über deine Demut, an dich, o Mutter, eine Frage zu stellen. Du wusstest, dass in deinem jungfräulichen Schosse der menschgewordene Sohn des Vaters weile, und es war dein Verlangen, dich in allem als seine Mutter zu benehmen: wie konnte sich also deine Hoheit zu so niedrigen Verrichtungen, wie zum Beispiel zum Auskehren und ähnlichen Arbeiten herablassen? Nach unserem Dafürhalten konntest du dieselben aus Ehrfurcht vor deinem heiligsten Sohne unterlassen, ohne dein demütiges Verlangen aufzugeben? Ich wünsche, o Herrin, das Benehmen deiner Majestät in dieser Sache zu verstehen. ANTWORT UND LEHRE DER KÖNIGIN DES HIMMELS 251. Meine Tochter, um auf deinen Zweifel zu antworten, musst du, ausser dem, was du im vorhergehenden Hauptstücke geschrieben hast, beachten, dass in Sachen der Tugend keine Beschäftigung oder äussere Handlung, so niedrig dieselbe auch sei, wenn sie nur wohlgeordnet ist, hindern kann, dem Schöpfer aller Dinge Anbetung, Ehrfurcht und Lob darzubringen. Denn diese Tugenden schliessen sich nicht aus, sondern lassen sich alle im Menschen vereinigen; und dies war besonders bei mir der Fall, da ich das höchste Gut immer gegenwärtig hatte, ohne es je durch diese oder jene Beschäftigung aus dem Auge zu verlieren. So betete ich dasselbe an und verehrte es in all meinen Handlungen, indem ich sie alle auf seine grössere Ehre bezog, und der Herr, welcher alles geschaffen und geordnet hat, achtete keine Handlung gering; auch die geringsten Dinge missfallen ihm nicht und sind ihm nicht zuwider. Darum verschmäht eine Seele, welche ihn warhaft liebt, keines dieser niedrigen Werke in Gottes Gegenwart, denn alle suchen und finden ihn als den Ursprung und das Ende aller Geschöpfe. Da nun ein irdisches Geschöpf ohne solche und ähnliche demütigende Handlungen, welche mit seiner gebrechlichen Natur unzertrennlich verbunden und zur Erhaltung des Lebens notwendig sind, nicht leben kann, so muss man diese Lehre wohl verstehen, um sich bei solchen Handlungen darnach zu richten; denn wenn man bei solchen Verrichtungen und Armseligkeiten nicht den Schöpfer im Auge hätte, so würde man die Tugendwerke, die Verdienste und die inneren Akte zu oft und zu lange unterbrechen; was alles ein Verlust und ein strafwürdiger Fehler ist, den die Menschen aber gar wenig beachten. 252. Nach dieser Lehre musst du deine irdischen Handlungen, welcher Art sie immer sein mögen, regeln, damit du die Zeit nicht verlierest, die niemals ersetzt werden kann. Du magst essen oder arbeiten, ruhen, schlafen oder wachen: zujederZeit, an jedem Orte und bei jeder Beschäftigung bete deinen grossen und mächtigen Herrn an, ehre ihn und schaue auf ihn, der alles erfüllt und erhält. Du musst jetzt auch wissen, dass, was mich am meisten zu allen Akten der Demut angetrieben hat, die Erwägung war, wie mein heiligster Sohn in Demut gekom men ist, um eben diese Tugend durch Wort und Beispiel in der Welt zu lehren, um die Eitelkeit und die Hoffart der Menschen zu verbannen und dieses Unkraut auszureissen, welches Luzifer mit der ersten Sünde unter die Menschen gesäet hat. Gott gab mir eine so hohe Erkenntnis über das Wohlgefallen, welches ihm diese Tugend bereitet, dass ich die grössten Qualen der Welt gelitten hätte, um einen einzigen der genannten Akte zu verrichten, wie zum Beispiel den Boden zu kehren oder einem Armen die Füsse zu küssen. Du wirst keine Worte finden, um auszudrücken, wie gross meine Liebe zu dieser Tugend war, noch auch, wie ausgezeichnet und edel die Demut ist. Im Herrn wirst du einstens erkennen und verstehen, was du mit Worten nicht wiederzugeben vermagst. 253. Präge jedoch diese Lehre deinem Herzen ein und beobachte sie als die Richtschnur deines Lebens. Übe dich immer in dem, was die menschliche Eitelkeit verachtet, und verachte du diese Eitelkeit als etwas, was verabscheuungswürdig und verhasst ist in den Augen Gottes. Bei diesem demütigen Verhalten jedoch müssen deine Gedanken allzeit sehr edel sein. Dein Wandel muss im Himmel' sein, mit den englischen Geistern sollst du verkehren; unterhalte dich mit ihnen, und sie werden dir neues Licht geben über die Gottheit und über die Geheimnisse Christi, meines heiligsten Sohnes. Deine Unterredungen mit den Mitmenschen seien derart, dass du dieselben immer eifriger verlassest und dass du dabei die andern zur Demut und zur Liebe Gottes antreibest. In deinem Inneren wähle den letzten Platz unter allen Geschöpfen, dann wirst du, wenn sich Zeit und Gelegenheit zu Übungen der Demut bietet, zu denselben bereit sein. Du wirst Herrin deiner Leidenschaften sein, wenn du dich zuvor in deiner eigenen Meinung anerkannt hast als das geringste, schwächste und unnützeste aller Geschöpfe. Buch drei. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN, UNSERER HERRIN 259. Meine teuerste Tochter, zwei Dinge sind es, um welche sich alle deine Kräfte und alle deine Sorgen wie um zwei Angelpunkte drehen müssen: erstens die Sorge, dich selbst in der Freundschaft und Gnade des Allerhöchsten zu erhalten, und zweitens das Bemühen, dieselbe Gnade auch anderen Seelen zu erlangen. Hierin muss dein ganzes Leben, müssen alle deine Beschäftigungen aufgehen. Und um so erhabene Ziele zu erreichen, sollst du nötigenfalls weder Mühen noch Sorgen scheuen; du sollst zu diesem Zwecke zum Herrn flehen und dich anbieten, dein ganzes Leben in Leiden hinzubringen. Du sollst auch wirklich alles leiden, was dir zustösst und was in deinen Kräften steht. Zwar sollst du, um das Heil der Seelen zu befördern, keine ausserordentlichen und in die Augen fallenden Massregeln ergreifen, denn solche geziemen deinem Geschlechte nicht; du musst aber alle verborgenen Mittel ausfindig zu machen suchen und diejenigen, die du als die wirksamsten erkennst, mit Klugheit anwenden. Wenn du meine Tochter und die Braut meines heiligsten Sohnes bist, so bedenke wohl, dass das Besitztum unseres Hauses kein anderes ist als die vernünftigen Geschöpfe, welche der Herr um den Preis seines Lebens, seines Todes und seines Blutes als teure Beute sich erkauft hat; denn durch ihren Ungehorsam waren sie ihm verlorengegangen, nachdem er sie doch für sich erschaffen und für sich bestimmt hatte. 260. Wenn also der Herr dir eine hilfsbedürftige Seele zuschicken und ihren Zustand dir zu erkennen geben wird, so arbeite mit Treue an deren Besserung; weine und schreie zum Herrn mit innigem, feurigem Verlangen, um von Gott Abwendung so grossen Verlustes und so grosser Gefahr zu erlangen. Lasse kein dir zustehendes Mittel, weder ein übernatürliches noch ein natürliches, unbenützt, um das Heil und Leben einer Seele zu erlangen, welche dir anvertraut wird. Lasse nicht ab, dieselbe mit der Klugheit und Mässigung, wozu ich dich aufgefordert habe, zu ermahnen und sie um das zu bitten, was du für sie als dienlich erachtest, und bemühe dich ganz im geheimen, ihr Gutes zu tun. Es ist auch mein Wille, dass du nötigenfalls den bösen Geistern im Namen des allmächtigen Gottes und in meinem Namen mit aller Macht befehlest, sich von den Seelen zu entfernen, welche du in deren Gewalt siehst; denn da dies im geheimen vor sich geht, so kannst du es ohne Furcht, mit ruhigem Herzen tun. Beachte, dass der Herr dir Gelegenheiten gegeben hat und noch geben wird, diese Lehre ins Werk zu setzen. Vergiss dieselbe nicht und mache sie nicht unnütz; denn der Herr hat dich als seine Tochter verpflichtet, für das Gut und das Haus deines Vaters zu sorgen, und du darfst nicht ruhen, solange du dies nicht mit aller Sorgfalt tust. Fürchte nicht, alles wirst du vermögen in dem, der dich stärkt; seine göttliche Macht wird deinen Arm stärken, um grosse Werke zu vollbringen. Buch drei. LEHRE, welche mir die heiligste Königin Maria gab. Lehre: Ergebung in den göttlichen Willen beim Gebet. 268. Meine Tochter, wenn das Verlangen des Geschöpfes von frommer, gottesfürchtiger Gesinnung kommt und mit gerader Meinung auf heilige Ziele gerichtet ist, so missfällt es dem Allerhöchsten keineswegs, wenn man ihm dasselbe vorträgt; nur muss dies geschehen mit Ergebung in seinen heiligen Willen und mit vollkommener Bereitwilligkeit, alles zu tun, was seine göttliche Vorsehung verfügen wird. Stellen die Seelen sich mit diesem Gleichmute und dieser Gleichförmigkeit in die Ge genwart des Herrn, dann sieht er sie an wie ein mitleidsvoller Vater; er gibt ihnen dann immer, was recht ist, und verweigert ihnen nur, was nicht recht oder ihrem wahren Heile nicht dienlich ist. Das Verlangen meiner Base Elisabeth, mich ihr Leben lang zu begleiten und nie zu verlassen, kam von einem guten, frommen Eifer; es war jedoch ihr nicht dienlich und stimmte auch nicht überein mit dem Ratschlusse des Herrn betreffs meiner Wirksamkeit, meiner Wanderungen und anderer Ereignisse, die mich erwarteten. Obwohl jedoch der Herr ihr diese Bitte abschlug, war sie ihm doch nicht missfällig; vielmehr gewährte er, was den Beschlüssen seines heiligen Willens und seiner unendlichen Weisheit nicht entgegenstand und zu ihrem Besten, sowie zu dem ihres Sohnes Johannes gereichte. Der Allmächtige bereicherte den Sohn und die Mutter für ihre Liebe zu mir und durch meine Vermittlung mit grossen Gnaden und Gütern. Es ist immer ein bei Gott höchst wirksames Mittel, mit gutem Willen und guter Meinung ihn durch meine Vermittlung und mit Andacht zu mir zu bitten. 269. Ich will, dass du alle deine Bitten und Gebete im Namen meines heiligsten Sohnes und in dem meinigen aufopferst; vertraue dann ohne Furcht, dass sie erhört werden, wenn du sie mit geradester Meinung auf Gottes Wohlgefallen richtest. Betrachte mich mit liebevoller Gesinnung als deine Mutter, deinen Schutz und deine Zuflucht; weihe dich meiner Verehrung und Liebe und beachte, meine Teuerste, dass mein Verlangen nach deinem grösseren Glücke mich bewegt, dich das kräftigste und wirksamste Mittel zu lehren, wodurch es dir mit Gottes Gnade gelingen wird, grosse Schätze und Wohltaten von der freigebigsten Hand des Herrn zu erhalten. Aber mache dich derselben nicht unwürdig und halte sie nicht auf durch deine Schüchternheit und Zaghaftigkeit. Willst du mich bewegen, dich als meine teuerste Tochter zu lieben, so ahme eifrig nach, was ich dir über mein Verhalten offenbare; biete hiezu deine Kräfte und Sorgfalt auf, und sei versichert, dass jede Mühe, die du dir gibst, um die Frucht meiner Lehre zu erwerben, gut angewendet ist. Buch drei LEHRE, welche mir die Königin des Himmels gab. Lehre: Losschälung von der Welt. Friede des Herzens. 278. Meine teuerste Tochter, wundere dich nicht, dass mein Diener Johannes fürchtete und Schwierigkeiten machte, in die Welt einzutreten; denn die unwissenden Kinder der Welt können dieselbe nicht in solchem Grade lieben, wie die Weisen sie verabscheuen und deren Gefahren fürchten, weil sie himmlisches Wissen und Licht von oben besitzen. Dieses Licht war aber dem künftigen Vorläufer meines heiligsten Sohnes in hervorragendem Grade verliehen; darum erkannte er die Gefahr, um die es sich handelte, und fürchtete deswegen, was er erkannte. Die Furcht diente ihm aber nur dazu, in glücklicher Weise in die Welt einzutreten; denn je mehr man die Welt kennt und verabscheut, um so sicherer fährt man auf ihren stürmischen Wogen und tiefen Abgründen. Das glückliche Kind begann seine Laufbahn mit solchem Ekel, solcher Abneigung, solchem Abscheu vor dem Irdischen, dass es in dieser Feindschaft nie Waffenstillstand machte. Es schloss keinen Frieden mit dem Fleische und nahm dessen vergiftete Schmeicheleien nicht an; es gab seine Sinne nicht hin an die Eitelkeit, noch öffnete es seine Augen, um dieselbe zu sehen; und mit diesem Verlangen, die Welt und alles, was es in der Welt gibt, zu verabscheuen, gab es sein Leben für die Gerechtigkeit. Der Bürger des wahren Jerusalem kann ja nicht Frieden und Bündnis schliessen mit Babylon, und es ist unvereinbar, die Gnade des Herrn zu suchen und zu besitzen, und zugleich die Freundschaft seiner erklärten Feinde; denn nie mand konnte und kann je zwei Herren dienen, die sich feindlich gegenüberstehen; Licht und Finsternis, Christus und Belial können nicht vereinigt werden'. 279. Du aber, liebste Tochter, fürchte diejenigen, welche von der Finsternis eingenommen und Liebhaber der Welt sind; fürchte sie mehr als das Feuer, denn die Weisheit der Kinder dieser Welt ist fleischlich, ja teuflisch', und ihre finsteren Wege führen zum Tode. Und wenn der Fall eintritt, dass du jemand zum wahren Leben führen musst, so sollst du zwar freilich zu diesem Zwecke dein zeitliches Leben zum Opfer anbieten, aber den Frieden des Herzens hast du dabei immer zu bewahren. Drei Wohnungen bezeichne ich dir, in denen du dein Leben zubringen und die du niemals mit freiem Willen verlassen sollst. Und wenn dir auch manchmal der Herr befiehlt, den Nebenmenschen in ihren Bedürfnissen beizuspringen, so soll dies geschehen, ohne dass du deine Zufluchtsstätte verlassest. Du musst es machen wie jemand, der auf einer Burg lebt, die rings von Feinden umgeben ist. Ein solcher geht, wenn etwas notwendig zu verhandeln ist, nur bis an das Tor; von da aus trifft er die nötigen Anordnungen, und zwar mit solcher Umsicht, dass er nicht so sehr auf die Geschäfte nach aussen, als vielmehr auf den Rückweg bedacht ist, auf dem er sich wieder in die Verborgenheit zurückziehen kann; immer ist er in Unruhe und Furcht vor der Gefahr. Dasselbe musst auch du beobachten, wenn du in Sicherheit leben willst; denn zweifle nicht, dass Feinde dich umringen, welche grausamer und giftiger sind als Nattern und Basilisken. 280. Deine Wohnungen müssen sein: die Gottheit des Allerhöchsten, die Menschheit meines heiligsten Sohnes und die Verborgenheit deines Innern. In der Gottheit musst du leben, wie die Perle in der Muschel und wieder Fisch im Meere; in der Gottheit unermesslichen Räumen sollst du deine Anmutungen und Wünsche entfalten. Die heiligste Menschheit meines Sohnes wird deine Schutzmauer sein; sein geöffnetes Herz das Brautgemach, in welchem du ruhest unter dem Schatten seiner Flügel. Dein Inneres wird dir durch das Zeugnis des Gewissens Friede und Freude geben, und wenn du dein Gewissen rein bewahrst, so wird es dir den vertrauten und süssen Umgang mit deinem Bräutigam erleichtern. Du sollst dich hiezu durch die leibliche und äussere Zurückgezogenheit vorbereiten; und darum ist es mein Wunsch und Wille, dass du in deinem Chor oderdeinerZelle bleibest und sie nur verlassest, wenn die Macht des Gehorsams oder die Übung der Liebe dich dazu antreiben. Hierüber offenbare ich dir folgendes Geheimnis: es gibt böse Geister, welche von Luzifer eigens aufgestellt und ausdrücklich beauftragt sind, den Ordenspersonen, seien es Männer oder Frauen, aufzulauern, wenn sie ihre Einsamkeit verlassen, um sie alsdann augenblicklich anzufallen, mit einem Sturme von Versuchungen zu umringen und auf diese Weise zum Falle zu bringen. Die bösen Geister gehen nicht leicht in die Zellen hinein; denn da gibt es nicht soviel Gelegenheit zum Reden, Sehen und überhaupt zum Missbrauch der Sinne, wodurch sie gewöhnlich ihre Beute machen und wovon sie sich nähren, wie hungrige Wölfe. Die Zurückgezogenheit der Ordensleute und die Sittsamkeit, welche diese darin beobachten, ist darum den bösen Geistern eine Qual und ein Schrecken, weil sie keine Hoffnung haben, sie zu überwinden, solange sie dieselben nicht in der Gefahr des Verkehrs mit der Welt antreffen. 281. Im allgemeinen ist es sicher, dass die bösen Geister keine Macht über die Seelen haben, wenn diese sich nicht ihnen unterwerfen und ihnen Einlass gewähren durch eine lässliche oder durch eine Todsünde; denn die Todsünde gibt den bösen Geistern gewissermassen ein ausdrückliches Recht, den Sünder zu anderen zu verleiten; die lässliche Sünde aber schwächt die Kräfte der Seele und gibt dem Feinde grössere Stärke zum Versuchen; die Unvollkommenheiten endlich halten die Verdienste und den Fortschritt in der Tugend und Vollkommenheit auf, und geben so ebenfalls dem Feinde Mut. Erkennt dieser dann, dass eine Seele in der Lauheit verbleibt oder sich leichtsinnig der Gefahr aussetzt, mit müssiger Leichtfertigkeit und Gleichgültigkeit über ihren Verlust, dann lauert die arglistige Schlange ihr auf und folgt ihr, um sie mit ihrem tödlichen Gifte zu treffen. Wie ein argloses Vöglein treibt der böse Feind diese Seele, ohne dass sie es bemerkt, bis sie in eine der vielen Schlingen gerät, welche er ihr legt. 282. Staune, meine Tochter, über das, was du durch göttliches Licht hierüber erkannt hast, und beweine mit innigstem Schmerze den Untergang so vieler Seelen, welche in diesen gefahrvollen Schlaf versunken sind. Sie leben dahin, verblendet durch ihre Leidenschaften und verdorbenen Neigungen, unbekümmert um Gefahr, gleichgültig gegen ihren Schaden, unvorsichtig in den Gelegenheiten; ja, anstatt dieselben zu fürchten und zu meiden, suchen sie dieselben mit blinder Unwissenheit auf. Sie folgen ihren verkehrten Neigungen zum Bösen mit rasendem Ungestüm, legen ihren Leidenschaften und Wün sehen keinen Zügel an und geben nicht acht, wohin sie den Fuss setzen. In jede Gefahr, in jeden Abgrund stürzen sie sich. Die Feinde aber sind ohne Zahl, ihre Arglist ist teuflisch und unersättlich, ihre Wachsamkeit ohne Stillstand, ihr Zorn ist nicht zu stillen, ihre Sorgfalt lässt nie nach. Ist es da zu verwundern, wenn ähnliche, oder besser gesagt, solche unähnliche und ungleiche Gegensätze so vielen und unersetzlichen Schaden unter den Menschen anrichten? Ist es zu verwundern, dass, wie die Zahl der Toren, so auch die Zahl der Verworfenen unendlich ist', und dass der Satan so vieler Triumphe sich rühmt, welche die Sterblichen zu ihrem eigenen, entsetzlichen Untergang ihm bereiten? Möge doch der ewige Gott vor solchem Unglücke dich bewahren! Weine und trauere über das Unglück deiner Brüder und flehe unablässig um Abhilfe, so weit eine solche möglich ist. Lehre: Würde des Priesters. Frage: 298. Königin und Herrin alles Erschaffenen, ich staune über diese wunderbaren Werke, welche der Allmächtige durch deine Vermittlung an deinen Dienern Elisabeth, an Johannes und Zacharias vollbracht hat, und ich erwäge, in welch verschiedener Weise die göttliche Vorsehung und deine höchste Klugheit dabei gehandelt haben. Denn für das Kind und die Mutter war dein süssestes Wort das Werkzeug, wodurch sie geheiliget und mit dem Heiligen Geiste erfüllt wurden; und dieses Werk war verborgen und geheim. Dass aber Zacharias sprach und erleuchtet wurde, bewirkte dein Gebet und dein geheimer Befehl; und diese Wohltat wurde für die Umstehenden offenbar, und sie erkannten die Gnade, welche der Herr dem heiligen Priester verliehen. Ich verstehe den Grund dieser Wunder nicht und stelle darum meine ganze Unwissenheit deiner Güte vor, damit du, als meine Lehrmeisterin, mich unterweisest. ANTWORT und Lehre der Königin und Herrin der Welt 299. Meine Tochter, aus zwei Gründen blieb verborgen, was mein göttlicher Sohn in dem heiligen Johannes und in seiner Mutter Elisabeth durch mich gewirkt hat, während dies bei Zacharias offenbar wurde. Der erste Grund ist der, weil meine Dienerin Elisabeth laut das Lob des göttlichen, in meinem Schosse menschgewordenen Wortes, sowie mein Lob verkündete; es geziemte sich aber nicht, dass dieses Geheimnis und meine Würde so deutlich geoffenbart wurde; die Ankunft des Messias musste sich durch andere, geeignetere Mittel kundgeben. Der zweite Grund war, weil nicht alle Herzen wie das der heiligen Elisabeth vorbereitet waren, um ein so kostbares und ausserordentliches Samenkorn zu empfangen, sie hätten so erhabene Geheimnisse nicht mit der gebührenden Ehrfurcht aufgenommen. Ausserdem war Zacharias seiner Würde wegen geeigneter, zu offenbaren, was damals offenbar werden sollte; denn von ihm nahm man die erste Mitteilung des Lichtes mit mehr Hochachtung auf, als wenn Elisabeth in Gegenwart ihres Mannes gesprochen hätte; was sie sagte, wurde für seine Zeit aufbewahrt. Freilich tragen die Worte des Herrn ihre Kraft in sich; allein die Vermittlung des Priesters war für unwissende und mit den göttlichen Geheimnissen wenig vertraute Menschen das beste und geeignetste Mittel. 300. Ferner musste die priesterliche Würde anerkannt und geehrt werden. Der Allerhöchste achtet ja dieselbe so hoch, dass, wenn er in den Priestern die gebührende Disposition vorfindet, er sie immer erhöht und ihnen seinen Geist mitteilt, damit auch die Welt sie als seine Auserwählten und Gesalbten ehre. Überdies sind bei ihnen die Wunder des Herrn weniger der Gefahr ausgesetzt, so sehr sie sich auch in ihrer Grösse offenbaren. Würden die Priester ihrer Würde entsprechen, so müssten ihre Werke den Werken der Seraphim gleichen, und ihre ganze Erscheinung müsste unter den anderen Menschen hervorleuchten wie die der Engel. Ihr Antlitz würde strahlen wie das des Moses, als er von Gottes Gegenwart und der Unterredung mit ihm kam. Wenigstens müssen sie mit den übrigen Menschen in solcher Weise verkehren, dass sie Ehrfurcht gegen Gott und darnach auch gegen sich selbst einflössen. Du musst wissen, meine Teuerste, dass der Allerhöchste heutzutage über die Weit gar sehr erzürnt ist wegen der Beleidigungen, die ihm - um von anderen Sünden zu schweigen - gerade in dieser Hinsicht von Priestern sowohl, als von Laien zugefügt werden. Gegen die Priester ist er erzürnt, weil viele ihre erhabene Würde vergessen und beschimpfen, indem sie sich selbst verächtlich machen, geldgierig sind und unbekümmert um ihre Heiligung der Welt ein böses Beispiel und Ärgernis geben. Den Laien aber zürnet Gott, weil sie verwegen und vermessen sind gegen die "Gesalbten des Herrn"; denn sind diese auch unvollkommen und in ihrem Wandel nicht lobenswert, so muss man sie doch ehren und hochschätzen, weil sie die Stelle Christi, meines heiligsten Sohnes, vertreten. 301. Wegen dieser dem Priestertum schuldigen Ehrfurcht war auch mein Verhalten gegen Zacharias verschieden von dem gegen die heilige Elisabeth. Denn obwohl ich nach Gottes Willen der Kanal oder das Werkzeug sein musste, um beiden seinen göttlichen Geist mitzuteilen, so grüsste ich doch Elisabeth in der Weise, dass ich durch die Stimme meines Grusses eine gewisse Gewalt an den Tag legte, um der Erbsünde zu gebieten, welche ihr Sohn auf sich hatte; und diese Sünde wurde ihm mittelst meiner Worte schon damals vergeben, und Sohn und Mutter wurden vom Heiligen Geiste erfüllt. Ich hatte ja die Erbsünde mir nicht zugezogen, sondern war von ihr frei und ausgenommen; darum hatte ich bei dieser Gelegenheit Macht und Gewalt über sie und konnte ihr gebieten als Herrin, welche durch den Schutz des Herrn über dieselbe triumphiert hatte und nicht deren Sklavin war, wie die übrigen Kinder Adams, die in diesem gesündigt haben. So wollte der Herr, dass ich, um Johannes von der Knechtschaft und Gefangenschaft der Sünde zu befreien, der Sünde gebiete, als diejenige, welche ihr niemals unterworfen gewesen. Den Zacharias hingegen begrüsste ich nicht in solch gebietender Weise, sondern ich betete für ihn und beobachtete so den Anstand und die Ehrfurcht, welche seine Würde und meine Bescheidenheit erheischten. Obwohl ich seiner Zunge nur geistiger- und verborgenerweise gebot, sich zu lösen, so hätte ich doch aus Ehrfurcht gegen die priesterliche Würde auch dies nicht getan, wenn der Allerhöchste es mir nicht befohlen und mir zu verstehen gegeben hätte, dass die Person des Priesters mit dem Gebrechen der Stummheit nicht wohl bestellt sei, da er mit all seinen Fähigkeiten ungehindert und behende sein muss für den Dienst und das Lob des Herrn. Ich werde über die Ehrfurcht gegen die Priester bei einer anderen Gelegenheit mehr sagen; darum genüge dies für jetzt, um auf deinen Zweifel zu antworten. 302. Die Lehre, welche ich dir nun gebe, ist die: Sei bedacht, über den Weg der Tugend und des ewigen Lebens dich von allen denjenigen belehren zu lassen, mit welchen du umgehst, seien es Vorgesetzte oder Untergebene. Du sollst hierin nachahmen, was meine Dienerin Elisabeth mir gegenüber getan hat, indem du alle in gebührender Weise und mit Klugheit bittest, dass sie dich unterrichten und zurechtweisen; denn für diese Demut verleiht der Herr gar oft gute, richtige Leitung und sendet sein göttliches Licht. So wird es auch bei dir sein, wenn du mit einfältiger Klugheit und mit Eifer für die Tugend vorgehst. Sei auch bedacht, die Schmeicheleien der Geschöpfe, welcher Art sie auch seien, bis aufs letzte Stäubchen von dir zu weisen und sie nicht zu dulden, ebenso die Unterhaltungen, in welchen du solche hören kannst; denn diese Blendwerke verdunkeln und verkehren den Verstand, wenn man nicht auf der Hut ist. Der Herr ist aber so eifersüchtig auf die Seelen, welche er innig liebt, dass er sich augenblicklich zurückzieht, wenn sie das Lob der Menschen annehmen und an den Schmeicheleien derselben Gefallen finden; denn durch diese Leichtfertigkeit machen sie sich seiner Gnade unwürdig. Es ist ja unmöglich, dass in einer und derselben Seele die Schmeicheleien der Welt und die Tröstungen Gottes vereinigt seien; die letzteren sind wahr, heilig, rein, beständig; sie machen das Herz demütig und rein, sie geben ihm Licht und Frieden. Die Schmeicheleien und Lobhudeleien der Menschen dagegen sind eitel, unbeständig, trügerisch, unrein und lügenhaft; denn sie kommen aus dem Munde derjenigen, von denen geschrieben steht, dass sie alle lügenhaft seien'. Was aber Lüge ist, das ist das Werk des bösen Feindes. 303. Dein Bräutigam, meine teuerste Tochter, will nicht, dass deine Ohren falsche und weltliche Plaudereien anhören und ertragen, noch, dass die Schmeicheleien der Welt sie anstecken und besudeln. Darum will ich auch, dass du sie für all diesen giftigen Trug geschlossen haltest und sie wohlverwahrt bewachest, um auf denselben gar nicht zu achten. Wenn der Herr Freude daran hat, Worte des ewigen Lebens zu deinem Herzen zu sprechen, so ist es billig, dass du, um auf seine Worte zu hören und auf seine Liebe zu achten, für alles Irdische taub, gefühllos, ja abgestorben seiest, und dass alles dieses für dich Qual und Tod sei. Beachte, dass du ihm grosse und zarte Liebe schuldest, und dass die ganze Hölle die Weichheit deines Charakters benützen möchte, um denselben zu verderben, damit du zärtlich seiest für die Geschöpfe und undankbar gegen den ewigen Gott. Wache mit aller Sorgfalt, um ihr mit Kraft zu widerstehen im Glauben an deinen geliebten Herrn und Bräutigam. Buch drei. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Losschälung vom Irdischen. Hingabe an Gott. 311. Meine liebe Tochter, eine Seele, welche so glücklich ist, von Gott zum vertrauten Umgange mit ihm und zu hoher Vollkommenheit auserwählt zu werden, muss ihr Herz immer ruhig und bereit halten für alles, was Seine göttliche Majestät in ihr tun und verfügen will. Weit entfernt, zu widerstehen, muss sie ihrerseits alles bereitwillig ausführen. So getan, als der Allerhöchste mir gebot, mein Haus zu verlassen, meine teure Einsamkeit aufzugeben und zu meiner Base Elisabeth zu gehen; und so habe ich wieder getan, als er mir gebot, Elisabeth zu verlassen. Alles tat ich freudig und behende. Elisabeth und deren Familie hatten mir so viele Wohltaten bewiesen, und zwar mit einer Liebe und einem Wohlwollen, wie du es erkannt hast. Nachdem ich aber den Willen des Herrn erfahren hatte, setzte ich, obgleich ich jener Familie verpflichtet war, doch alle meine eigenen Gefühle beiseite und gestattete der Liebe und dem Mitleiden nicht mehr Raum, als mit dem behenden Gehorsam, den ich dem Gebote Gottes schuldig war, sich vereinigen liess. 312. Mit welchem Eifer würdest du, geliebteste Tochter, nach dieser wahren und vollkommenen Hingabe trachten, wenn du vollständig erkennen würdest, wie kostbar sie ist, wie wohlgefällig in den Augen des Herrn und wie nützlich für die Seele. Bemühe dich also, dieselbe zu erwerben, indem du mir nachfolgst, wozu ich dich so oft einlade und ermuntere. Das grösste Hindernis aber, um zu diesem Grade der Vollkommenheit zu gelangen, besteht darin, dass man besondere Neigungen und Anhänglichkeiten an irdische Dinge hegt; denn diese machen die Seele unwürdig, dass der Herr ihr seine Wonne mitteile und seinen Willen kundgebe. Und wenn auch solche Seelen Gottes Willen erkennen, so hält sie diese niedrige Liebe zu anderen Dingen zurück, und durch diese Anhänglichkeit sind sie unfähig, dem Willen ihres Herrn schnell und freudig, wie sie es sollten, zu gehorchen. Beachte diese Gefahr, meine Tochter, und dulde in deinem Herzen keine besondere Zuneigung; denn ich verlange, dass du sehr vollkommen und weise seiest in dieser Kunst der göttlichen Liebe. Dein Gehorsam sei der eines Engels und deine Liebe die eines Seraphs. In allen deinen Handlungen sei also vollkommen, denn dazu verpflichtet dich meine Liebe, und dies lehrt dich die Erkenntnis und das Licht, welches du empfängst. 313. Ich will nicht sagen, dass du gefühllos sein sollst, denn dies ist natürlicherweise dem Geschöpfe unmöglich. Aber wenn dir etwas Widerwärtiges begegnet, oder wenn dir etwas mangelt, was dir nützlich, notwendig und wünschenswert scheint, dann überlasse dich mit freudigem Gleichmute dem Herrn und bringe ihm ein Opfer des Lobes, weil sein heiliger Wille sich in dem erfüllt, was dich getroffen hat. Wenn du so einzig auf Gottes Wohlgefallen achtest und bedenkst, dass alles übrige vergänglich ist, dann wirst du schnell und leicht dich selbst überwinden und alle Gelegenheiten benützen, dich zu demütigen unter die mächtige Hand des Herrn. Ich ermahne dich auch, dass du mir in der Ehrfurcht gegen die Priester nachfolgest. Bevor du mit ihnen sprichst oder von ihnen Abschied nimmst, bitte immer um ihren Segen. Dasselbe tue dem Allerhöchsten gegenüber, was immer du auch beginnen magst. Den Obern gegenüber zeige dich immer demütig und unterwürfig. Kommen verheiratete Frauen, dich um Rat zu fragen, so ermahne sie, dass sie gehorsam seien gegen ihre Gatten, verträglich und friedfertig in ihrer Familie, zurückgezogen im Hause und sorgfältig in Erfüllung ihrer Pflichten; sie sollen sich aber nicht gänzlich hingeben und in ihre Geschäfte versenken unter dem Vorwande, dies sei notwendig; denn die Güte und Freigebigkeit des Allerhöchsten muss zu derselben mehr beitragen als ihre Geschäftigkeit. In allem, was mir in meinem Stande begegnete, wirst du hiefür die wahre Lehre und das wahre Beispiel finden; ja mein ganzes Leben wird hiezu dienen, damit die Seelen jene Vollkommenheit erwerben, welche ihr jeweiliger Stand verlangt. Darum gebe ich dir keine Weisungen für jeden Stand im besonderen. Buch drei LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: ununterbrochenes Mitwirken mit der Gnade. 320. Meine Tochter, die gläubigen Seelen, welche durch das Licht des Glaubens Gott erkennen und Kinder der Kirche sind, sollen keinen Unterschied machen in Zeit, Ort und Beschäftigung, um den Glauben und die anderen mit ihm eingegossenen Tugenden zu üben; denn Gott ist in allen Dingen gegenwärtig und erfüllt sie mit seinem unendlichen Wesen; auch der Glaube begleitet uns an jedem Orte und bei jeder Gelegenheit, um Gott im Geiste und in der Wahrheit anzubeten und zu betrach ten. Wie also auf die Erschaffung, die der Seele das erste Sein verleiht, die Erhaltung folgt, und auf das Leben das ununterbrochene Atemholen, und wie man immer sich nährt und wächst, bis man das Ziel erreicht hat, so sollte auch das vernunftbegabte Geschöpf, nachdem es durch den Glauben und die Gnade wiedergeboren ist, niemals das Wachstum dieses geistlichen Lebens unterbrechen und zu jeder Zeit und an jedem Orte mit dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe Werke des Lebens vollbringen. Weil jedoch die Menschen, und namentlich die Kinder der Kirche dies vergessen und vernachlässigen, so haben sie das Leben des Glaubens, wie wenn sie es nicht hätten, denn sie lassen es sterben, indem sie die Liebe verlieren. Diese haben vergebens eine neue Seele erhalten, wie David sagt', weil sie daraus ebensowenig Nutzen ziehen, als wenn sie dieselbe gar nicht empfangen hätten. 321. Ich will, meine Teuerste, dass dein geistliches Leben nicht mehr Lücken oder Unterbrechungen habe als das natürliche. Du sollst mit dem Leben der Gnade und mit den Geschenken des Allerhöchsten jederzeit wirken, indem du betest, liebst, lobst, glaubst, hoffst und diesen Herrn im Geiste und in der Wahrheit anbetest, ohne in Beziehung auf Zeit, Ort oder Beschäftigung einen Unterschied zu machen. Er ist ja überall gegenwärtig und will, dass alle vernünftigen Geschöpfe ihn lieben und ihm dienen. Darum lege ich dir auf, dass du, wenn Seelen zu dir kommen, welche dies vergessen haben oder sonst mit Sünden beladen und vom bösen Geiste verfolgt sind, für sie mit lebendigem Glauben und Vertrauen betest; und sollte auch der Herr nicht immer in der Weise wirken, wie du es wünschest und sie begehren, so wird er es verborgenerweise tun, und du wirst das Glück haben, ihm wohlzugefallen, indem du als seine treue Tochter und Braut handelst. Wenn dein Wandel in allem seinen Wünschen entspricht, so versichere ich dich, dass er dir als seiner Braut viele Vorrechte zum Besten der Seelen verleihen wird. Betrachte, was ich tat, wenn ich die Seelen in der Ungnade des Herrn erblickte, und mit welch besorgtem Eifer ich für alle und für einige im besonderen mich bemühte. Wenn also der Allerhöchste dir den Stand einiger Seelen offenbart, oder wenn diese dir denselben aufdecken, so arbeite und bete für sie, um mir nachzufolgen und mir zu gefallen; ermahne sie mit Klugheit, Demut und Bescheidenheit; denn der Allmächtige will nicht, dass du mit Geräusch wirkest, auch nicht, dass der Erfolg deiner Bemühungen offenbar werde, sondern dass derselbe verborgen sei; hierin fügt er sich deiner natürlichen Zaghaftigkeit und deinem Verlangen und will, was für dich das Sicherste ist. Endlich, wenn du auch für alle Seelen beten sollst, su musst du dies doch mit mehr Eifer für jene tun, von denen du weisst, dass sie eine grössere Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes haben. Buch drei LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria 331. Meine Tochter, ich verlange, dass du sehr aufmerksam und vorsichtig seiest, um nicht in die Unwissenheit und Finsternis zu fallen, durch welche die Menschen sich insgeheim verblenden lassen und ihr ewiges Heil vergessen, ohne die Gefahr zu beachten, welche ihnen von der beständigen Verfolgung der auf ihr Verderben sinnenden bösen Geister droht. So schlafen die Menschen ruhig und vergessen sich selbst, als ob sie keine starken und wachsamen Feinde hätten. Diese entsetzliche Sorglosigkeit kommt von zwei Ursachen her: fürs erste hängen sie derart am Irdischen, Natürlichen und Sinnlichen, dass sie für keine anderen Wunden empfindlich sind als für die, welche die äusseren Sinne treffen; Schaden für das Innere achten sie nicht. Der zweite Grund besteht darin, dass die Fürsten der Finsternis unsichtbar und für die Sinne verborgen sind. Da nun die sinnlichen Menschen dieselben nicht tasten, nicht sehen und nicht berühren, so fürchten sie dieselben auch nicht, während sie doch gerade deswegen aufmerksamer und sorgfältiger sein sollten. Denn die unsichtbaren Feinde sind verschlagener und gewandter, um verräterischerweise zu schaden; darum ist die Gefahr desto sicherer, je weniger sie bemerkt wird, und die Wunden sind desto tödlicher, je weniger dieselben wahrgenommen und empfunden werden. 332. Tochter, höre auf diese Wahrheiten, die für das wahre und ewige Leben von höchstem Belang sind. Beachte meine Ratschläge, führe meine Lehre aus und nimm meine Ermahnungen an; denn wenn du dies vernachlässigst, so werde ich nicht mehr zu dir sprechen. Bemerke also wohl, was du von der Beschaffenheit dieser Feinde bis jetzt noch nicht erkannt hast; denn ich tue dir zu wissen, dass kein Verstand und keine Zunge weder der Menschen noch der Engel den Zorn und die rasende Wut ausdrücken können, von welchen Luzifer und seine bösen Geister gegen die Menschen beseelt sind, weil diese das Ebenbild Gottes und fähig sind, Gott ewig zu geniessen. Der Herr allein begreift die Bosheit dieses stolzen Herzens, welches sich gegen seinen heiligen Namen und seine Anbetung empört hat. Würde er diese Feinde nicht mit seinem mächtigen Arme niederhalten, sie würden in einem Augenblicke die Welt zerstören und alle Menschen ärger als hungrige Löwen, Drachen und wilde Tiere zerfleischen und zerreissen. Doch der gütigste Vater der Erbarmungen hemmt und zügelt diesen Zorn und behütet seine Kindlein auf seinen Armen, damit sie nicht der Wut dieser höllischen Wölfe anheimfallen. 333. Erwäge also mit aller möglichen Aufmerksamkeit, ob es etwas so Schmerzliches und Beklagenswertes gebe wie die Erscheinung, dass so viele Menschen die Augen schliessen und diese grosse Gefahr nicht sehen wollen, und dass die einen aus Leichtfertigkeit, wegen einer Kleinigkeit, wegen eines kurzen, augenblicklichen Vergnügens, andere aus Nachlässigkeit, noch andere durch ihre ungeregelten Begierden, alle jedoch freiwillig den Schutz des Allerhöchsten verlassen, um sich in die wütenden Hände so gottloser und grausamer Feinde zu stürzen, welche dann nicht nur eine Stunde, einen Tag, einen Monat oder ein Jahr lang ihre Wut an ihnen auslassen, sondern dies ewig tun durch unsägliche Qualen. Staune und zittere, meine liebe Tochter, da du siehst, wie furchtbar und schrecklich die Torheit der unbussfertigen Menschen ist, und wie auch die Gläubigen, welche dies doch durch den Glauben wissen, den Verstand verloren haben und mitten in dem Lichte, welches ihnen der wahre, katholische Glaube spendet, derart vom bösen Feinde betört und verblendet sind, dass sie die Gefahr nicht erkennen und nicht meiden wollen. 334. Damit du vor dieser Gefahr dich mehr fürchtest und hütest, so wisse, dass dieser Drache seit der Stunde, da du erschaffen worden und auf die Welt gekommen bist, dich kennt und ausforscht; Tag und Nacht geht er ohne Rast um dich herum und lauert auf eine Gelegenheit, dich zu seiner Beute zu machen. Er beobachtet deine natürlichen Neigungen und die Gnaden des Herrn, um mit deinen eigenen Waffen gegen dich zu streiten. Er geht mit andern bösen Geistern zu Rate über deinen Untergang, und er verspricht denjenigen Belohnungen, welche am meisten daran arbeiten. Aus diesem Grunde prüfen sie deine Handlungen mit grosser Aufmerksamkeit, messen deine Schritte ab, und alle sind beschäftigt, dir für jedes Werk, für jede Handlung, welche du vorhast, Fallstricke zu legen und Gefahren zu bereiten. Ich will, dass du all diese Wahrheiten im Herrn betrachtest; da wirst du erkennen, wohin sie führen; beurteile sie dann nach deiner eigenen Erfahrung; diese Vergleichung wird dir zeigen, ob es vernünftig sei, dass du inmitten so vieler Gefahren schlafest. Zwar ist es für alle Menschen wichtig, wachsam zu sein; für dich jedoch mehr als für irgend jemanden, und zwar aus besonderen Gründen. Wenn ich dir diese jetzt auch nicht alles mitteile, so darfst du doch nicht daran zweifeln, dass du mit grösster Wachsamkeit und Vorsicht wandeln sollst; es genüge dir der Blick auf dein weiches und gebrechliches Naturell, welches deine Feinde gegen dich benützen werden. BUCH DREI. LEHRE, welche mir die heiligste Königin Maria gab. Lehre: Art und Weise, den Satan zu besiegen 354. Meine Tochter, du hast zwar den langwierigen Kampf meiner Versuchungen in Kürze geschildert, es ist aber mein Wille, dass du aus dem, was du geschrieben, und aus dem, was du sonst noch in Gott erkannt hast, die Regeln und Unterweisungen ableitest, die zu beobachten sind, um der Hölle zu widerstehen und sie zu besiegen. Die beste Art zu streiten ist die, dass man den bösen Geist verachtet, indem man ihn als einen Feind Gottes ansieht, der ohne heilige Furcht, ohne Hoffnung auf irgend ein Gut an jeder Hilfe verzweifelt, jedoch in seinem Unglücke hartnäckig bleibt, ohne Reue über seine Bosheit. Auf diese unfehlbare Wahrheit dich stützend, sollst du dich ihm gegenüber überlegen, grossherzig und unveränderlich zeigen und ihn als einen Verächter der Ehre und des Dienstes seines Gottes behandeln. Im Bewusstsein, dass du eine so gerechte Sache verteidigst, darfst du keine Mutlosigkeit aufkommen lassen; vielmehr musst du ihm mit ganzer Kraft, mit grösstem Mute widerstehen und dich allen seinen Plänen widersetzen, wie wenn du an der Seite des Herrn stündest, für dessen Namen du streitest. Denn es ist kein Zweifel, dass Seine Majestät denjenigen beisteht, welche gesetzmässig kämpfen. Du befindest dich an einem Orte und in einem Stande der Hoffnung und bist für die ewige Seligkeit bestimmt, sofern du treu und fleissig für deinen Gott und Herrn arbeitest. 355. Erwäge weiter, dass die bösen Geister unversöhnlichen Hass tragen gegen das, was du liebst und begehrst, nämlich gegen die Ehre Gottes und deine ewige Seligkeit. Sie wollen dir rauben, was sie selbst nicht wieder erlangen können. Den Satan hat Gott verworfen, dir aber bietet er seine Gnade und seine mächtige Hilfe an, um seinen und deinen Feind zu überwinden und das glückliche Ziel deiner ewigen Ruhe zu erreichen, wenn du treu arbeitest und die Gebote des Herrn beobachtest. Freilich ist der Hochmut des Drachen gross, allein seine Schwäche ist noch grösser; vor der Kraft Gottes ist seine Kraft nichts Weiteres als ein machtloses Sonnenstäubchen. Da er jedoch an erfinderischer Arglist und Bosheit den Menschen weit überlegen ist, so ist es für die Seele nicht ratsam, sich mit ihm auf Gründe oder Unterredungen einzulassen, mag er nun sichtbar oder unsichtbar kommen; denn aus seinem finsteren Geiste gehen, wie aus einem Feuerofen, Finsternis und Verwirrung hervor, welche das Urteil des Menschen verdunkeln; hören sie auf ihn, dann erfüllt er sie mit Lüge und Finsternis, damit sie weder die Wahrheit und Schönheit der Tugend, noch die Schändlichkeit seiner giftigen Blendwerke einsehen; dann wissen sie nicht mehr das Kostbare von dem Schlechten, das Leben von dem Tode, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden, und so fallen sie in die Hände dieses gottlosen, grausamen Drachen. 356. Darum muss es dir als unverletzliche Regel gelten, in den Versuchungen auf die Vorschläge Satans nicht zu achten, darauf nicht zu hören und darüber nicht nachzudenken. Kannst du dich derselben ganz entledigen und dich so weit von ihnen ferne halten, dass du seine Bosheit gar nicht gewahr wirst oder nur von ferne siehst, so ist dies das Sicherste; denn um seinem Truge Eingang zu verschaffen, trifft der böse Feind vorher immer einige Vorbereitung, besonders bei Seelen, von welchen er fürchtet, sie möchten sich seinem Eintritte widersetzen, wenn er denselben nicht erleichtert. So pflegt er zum Beispiel mit Traurigkeit und Niedergeschlagenheit den Anfang zu machen, oder auch mit einer heftigen Aufregung, welche die Seele von dem liebevollen Andenken an Gott abbringt und zerstreut, und dann bietet er sein Gift in goldenem Gefässe an, damit es nicht so sehr abschrecke. Bemerkst du also in dir eines dieser Anzeichen -du hast ja hierin Erfahrung, Leitung und Belehrung -, so musst du mit Taubenflügeln dich so weit emporschwingen, bis du zum Zufluchtsorte des Allerhöchsten gelangst; du musst ihn anrufen und ihm zu deinen Gunsten die Verdienste meines heiligsten Sohnes vorstellen. Auch zu mir, als deiner Mutter und Lehrmeisterin, musst du deine Zuflucht nehmen sowie den Schutz deiner Engel und der anderen Diener des Herrn anrufen. Schliesse auch eilends deine Sinne und stelle dir vor, du seiest denselben abgestorben, oder wie eine Seele aus dem andern Leben, auf welches die Gewalt der Schlange, dieses grausamen Tyrannen, sich nicht erstreckt. Mit erhöhtem Eifer erwecke alsdann solche Tugendakte, welche den Lastern, zu denen Satan dich versucht, entgegengesetzt sind; besonders erwecke Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; denn durch diese werden die Feigheit und Furchtsamkeit, welche die Widerstandskraft des Willens schwächen, ausgetrieben'. 357. Die Gründe, durch welche du den Luzifer überwinden kannst, musst du in Gott allein suchen; du sollst sie aber deinem Feinde nicht angeben, damit er nicht etwa durch das Gewirr seiner Vorspiegelungen einnehme. Erachte es als eine unwürdige und überdies gefährliche Sache, dich mit ihm auf Gründe einzulassen, oder auf ihn, der dein und deines Bräutigams Feind ist, auch nur zu achten. Zeige dich ihm überlegen, sei gegen ihn mutvoll und biete dich an, alle Tugenden üben zu wollen, und zwar dein ganzes Leben lang. Mit diesem Schatze sei zufrieden, in ihm suche deine Zuflucht; denn das Klügste, was die Kinder Gottes in diesem Kampfe tun können, ist dies, dass sie soweit als möglich fliehen. Der Satan ist stolz, darum ärgert es ihn, wenn man ihn verachtet; er will, dass man auf ihn höre; denn er verlässt sich auf seine Anmassung und auf seine Lügen, und dieses Selbstvertrauen ist der Grund, warum er so hartnäckig darauf dringt, dass man ihm bei irgend einer Sache die Hand im Spiele lasse. Auf die Macht der Wahrheit kann sich der Lügengeist nicht verlassen - er sagt sie ja niemals -, darum setzt er seine ganze Stärke darein, dass er belästigt und seinen Trug mit dem Scheine des Guten und Wahren umkleidet. Solange dieser Knecht der Bosheit sich nicht verachtet sieht, denkt er gar nicht daran, dass man ihn erkannt habe; wie eine zudringliche Fliege kommt er wieder zurück, und zwar gerade an die Stelle, von welcher er weiss, dass sie dem Verderben am nächsten ist. 358. Nicht geringere Umsicht sollst du anwenden, wenn der böse Feind, um dich zum Falle zu bringen, deiner Mitmenschen sich bedienen sollte. Auf zwei Wegen wird er zu diesem Ziele zu gelangen suchen: er wird sie entweder zu übertriebener Zuneigung, oder umgekehrt zum Hasse verleiten. Bemerkst du bei jemand, der mit dir verkehrt, ungeordnete Zuneigung, so beobachte die Lehre, welche für die Flucht vor dem bösen Feinde gilt, jedoch mit einem Unterschiede: letzteren sollst du verabscheuen, die Mitmenschen aber sollst du betrachten als Geschöpfe Gottes und darfst ihnen darum nicht versagen, was du in Gott und um Gottes willen ihnen schuldest. Was aber die Lossagung betrifft, so musst du allesamt als Feinde betrachten; denn mit Rücksicht auf das, was Gott von dir verlangt, und auf den Stand, in welchem du dich befindest, wird ein jeder ein Satan sein, welcher andere antreibt, dich vom Herrn und von deinen Verpflichtungen gegen ihn abwendig zu machen. Wann dagegen die Menschen dich hassen und verfolgen, so vergilt ihnen mit Liebe und Sanftmut; bete für diejenigen, welche dich hassen und verfolgen und tue dies mit aller Inbrunst des Herzens. Und sollte der Fall eintreten, dass du den Zorn eines Menschen durch sanfte Worte brechen oder eine Täuschung zugunsten der Wahrheit aufdecken müsstest, so tue es, jedoch nicht, um dich rein zu waschen, sondern zur Beruhigung und zur Wohlfahrt deiner Mitmenschen sowie zur Wahrung des inneren und äusseren Friedens. Auf diese Weise wirst du mit einem Male einen doppelten Sieg davontragen, nämlich über dich und über diejenigen, die dich hassen. Um aber zu diesem ganzen Verhalten den Grund zu legen, ist es notwendig, die Hauptsünden mit ihren Wurzeln auszuschneiden und auszureissen, das heisst, den Regungen der Begierlichkeit ganz abzusterben; denn in letzterer haben die sieben Hauptsünden, zu denen der Satan versucht, ihre Wurzeln. Die ungeordneten und unabgetöteten Leidenschaften und Neigungen sind es, in welche er den Samen aller jener Laster ausstreut. Buch drei. LEHRE, welche unsere Königin mir gegeben hat. Lehre; Standhafter Widerstand gegen den Satan. 372. Meine Tochter, die Seele muss sich allerdings hüten, mit den unsichtbaren Feinden sich in eine Unterredung einzulassen; allein dies hindert nicht, dass sie ihnen im Namen des Allerhöchsten mit gebieterischer Kraft befehle, zu verstummen und beschämt von dannen zu gehen. Es ist mein Wille, dass du bei zutreffenden Gelegenheiten, im Falle sie dich verfolgen, darnach handelst. Es gibt nämlich gegen die Bosheit des Drachen keine mächtigere Waffe für den Menschen, als dass er ihm seine Gewalt und Uberlegenheit zeigt, im festen Glauben, dass er ein Kind seines wahren Vaters im Himmel ist, von dem er jene Kraft und Zuversicht gegen den Satan empfängt. Der Grund hievon ist, weil alles Sinnen und Trachten Luzifers, seitdem er vom Himmel gefallen ist, dahin geht, die Seelen von ihrem Schöpfer loszutrennen und zwischen dem himmlischen Vater und seinen Adoptivkindern, zwischen dem Bräutigam der Seelen und der Braut das Unkraut der Zwietracht zu säen. Wenn er aber sieht, dass eine Seele mit ihrem Schöpfer vereinigt und als ein lebendiges Glied ihres Hauptes Jesu Christi mutigen und starken Willens ist, dann bietet er all seine Bosheit und seine Kunstgriffe auf, um dieselbe mit rasender, neidischer Wut zu verfolgen und zu verderben. Sieht er aber, dass er nicht zum Ziele kommt und dass die Seelen beim Allerhöchsten wahren und unüberwindlichen Schutz und Schirm finden, dann lässt er in seinen Anstrengungen nach und erkennt sich mit unvergleichlicher Qual als überwunden. Ja, wenn die geliebte Braut denselben mit Würde und Autorität verachtet und wegjagt, dann ist kein Wurm, keine Ameise so schwach, wie dieser hochmütige Riese. 373. Mit dieser Wahrheit musst du dich ermutigen und stärken, wenn der Allmächtige es fügt, dass die Trübsal dich heimsucht und dass in schweren Versuchungen, wie ich sie erlitten habe, die Schmerzen des Todes dich umringen; denn dies ist die beste Gelegenheit für den Bräutigam, die Treue seiner wahren Braut durch die Erfahrung zu erproben. Ist die Braut treu, dann darf ihre Liebe sich nicht mit blossen Gefühlen begnügen, ohne andere Frucht zu bringen; denn das Verlangen allein, welches der Seele nichts kostet, ist kein hinreichender Beweis ihrer Liebe und Hochschätzung für das Gut, welches sie hochzuachten und zu lieben vorgibt. Die Stärke dagegen und die Standhaftigkeit, mit der man grossherzig das Leiden erträgt, sind Zeichen wahrer Liebe. Willst du sie also deinem Bräutigam ernstlich beweisen und ihn befriedigen, so kannst du dies am besten tun, wenn du, je mehr du betrübt und von menschlicher Hilfe verlassen bist, desto mehr dich unüberwindlich zeigst, auf deinen Gott und Herrn vertraust und nötigenfalls selbst gegen die Hoffnung hoffst; denn derjenige, welcher sich Beschützer Israels nennt, schläft nicht und schlummert nicht. Wenn es Zeit ist, wird er dem Meere und den Winden gebieten und Ruhe schaffen. 374. Du musst jedoch, liebe Tochter, beim Beginne der Versuchungen sehr wachsam sein; denn wenn sich die Seele durch die Versuchung sogleich verwirren lässt und den Regungen des begehrenden oder zürnenden Seelenvermögens nachgibt, wodurch das Licht der Vernunft getrübt und verdunkelt wird, dann kommt sie in grosse Gefahr. Sobald nämlich der Satan diese Aufregung bemerkt und sieht, welchen Staub er in den Seelenkräften aufgewirbelt und welchen Sturm er erregt hat, erhält seine unversöhnliche und unersättliche Grausamkeit neue Nahrung; er wird wütender und fügt Feuer zum Feuer, da er meint, dass die Seele niemand habe, der sie verteidige und aus seinen Händen befreie. Mit der steigenden Heftigkeit der Versuchung wächst auch die Gefahr, dass man derselben in ihrer grössten Stärke nicht widerstehe, nachdem man ihr im Beginne schon nachgegeben hat. Auf dieses alles mache ich dich aufmerksam, damit du die Gefahr dieser ersten Versäumnisse fürchtest. In einer Sache, bei der es sich um so vieles handelt, darfst du dir niemals eine Sorglosigkeit zuschulden kommen lassen. Bleibe dir vielmehr bei jedweder Versuchung in deinem Verhalten gleich und setze in deinem Inneren den süssen und frommen Verkehr mit Gott fort; dem Nächsten gegenüber beobachte stets die schuldige Liebe, Milde und kluge Sanftmut; und durch Gebet und Bezähmung deiner Leidenschaften beuge der Unordnung vor, welche der böse Feind in denselben erregen möchte. @@@@@ Buch 4 @@@@@ Buch 4 . Maria de Agreda BUCH VIER. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin, die heiligste Jungfrau Maria, gegeben hat. Lehre; Hingabe an die g?ttliche Vorsehung 384. Meine teuerste Tochter, hoch und erhaben sind die Gedanken und Absichten des Herrn. Seine Vorsehung für die Seelen ist stark und lieblich und wunderbar in der Leitung aller, besonders seiner Freunde und Auserwählten. Wenn die Menschen vollkommen begreifen würden, mit welch liebevoller Sorgfalt dieser Vater der Erbarmungen sie lenkt und leitet, dann wären sie nicht so sehr um sich selbst bekümmert; sie würden sich nicht so lästigen, unnützen, ja gefährlichen Sorgen hingeben, mit welchen sie sich plagen und an andere Geschöpfe sich hängen. Sie würden sich ruhig der unendlichen Weisheit und Liebe Gottes überlassen, der mit väterlicher Milde und Güte für all ihre Gedanken, Worte und Werke, und für alles, was ihnen zum Heile dient, Sorge tragen würde. Diese Wahrheit darf dir nicht unbekannt sein. Du musst wohl verstehen, dass der Herr von Ewigkeit her alle Auserwählten, welche in den verschiedenen Zeiten und Weltaltern leben sollten, in seinem göttlichen Geiste gegenwärtig hat, und dass er mit der unüberwindlichen Macht seiner unendlichen Weisheit und Güte alle Güter, die ihnen zum Heile dienen, für sie bereitet und anordnet, damit sie schliesslich zu dem Ziele gelangen, zu dem er sie bestimmt hat. 385. Darum ist es für das vernünftige Geschöpf so überaus wichtig, sich von der Hand des Herrn leiten zu lassen und sich ganz seiner göttlichen Anordnung zu übergeben; denn die sterblichen Menschen kennen weder ihre Wege, noch das Ziel, zu welchem jene sie führen. In ihrer Unwissenheit sind sie unfähig, ohne grosse Verwegenheit und ohne grosse Gefahr, verloren zu gehen, eine selbständige Wahl zu treffen. Überlassen sie sich aber von ganzem Herzen der göttlichen Vorsehung, anerkennen sie Gott als ihren Vater und sich selbst als seine Kinder und Geschöpfe, dann wird er ihr Beschützer, ihr Helfer und Lenker sein, und zwar mit solcher Liebe, dass er dem Himmel und der Erde zeigen will, es sei sein Amt und seine Sache, die Seinigen zu leiten und alle zu lenken, die ihm vertrauen und ihm sich übergeben. Wäre Gott fähig, Schmerz oder Eifersucht zu fühlen wie die Menschen, er würde sie darüber empfinden, dass ein Geschöpf die Sorge für die Seelen mit ihm teilen will, und dass die Seelen etwas ihnen nötiges irgendwo anders suchen als beim Herrn, der selbst für alles sorgt. Den Menschen aber kann diese Wahrheit nicht unbekannt sein, wenn sie nur bedenken, was unter ihnen selbst ein Vater für seine Kinder tut, ein Bräutigam für seine Braut, ein Freund für den andern und ein Fürst für einen Günstling, den er liebt und ehren will. Dies alles ist aber nichts im Vergleich zu der Liebe, welche Gott für die Seinigen hegt, und zu dem, was er für sie tun will und für sie tun kann. 386. Freilich glauben die Menschen diese Wahrheit im allgemeinen; aber niemand kann vollkommen begreifen, wie gross die Liebe Gottes und wie mächtig ihre besonderen Wirkungen in den Seelen sind, die sich gänzlich seinem Willen übergeben. Für dich, meine Tochter, ist es nicht möglich und auch nicht passend, zu offenbaren, was du davon weisst; habe es aber stets vor Augen im Herrn. Er selber sagt, dass seinen Auserwählten kein Haar verloren gehe, weil er sie alle gezählt habe'. Er lenkt ihre Schritte zum Leben und hält sie ab von den Wegen des Todes. Er achtet auf ihre Werke, verbessert liebevoll ihre Fehler, kommt ihren Wünschen zuvor, denkt zum voraus an ihre Sorgen, verteidigt sie in der Gefahr, erfreut sie in der Ruhe, 'stärkt sie im Streite, steht ihnen bei in der Trübsal. Er bewahrt Sie vor Täuschung durch seine Weisheit. Er heiligt sie durch seine Güte. Er stärkt sie mit seiner Macht. Als unendlicher Gott, dem niemand widerstehen und dessen Willen niemand hindern kann, führt er aus, was er kann; und er kann alles, was er will. Er will sich aber ganz dem Gerechten hingeben, der seine Gnade besitzt und auf ihn allein vertraut. Wer kann also erfassen, wie viele und wie grosse Güter Gott in ein Herz ausgiessen wird, welches in dieser Weise auf deren Empfang vorbereitet ist! 387. Verlangst du, meine Freundin, dieses hohe Glück zu erreichen, so folge mir nach, so sehr du kannst, und richte von Stunde an alle deine Sorgfalt darauf, tatsächlich zur wahren Hingebung an die göttliche Vorsehung zu gelangen. Schickt sie dir Trübsale, Peinen und Mühen, so nimm dieselben an, ja umfange sie mit gleichmütigem Herzen, mit Seelenruhe, mit Geuurd, mit lebendigem Glauben und mit Vertrauen auf die Güte des Herrn. Er wird dir ja immer geben, was das Sicherste und Geeignetste ist für dein ewiges Heil. In keiner Sache triff eine i:igene Wahl, denn Gott weiss und kennt deine Wege. Verlass dich auf deinen himmlischen Vater und Bräutigam, der dich mit treuester Liebe beschirmt. Achte auf meine Werke, sie sind dir ja nicht verborgen, und wisse: nächst den Schmerzen, welche ich um meines göttlichen Sohnes willen litt, habe ich mein gan"es Leben lang kein grösseres Leid zu erdulden gehabt als das, welches ich bei dem Anlasse, den du eben beschreibst, wegen der Trübsale und Schmerzen meines Bräutigams Joseph ausqestanden habe. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: über das Stillschweigen. 396. Meine liebe Tochter, die Lehre, welche ich dir durch das Beispiel meines Stillschweigens, das du beschrieben hast, gebe, ist diese: Du musst dasselbe zur Richtschnur nehmen für dein Verhalten bei aussergewöhnlichen und geheimnisvollen Begnadigungen des Herrn, d. h. auch du musst dieselben im Verborgenen deines Herzens bewahren. Scheint es dir auch zum Troste einer Seele dienlich, dieselben zu offenbaren, so musst du doch niemals für dich allein darüber entscheiden, ohne zuerst mit Gott und dann mit dem Obern dich beraten zu haben; in diesen geistlichen Dingen darf man nicht nach menschlichen Gefühlen handeln; denn die Leidenschaften und bösen Neigungen des Menschen üben auf sein Urteil einen so grossen Einfluss aus, dass man in Gefahr kommt, als vorteilhaft zu betrachten, was verderblich ist, und zu meinen, man diene Gott, während man ihn beleidigt. Die Augen von Fleisch und Blut sind nicht fähig, zwischen den inneren Regungen zu unterscheiden und zu erkennen, ob sie göttlich sind, d. h. von der Gnade kommen, oder menschlich, d. h. aus ungeordneten Neigungen entspringen. Zwar herrscht zwischen diesen zweifachen Regungen und ihren Ursachen ein gar grosser Unterschied; allein wenn der Mensch nicht sehr erleuchtet und seinen Leidenschaften nicht abgestorben ist, so vermag er es nicht, diesen Unterschied zu erkennen und das Kostbare von dem Gemeinen zu sondern. Diese Gefahr ist aber noch grösser, wenn ein zeitlicher, menschlicher Beweggrund hinzukommt oder mitunterläuft; denn dann schleicht sich gar oft die natürliche Eigenliebe ein, um über göttliche und geistliche Dinge zu entscheiden, und dies führt zu mannigfachen, gefährlichen Übereilungen. 397. Es gelte dir also als allgemeine Regel, dass du ausser deinem Seelenführer niemand etwas offenbarest, wenn ich es dir nicht befehle; denn da ich es auf mich genommen habe, deine Lehrmeisterin zu sein, so werde ich nicht ermangeln, dir hierin wie in allen Stücken Weisung und Rat zu erteilen, damit du nicht vom Willen meines heiligsten Sohnes abweichest. Dabei musst du jedoch die Gnaden und Wohltaten des Herrn sehr hochhalten. Behandle sie mit Ehrfurcht; sie hochzuachten, dafür dankbar zu sein und sie zu benützen, dies gelte dir mehr als alle geringeren Dinge, besonders wenn diese deiner Neigung entsprechen. Mich hat grösstenteils die Ehrfurcht zum Stillschweigen bewogen, da ich den mir anvertrauten Schatz als überaus kostbar betrachtete, wie sich's gebührte. Darum habe ich geschwiegen, obwohl ich meinem Herrn und Bräutigam, dem hl. Joseph, natürlicherweise verpflichtet war, ihn liebte und voll schmerzlichen Mitleidens für seine Betrübnis ihn davon zu befreien wünschte. Gleichwohl habe ich geschwiegen, den Willen des Herrn über alles gestellt und die Sache, die er sich allein vorbehielt, ihm überlassen. Lerne sodann aus meinem Verhalten, dich niemals zu entschuldigen, auch wenn du an dem, was man dir zur Last legt, noch so unschuldig bist. Suche die Gnade des Herrn, indem du alles seiner Liebe anvertraust; lass ihm die Sorge für deinen guten Namen und trachte unterdessen, diejenigen, welche dir Unrecht tun, durch Geduld, Demut, Liebeswerke und sanfte Worte zu überwinden. Überdies ermahne ich dich, dass du niemals über jemanden böse urteilest, wenn auch der Augenschein dich dazu bewegen möchte; denn die vollkommene und aufrichtige Nächstenliebe wird dich lehren, in vernünftiger Weise alles gut auszulegen und die Fehler der anderen zu entschuldigen. In dieser Hinsicht hat Gott meinen heiligen Bräutigam Joseph als Muster aufgestellt; denn niemand hatte mehr Anzeichen für einen Verdacht als er, und doch war niemand weiser im Zurückhalten seines Urteils. Nach dem Gesetze der umsichtigen und heiligen Liebe ist es Klugheit, nicht aber Verwegenheit, da, wo die Schuld nicht sicher ist, sich eher auf höhere, unbekannte Gründe zu berufen, als den Nächsten zu beschuldigen. Ich gebe dir hier keine besondere Lehre für die Verheirateten, denn sie finden dieselbe im ganzen Verlauf meines Lebens; aus obiger Lehre aber können alle Seelen Nutzen ziehen, obwohl ich dabei zunächst deinen Fortschritt im Auge habe, den ich mit besonderer Liebe verlange. Höre mich, Teuerste, und führe meine Ratschläge und meine Worte des Lebens aus. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die heiligste Jungfrau Maria gab. Lehre. innere Ruhe in der Trübsal 406. Meine Tochter, was du in diesem Hauptstücke gesehen hast, bietet dir einen lieblichen Beweggrund, den Herrn zu lolion, da du die wunderbare Ordnung seiner Weisheit erkennst, in welcher er seinen Dienern und Auserwählten Trost und Trüb,w/ sendet. In beiden Fällen handelt er voll Weisheit und Güte und in der Absicht, sie dadurch zu grösserem Verdienste und höherer Glorie zu führen. Noch eine andere Lehre sollst du aus alum Gesagten ziehen, eine Lehre, welche für dein Verhalten und für den innigen Verkehr, den der Allerhöchste mit dir pfletion will, von höchster Wichtigkeit ist. Du sollst nämlich all deine Aufmerksamkeit darauf richten, immer die Ruhe und den Frieihrn deines Herzens zu bewahren. Durch keine Verwirrung darfst du dir dieselben rauben oder stören lassen, was immer dir auch in diesem sterblichen Leben begegnen mag. Was der heilige Joseph, mein Bräutigam, bei dem beschriebenen Anlasse erfahren hat, soll dir als Lehre und Beispiel dienen. Der Allerhöchste will nicht, dass die Seele durch die Trübsal verwirrt werde, sondern dass sie Verdienste erwerbe. Er will nicht, dass sie dadurch niedergeschlagen werde, sondern dass sie durch Erfahrung lerne, wieviel sie mit der Gnade vermag. Zwar pflegen die Sturmwinde der Versuchungen das Schifflein der Seele zum Hafen grösseren Friedens und höherer Erkenntnis Gottes hinzutreiben, und die Verwirrung kann ihr zu besserer Selbstkenntnis und grösserer Demut verhelfen; allein wenn die Seele nicht zur inneren Ruhe zurückkehrt, so ist sie nicht fähig, dass der Herr sie besuche, rufe und zu seinen Tröstungen erhebe; denn er kommt nicht im Sturmwinde', und die Seele kann die Strahlen dieser erhabensten Sonne der Gerechtigkeit nicht aufnehmen, solange sie nicht ruhig und klar ist. 407. Ist nun schon der Mangel dieser Ruhe ein so grosses Hindernis für den innigen Verkehr mit dem Allerhöchsten, so ist es klar, dass die Sünden ein noch weit grösseres Hindernis sind, eine so grosse Gnade zu empfangen. Beachte wohl diese Lehre und glaube ja nicht, du habest ein Recht, von deinen Seelenkräften einen Gebrauch zu machen, der mit dieser Lehre im Widerspruch stünde. Und weil du den Herrn so oftmals beleidigt hast, so rufe zu seiner Barmherzigkeit, weine und wasche dich mehr und mehr in deinen Tränen, eingedenk, dass du unter der Strafe, als untreu verurteilt zu werden, verpflichtet bist, deine Seele als die ewige Wohnung des Allerhöchsten in Reinheit und Ruhe zu erhalten, damit er als ihr Herr sie besitze und in würdiger Weise darin wohnen könne. Deine Sinne und Seelenkräfte sollen geordnet sein und, einem gut gestimmten Musikinstrumente ähnlich, eine liebliche und angenehme Harmonie bilden. Je vollkommener aber dieser Einklang ist, desto grösser ist auch die Gefahr, dass derselbe gestört werde. Darum musst du mit desto grösserer Sorgfalt deine Sinne und Seelenkräfte von allem Irdischen ferne halten; denn schon die verdorbene Luft der irdischen Dinge reicht hin, die Seelenkräfte, welche aus so vielen Gründen Gott dem Herrn geweiht sind, zu verstimmen, zu verwirren und anzustecken. Gib dir also Mühe, wache beständig über dich selbst und beherrsche deine Seelenkräfte und ihre Tätigkeiten. Sollte aber manchmal diese Ordnung gestört und verwirrt werden, und sollten Misstöne die Harmonie verderben, so suche das göttliche Licht wieder zu finden, nimm dasselbe ohne Furcht und Schwanken auf, und von ihm geleitet tue, was das Vollkommenste und Reinste ist. Zu diesem Behufe gebe ich dir meinen heiligen Bräutigam Joseph zum Vorbilde, er hat ohne Zögern, ohne Misstrauen dem Engel Glauben geschenkt und alsbald mit unbedingtem Gehorsam getan, was ihm befohlen war. Dadurch verdiente er aber auch, grosse Belohnungen zu empfangen und zu hoher Würde erhoben zu werden. Und wenn er so tief sich verdemütigt hat, obwohl er nicht gesündigt, sondern nur durch so viele, freilich scheinbare Gründe sich hatte verwirren lassen, so erwäge, wieviel mehr du, ein armes Würmchen, in dich gehen, bis zum Staube dich erniedrigen und deine Nachlässigkeiten und Sünden beweinen musst, bis der Allerhöchste dich wieder als Vater und Bräutigam ansieht. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN. Buch vier. LEHRE: die Sünden gegen die Nächstenliebe. 415. Meine Tochter, ich verlange, wie dir bekannt ist, dass mein Leben dir als Spiegel diene für das deine, und dass meine Werke die unverletzliche Richtschnur der deinigen seien; darum erkläre ich dir in dieser Geschichte meines Lebens nicht nur die Geheimnisse, welche du niederschreibst, sondern noch viele andere, die du nicht veröffentlichen kannst, weil sie in deinem Herzen verborgen bleiben müssen. Darum erinnere ich dich auch als deine Lehrmeisterin an die Lehre, durch welche du die Wissenschaft des ewigen Lebens erwerben sollst. Als gehorsame, sorgfältigtige Schülerin vollbringe schnell das Befohlene. Zum Muster diene dir nun die demütige Sorgfalt des heiligen Joseph, meines Bräutigams, sowie seine Unterwürfigkeit und Hochachtung gegen die göttlichen Erleuchtungen und Belehrungen. Beachte ferner: Um sein Herz zum schnellen Vollbringen des göttlichen Willens wohlbereitet zu finden, hat ihn der Allerhöchste durch eine Gnadenfülle, wie sie seiner erhabenen Bestimmung entsprach, vollkommen umgewandelt und erneuert. So muss auch bei dir die Erkenntnis deiner Fehler bewirken, dass du demütig und unterwürfig werdest, nicht aber, dass du unter dem Vorwande der Unwürdigkeit den Herrn hinderst, sich deiner nach seinem Wohlgefallen zu bedienen. 416. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dich auf etwas aufmerksam machen, worüber der Allerhöchste gerechte Klage führt, und um dessentwillen er über die Sterblichen sehr erzürnt ist. Du wirst diese Sache im göttlichen Lichte besser verstehen, wenn du dabei die Demut und Sanftmut ins Auge fassest, welche ich meinem Bräutigam Joseph gegenüber geübt hatte. Worüber aber der Herr Klage führt, und worüber auch ich Klage führe, das ist die unmenschliche Härte, welche die Sterblichen durch ihr liebloses und hochfahrendes Wesen in ihrem Verkehre miteinander an den Tag legen. In diesem Verhalten sind dreierlei Versündigungen inbegriffen, welche alle den Allerhöchsten und auch mich in hohem Grade hindern, den Menschen Barmherzigkeit zu erweisen. Die erste dieser Sünden ist folgende: die Menschen wissen doch, dass sie sämtliche Kinder eines Vaters sind, der im Himmel ist. Sie wissen, dass sie Werke seiner Hände sind, die er von einer und derselben Natur gebildet, freigebig ernährt, mit seiner Vorsehung liebevoll belebt und an einer und derselben Tafel mit den göttlichen Geheimnissen und Sakramenten, insbesondere mit seinem eigenen heiligen Fleische und Blute gespeiset hat. Aber alles dieses vergessen sie, alles dieses setzen sie hintan, sobald es sich um einen elenden irdischen Vorteil handelt; wie Menschen ohne Vernunft kommen sie dann in Aufregung und Zorn, gehen über zu Streit und Zwist, zu heimtückischem Verrat und übler Nachrede, manchmal sogar zu gottloser, unmenschlicher Rache und zu tödlichem Hasse gegeneinander. Die zweite Sünde ist: wenn sie aus menschlicher Schwachheit und Mangel an Abtötung, oder durch die Versuchung des Teufels verwirrt, in einen dieser Fehler gefallen sind, dann trachten sie nicht, diesen Fehler alsbald wieder gut zu machen und sich miteinander zu versöhnen, als Brüder, die vor den Augen des gerechten Richters stehen. Sie wollen ihn nicht als barmherzigen Vater haben, sondern fordern ihn heraus als strengen Richter ihrer Sünden; denn keine Sünde reizt Gottes Gerechtigkeit mehr als Hass und Rache. Das dritte, was Gottes Zorn gar sehr erregt, ist dies: wenn manchmal einer mit seinem Bruder sich versöhnen möchte, so nimmt derjenige, welcher sich für beleidigt hält, die Versöhnung nicht an und verlangt für sich grössere Genugtuung, als diejenige ist, mit welcher doch, wie er wohl weiss, Gott sich zufrieden gibt, und mit welcher er selbst die göttliche Majestät versöhnen will. Denn alle wollen, dass, wenn sie reuevoll sich verdemütigen, Gott sie gnädig aufnehme und ihnen verzeihe, wiewohl doch Gott mehr von ihnen beleidigt worden ist. Sie selbst aber, obwohl Staub und Asche, wollen sich an ihrem Bruder rächen und geben sich nicht mit dem zufrieden, was doch dem allerhöchsten Herrn genügt, um ihnen zu verzeihen. 417. Von allen Sünden, welche die Kinder der Kirche begehen, sind vor den Augen Gottes keine abscheulicher, als die genannten. Dies zeigt dir Gott selbst durch den Nachdruck, mit welchem er das Gebot der Feindesliebe gegeben hat. Er hat uns befohlen, unserem Bruder zu verzeihen, auch wenn derselbe siebzigmal siebenmal gegen uns sündige; ja wenn dies täglich und zwar oftmals geschähe, so befiehlt der Herr doch, dass, wenn der Beleidiger bekennt, es reue ihn, der beleidigte Bruder ihm ebenso oft, ja unzählige Male, verzeihe. Jenen aber, welche dies nicht tun, droht der Herr, weil sie andere ärgern, mit furchtbaren Strafen, wie dies aus folgenden Drohworten des Herrn ersichtlich ist: "Wehe dem Menschen, durch welchen Ärgernis kommt: es wäre ihm besser, wenn er in das Meer versenkt würde mit einem Mühlsteine an seinem Halse'." Mit diesen Worten ist angedeutet, welch grosser Gefahr der Mensch durch solche Sünden sich aussetzt, und wie schwer es ihm ist, daraus errettet zu werden, da er einem Menschen gleicht, der mit einem Mühlsteine am Halse in das Meer stürzt. Auch ist die Strafe angedeutet, welche ein solcher im Abgrunde der ewigen Peinen zu leiden haben wird. Darum ist es ein weiser Rat für die Gläubigen, ja es ist ein Gebot meines heiligsten Sohnes, dass man sich eher die Augen ausreisse und die Hände abhaue, als dass man durch solche Sünden die Kleinen ärgere`. 418. 0 meine teuerste Tochter, mit blutigen Zähren solltest du die Abscheulichkeit und die verderblichen Wirkungen dieser Sünde beweinen, dieser Sünde, welche den Heiligen Geist betrübt, dem Satan stolze Triumphe verschafft, vernunftbegabte Menschen in Ungeheuer verwandelt und das Ebenbild ihres himmlischen Vaters in ihnen vernichtet. Kann es etwas Verkehrteres, etwas Hässlicheres, etwas Ungeheuerlicheres geben, als dass ein Mensch, aus Erde gebildet, ein Mensch, dessen Anteil Verwesung und Würmer sind, sich gegen seinesgleichen erhebt, und zwar mit solchem Hochmut und solcher Anmassung? Du wirst keine Worte finden, welche hinreichend wären, eine solche Bosheit gebührend zu schildern und die Sterblichen zu ermahnen, dieselbe zu fürchten und vor dem Zorne des Herrn sich in acht zu nehmen. Du aber, Teuerste; bewahre dein Herz vor dieser Pest und präge ihm eine so nützliche und heilsame Lehre tief ein, um dieselbe zu befolgen. Denke niemals, es sei ein unbedeutender Fehler, den Nächsten zu beleidigen und zu ärgern: denn in Gottes Augen wiegen solche Fehler gar schwer. Lege deinem Munde Schweigen auf und setze eine starke Wache an all deine Fähigkeiten und Sinne, um die Liebe gegen die Geschöpfe Gottes aufs strengste zu beobachten. Mache mir diese Freude, denn ich will, dass du in dieser so ausgezeichneten Tugend ganz vollkommen seiest, und ich lege dir dieselbe als mein strenges Gebot auf. Niemals darfst du etwas denken, reden oder tun, was eine Beleidigung deines Nächsten einschliesst. Auch darfst du unter keinem Vorwande zulassen, dass deine Untergebenen solches tun, und soweit dies möglich ist, darfst du auch nicht dulden, dass andere in deiner Gegenwart solche Fehler begehen. Erwäge wohl, meine Teuerste, was ich von dir verlange; denn dies ist die Wissenschaft, die am meisten göttlich und doch am wenigsten von den Menschen verstanden ist. Als einziges wirksames Mittel gegen deine Leidenschaften und als aufmunterndes Beispiel diene dir meine Demut und Sanftmut, die Frucht der aufrichtigen Liebe, mit welcher ich nicht nur meinen Bräutigam, sondern alle Kinder meines himmlischen Herrn und Vaters liebte; denn ich betrachtete und schätzte sie als solche, die um sehr hohen Preis erkauft und erlöst sind. Belehre deine Nonnen mit Wahrheit, Gewissenhaftigkeit, Güte und Liebe, dass Gott zwar von allen schwer beleidigt wird, welche dieses Gebot, das mein Sohn "sein Gebot" und ein "neues Gebot'" nennt, nicht erfüllen, dass aber sein Zorn ohne Vergleich grösser ist gegen die Ordensleute, welche er hierin schuldig findet; denn diese müssen die vollkommenen Kinder ihres Vaters und Lehrmeisters in dieser Tugend sein; trotzdem gibt es viele, welche die Liebe ebenso zerstören wie die Weltleute und darum Gott verhasster sind als diese. BUCH VIER. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN MARIA. Lehre: Streben nach Demut 427. Meine Tochter, in dem Streben nach Demut, wozu mein ganzes Leben dich anleitet, sollst du eifrig und sorgsam sein; ja dies muss die erste und die letzte deiner Sorgen sein, wenn du dich für die süssen Tröstungen des Herrn vorbereiten, seiner Gnaden dich versichern und die Schätze seines Lichtes geniessen willst, das den Stolzen verborgen ist. Denn solche Schätze können niemand anvertraut werden ohne die zuverlässige Bürgschaft der Demut. All dein Bestreben muss also darauf gerichtet sein, dich mehr und mehr zu verdemütigen, sowohl in deiner eigenen Meinung, als in den äusseren Handlungen, indem du denkst, wie du handelst, und handelst, wie du von dir selber denkst. Sowohl dir als allen Seelen, welche den Herrn zum Vater und Bräutigam haben, muss es zur Lehre und Beschämung dienen, dass Stolz und Eigendünkel bei den Kindern der weltlichen Weisheit mehr vermögen, als Demut und wahre Selbsterkenntnis bei den Kindern des Lichtes. Schaue hin auf die angestrengten Bemühungen, auf den unermüdlichen Fleiss der hoffärtigen, anmassenden Menschen: wie sie miteinander wetteifern, wer in der Welt am meisten gelte: wie sie niemals befriedigt sind in ihren, obwohl eitlen Ansprüchen: wie sie handeln in Übereinstimmung mit der falschen Meinung, die sie von sich selbst haben: wie sie sich einbilden, was sie nicht sind; und obwohl sie es nicht sind, oder weil sie es nicht sind, arbeiten sie, um Güter zu erwerben, die zwar nur irdisch sind, die sie aber doch nicht verdienen. Daher ist es für die Auserwählten in hohem Grade beschämend, dass die Täuschung bei den Kindern des Verderbens mehr Macht hat, als bei ihnen die Wahrheit; dass in der Welt so wenige im Dienste Gottes wetteifern mit denen, die der Eitelkeit dienen; kurz, dass alle berufen, wenige aber auserwählt sind. 428. Bemühe dich also, meine Tochter, diese Wissenschaft zu erwerben und in ihr die Palme zu erlangen vor den Kindern der Finsternis. Im Gegensatze zu ihrem Hochmute beachte, was ich getan habe, um den Hochmut der Welt durch eifrige Übung der Demut zu überwinden. In dieser Wissenschaft musst du sehr weise und bewandert sein: dies ist der Wille des Herrn und auch der meine. Versäume darum niemals eine Gelegenheit, Werke der Demut zu verrichten: lass dir dieselben nicht durch andere entreissen. Fehlen dir aber die Gelegenheiten, dich zu verdemütigen, oder sind sie nicht häufig genug, so suche dieselben und erbitte sie dir von Gott; denn der Herr sieht mit Wohlgefallen diese Sorgfalt und diesen Eifer in der Tugend, die er so sehr verlangt. Schon um dieses Wohlgefallens willen solltest du hierin sehr eifrig sein, da du ja das Kind seines Hauses und seine Braut bist, abgesehen davon, dass selbst der Ehrgeiz, wie er bei den Weltkindern vorkommt, dir zum Sporne dienen muss, in dieser Hinsicht nicht träge zu sein. Sieh nur, wie eine Hausfrau sich plagt, um ihr Vermögen zu vermehren. Sie verliert keine Gelegenheit, wo ein Gewinn zu machen ist; nichts ist ihr zuviel, und der kleinste Verlust geht ihr zu Herzen. All dies lehrt die irdische Habgier; es ist aber nicht recht, dass die himmlische Weisheit unfruchtbarer sei durch die Nachlässigkeit derjenigen, welche sie empfangen. Ich will darum, dass du in einer Sache, die für dich von solcher Wichtigkeit ist, nichts versäumest, nichts vergessest und keine Gelegenheit unbenützt lassest, dich zu demütigen und für die Ehre des Herrn zu arbeiten. Vielmehr musst du diese Gelegenheiten suchen, erflehen und sie) alle als treueste Tochter und Braut benützen, damit du in ilen Augen des Herrn. und in meinen Augen Gnade findest, wie du es verlangst. BUCH VIER. LEHRE, welche mir unsere Königin und Herrin gab. Lehre: Gebrauch der zeitlichen Güter. 436. Meine vielgeliebte Tochter, es ist mein Wille, dass die Wissenschaft des Herrn oftmals in dir erneuert werde und dass sie durch dich beredten Ausdruck finde, damit sowohl du, als auch die übrigen Menschen zur Einsicht kommen, welch gefährlicher Täuschung und welch verkehrtem Urteile sie sich betreffs der zeitlichen und sichtbaren Dinge hingeben, indem sie die Eitelkeit lieben. Wer unter den Menschen ist dieser zauberischen Verblendung durch unmässige Habsucht nicht verfallen? Alle setzen insgemein ihr Vertrauen auf das Gold und die zeitlichen Güter. Um diese zu vermehren, strengen sie alle menschlichen Kräfte an; dazu verwenden sie das Leben und die Zeit, die ihnen verliehen ist, um die ewige Ruhe und Seligkeit zu verdienen. So sehr verlieren sie sich in dieses Labyrinth von Peinen und Sorgen, dass es scheint, sie wüssten gar nichts von Gott und seiner Vorsehung; denn sie denken nicht daran, ihn um das zu bitten, was sie begehren, und sie begehren es auch nicht auf solche Weise, dass sie es von Gott erbitten und erwarten würden. Auf diese Weise aber verlieren sie alles, weil sie sich in allem auf ihre Sorgfalt, auf Lüge und Täuschung verlassen und hievon die Verwirklichung ihrer irdischen Wünsche erwarten. Diese blinde "Habsucht ist die Wurzel aller Übel'", denn der Herr, über solche Verkehrtheiten erzürnt, verlässt zur Strafe dafür die Menschen, die sich dieser schändlichen Sklaverei der Habsucht hingeben; durch diese wird dann ihr Verstand verblendet und ihr Wille verhärtet. Darauf wendet der Allerhöchste zu noch grösserer Strafe seine Blicke von ihnen weg, da sie seinen Augen ein Gegenstand des Abscheues sind. Er entzieht ihnen seinen väterlichen Schutz, und damit ist das Mass des Elendes, das es im menschlichen Leben gibt, voll. 437. Allerdings kann sich niemand vor den Augen des Herrn verbergen; wenn aber die Übertreter und Feinde seines Gesetzes ihn erbittern, so wendet er seinen liebevollen Blick und die Wachsamkeit seiner Vorsehung von ihnen ab; dann sind sie ihrem eigenen Begehren überlassen und haben keinen Teil mehr an der väterlichen Sorge, welche Gott für alle trägt, die auf ihn all ihr Vertrauen setzen. Wer auf sein eigenes Bemühen baut und auf das Gold, welches man mit den Händen greifen und mit den Sinnen wahrnehmen kann, der wird zwar die Frucht, die er davon erwartete, ernten; aber so gross der Abstand ist zwischen Gott und seiner unendlichen Macht und zwischen der Niedrigkeit und Beschränktheit der Menschen, so gross ist auch der Unterschied zwischen dem Erfolge der menschlichen Habgier und zwischen dem der göttlichen Vorsehung. Gott macht sich zum Helfer und Beschützer der Demütigen, die auf ihn ihr Vertrauen setzen. Auf diese schaut Seine Majestät mit zärtlicher Liebe herab, an diesen hat er seine Freude, sie trägt er an seiner Brust und achtet auf all ihre Wünsche und Anliegen. Mein heiliger Bräutigam Joseph und ich, wir waren arm und litten grosse Not; doch niemals vermochte diese die Pest der Habsucht und des Geizes in unser Herz einzuführen. Wir waren einzig besorgt für die Ehre des Allerhöchsten und überliessen uns seiner treuen und liebevollen Fürsorge. Dadurch wurde er bewogen, soviel für uns zu tun, als du gesehen und beschrieben hast; denn er hat unserer Armut auf verschiedene Weise abgeholfen und sogar den himmlischen Geistern, die ihm dienen, befohlen, uns die Nahrung zu besorgen und zu bereiten. 438. Damit will ich jedoch nicht sagen, dass die Menschen dem Müssiggang und der Nachlässigkeit sich hingeben sollen; es ist im Gegenteil gerecht, dass alle arbeiten; denn nicht arbeiten ist gleichfalls ein verwerfliches Laster. Aber weder die Musse noch die Sorge dürfen übertrieben sein. Das Geschöpf darf nicht auf sein eigenes Bemühen vertrauen; dieses darf die Liebe zu Gott nicht schwächen oder gar ersticken. Der Mensch soll nicht mehr verlangen, als was genügt, um mässig zu leben. Erl soll auch nicht glauben, dass ihm hiezu Gottes Vorsehung mangle; und wenn sie auch lange auszubleiben scheint, so darf man deswegen doch nicht traurig und misstrauisch werden Anderseits soll derjenige, welcher Überfluss hat, nicht auf diesen sen vertrauen. Er darf sich nicht dem Müssiggange hingeben' und vergessen, dass er ein Mensch ist, der zu den Beschwerden der Arbeit verurteilt ist. So muss man also den Überfluss wie die Armut Gott zuschreiben und beides auf heilige und geordnete Weise zur Ehre Gottes benützen, der alles erschaffen hat und alles regiert. Wenn die Menschen dieser Lehre folgten, so würde niemand der wahrhaft väterlichen Hilfe des Herrn entbehren; dem Armen wäre seine Not, dem Reichen sein Wohlergehen kein Anlass zur Sünde. Du, meine Tochter, sollst diese Lehre ausüben; und obwohl ich dieselbe durch dich allen Menschen gebe, so musst du sie doch insbesondere deinen Untergebenen beibringen, damit sie nicht betrübt und verzagt werden, wenn sie Not leiden, und damit sie nicht übermässig besorgt seien für Nahrung und Kleidung, sondern auf Gott vertrauen und seiner Vorsehung sich überlassen; denn ich versichere sie: wenn sie seine Liebe erwidern, wird ihnen das Nötige niemals fehlen. Ermahne sie auch, dass sie bei ihren Unterhaltungen von heiligen, göttlichen Dingen sprechen und dabei Gott loben und preisen, nach der Lehre ihrer Meister, der Heiligen Schrift und anderer heiligen Bücher. Ihr Wandel sei im Himmel. und ihr Verkehr sei mit Gott, mit mir, ihrer Mutter und Oberin, sowie mit den Engeln, um diesen in Liebe zu gleichen. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die heiligste Königin Maria gab. Ehre: Ehrfurcht für geweihten Gegenstände. 446. Meine Tochter, dieses Hauptstück soll dir zur Lehre dienen, mit welcher Ehrfurcht alle Gegenstände, welche zumi Dienste Gottes geweiht und geheiligt sind, behandelt werden müssen. Es soll aber auch die Llnehrerbietigkeit und Nachlässigkeit, durch welche selbst die Diener des Herrn in dieser Hinsicht Gott beleidigen, hier ihren Tadel finden. Sie mögen ja nicht gering anschlagen oder vergessen, dass die göttliche Majestät gegen sie erzürnt ist wegen der rohen Unanständigkeit und Undankbarkeit, mit welcher sie die Ornamente und geweihten Gegenstände behandeln, die sie gewöhnlich ohne irgendwelche Aufmerksamkeit und Ehrfurcht handhaben. Viel grösser noch ist der Zorn des Allerhöchsten gegen jene, welche die Früchte und Einkünfte aus seinem kostbaren Blute zu niedrigen Eitelkeiten, zu weltlichen, ja noch ungeziemenderen Dingen verwenden. Für ihr Vergnügen und ihre Bequemlichkeit suchen sie das Kostbarste und Geschätzteste, für den Dienst und die Ehre Gottes aber verwenden sie das Gröbste, Gemeinste und Verächtlichste. Merke wohl, wenn jemand so handelt, namentlich betreffs der Leinwand, welche, wie die Korporalien und Purifikatorien, mit dem Fleische und Blute meines heiligsten Sohnes in Berührung kommt, dann sind die heiligen Engel, welche bei der Feier des erhabensten und heiligsten Messopfers gegenwärtig sind, ganz entrüstet; sie kehren ihre Blicke von solchen Dienern ab und staunen, dass der Allmächtige solche Langmut mit ihnen trägt und ihre Verwegenheit und Unehrerbietigkeit nachsieht. Freilich sind nicht alle in dieser Weise schuldbar, aber doch viele; und nur wenige zeichnen sich aus durch Eifer und Sorgfalt für den göttlichen Kult und behandeln die geweihten Gegenstände äusserlich mit grösserer Ehrerbietigkeit; jedoch selbst von diesen wenigen tun dies nicht alle mit rechter Absicht und aus schuldiger innerer Ehrfurcht, sondern aus Eitelkeit und anderen irdischen Beweggründen, so dass diejenigen sehr selten sind, die den Schöpfer mit reinem, aufrichtigem Herzen im Geiste und in der Wahrheit anbeten. 447. Erwäge, meine Teuerste, was werden wohl wir hievon denken, wir, die wir der Anschauung der unfassbaren Wesenheit Gottes geniessen und sehen, wie er in seiner unermesslichen Güte die Menschen erschaffen hat, damit sie ihn anbeten und mit Ehrfurcht ihm dienen, wie er ihnen dies als Naturgesetz eingeprägt und alle anderen Geschöpfe ihnen huldvoll zu diesem Zwecke übergeben hat -, was werden wir denken, wenn wir die Undankbarkeit sehen, mit der die Menschen ihrem unendlich grossen Gott vergelten, indem sie mit denselben Gütern, die sie von seiner freigebigen Hand empfangen haben, karg und geizig umgehen, wenn es sich darum handelt, ihn zu ehren; denn zu diesem Zwecke wählen sie das Gemeinste und Elendeste aus, für ihre Eitelkeiten aber das Kostbarste und Wertvollste. Dieses sündhafte Benehmen wird jedoch wenig beachtet und erkannt; darum will ich, dass du dasselbe nicht nur mit wahrem Schmerze beweinest, sondern auch, so lange du Oberin bist, nach Kräften gut machest. Gib dem Herrn das Beste und schärfe deinen Nonnen ein, dass sie sich lauteren, frommen Herzens mit der Anfertigung und Reinigung der geweihten Gegenstände beschäftigen, und zwar nicht bloss für ihr Kloster, sondern auch für die armen Kirchen, die nicht hinreichend mit Korporalien und anderen Ornamenten versehen sind. Sie mögen ruhig vertrauen, dass der Herr ihnen diesen gerechten Eifer für seinen heiligen Kult vergelten, ihrer Armut zu Hilfe kommen und als Vater für die Bedürfnisse des Klosters sorgen wird; dasselbe wird deswegen niemals ärmer werden. Dies ist das geeignetste und geziemendste Geschäft für die Bräute Christi, und hiezu sollten sie die Zeit verwenden, welche ihnen nach dem Chor und den anderen Verpflichtungen des Gehorsams übrig bleibt. Wenn alle Klosterfrauen sich diesen so ehrenvollen, löblichen und gottgefälligen Beschäftigungen mit Eifer hingäben, so würde es ihnen nie am nötigen Lebensunterhalte mangeln; sie würden auf Erden einen englischen, himmlischen Stand bilden. Dagegen werden viele, weil sie diesen Dienst des Herrn vernachlässigen, von seiner Hand verlassen und wenden sich nun zu sehr gefährlichen Zerstreuungen und Leichtfertigkeiten, die für meine Augen ein solcher Greuel sind, dass du sie nicht beschreiben, ja nicht einmal daran denken sollst, es sei denn, um sie aus dem Grunde deines Herzens zu beweinen und Gott um Abhilfe für diese Sünden zu bitten, die so sehr ihm missfallen, ihn beleidigen und erzürnen. 448. Da jedoch mein Herz aus besonderen Gründen den Nonnen deines Klosters mit Liebe zugetan ist, so will ich, dass du sie in meinem Namen und Auftrage ermahnest und mit liebevoller Gewalt antreibest, immer zurückgezogen zu leben, tot für die Welt, und alles auf ewig vergessend, was in der Welt ist, Sie sollen einen himmlischen Wandel miteinander führen, über göttliche Dinge sich unterhalten und mehr als alles andere den Frieden und die Liebe unversehrt bewahren, wie du sie so oft ermahnst. Gehorchen sie mir hierin, so sichere ich ihnen meinen ewigen Segen zu; ich bin dann ihre Mutter, Beschützerin und Verteidigerin, wie ich die deine bin. Ebenso verspreche ich ihnen meine beständige, wirksame Fürsprache bei meinem heiligsten Sohne, wenn sie mich nicht betrüben. Du sollst ihnen darum unablässig die besondere Andacht und Liebe zu mir empfehlen, damit sie diese ihrem Herzen tief einprägen, durch diese Treue von ihrer Seite werden sie alles erlangen, was du ihnen wünschest, ja ich werde noch mehr für sie tun. Damit sie sich freudig und willig mit dem, was den Dienst Gottes betrifft, beschäftigen und alles darauf Bezügliche mit Eifer besorgen, so erinnere sie, was ich zum Dienste meines göttlichen Sohnes und des Tempels getan habe. Wisse, dass die heiligen Engel von Bewunderung erfüllt waren über den Eifer, die sorgsame Aufmerksamkeit und Reinlichkeit, mit welcher ich alles, was zum Dienste meines Sohnes und Herrn gehörte, behandelt habe. Mit dieser liebevollen und ehrerbietigen Sorgfalt richtete ich schon zum voraus alles zurecht, was zur Pflege des göttlichen Kindes vonnöten war, so dass ich nie in die Lage kam, dass, wie einzelne glauben, mir etwas abging, was zu seiner Bedeckung und Bedienung erforderlich war. Dies wirst du im ganzen Verlaufe dieser Geschichte bestätigt finden; denn in dieser Sache nachlässig oder unaufmerksam zu sein, hätte sich mit meiner Klugheit und Liebe nicht vertragen. BUCH VIER. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Königin, gab. 455. Meine liebe Tochter, in dem ganzen Verlaufe meines Lebens, ja in jedem Hauptstücke und bei jedem Geheimnisse, welches du beschreibst, wirst du die wunderbare Vorsehung und väterliche Liebe erkennen, welche der Allerhöchste mir, seiner niedrigen Dienerin, zugewendet hat. Freilich kann der menschliche Verstand diese Werke von so wunderbarer Grösse, von solch erhabener Weisheit nicht gebührend erfassen und erwägen; doch er muss sie wenigstens aus allen seinen Kräften verehren und sich bereiten, mir nachzufolgen und auf diese Weise auch an den Gnaden teilzunehmen, welche der Herr mir erwiesen hat. Die Menschen dürfen sich nicht einbilden, dass Gott bloss an mir und für mich seine unendliche Heiligkeit, Macht und Güte zeigen wollte; nein, es ist vielmehr gewiss: wenn eine Seele, ja wenn alle Seelen sich der Anordnung und Leitung dieses Herrn ganz und gar überlassen würden, sie würden alsbald auch an sich dieselbe Treue, dieselbe Aufmerksamkeit, dieselbe liebliche Kraft erfahren, mit welcher Gott bei mir alles, was seine Ehre und seinen Dienst betraf, geordnet hat. Sie würden ebenso jene überaus süssen Gnadeneinwirkungen und heiligen Gefühle empfinden, welche ich in der Unterwerfung unter seinen heiligsten Willen empfunden habe. Sie würden auch nach Verhältnis die Überfülle seiner Gaben empfangen, welche in seiner Gottheit wie in einem unermesslichen Meere zurückgehalten sind. Gleich wie die Wassermassen des Meeres, falls man ihnen einen Kanal öffnete, durch welchen sie ihrem Drange nach einen Ausweg fänden, sich mit unwiderstehlicher Wucht in diesen Kanal ergössen, so würden sich auch die Gnaden und Gaben des Herrn über die vernünftigen Geschöpfe ergiessen, wenn diese ihr Herz öffnen und deren Lauf nicht hemmen würden. Aber leider ist diese Wahrheit den Menschen unbekannt, und zwar deshalb, weil sie sich keine Zeit nehmen, über die Werke des Allerhöchsten nachzudenken. 456. Von dir aber verlange ich, dass du diese Wissenschaft dir aneignest und sie deinem Herzen einprägest. Auch sollst du aus meinem Verhalten lernen, dein Inneres und was darin beschlossen ist, geheim zu halten und dich allen willig zu unterwerfen, indem du immer die Meinung anderer deinem eigenen Urteile vorziehst. Und zwar musst du, um deinen Oberen und geistlichen Vätern zu gehorchen, die Augen schliessen, selbst wenn du weisst, dass in bezug auf eine dir aufgetragene Sache das Gegenteil von dem eintreffen wird, was sie vermuten. So wusste auch ich, dass das, was mein heiligster Bräutigam Joseph sich für seine Reise nach Bethlehem versprach, nicht in Erfüllung gehen werde. Gibt dir aber ein Untergebener oder ein Gleichgestellter eine derartige Weisung, so schweige still und befolge dieselbe, soweit dies ohne Sünde oder Unvollkommenheit geschehen kann. Höre alle mit Stillschweigen und Aufmerksamkeit an, um zu lernen. Im Sprechen sei sparsam und zurückhaltend; denn dies verlangt die Klugheit und Umsicht. Endlich erinnere ich dich aufs neue, dass du für alles, was du tust, den Herrn um seinen Segen bittest, damit du nicht von seinem göttlichen Willen abweichest. Hast du Gelegenheit, so bitte auch deinen geistlichen Vater und Führer um seine Erlaubnis und seinen Segen, damit deinen Werken das grosse Verdienst und die Vollkommenheit nicht abgehe, und du mir das Wohlgefallen bereitest, welches ich von dir erwarte. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Liebe zur Demut, Verachtung der Eitelkeit 465. Meine liebste Tochter, wenn dein Herz zur Aufnahme der Gnadenwirkungen des Herrn weich und gelehrig ist, dann werden die göttlichen Geheimnisse, welche du erkannt und be schrieben hast, dich mächtig zu Gefühlen der Liebe gegen den Urheber so grosser Wunder anregen. In seiner Gegenwart stelle ich an dich das Verlangen, dass du von nun an den grössten Wert darauf legest, dich von der Welt geringgeschätzt und ver schmäht zu sehen. Sage mir, meine Freundin, wenn der Lohn für diese frohen Mutes ertragene Verachtung und Geringschätzung darin besteht, dass Gott sein Auge auf dich richtet und seine süsseste Liebe in ihrer ganzen Stärke dir zuwendet, warum solltest du dann nicht so wohlfeilen Kaufes dir erwerben, was einen unendlichen Wert hat? Was werden die Menschen mit all ihrer Hochschätzung und ihrem Lobe dir geben? Was wirst du verlieren, wenn du nicht auf sie achtest? Ist nicht alles Lüge und Eitelkeit? Ist es nicht ein flüchtiger Schatten, der in einem Augenblicke in den Händen derjenigen verschwindet die sich bemühen, ihn zu ergreifen? Hättest du aber auch alle diese Achtung und Ehre in den Händen, was würdest du da wohl Grosses tun, wenn du sie auch ganz umsonst daran gäbest? Erwäge wohl, wieviel weniger du tust, wenn du diese Ehre verschmähst, um die Liebe Gottes und meine und der Engel Liebe zu gewinnen. Verzichte also vollständig und von Herzen darauf. Verachtet dich aber die Welt nicht in dem Grade, wie du es verlangen sollst, so verachte du sie und bleibe frei, Iosgeschält und einsam, damit das höchste und beste Gut bei dir bleibe und du die seligen Wirkungen seiner Liebe in ihrer Fülle empfangen und mit heiliger Freiheit sie erwidern könnest. 466. Mein heiligster Sohn ist ein so treuer Liebhaber der Seelen, dass er mich als Lehrmeisterin und als lebendiges Vorbild aufgestellt hat, um sie die Liebe zur Demut und die tatkräftige Verachtung der Eitelkeit und Hoffart zu lehren. Es war sein Wille, dass sein Eingeborener und ich, seine Dienerin und Mutter, kein Obdach bei den Menschen finden sollten, damit liebentflammte, gottinnige Seelen späterer Zeit aus unserer Verlassenheit Anlass nähmen, sich selbst ihm anzubieten und durch diesen Kunstgriff der Liebe ihn gleichsam zu nötigen, dass er seine Wohnung in ihnen nehme. Er suchte auch die Armut und die Einsamkeit, nicht als hätte er ihrer bedurft, um die Tugenden im vollkommensten Grade zu üben, sondern um die Menschen zu lehren, dass dies der kürzeste und sicherste Weg sei, um zu einer hohen Stufe der göttlichen Liebe und der Vereinigung mit Gott zu gelangen. 467. Du weisst wohl, Teuerste, wie du unablässig durch das himmlische Licht belehrt und ermahnt wirst, das Irdische und Sichtbare zu vergessen, mit Stärke dich zu umgürten und zu meiner Nachfolge dich zu entschliessen, indem du nach besten Kräften die Akte und Tugenden in dir nachbildest, welche ich dir aus meinem Leben offenbare. Dies ist das erste Ziel der Erkenntnis, welche dir zur Beschreibung meines Lebens verliehen wird, dass du nämlich an mir ein Vorbild habest, das du vor Augen haben sollst, um dein Leben und deine Handlungen darnach einzurichten, gleichwie ich die Handlungen meines süssesten Sohnes nachgeahmt habe. Die Furcht, welche dieser Befehl dir verursacht hat, als übersteige er deine Kräfte, sollst du mässigen und dich ermutigen durch das Wort meines heiligsten Sohnes beim hl. Evangelisten Matthäus: "Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist."' Diesen seinen Willen, den der Allerhöchste seiner heiligen Kirche vorstellt, auszuführen, ist für die Kinder der Kirche durchaus nichts Unmögliches; denn wenn sie ihrerseits tun, was an ihnen ist, so wird der Herr keinem von ihnen die Gnade verweigern, zur Ähnlichkeit mit dem himmlischen Vater zu gelangen; mein heiligster Sohn, hat ihnen ja dieses Glück verdient. Allein der furchtbare Undank, mit dem die Sterblichen das Werk ihrer Erlösung vergessen und verachten, ist schuld, dass die Frucht der Erlösung in ihnen nicht wirksam wird. 468. Von dir aber, meine liebe Tochter, verlange ich diese Vollkommenheit in besonderer Weise, und ich lade dich dazu ein mittelst des sanften Gesetzes der Liebe, welche das Ziel meiner Lehre ist. Erwäge wohl im himmlischen Lichte diese Verpflichtung, welche ich dir auferlege; bemühe dich, derselben mit der Klugheit einer treuen und emsigen Tochter nachzukommen, und lass dich durch keine Mühe und Schwierigkeit bewegen, eine wenn auch noch so schwere Übung der Tugend und Vollkommenheit zu unterlassen. Begnüge dich aber auch nicht damit, bloss für dich die Freundschaft Gottes zu erwerben und deine eigene Seele zu retten; denn wenn du mir vollkom men nachfolgen und erfüllen willst, was das Evangelium lehrt, so musst du dir auch das Heil anderer Seelen und die Erhöhung des heiligen Namens meines Sohnes angelegen sein lassen. Di musst in seiner mächtigen Hand ein Werkzeug sein, um grosse: Dinge zu tun und Werke zu vollbringen, welche zu seinem grös seren Wohlgefallen und zu seiner grösseren Ehre gereichen. BUCH VIER. LEHRE DER HEILIGSTEN KÖNIGIN MARIA. Lehre: Liebe zur Armut und Verachtung 486. Meine liebe Tochter, wenn die Sterblichen ein Iosgeschältes Herz und ein gesundes Urteil hätten, um dieses grosse Geheimnis der Erbarmung, welches Gott für sie vollbracht, würdig zu erwägen, so würde das Andenken daran sie mit Macht auf den Weg des Lebens zurückbringen und mit Liebe zu ihrem Schöpfer und Erlöser entzünden. Die Menschen sind ja mit Vernunft begabt; wollten sie diese mit Würde und Freiheit gebrauchen, wie sie es schuldig sind, wer wäre dann so hart, so gefühllos, dass er nicht gerührt und erweicht würde beim Anblicke seines menschgewordenen Gottes, der sich so tief erniedrigt hat, dass er arm, verachtet, unbekannt in einer Krippe, zwischen unvernünftigen Tieren geboren werden wollte, von niemand gepflegt als von einer Mutter, welche selber arm und von der törichten, hoffärtigen Welt verstossen war? Wer könnte angesichts einer so erhabenen Weisheit und eines so grossen Geheimnisses sich noch erkühnen, die Eitelkeit und den Stolz zu lieben, welche der Schöpfer Himmels und der Erde so sehr hasst und durch sein Beispiel verurteilt? Und wer könnte die Demut, Armut und Entblössung verabscheuen, welche der Herr sehe wohl: Mein allerheiligster Sohn und Herr verlangt von dir, fass du diese Wohltaten mit solcher Dankbarkeit aufnehmest, ne wenn er für dich allein vom Himmel herabgestiegen wäre, Nie wenn er dich allein erlöst und für dich allein alle die Wunder erwirkt und die Lehre verkündet hätte, welche er seiner heiligen Arche hinterlassen hat. BUCH VIER. LEHREN DER HEILIGSTEN HIMMELSKÖNIGIN MARIA. Lehre: Undank der Menschen gegen den Erlöser 498. Meine liebe Tochter, ebenso verwerflich wie gewöhnlich und allgemein ist der Undank, mit welchem die Sterblichen die Werke ihres Erlösers vergessen und missachten, während doch alle so voll sind von Geheimnissen, von Liebe und Barmherzigkeit und so reich an Lehren für sie. Du bist berufen und erwählt, dank dem dir verliehenen Lichte dieser rohen und gefährlichen Gefühllosigkeit nicht zu verfallen, und darum verlange ich, dass du in den eben beschriebenen Geheimnissen die glühendste Liebe meines heiligsten Sohnes betrachtest und erwägest, mit welcher er sich unmittelbar nach seiner Geburt den Menschen mitteilte, damit sie ohne Verzug an den Früchten seiner Ankunft und an der Freude darüber teil hätten. Die Menschen kennen diese Pflicht nicht, denn nur wenige denken an die Verpflichtungen, welche so ausserordentliche Wohltaten ihn auferlegen, wie auch nur wenige das menschgewordene Wort bei seiner Geburt sahen und ihm für seine Ankunft danken. Aber auch die Ursache ihres Unglückes und ihrer Blindheit ist ihnen unbekannt; diese lag und liegt nicht auf seiten des Herrn und seiner Liebe, sondern kommt von den Sünden und er schlimmen Gemütsverfassung der Menschen her. Der Herr hätte allen oder doch vielen von ihnen dasselbe Licht zuteil werden lassen, das er den Gerechten, den Hirten und heiligen c eigen verliehen hat, wenn nicht ihr schlechter Seelenzustand es verhindert und sie dessen unwürdig gemacht hätte. Aus fieser geringen Anzahl der auserwählten Gerechten kannst du schliessen, in welch traurigem Zustande die Welt sich bei der Geburt des göttlichen Erlösers befunden hat, und wie unglückIich sie jetzt daran ist, jetzt, da diese Geheimnisse offener und bekannter sind und dennoch so wenig beachtet und so wenig mit schuldiger Dankbarkeit vergolten werden. 499. Erwäge nun die schlechte Disposition der Menschen in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Das Licht des Evangeliums euchtet doch so hell und ist bestätigt durch die Wunderwerke, welche Gott in seiner Kirche gewirkt hat; und dennoch ist die Zahl der Vollkommenen sehr klein, und nur wenige sind es, welche sich einer reichlicheren Teilnahme an den Früchten der Eriösung würdig zu machen suchen. Freilich sind angesichts der qrossen Zahl der Toren und der alle Grenzen überschreitenden Laster manche der Meinung, es gebe noch viele Vollkommene, weil sie viele sehen, die nicht gar so verwegen sind gegen Gott. Allein es sind der Vollkommenen nicht so viele, als man glaubt, und bei weitem weniger, als es sein sollte zu einer Zeit, da Gott von den Ungläubigen so schwer beleidigt wird, und da er anderseits so sehnlich verlangt, um der Verdienste seines menschgewordenen Sohnes willen die Schätze seiner Gnade der heiligen Kirche mitzuteilen. Denke also, liebste Tochter, an die Verpflichtung, welche die so klare Erkenntnis dieser Wahrheiten dir auferlegt. Sei aufmerksam, wachsam und eifrig bedacht, dich dankbar zu zeigen gegen denjenigen, der dich durch so grosse Wohltaten verpflichtet. Zu jeder Zeit, an jedem Ort, bei jeder Gelegenheit tue, was du als das Heiligste und Vollkommenste erkennst; denn mit Wenigerem wirst du deine Pflicht nicht genügen. Sieh, wie ich dich ermahne, ansporne, ja dir befehle, eine so aussergewöhnliche Gunst nicht vergeblich zu empfangen; lasse die göttliche Gnade und Erleuchtung nicht müssig sein, sondern handle mit höchster Vollkommenheit und Dankbarkeit. BUCH VIER. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. 510. Meine liebe Tochter, ich bemerke in dir eine heilige Eifersucht über das Glück, welches ich, mein Bräutigam und meine Engel in der Pflege der Gesellschaft meines heiligsten Kindes genossen! Wir hatten dasselbe vor Augen, wie auch du, falls es möglich wäre, es vor Augen zu haben wünschest. Ich will dich darum trösten und dein Herz auf das lenken, was du in deinem Stande tun sollst und kannst, um unser Glück soweit möglich zu erlangen. Erwäge also, Teuerste, das, was du in reichlichem Masse von den verschiedenen Wegen erfahren konntest, auf welchen Gott in seiner Kirche die Seelen leitet, die :;r wie ein Vater liebt und sucht. Du konntest dies erfahren durch die zahlreichen Einsprechungen und besonderen Erleuchtungen, welche du erhalten hast; du findest ja den Herrn beständig an der Türe deines Herzens. Er ruft und wartet da so lange Zeit. Er bemüht sich, dein Herz durch wiederholte Gnaden und die erhabenste Lehre zu wecken, damit du wissest und sicher seiest, dass er dich gütigst bereitet und erwählt hat zur innigsten Liebesvereinigung und zum vertrautesten Verkehre mit ihm; damit du aber auch mit grösster Sorgfalt nach der grossen Reinheit strebest, welche für diesen Beruf erfordert ist. 511. Ebenso weisst du - der Glaube lehrt es dich ja -, dass Gott an jedem Orte sich befindet durch die Gegenwart, Wesenheit und Macht seiner Gottheit, und dass alle deine Gedanken, Wünsche und Seufzer, kein einziger ausgenommen, offen vor -;einen Augen daliegen. Wenn du nun dieser Wahrheit gemäss als treue Dienerin dich bemühst, die Gnade zu bewahren, welche du mittelst der heiligen Sakramente, sowie auf anderen von Gott bestimmten Wegen erhältst, dann wird der Herr noch auf eine andere, besondere Weise bei dir sein und dir beistehen. Er wird dich als seine teure Braut lieben und behandeln. Wenn du Biber dieses alles weisst und verstehst, sage mir, was bleibt dir ia noch zu verlangen oder eifersüchtig zu begehren übrig, da all mein Wünschen und Sehnen vollkommen erfüllt ist? Was dir i poch übrig bleibt, und was ich von dir verlange, ist dies, dass du sich mit heiliger Eifersucht bemühen sollst, im Wandel und in ier Vollkommenheit den Engeln, in der Reinheit meinem Bräutiam nachzuahmen und, soweit es möglich ist, mein Leben in lern deinigen abzubilden, damit du eine würdige Wohnung des Allerhöchsten seiest. Auf Ausführungen dieser Lehre musst du all das Verlangen und all den Eifer richten, mit welchem du so gerne meinen heiligsten Sohn bei seiner Geburt und während seiner Kindheit gesehen und angebetet hättest; denn wenn du mir nachahmst, kannst du sicher sein, dass du mich als Lehrmeisterin und Beschützerin hast, den Herrn selbst aber unzweifelhaft in deiner Seele besitzest. In dieser Gewissheit kannst du mit ihm sprechen, dich in ihm erfreuen und ihm die Zärtlichkeit deiner Liebe beweisen, wie wenn du ihn auf den Armen hättest, denn um solche Freuden reinen, lauteren Seelen mitzuteilen, hat er menschliches Fleisch angenommen und ist ein Kind geworden. Wenn du ihn aber auch als Kind betrachtest, so sollst du doch immer den grossen, unendlichen Gott in ihm sehen, damit die Vertraulichkeit mit Ehrerbietung und die Liebe mit heiliger Furcht gepaart sei; denn das eine ist man ihm schuldig, zum andern lässt er sich herab aus unendlicher Güte und grosser Barmherzigkeit. 512. Diesen Verkehr mit dem Herrn musst du beharrlich üben und sollst ihn nicht aus Lauigkeit unterbrechen; denn die Lauigkeit ist dem Herrn zum Ekel. Den unendlich grossen Gott lieben und loben, dies muss deine eigentliche und beständige Beschäftigung sein. Alles übrige sollst du wie im Vorbeigehen abmachen, so dass die sichtbaren, irdischen Dinge dich kaum einen Augenblick beschäftigen können. Dein Geist muss sich in dieser Höhe halten und darf auf nichts ernstlich achten, als auf das höchste, wahre Gut, welches du suchst. Mich allein hast du nachzuahmen, für Gott allein hast du zu leben; alles andere soll für dich nicht da sein, wie auch du für anderes tot sein sollst. Indes verlange ich, dass du die Gnaden und Gaben, welche du empfängst, auch zum Besten des Nächsten mitteilest und verwendest, und zwar nach der Ordnung der vollkommenen Liebe; denn dadurch wird die Liebe nicht geschwächt, sondern vermehrt. Dies musst du auf die Art und Weise tun, wie es deiner Lage und deinem Stande entspricht, und wie ich dir bei anderen Gelegenheiten gezeigt und erklärt habe. BUCH VIER. LEHRE, welche mir unsere Herrin, die heiligste Jungfrau Maria gab. Lehre: Ehrfurcht beim Gebet 525. Meine liebe Tochter, ich will dir nochmals die Lehre und Erleuchtung mitteilen, welche du bereits erhalten hast, um mit deinem Herrn und Bräutigam in tiefster Ehrfurcht umzugehen; denn die Demut und Ehrfurcht müssen in den Seelen in demselben Masse zunehmen, als sie besondere, ausserordentliche Gnaden erhalten. Viele verstehen dies aber nicht, und daher kommt es, dass die einen sich so grosser Gnaden unwürdig und unfähig machen, andere aber, welche solche Gnaden empfangen, sich einer gefährlichen und verwerflichen Anmassung überlassen, durch welche sie den Herrn sehr beleidigen. Wegen der sanften, liebevollen Milde, mit welcher der gütige Gott sie manchmal erfreut und behandelt, nehmen sie eine gewisse Keckheit oder vermessene Leichtfertigkeit an, so dass sie mit der unendlichen Majestät nicht in der schuldigen Ehrfurcht verkehren und aus eitler Neugierde auf ausserordentlichen Wegen erforschen möchten, was über ihren Verstand geht, und was sie nicht wissen sollen. Diese Keckheit kommt daher, weil sie den vertraulichen Umgang mit dem Allerhöchsten nach irdischer Unwissenheit beurteilen und pflegen, indem sie meinen, der Mensch dürfe mit Gott umgehen, wie mit seinesgleichen. 526. Die Seele täuscht sich gar sehr, wenn sie die der unendlichen Majestät schuldige Ehrfurcht nach der gegenseitigen Vertraulichkeit bemisst, welche die Liebe bei den Menschen herbeiführt. Die Menschen sind der Natur nach alle gleich, wenn sie auch ihrer Stellung und den äusseren Verhältnissen nach verschieden sind. Aus Liebe und vertrauter Freundschaft können sie selbst diesen Unterschied vergessen und in ihrem freundschaftlichen Umgange sich ganz durch die menschlichen Gefühle leiten lassen. Die Liebe zu Gott aber darf niemals die unaussprechliche Hoheit des unendlichen Gutes aus den Augen verlieren. Gleichwie die Liebe die unendliche Güte im Auge hat und in dieser Hinsicht kein Mass und keine Schranke kennt, so schaut die Ehrfurcht auf die Majestät der göttlichen Wesenheit. Wie nun in Gott die Güte und die Majestät unzertrennlich miteinander verbunden sind, so dürfen im Menschen Ehrfurcht und Liebe nicht voneinander getrennt sein. Das Licht des göttlichen Glaubens muss immer vorausgehen und dem Liebenden zeigen, wer derjenige ist, den er liebt. Dieser Glaube muss die Ehrfurcht wecken und nähren und auf der anderen Seite jene unpassenden Gefühle mässigen und regeln, welche die blinde, unbedachte Liebe hervorruft, wenn sie die unendliche Erhabenheit des Geliebten in ihrem Wirken aus den Augen verliert. 527. Wer grossmütigen Herzens ist und sich an die heilige Ehrfurcht gegen Gott gewöhnt hat, läuft nicht Gefahr, die dem Allerhöchsten schuldige Ehrerbietung zu vergessen, wenn er auch häufige und grosse Gnaden erhält; denn er gibt sich den geistlichen Freuden nicht unbedacht hin und lässt nicht ab von der klugen Aufmerksamkeit auf die höchste Majestät Gottes; im Gegenteile, je mehr er dieselbe liebt und erkennt, desto grösser wird auch seine Ehrfurcht. Mit solchen Seelen verkehrt dann der Herr wie ein Freund mit dem andern. Dies gelte dir also als unverletzliche Regel, meine Tochter: erfreust du dich der süssesten Tröstungen, der erfreulichsten Liebesbeweise des Allerhöchsten, so musst du um so mehr bedacht sein, seiner unendlichen und unveränderlichen Grösse Ehrfurcht zu bezeigen, ihn also zu gleicher Zeit zu verherrlichen und zu lieben. Verstehst du dies, dann wirst du auch seine Gnadengaben besser würdigen und von der Vermessenheit jener ferne bleiben, welche in jedwedem Anliegen, sei es wichtig oder unwichtig, die Geheimnisse des Herrn erforschen wollen und verlangen, dass seine weiseste Vorsehung auf ihre eitle Neugierde Rücksicht nehme, zu welcher sie eine ungeordnete Leidenschaft treibt, deren Wurzel nicht wahrer Eifer und heilige Liebe, sondern menschliche und fehlerhafte Neigungen sind. 528. Beachte in diesem Stücke, mit welcher Überlegung und Zurückhaltung ich in meinen Zweifeln verfuhr. Kein Mensch hat in dem Masse Gnade gefunden in den Augen Gottes, wie ich, alle bleiben unermesslich weit hinter mir zurück, Überdies trug ich Gott selbst in meinen Armen und war in Wahrheit seine Mutter; allein gleichwohl wagte ich nie, ihn zu bitten, dass er auf ausserordentlichem Wege mir etwas zu erkennen gebe. Weder Wissbegierde, noch das Verlangen, mir einen Schmerz zu er leichtern, noch irgend eine andere menschliche Absicht konnte mich dazu bewegen; denn dies alles wäre menschliche: Schwachheit, eitle Neugierde oder ein tadelnswerter Fehler ge wesen; aber nichts von dem konnte bei mir Platz finden. War es aber notwendig für die Ehre des Herrn oder sonst unvermeid lich, dann bat ich Seine Majestät zuerst um Erlaubnis, ihm mein Verlangen vorzustellen. Obwohl er mir hierauf immer sehr gnä dig und liebreich antwortete und mich fragte, was ich von seiner Barmherzigkeit wünsche, so erniedrigte und verdemütigte ich mich doch vor ihm bis in den Staub und bat ihn nur, mir kundzu geben, was ihm am angenehmsten und wohlgefälligsten sei. 529. Meine Tochter, präge diese Lehre deinem Herzen ein und hüte dich, mit ungeordneter Neugierde etwas zu erforschen, was über den menschlichen Verstand geht. Denn abgesehen davon, dass der Herr auf ein solches unverständiges Verlangen nicht antwortet, weil es ihm sehr missfällt, so ist der Satan bei Personen, welche ein geistliches Leben führen, auf diesen Fehler sehr aufmerksam, ja gewöhnlich ist er es, welcher in seiner Arglist diese fehlerhafte Neugierde erregt und dann, in einen Engel des Lichtes verkleidet, mit derselben Arglist darauf antwortet, wodurch er die Unvollkommenen und Unvorsichtigen täuscht. Gesetzt aber, es kämen solche Fragen auch nur von der natürlichen Neigung, so darf man sie doch nicht beachten, noch auf sie eingehen: denn in einer so erhabenen Sache, wie der Verkehr mit Gott ist, darf die Vernunft nicht den natürlichen Neigungen folgen. Die von der Sünde angesteckte, verdorbene Natur ist in grosser Unordnung, ihre Regungen sind verkehrt und ungeregelt, und darum ist es nicht recht, auf dieselben zu hören und sich nach ihnen zu richten. Ebensowenig darf man zu göttlichen Offenbarungen seine Zuflucht nehmen, um sich von Peinen und Mühen zu befreien; denn Bräute Christi und wahre Diener des Herrn sollen seine Gnaden nicht dazu gebrauchen, um das Kreuz zu fliehen, sondern vielmehr dazu, dasselbe zu suchen, es mit dem Herrn zu tragen und in dem Kreuze, welches er schickt, sich ganz seiner göttlichen Fügung zu überlassen. Alles dieses sollst du beobachten, du sollst in demütiger Furcht leben und hierin eher zuviel tun, um dich von dem Gegenteile ferne zu halten. Es ist auch mein Wille, dass du von heute an den Beweggrund deiner Handlungen vervollkommnest und alle deine Werke aus Liebe verrichtest; denn die Liebe ist der vollkommenste aller Beweggründe. Die Liebe kennt weder Mass noch Schranke; darum verlange ich, dass du Gott ohne Mass liebest, aber mit Mass ihn fürchtest, soweit nämlich, als nötig ist, damit du seine Gebote nicht übertretest und deine inneren und äusseren Akte wohl ordnest. Sei hierin sorgfältig und eifrig, wenn es dir auch viele Mühe und Schmerz bereitet. Ich habe ja bei der Beschneidung meines heiligsten Sohnes auch gelitten und habe sie gleichwohl vornehmen lassen, weil uns durch die heiligen Gesetze der Wille Gottes kundgegeben war, dem wir in allem und um jeden Preis gehorchen müssen. BUCH VIER. LEHRE welche mir Maria, unsere heiligste Königin, gab. 538. Meine Tochter, erwäge mit Aufmerksamkeit, welch grosse, ausserordentliche Gnade es für dich ist, wenn ich dir die liebevolle Sorgfalt und zärtliche Hingebung zu erkennen gebe, mit welcher ich meinem heiligsten und süssesten Sohne in den eben beschriebenen Geheimnissen gedient habe. Gott schenkt dir ein so besonderes Licht, nicht etwa bloss dazu, dass du die Freude geniessest, dies alles zu wissen, sondern damit du als treue Dienerin in allem mir nachfolgest und wie in der Erkenntnis der Geheimnisse meines Sohnes, so auch in der Dankbarkeit für dieselben die anderen überragest. Erwäge also, Teuerste, wie schlecht die Liebe meines Sohnes und Herrn von den Menschen erwidert wird, und wie wenig selbst die Gerechten mit Dankbarkeit an dieselbe denken. Betrachte es als deine Aufgabe, diese Unbill nach deinen schwachen Kräften gutzumachen, indem du ihn liebst, ihm dankst und ihm dienst, sowohl für deine eigene Person, als für alle, welche dies nicht tun. Zu diesem Zwecke sollst du im Gehorchen schnell sein wie ein Engel, glühend im Eifer und pünktlich bei jeder Gelegenheit; du musst allem Irdischen vollkommen absterben und die Bande der menschlichen Neigungen lösen und zerreissen, um dich dahin emporzuschwingen, wohin der Herr dich ruft. 539. Du weisst, meine Tochter, welch liebliche Kraft das lebendige Andenken an die Werke besitzt, welche mein heiligster Sohn für die Menschen vollbracht hat. Diese Erkenntnis ist zwar sehr geeignet, dich zur Dankbarkeit zu bewegen; damit du aber die Gefahr, jene Liebe zu vergessen, noch mehr fürchtest, sage ich dir, dass die Seligen des Himmels, welche diese Geheimnisse in dem göttlichen Lichte schauen, über sich selbst verwundert sind, dass sie während ihrer irdischen Wanderschaft so wenig an dieselben gedacht haben. Könnten sie noch einen Schmerz empfinden, so würden sie aufs äusserste die Nachlässigkeit beklagen, mit welcher sie die Werke der Erlösung zu wenig geschätzt und meinem göttlichen Sohne zu wenig nachgefolgt sind. Alle Engel und Heiligen aber sind von einem den Sterblichen unbekannten Staunen ergriffen über die Grausamkeit, von welcher die Herzen der Menschen sowohl gegen sich selbst, als gegen ihren Schöpfer und Erlöser in Besitz genommen sind; denn sie haben kein Mitgefühl, weder für das Leiden ihres Herrn, noch für die Peinen, denen sie selbst entgegengehen. Wenn aber die Verworfenen mit unheilbarer Bitterkeit ein mal einsehen, wie schrecklich dieses Vergessen und Verachten der Wohltaten ihres Erlösers ist, so wird die Bestürzung und de Gram darüber ihnen eine unerträgliche Qual sein, und es wird für sie schon eine allen Begriff übersteigende Züchtigung sein wenn sie sehen, dass die Erlösung überreich war, sie aber die selbe verachtet haben. Höre also, meine Tochter, und neige dein Ohr, höre auf meinen Rat und auf die Lehre des ewigen Lebens Verbanne aus deinem Innern jede Erinnerung und jede Zuneigung zu irdischen Dingen. Wende dein ganzes Herz und deiner ganzen Geist den Geheimnissen und Wohltaten der Erlösung zu. Ihnen gib dich gänzlich hin; an sie denke, sie erwäge, sie betrachte, für sie danke, wie wenn du allein auf der Welt wäres, und sie dir allein und jedem Menschen im besonderen erwiesen worden wären'. In ihnen wirst du das Leben, die Wahrheit und den Weg zur Ewigkeit finden`; folgst du ihnen, so kannst du nicht irren, vielmehr wirst du das "Licht der Augen und der. Frieden'" finden. BUCH VIER. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Königin, gab. Lehre: Uberwindung der natürlichen Neigungen 550. Meine liebe Tochter, im vorletzten Hauptstücke wurdest du ermahnt, nichts auf übernatürlichem Wege vom Herrn auszuforschen, weder um einem Leiden zu entgehen, noch aus natürlicher Neigung, am allerwenigsten aus eitler Neugierde. Jetzt ermahne ich dich, dass du ebensowenig aus irgend einem dieser Beweggründe deinen Neigungen gestattest, etwas Natürliches oder Äusserliches zu verlangen oder zu tun: denn so oft du deine geistigen Kräfte oder deine leiblichen Sinne betätigst, musst du deine Neigungen bezähmen, unterwerfen und ihnen niemals geben, was sie verlangen, wenn auch unter dem Scheine der Tugend und Frömmigkeit. Für mich bestand wegen meiner Unschuld keine Gefahr, meinen Neigungen zu viel nachzugeben. Mein Verlangen, in der Höhle zu bleiben, wo die Geburt und Beschneidung meines heiligsten Sohnes stattgefunden, war von Frömmigkeit beseelt. Trotzdem wollte ich dieses Verlangen nicht kundgeben, selbst als mein Bräutigam mich fragte; denn ich zog den Gehorsam dieser Frömmigkeit vor und wusste, dass es für die Seelen sicherer und Gott wohlgefälliger ist, wenn wir seinen heiligen Willen nach dem Rate und Gutdünken anderer suchen, als nach unserer eigenen Neigung. Bei mir war dieses Verhalten verdienstlicher und vollkommener, als bei andern; dagegen ist für dich und für andere Seelen die Verpflichtung hiezu eine strengere, damit ihr mit Umsicht und Sorgfalt die Gefahr vermeidet, durch euer eigenes Gutdünken irregeleitet zu werden; denn der unwissende und engherzige Mensch hängt sich mit seinen Neigungen und kleinlichen Wünschen gar leicht an geringfügige Dinge, er lässt sich oft von einer Kleinigkeit so ganz einnehmen, als wäre sie eine wichtige Sache, und was nichts ist, scheint ihm etwas Grosses zu sein Hierdurch beraubt er sich aber grosser geistlicher Güter, nämlich vieler Gnaden, Erleuchtungen und Verdienste, und macht sich zum Empfange derselben unfähig. 551. Diese und alle anderen Lehren, welche ich dir noch geben werde, präge deinem Herzen ein. Lege dir in deinem Herzen ein Gedenkbuch an von allem, was ich getan, um dies vor Augen zu haben und nachzuahmen. Achte namentlich auf die Ehrfurcht, Liebe, Sorgfalt, auf die heilige Furcht und Umsicht, womit ich meinen heiligsten Sohn behandelte. Diese Sorgfalt war mir immer eigen gewesen; nachdem ich aber den Sohn Gottes in meinem Schosse empfangen hatte, verlor ich ihn niemals aus den Augen und liess niemals die Liebe erschlaffen, welche er mir damals mitteilte. Bei diesem glühenden Verlangen, ihm stets mehr zu gefallen, ruhte mein Herz nicht, bis ich manchmal in der innigsten Vereinigung mit meinem höchsten Gute und letzten Ziele, gleichwie in meinem Mittelpunkte, zeitweilig ausruhte. Doch alsbald kehrte ich zu meiner beständigen Sorge zurück, wie jemand, der seinen Weg verfolgt, ohne bei dem zu verweilen, was ihn nicht fördert oder gar vom ersehnten Ziele zurückhält. Mein Herz war so weit entfernt, sich an etwas Irdisches zu hängen oder einer sinnlichen Neigung zu folgen, dass ich in dieser Hinsicht lebte, als ob ich nicht von der allgemeinen, menschlichen Natur wäre. Wenn aber die anderen Menschen von Leidenschaften nicht frei sind oder dieselben nicht in dem Grade überwinden, wie sie könnten, so sollen sie sich nicht über ihre Natur beklagen, sondern über ihren eigenen Willen; die schwache Natur könnte sich vielmehr über sie beklagen, da sie mit ihrer Vernunft dieselbe leiten und beherrschen könnten und dies nicht tun, im Gegenteile dieselbe ihren Unordnungen nachgehen lassen, ja mit ihrem freien Willen sie unterstützen und mit ihrem Verstande gefährliche Gegenstände und Gelegenheiten aufsuchen, die zum Verderben führen. Angesichts dieser Abgründe, welche das menschliche Leben darbietet, warne ich dich, meine Teuerste: begehre und suche nichts irdisches, mag es auch notwendig sein oder ganz gerecht erscheinen. Und was du aus Notwendigkeit gebrauchst, wie die Kleidung, Nahrung, die Zelle, das gebrauche alles im Gehorsam, mit Gutheissung der Obern; denn der Herr verlangt dies, und ich billige es, damit du alles zum Dienste des Allmächtigen gebrauchest. Nach diesen meinen Regeln muss sich dein ganzes Verhalten richten. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Lebendiger Glaube Befolgung dergöttl. Einsprechungen 562. Meine Tochter, die in diesem Hauptstücke beschriebenen Ereignisse bieten den Königen und Fürsten, sowie den übrigen Kindern der heiligen Kirche grosse Lehren, einerseits in fer bereitwilligen Frömmigkeit und Demut der drei Weisen, welche man nachahmen soll, und anderseits in der gottlosen Verhärtung des Herodes, die man fürchten muss. Sie alle ernteien die Frucht ihrer Werke; die Könige ernteten die Frucht ihrer Gerechtigkeit und ihrer vielen Tugenden, Herodes die seines blinden Ehrgeizes und Stolzes, wodurch er ungerecht regierte, ,owie anderer Sünden, zu welchen ihn seine ungezügelte Leidenschaft fortriss. Diese Lehre nebst den anderen, welche die heilige Kirche gibt, genügt für diejenigen, die in der Welt leben. Du aber musst die Lehre, die sich aus obigem ergibt, auf dich anwenden und beachten, dass alle Vollkommenheit des christlichen Lebens sich auf die Wahrheiten des katholischen Glaubens gründen muss und auf die feste und standhafte Anerkennung derselben, wie die heilige Kirche lehrt. Um dieselben deinem Herzen desto tiefer einzuprägen, musst du dir alles zunutze machen, was du aus der Heiligen Schrift und aus anderen frommen Büchern, die zur Tugend anleiten, lesen oder hören wirst. Diesem heiligen Glauben muss dann die Ausführung folgen, indem du reich zu werden trachtest an allen guten Werken, in beständiger Hoffnung auf die Ankunft und die Heimsuchung des Allerhöchsten'. 563. Bei solcher Gesinnung wird dein Wille bereit und bebende sein, wie ich ihn wünsche, damit Gottes Wille in dir die Gefügigkeit und Unterwerfung finde, die nötig ist, um seinen Einsprechungen nicht zu wiederstehen, sondern ohne Rücksicht auf die Menschen sie auszuführen, sobald du sie erkannt hast. Tust du hierin deine Schuldigkeit, dann werde ich dein Stern sein und dich auf den Pfaden des Herrn leiten, damit du schnell voranschreitest, bis du auf Sion das Angesicht deines Gottes schauen und das höchste Gut geniessen wirst. In dem, was den frommen Königen des Morgenlandes begegnete, ist eine für das Heil der Seelen entscheidende Wahrheit enthalten, die jedoch sehr wenig gekannt und noch weniger befolgt wird. Diese Wahrheit ist, dass die Einsprechungen Gottes gewöhnlich folgende Ordnung einhalten: die ersten treiben an, einige Tugenden zu üben; entspricht man denselben, dann sendet Gott neue und grössere Gnaden, um in der Tugend noch mehr Fortschritte zu machen: indem man also die einen benützt, bereitet man sich zu anderen vor und erhält immer neue, kräftigere Gnadenhilfen. Und in dieser Ordnung nehmen die Gnaden des Herrn in dem Masse zu, als die Seele denselben entspricht. Hieraus wirst du zwei Dinge abnehmen: erstens, welch grossen Verlust es bringt, wenn man die Akte irgend einer Tugend geringschätzt und sie nicht vollbringt, wie die göttlichen Einsprechungen es verlangen; zweitens, dass Gott den Seelen gar oft grosse Gnaden gäbe, wenn diese zuerst mit den geringeren mitwirken würden; denn er ist hiezu bereit, ja er wartet sozusagen, dass man es ihm möglich mache, seinen gerechten Ratschlüssen gemäss zu handeln. Weil man aber auf diese Ordnung und dieses Verhalten Gottes in seinen Einsprechungen nicht achtet, darum hält Gott seinen Gnadenstrom zurück und gibt nicht, was er geben möchte, und was die Seelen empfangen würden, wenn sie kein Hindernis entgegenstellten. Auf diese Weise stürzen sie von einem Abgrunde in den andern. 564. Die Heiligen Drei Könige und Herodes gingen ganz entgegengesetzte Wege. Jene entsprachen den ersten Gnadenhilfen und Eingebungen durch gute Werke und machten sich durch Übung vieler Tugenden fähig, durch göttliche Offenbarung zur Erkenntnis der Geheimnisse der Menschwerdung, der Geburt des göttlichen Wortes, der Erlösung des Menschengeschlechtes berufen und geleitet zu werden. Von diesem Glücke stiegen sie zu dem weiteren empor, heilig und vollkommen zu werden auf dem Wege zum Himmel. Das Gegenteil war bei Herodes der Fall. Hartherzig vernachlässigte er es, mit der Gnade Gottes Gutes zu tun; und dies führte ihn zu so masslosem Stolz und Ehrgeiz. Diese Laster aber stürzten ihn in den tiefsten Abgrund der Grausamkeit; denn er war der erste unter allen Menschen, welcher dem Erlöser der Welt das Leben nehmen wollte, wobei er noch Frömmigkeit und Liebe heuchelte. Und um den Herrn zu treffen, ermordete er in seiner Zorneswut sogar die unschuldigen Kinder, damit seine fluchwürdigen Pläne nicht vereitelt würden. BUCH VIER. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Himmelskönigin, gab. Lehre: Missbrauch der Reichtümer Freiwillige Armut 571. Meine Tochter, gross waren die Geschenke, welche die Könige meinem heiligsten Sohne darbrachten; noch grösser aber war die Liebe, mit welcher sie dieselben hingaben, und das Geheimnis, welches sie andeuteten. Durch all dies waren sie der göttlichen Majestät höchst wohlgefällig. Auch du sollst dem Herrn ein Opfer bringen, du sollst Dank sagen, dass er dich zum Stande der Armut berufen hat; denn ich versichere dich, meine Freundin, dass es vor Gott kein kostbareres Geschenk und kein wertvolleres Opfer gibt als die freiwillige Armut, Heutzutage gibt es in der Welt nur sehr wenige Menschen, welche von ihren zeitlichen Gütern einen guten Gebrauch machen und sie mit der Grossmut und Liebe dieser heiligen Könige ihrem Gott und Herrn aufopfern. Die Armen des Herrn, deren Zahl so gross ist, erfahren wohl und bezeugen, wie grausam und geizig das Menschenherz geworden ist, da von den zahlreichen Notleidenden so wenige bei den Reichen Hilfe finden. Diese Hartherzigkeit der Menschen schmerzt die Engel und betrübt den Heiligen Geist, der da sehen muss, wie die Würde der Seelen so tief erniedrigt ist, und wie alle mit ihren Kräften und Fähigkeiten der schändlichen Geldgier dienen. Sie eignen sich die Reichtümer an, als wären dieselben für sie allein geschaffen, und verweigern sie den Armen, ihren Brüdern, die dasselbe Fleisch und dieselbe Natur mit ihnen gemein haben. Ja nicht einmal Gott dem Herrn opfern sie diese Reichtümer, da doch er es ist, welcher sie geschaffen hat, sie erhält und sie geben oder nehmen kann, wie es ihm gefällt. Das Beklagenswerteste aber ist, dass die Reichen, während sie mit ihrem Vermögen das ewige Leben erkaufen könnten, sich ebendamit ihr Verderben zuziehen, weil sie von dieser Gabe des Herrn einen Gebrauch machen, wie nur törichte und unverständige Menschen ihn machen können. 572. Diese unselige Verfahrungsweise ist unter den Kindern Adams etwas ganz Allgemeines. Darum ist aber auch die freiwillige Armut so erhaben und gewährt so grosse Sicherheit. Und wenn jemand in diesem Stande der Armut frohen Herzens das Wenige mit dem Armen teilt, dann bringt er dem Herrn aller Menschen ein grosses Opfer. Du kannst dies Opfer von dem bringen, was zu deinem Unterhalte bestimmt ist, indem du den Armen einen Teil gibst und dabei das Verlangen hast, wenn es möglich wäre, allen mit deiner Arbeit und deinem Schweisse zu Hilfe zu kommen. Dein beständiges Opfer aber müssen sein: die Werke der Liebe - dies ist das Gold; beständiges Gebet - das ist der Weihrauch; und ruhige Ertragung der Leiden und wahre Abtötung in allen Stücken - das ist die Myrrhe. Übrigens musst du alles, was du für den Herrn tust, mit feuriger Liebe und bereitwilligem Herzen darbringen, ohne Lauigkeit und Zagen; denn nachlässig verrichtete oder tote Werke sind kein wohlgefälliges Opfer in den Augen des Herrn. Damit du aber dem Herrn beständig das Opfer deiner Werke bringest, muss der Glaube und das Licht immer in deinem Herzen leuchten und dich auf Gott hinweisen, um ihn zu loben und zu verherrlichen. Ebenso musst du achten auf den Sporn der Liebe, durch welchen Gott dich immer antreibt, nicht abzulassen von dieser Übung, welche den Bräuten des Allerhöchsten so eigen ist, da dieser Titel die Liebe bedeutet und zu beständiger, liebevoller Hingebung verpflichtet. LEHRE UNSERER HIMMLISCHEN KÖNIGIN. Buch vier. LEHRE: Armut Verkehr mit Gott 581. Meine Tochter, in der Klarheit des göttlichen Lichtes erkannte ich besser als alle Menschen, welch geringen Wert die irdischen Reichtümer vor Gott besitzen. Darum fiel es mir in meiner heiligen Freiheit schwer und lästig, mich mit den Schätzen beladen zu sehen, welche die Könige meinem heiligsten Sohne geopfert hatten. Da jedoch die Demut und der Gehorsam alle meine Handlungen beseelen mussten, so wollte ich jene Schätze weder mir aneignen, noch sie nach meiner Wahl austeilen, sondern ich wollte dem Willen meines Bräutigams Joseph folgen. Und bei dieser Entäusserung dachte ich mir, dass ich seine Dienerin sei, und dass diese zeitlichen Geschenke mich nichts angingen. Denn es ist eine hässliche und für euch schwache Geschöpfe sehr gefährliche Sache, wenn ihr euch irdische Güter, wie Reichtum oder Ehre, zueignet; dies geschieht nur aus Habsucht, Ehrgeiz und eitler Prunksucht. 582. Ich wollte dir, Teuerste, dieses sagen, damit du vollständig darüber unterrichtet seiest, dass du weder Geschenke noch Ehrenbezeigungen annehmen und dir zueignen darfst, als ob sie dir etwa gebührten: am allerwenigsten darfst du dies tun, wenn dieselben von mächtigen, hochstehenden Personen kommen. Bewahre deine innere Freiheit und brüste dich nicht mit dem, was nichts wert ist und dich nicht rechtfertigen kann vor Gott. Schenkt man dir etwas, so sage nicht: "Dies hat man mir gegeben; dies hat man mir gebracht", sondern: "Der Herr sendet dies für die Klostergemeinde; betet zu ihm für das Werkzeug dieser seiner Barmherzigkeit." Nenne dann den Almosengeber, damit man im besondern für ihn bete und er so in seiner Absicht nicht getäuscht werde. Nimm auch die Almosen nicht eigenhändig in Empfang, denn dies wäre ein Zeichen, dass du darnach verlangst; tue es vielmehr durch diejenigen, welchen dieses Amt aufgetragen ist. Musst du wegen deines Amtes als Oberin im Kloster ein empfangenes Almosen derjenigen übergeben, welche dasselbe für die Gemeinde zu verteilen hat, so zeige dich dabei vollkommen gleichgültig für diese Sache. Gleichwohl musst du dem Herrn sowohl, als den Wohltätern danken und anerkennen, dass du die Wohltat nicht verdienest. Für das, was anderen Nonnen gebracht wird, sollst du gleichfalls als Oberin danken und alsbald Sorge tragen, dass es für die ganze Gemeinde verwendet wird, ohne etwas für dich zu nehmen. Ja, schau nicht einmal neugierig an, was ins Kloster gebracht wird, damit die Sinne nicht daran Freude finden oder solche Geschenke zu besitzen verlangen; denn die Natur ist gebrechlich und voll verkehrter Neigungen, und darum fällt sie in viele Fehler, welche sehr wenig beachtet werden. Man kann der verderbten Natur in nichts trauen, denn immer verlangt sie noch mehr, als sie hat; niemals sagt sie, es ist genug; und je mehr sie erhält, desto grösser wird ihr Durst noch mehr zu bekommen. 583. Worauf du aber vor allem anderen bedacht sein musst, das ist der innige, häufige Verkehr mit Gott durch beständige Liebe und ehrfurchtsvolle Lobpreisung. Zu diesem Zwecke musst du all deine Kräfte, all deine Fähigkeiten und Sinne ge brauchen, und zwar voll Eifer und ohne Unterlass; denn sonst wird der niedere Teil, welcher die Seele beschwert, unvermeid lich die letztere bemeistern, herabdrücken, zerstreuen und zum Falle bringen, indem er bewirkt, dass sie das höchste Gut aus dem Auge verliert. Dieser liebevolle Verkehr des Herrn ist so zart, dass man denselben schon verliert, wenn man auf die Vorspiegelungen des bösen Feindes auch nur achtet oder sie hört; darum gibt sich auch der Feind grosse Mühe, zu bewirken, dass man auf ihn achte; denn er weiss, dass zur Strafe dafür das höchste Gut sich vor der Seele verbirgt. Sobald aber die Seele unachtsamerweise Gottes Schönheit aus den Augen verliert', so schreitet sie, des göttlichen Trostes beraubt, auf diesen Pfaden der Sorglosigkeit fort. Und wenn sie dann zu ihrem Schrekken durch den Schmerz ihres Verlustes gewahr wird, so will sie wohl umkehren und nach dem verlornen Gute suchen, allein nicht immer wird sie dasselbe wieder finden. Dann bietet ihr der Satan, der sie betrogen hat, andere Vergnügungen, die aber tief unter jenen stehen, an deren inneren Genuss sie gewöhnt war. Daraus folgt dann neue Traurigkeit, Verwirrung, Niedergeschlagenheit, Lauigkeit und Überdruss; und in dieser Verwirrung ist sie dann auch allen Gefahren blossgestellt. 584. Meine Teuerste, wie wahr dies ist, hast du teilweise schon erfahren, wenn du nachlässig und träge gewesen bist, die Wohltaten Gottes gläubig und dankbar anzunehmen. Es ist Zeit, dass du jetzt bei deiner Einfalt auch klug und standhaft seiest, um das Feuer des Heiligtums zu bewahren und keinen Augenblick das höchste Gut aus dem Auge zu verlieren, auf welches ich beständig alle Kraft und alle Vermögen meiner Seele gerichtet hielt. Freilich ist der Abstand zwischen dir, einem armen Wurme, und dem, was ich dir zur Nachahmung vorstelle, sehr gross. Auch kannst du das wahre Gut nicht so unmittelbar geniessen, noch mit solcher Vollkommenheit handeln, wie ich; aber da ich dir zeige, was ich in der Nachfolge meines heiligsten Sohnes getan habe, so kannst du doch nach deinen Kräften mir nachfolgen, indem du dabei erwägst, dass du den Herrn wie in einem Spiegel schauest. Denn ich schaute ihn durch den Spiegel seiner heiligsten Menschheit, du aber siehst ihn durch den Spiegel meiner Seele und meiner Person. Wenn aber der Allmächtige zu dieser hohen Vollkommenheit alle einladet, wenn sie ihr nur folgen wollen, so erwäge, was du für dieselbe tun musst, da die Rechte des Allerhöchsten sich so freigebig und mächtig zeigt, um dich an sich zu ziehen. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die heiligste Jungfrau Maria gab. 594. Meine Tochter, eine der beklagenswerten Ursachen, welche die Seelen unglücklich machen oder doch ihr Glück verringern, ist diese, dass sie sich begnügen, die Werke der Tugend nachlässig und ohne Eifer zu verrichten, gleich als handle es sich um etwas Unwichtiges oder um eine Nebensache. Diese törichte und unedle Handlungsweise ist schuld, dass nur wenige Seelen zum vertrauten, freundschaftlichen Umgange mit dem Herrn gelangen; denn zu diesem gelangt man nur durch die feurige Liebe. Die Liebe heisst man aber feurig, glühend, weil, wie das Feuer das Wasser in Wallung bringt, so diese Liebe mit der sanften Gewalt des göttlichen Feuers des Heiligen Geistes die Seele emporhebt über sich selbst, über alles Geschaffene und über ihre eigenen Werke. Je mehr die Seele liebt, desto mehr wird sie entzündet; und aus dieser Liebe entsteht ein unersättliches Verlangen, in welchem die Seele nicht nur das Irdische verachtet und vergisst, sondern selbst durch alle guten Werke nicht befriedigt noch gesättigt wird. Und wie das Menschenherz. wenn es nicht erreicht, was es heftig liebt - vorausgesetzt, dass dessen Erreichung ihm überhaupt möglich ist -, von noch glühenderem Verlangen ergriffen wird, es durch neue Mittel zu erreichen, ebenso ist auch die Seele, welche Gott glühend liebt, durch diese Liebe gedrängt, für den Geliebten immer noch mehr zu verlangen und zu tun. Alles, was sie tut scheint ihr gering. Darum strengt sie sich an und schreitet so vom guten Willen zum vollkommenen fort, von diesem zu dem, was Gott am wohlgefälligsten ist, bis sie endlich zur vollkommensten, innigsten Vereinigung mit Gott und zur Umwandlung in ihn gelangt. 595. Hieraus wirst du, Teuerste, den Grund ersehen, warum ich mit blossen Füssen zum Tempel zu gehen wünschte, um meinen heiligsten Sohn dahin zur Darstellung zu bringen, und warum ich auch das Gesetz der Reinigung erfüllen wollte. Ich gab nämlich allen meinen Werken die höchstmögliche Vollkommenheit, kraft der Liebe, welche immer das Vollkommenste und Gottgefälligste von mir verlangte. Dieses glühende Liebesverlangen trieb mich an, alle Tugenden in der höchstmöglichen Vollkommenheit zu üben. Trachte, in diesem Eifer mir nachzufolgen; denn wisse, meine Freundin, diese Art zu lieben und zu wirken ist es, wonach der Allerhöchste mit sehnsüchtigem Verlangen begehrt. Er schaut nach den Worten der Braut im Hohenliede' "durch die Gitter", um zu sehen, wie die Seele alle ihre Werke tut. Er ist ihr so nahe, dass nur ein "Gitter" sie trennt, damit er ihres Anblickes sich erfreuen könne. Denn jene Seelen, welche ihm in allen ihren Werken mit solcher Liebe dienen, begleitet er voll Hingebung und Liebe, während er von den Lauen und Nachlässigen sich entfernt oder ihnen nur mit der allgemeinen, gewöhnlichen Vorsehung beisteht. Strebe also in Übung der Tugenden immer nach dem Vollkommensten und Reinsten. Sinne stets auf neue Mittel und Wege, deine Liebe an den Tag zu legen, so dass alle deine äusseren und inneren Kräfte und Fähigkeiten stets mit dem Erhabensten, Ausgezeichnetsten und Gottgefälligsten beschäftigt seien. Versäume aber nicht, alle diese Begierden deinem geistlichen Vater und Seelenführer mitzuteilen und sie seinem Rat und Befehl zu unterwerfen. Dann tue, was er dir befiehlt; denn dies ist das Wichtigste und Sicherste. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Kreuzes/ebe 603. Meine Tochter, was du geschrieben hast, muss dir zur Lehre und Unterweisung dienen, um zu erkennen, mit welcher Standhaftigkeit und Grossherzigkeit du bereit sein sollst, Glück und Unglück, Süsses und Bitteres gleichmütig anzunehmen. 0 Teuerste, wie eng und kleinmütig ist doch das Menschenherz, wenn es gilt, etwas anzunehmen, was peinlich und den irdischen Neigungen zuwider ist! Wie unwillig wird der Mensch ber die Widerwärtigkeiten! Mit welcher Ungeduld trägt er dieselben! Wie unerträglich scheint ihm alles, was seiner Neigung zuwiderläuft! Wie vergisst er, dass sein Herr und Meister zuerst gelitten und an sich selbst das Leiden geehrt und geheiligt hat! ine grosse Schande, ja Verwegenheit ist es, dass die Gläubigen das Leiden verabscheuen, nachdem mein heiligster Sohn ur sie gelitten hat. Haben ja doch schon vor seinem Tode viele heilige das Kreuz mit Liebe umarmt, einzig und allein in der Erwartung, dass Christus an demselben leiden werde, obwohl sie fies noch nicht sahen. Ist aber diese Undankbarkeit bei allen Menschen hässlich, so erwäge, Teuerste, wie schändlich sie bei lir wäre, die du solchen Eifer zeigst, die Gnade und Freundschaft des Allerhöchsten zu erwerben, den Titel seiner Braut rnd Freundin zu verdienen und ganz ihm anzugehören, damit auch er ganz dein sei, und die du gleichfalls sehnlichst verangst, meine Schülerin zu sein, mich als Lehrmeisterin zu haben und mir, deiner Mutter, als treue Tochter nachzufolgen. Es ;st nicht recht, dieses alles damit abzumachen, dass du Anmutungen erweckst und oft sagst: "Herr, Herr!", dabei aber dich betrübst, wenn sich die Gelegenheit bietet, den Kelch und das Kreuz der Schmerzen zu kosten, und wenn du das Leiden fliehst, in welchem sich das wahre Verlangen und die aufrichtige Liebe eines Herzens erproben muss. 604. Auf diese Weise würdest du im Werke verleugnen, was du mit Worten versprichst; das hiesse aber den Weg des ewigen Lebens verlassen; denn du kannst Christus nicht nachfolgen, wenn du nicht das Kreuz umfängst und dich darüber erfreust. Ebensowenig kannst du mich auf einem anderen Wege finden. Wenn die Menschen dich verlassen, wenn Versuchung dich bedroht, wenn Trübsal dich heimsucht und die Schmerzen des Todes dich umringen, so darfst du aus keinem dieser Gründe dich verwirren lassen, noch dich feigherzig zeigen; denn es missfällt meinem heiligsten Sohne und mir gar sehr, wenn du auf solche Weise seine mächtige Gnade hinderst, dich zu beschützen, sie vergeudest und vergeblich empfängst. Überdies würdest du dem bösen Feinde einen grossen Triumph bereiten; denn er rühmt sich höchlich, diejenige verwirrt und besiegt zu haben, welche sich als Schülerin Christi, meines Herrn, und als meine Schülerin betrachtete. Beginnst du aber im Kleinen nachzugeben, so wird der Feind dich auch im Grossen überwinden. Vertraue also auf den Schutz des Allerhöchsten und auf meine Fürsorge für dich. Kommt dann die Trübsal, so sprich voll Vertrauen: "Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen sollte ich fürchten? Er ist mein Beschützer, vor wem sollte ich zittern?' Ich habe eine Mutter, Lehrmeisterin, Königin und Herrin; diese wird mich beschützen und in meiner Trübsal für mich sorgen." 605. In diesem Vertrauen trachte den inneren Frieden zu bewahren und stets mich vor Augen zu haben, um meine Werke nachzuahmen und meinen Fussstapfen zu folgen. Denke an den Schmerz, der bei der Prophezeiung Simeons mein Herz durchbohrt hat. Bei dieser Pein bewahrte ich die ruhige Ergebung, ohne irgendwie verwirrt oder aufgeregt zu werden, obwohl Herz und Seele vom Schmerze durchbohrt waren. Von allem nahm ich Anlass, den Herrn zu preisen und seine wunderbare Weisheit anzubeten. Wenn der Mensch die Leiden und Trübsale, die doch vorübergehend sind, mit ruhigem, freudigem Herzen annimmt, dann vergeistigen sie ihn, erheben ihn und erfüllen ihn mit himmlischer Weisheit. In diesem Lichte schätzt er dann das Leiden nach Gebühr und findet alsbald den Trost und die Frucht davon, dass er die Leidenschaften abgetötet und sich nicht von ihnen hat verblenden lassen. Diese Wissenschaft erlernt man aber nur in der Schule des Erlösers; sie ist denjenigen verborgen, welche zu Babylon wohnen und die Eitelkeit lieben. Ich will auch, dass du mir in der Ehrfurcht gegen die Priester und Diener des Herrn nachfolgest. Denn jetzt ist ihre Würde viel erhabener als im Alten Bunde, seitdem das göttliche Wort sich mit der menschlichen Natur vereinigt hat und ewiger Priester geworden ist nach der Ordnung Melchisedechs. Höre ihre Lehre an als von Gott kommend, denn sie vertreten seine Stelle. Bedenke, welche Macht und welches Ansehen ihnen der Herr im Evangelium überträgt mit den Worten: "Wer euch hört, der hört mich; wer euch gehorcht, gehorcht mir." Tue das Heiligste, wie sie es dich lehren werden, und betrachte beständig, was mein heiligster Sohn gelitten hat, so dass deine Seele seine Schmerzen teile und mit solchem Ekel und Widerwillen gegen alle irdischen Genüsse erfüllt werde, dass du alles Sichtbare verachtest und vergessest, um dem Urheber des ewigen Lebens zu folgen. BUCH VIER. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Himmelskönigin gab. Lehre: Dankbarkeit gegen Gott Seeleneifer 617. Liebe Tochter, das Erste, was du aus diesem Hauptstücke lernen sollst, sei die demütige Dankbarkeit für die Wohltaten, welche du empfängst; denn vor vielen Menschen bist du ausgezeichnet und bereichert durch die Gnaden, welche mein Sohn und ich dir ohne dein Verdienst erweisen. Ich habe oftmals die Worte Davids wiederholt: "Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was ertnirgegeben hat?'" Mit diesem Gefühle der Dankbarkeit verdemütigte ich mich bis in den Staub, indem ich mich als ganz unnütz unter den Geschöpfen betrachtete. Wenn du aber weisst, dass ich, die wahre Mutter Gottes, so getan habe, dann bedenke :wohl, wie sehr du hiezu verpflichtet bist, da du mit voller Wahr> eit bekennen musst, dass du nicht verdienst, was du empfängst, dass du vielmehr dessen unwürdig und überdies unfähig bist, dasselbe dankbar zu vergelten. Um diesem Unvermögen und diesem Elende abzuhelfen, sollst du dem ewigen Vater das lebendige Opfer seines menschgewordenen Sohnes darbringen, namentlich dann, wenn du ihn im heiligsten Sakramente empfängst und in deinem Herzen trägst. Auch hierin musst du David nachahmen, der auf seine Frage, was er dem Herrn vergelten solle für alle Wohltaten, antwortete: "Ich will den Kelch des Heiles nehmen und den Namen des Herrn anrufen." Du musst das dir angebotene Heil deiner Seele annehmen und wirken; du musst tun, was dazu führt, und diese Gnaden durch ein vollkommenes Leben erwidern; du musst den Namen des Herrn anrufen und ihm seinen Eingeborenen aufopfern; dieser hat ja die "Kraft und das Heil gewirkt" und verdient. Er allein kann der gebührende Dank sein für alles Gute, das Gottes allmächtige Hand dem Menschengeschlechte und insbesondere dir erwiesen hat. Ich habe ihm die menschliche Gestalt gegeben, auf dass er mit den Menschen umgehe und allen als hr Eigentum angehöre. Seine Majestät hat sich aber auch noch in der den Gestalten des Brotes und Weines verborgen, um sich loch mehr jedem einzelnen als eigen zu geben, damit jeder im besondern ihn geniesse und als sein Eigentum dem ewigen Vater aufopfere. Durch diese Opfergabe ersetzen die Seelen, was Je allein nicht geben könnten; der Allerhöchste ist dadurch sozusagen vollständig bezahlt, da er von seinen Geschöpfen nichts Wohlgefälligeres erwarten oder verlangen kann. 618. Nächst diesem Opfer gibt es noch ein anderes, Gott sehr wohlgefälliges Opfer, welches die Seelen Gott darbringen Können; dieses besteht darin, dass sie die Leiden dieses sterblichen Lebens mit Gleichmut annehmen und mit Geduld ertragen. Mein heiligster Sohn und ich waren in erhabenster Weise sie Lehrmeister dieser Wahrheit. Seine Majestät hat begonnen, diese Lehre zu geben, sobald ich ihn in meinem Schosse empfangen hatte; denn alsbald begannen wir als Erdenpilger zu leiden. Nach seiner Geburt litten wir die Verfolgung durch Herodes und infolge derselben die Verbannung, und so dauerte das Leiden meines Sohnes fort bis zu seinem Tode am Kreuze. Auch ich habe gelitten bis zum Ende meines Lebens, wie du im ganzen Verlaufe desselben sehen und schreiben wirst. Da nun wir soviel für das Heil der Menschen gelitten haben, verlange ich, dass du uns hierin nachfolgest, als Braut meines göttlichen Sohnes und als meine Tochter. Leide mit grossmütigem Herzen und mühe dich ab, deinem Herrn und Gebieter Seelen zu gewinnen, diesen Schatz, der so kostbar in seinen Augen ist, dass er ihn um sein Blut und Leben erkauft hat. Niemals darfst du vor einer Mühe und Beschwerde, vor Bitterkeit oder Schmerz zurückweichen, wenn du dadurch Gott eine Seele gewinnen oder einer solchen helfen kannst, die Sünde zu verlassen und ihr Leben zu bessern. Werde auch nicht mutlos, dass du so arm und unnütz bist und dein Verlangen und Bemühen wenig Erfolg hat; denn du weisst nicht, wie der Herr dasselbe annimmt und wie er durch deinen Dienst zufriedengestellt wird. Wenigstens sollst du dienstfertig für ihn arbeiten und dein Brot nicht müssig essen in seinem Hause. BUCH VIER. LEHRE DER GÖTTLICHEN MUTTER. Lehre: Feindesliebe 628. Meine liebste Tochter, damit du meinem Verlangen gemäss verstehest und nachahmest, was du geschrieben hast, müssen dir zum Muster dienen die Bewunderung und die Anmutungen, die in meiner Seele hervorgerufen wurden, als ich im himmlischen Lichte erkannte, wie sich mein heiligster Sohn freiwillig der unmenschlichen Wut der Bösewichte preisgegeben hat. Dies hat er dem Herodes gegenüber getan, da wir vor dessen Zorne flohen, und später tat er es den bösen Dienern der Priester und Beamten gegenüber. Aus allen Werken des Allerhöchsten leuchtet seine unendliche Grösse, Güte und Weisheit hervor. Am allermeisten aber ward mein Geist mit Staunen erfüllt, als ich zu gleicher Zeit die göttliche Majestät meines Sohnes und sein Verhalten gegen Herodes im erhabensten Lichte schaute. Ich sah die Wesenheit Gottes in der mit der Menschheit vereinigten Person des Wortes; ich sah, wie mein heiligster Sohn der ewige, allmächtige, unendliche Gott, Schöpfer und Erhalter aller Dinge war; ich sah, wie das Leben jenes ungerechten Königs von der Güte meines Sohnes abhing, und wie trotzdem die heiligste Menschheit den ewigen Vater bat, er möge demselben gute Einsprechungen, Gnaden und viele Wohltaten verleihen; ich sah, wie er den Herodes damals nicht züchtigte, was ihm doch so leicht gewesen wäre, sondern wie er vielmehr durch seine Bitten erlangte, dass derselbe in der Tat nicht nach dem Masse seiner Bosheit gestraft wurde. Freilich ist Herodes zuletzt durch seine Hartnäckigkeit verloren gegangen; aber seine Strafe ist doch nicht so gross, als sie gewesen wäre, wenn mein heiligster Sohn nicht für ihn gebeten hätte. Diese unaussprechliche Barmherzigkeit und Sanftmut meines heiligsten Sohnes trachtete ich nachzuahmen; denn er lehrte mich hiedurch schon im Werke jene Feindesliebe, zu welcher er später durch Wort und Beispiel ermahnt hat. Da ich sah, wie er seine unendliche Allmacht verbarg und wie er, der unüberwindliche Löwe, sich wie ein demütiges und sanftmütiges Lamm der Wut reissender Wölfe überliess, da brach mein Herz, und meine Kräfte schwanden vor Verlangen, ihn zu lieben und ihm in seiner Liebe, Geduld und Sanftmut nachzufolgen. 629. Dieses Beispiel stelle ich dir vor, damit du es immer vor Augen habest und lernest, wie und bis zu welcher Grenze du die Beleidiger ertragen, ihnen verzeihen und sie lieben musst; denn weder du noch die anderen Menschen sind unschuldig und sündelos; im Gegenteil, es gibt viele, welche zahlreiche und schwere Sünden begehen, wodurch sie eine üble Behandlung gar wohl verdienen. Wenn dir aber die Verfolgungen die kostbare Gelegenheit verschaffen, dies unser Beispiel nachzuahmen, warum solltest du sie dann nicht als ein grosses Glück schätzen und jene nicht lieben, welche dir Anlass geben zur Übung der höchsten Vollkommenheit? warum solltest du nicht dankbar sein für eine solche Wohltat und die Beleidiger, weit entfernt, sie als Feinde anzusehen, vielmehr als Wohltäter betrachten, da sie dir Gelegenheit bieten zu einer Übung, die für dich so wichtig ist? Wenn du in diesem Stücke fehlst, so bist du angesichts des dir vorgehaltenen Beispiels nicht zu entschuldigen; denn das göttliche Licht und das dir verliehene Verständnis desselben macht, dass dieses Beispiel dir gleichsam vor den Augen steht. BUCH VIER. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Vertrauen auf die göttliche Vorsehung 638. Meine Tochter, wer den Herrn kennt, der hofft auch auf ihn; und umgekehrt, wer nicht auf seine unendliche Güte und Liebe hofft, der kennt ihn nicht vollkommen. Vom Mangel an vertauben und Hoffnung aber kommt es, dass man ihn nicht liebt; denn wir schenken alsbald unsere Liebe demjenigen, auf den wir vertrauen und den wir sehr hochachten. In diesem Fehler at das ganze Verderben der Menschen seinen Grund; sie haben von Gottes unendlicher Güte, die ihnen das Leben gibt und erhält, eine so niedrige Vorstellung, dass sie infolgedessen nicht verstehen, ihr Vertrauen auf Gott zu setzen; mit dem Vertrauen fehlt ihnen aber auch die Liebe, welche sie Gott schulen, und so wenden sie dieselbe den Geschöpfen zu. An diesen schätzen sie und von diesen hoffen sie, was sie verlangen, näm lieh Macht, Reichtum, Glück und Eitelkeit. Freilich könnten die Gläubigen durch die ihnen eingegossenen Tugenden des G/au bens und der Hoffnung diesem Verderben vorbeugen; allein sie lassen diese Tugenden unbenützt, müssig und tot und hängen sich an irdische Dinge. Besitzen sie Reichtümer, so setzen sie ihre Hoffnung auf dieselben; besitzen sie keine, so verlangen sie darnach. Andere verschaffen sich Reichtum durch ganz ver kehrte Mittel und Wege. Andere hinwiederum vertrauen auf die Mächtigen, weshalb sie denselben schmeicheln. Und so sind es nur sehr wenige, welche der liebevollen Vorsehung Gottes sich würdig machen, auf dieselbe vertrauen und Gott als einen Vater erkennen, der für seine Kinder sorgt, sie ernährt, erhält und keines in der Not verlässt. 639. Diese arge Verblendung ist es, welche der Welt so viele Liebhaber gegeben und sie, ganz gegen Gottes Willen und Wohlgefallen, mit Habsucht und Begierlichkeit erfüllt hat. Sie hat bewirkt, dass die Menschen selbst in bezug auf das, was sie verlangen oder verlangen sollten, blind sind. Denn alle sagen insgemein, dass sie den Reichtum und die zeitlichen Güter nur deshalb verlangen, um ihrer Not abzuhelfen; sie sagen dies, weil sie nichts anderes verlangen sollten. Allein in der Tat sagen viele die Unwahrheit, indem sie nicht bloss das Notwendige, sondern Überflüssiges begehren, damit es der Hoffart der Welt, nicht aber ihren wirklichen Bedürfnissen diene. Wenn die Menschen nur das wahrhaft Notwendige verlangen würden, so wäre es eine Torheit, sein Vertrauen auf die Geschöpfe zu setzen, und nicht auf Gott, dessen unaussprechliche Vorsehung selbst für die jungen Raben sorgt, als riefen sie durch ihr Gekrächze zu ihrem Schöpfer. Da ich dieser Vorsehung versichert war, so blieb mir während meiner langen Verbannung jede Furcht ferne; und da ich auf den Herrn vertraute, so hat seine Vorsehung zur Zeit der Not geholfen. Auch du, meine Tochter, kennst diese grosse Vorsehung; darum bekümmere dich nicht übermässig wegen der Not; werde deinen Pflichten nicht untreu, um einer Not abzuhelfen; vertraue nicht auf Menschen und auf menschliche Bemühungen; hast du getan, was dir obliegt, dann ist das wirksame Hilfsmittel dies, dass du auf den Herrn vertrauest, und zwar ohne Verwirrung und Unruhe. Vertraue, wenn auch die Hilfe etwas zögert; denn sie wird immer zur geeignetsten Zeit kommen, wo die väterliche Liebe des Herrn sich am deutlichsten zeigen wird, wie dies bei mir und meinem Bräutigam in unserer Not und Armut der Fall war. 640. Alle, die nicht mit Geduld leiden und keine Not ertragen wollen; die durchlöcherten Zisternen nachgehen, indem sie auf die Mächtigen bauen; die sich nicht mit Mässigem begnügen und mit brennender Gier verlangen, was sie zum Leben nicht nötig haben; die zähe behalten, was sie besitzen, damit ihnen iichts fehlen könne, und deswegen den Armen das schuldige Almosen verweigern, alle diese haben mit Recht zu fürchten, dass ihnen das mangeln werde, was sie von der göttlichen Vorsehung nicht erwarten könnten, wenn diese ebenso karg wäre im Geben, als sie es sind im Vertrauen und in der Unterstützung der Armen aus Liebe zu Gott. Doch der wahre Vater, der im Himmel ist, "lässt seine Sonne aufgehen über die Guten und Bösen; er lässt regnen über die Gerechten und Ungerechten"'; er gibt allen Leben und Unterhalt. Weil er aber seine Wohltaten sowohl den Guten als den Bösen spendet, so kann das Verfahren, welches er bei Verteilung der zeitlichen Güter einhält und vermöge dessen er den einen mehr, den andern weniger spendet, keineswegs als Massstab der Liebe gelten, die er zu den Menschen trägt. Im Gegenteile ist es sein Wille, dass die Auserwählten und zum ewigen Leben Vorherbestimmten arm seien, teils damit sie grössere Verdienste und Belohnungen erwerben, teils damit sie sich nicht von der Liebe zu den zeitlichen Gütern umstricken lassen; denn nur wenige verstehen es, dieselben gut zu gebrauchen und sie ohne ungeordnetes Verlangen zu besitzen. Für meinen heiligsten Sohn und mich bestand zwar diese Gefahr nicht; aber dennoch wollte mein Sohn durch das Beispiel die Menschen diese göttliche Weisheit lehren, von welcher ihr ewiges Leben abhängt. BUCH VIER. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre. Freude über die Macht des Herrn 651. Meine Tochter, gross und überaus kostbar ist der Trost der gläubigen Seelen, die meinen heiligsten Sohn lieben, wenn sie mit lebendigem Glauben erwägen, dass sie einem Herrn dienen, welcher der höchste Gott, der Herr der Herren ist, einem Herrn, der allein Macht und Herrschaft über alles Geschaffene besitzt und der über seine Feinde herrscht und triumphiert. An dieser Wahrheit erfreut sich der Verstand, erquickt sich das Gedächtnis, ergötzt sich der Wille; alle Fähigkeiten der andächtigen Seele geben sich der Wonne hin, welche sie bei der Betrachtung der Güte, Heiligkeit und unendlichen Macht dieses Herrn fühlen, dieses Herrn, welcher keines Menschen bedarf und von dessen Willen alle Geschöpfe abhängen. 0 wie vieler Güter gehen die Menschen verlustig, die, ihres Glückes vergessend, alle Zeit ihres Lebens und all ihre Kräfte dazu verwenden, auf das Sichtbare zu achten, das Vergängliche zu lieben und eitle Scheingüter zu suchen. Ich möchte, meine Tochter, dass du mit dem dir verliehenen Lichte diese Gefahr vermeidest, und dass dein Verstand wie dein Gedächtnis sich immerdar mit dem Geheimnis der göttlichen Wesenheit beschäftigen. In dieses unermessliche Meer versenke und verabgründe dich, indem du beständig die Worte wiederholst: "Wer ist wie der Herr, unser Gott, der in der Höhe wohnet und auf das Niedrige schauet im Himmel und auf Erden?'" Wer ist wie er, allmächtig und von niemand abhängig? Wer ist wie er, der die Hochmütigen erniedrigt und diejenigen stürzt, welche von der blinden Welt "Mächtige" genannt werden? Wer ist wie er, der über den Satan triumphiert und ihn in die Tiefe schleudert? 652. Damit dein Herz durch diese Wahrheiten mehr erweitert und du den Feinden des Allerhöchsten noch überlegener werdest, sollst du, nach Möglichkeit meinem Beispiele folgend, dich freuen über die Siege und Triumphe des allmächtigen Gottes und dich bemühen, an den Siegen, die er zu jeder Zeit über den grausamen Drachen davonzutragen wünscht, einigen Anteil zu haben. Keine erschaffene Zunge, selbst kein Seraph vermag die Gefühle zu beschreiben, die ich in meinem Herzen empfand, als ich sah, wie mein allerhöchster Sohn, den ich auf meinen Armen trug, zum Heile jener blinden und von den Täuschungen des Satans umstrickten Seelen so grossartige Wunder gegen seine Feinde wirkte, und wie durch den menschgewordenen Sohn Gottes die Ehre des göttlichen Namens immer mehr erhöht und ausgebreitet wurde. Im Jubel hierüber lobpries meine Seele den Herrn, und ich brachte mit meinem heiligsten Sohne als seine Mutter und als Braut des Heiligen Geistes dem Herrn neue Loblieder dar. Du aber bist eine Tochter der heiligen Kirche, die Braut meines gebenedeiten Sohnes und von ihm mit Gnaden bereichert; darum ist es gerecht, dass auch du eifrig bemüht seiest, seine Glorie zu erhöhen, indem du gegen seine Feinde wirkest und streitest, damit so dein Bräutigam in dir triumphiere. BUCH VIER. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. 662. Meine Tochter, da es wahr ist, dass ich mit meinem heiligsten Sohne und meinem Bräutigam nach Ägypten kam, wo wir weder Freunde noch Verwandte hatten, wo eine fremde Religion herrschte und wir ohne Obdach, ohne menschliche Hilfe für Ernährung meines so inniggeliebten Sohnes waren: so kannst du aus all diesem leicht entnehmen, wie gross durch Zulassung des Herrn unser Leiden und unsere Trübsal war. Dagegen gen kannst du dir keine Vorstellung machen von der Geduld, mit welcher wir unser Leiden trugen; und die Engel sogar können den Lohn nicht begreifen, den der Allerhöchste mir gegeben hat für die Liebe und Ergebung, mit welcher ich alles ertrug, und die grösser war als bei dem grössten Glücke. Allerdings schmerzte es mich sehr, meinen Bräutigam in solcher Not zu sehen; doch auch diesen Schmerz litt ich mit Freuden und pries den Herrn dafür. Meine Tochter, ich verlange, dass du diese höchst edle Tugend der Geduld und ruhigen Grossherzigkeit nachahmest in den Gelegenheiten, welche der Herr dir geben wird, und dass du dabei mit Klugheit das Innere und Äussere ordnest, dem Handeln und dem Beschauen den gebührenden Anteil anweisest, ohne dass das eine durch das andere verkürzt wird. 663. Sollte deinen Untergebenen der nötige Lebensunterhalt fehlen, so suche ihn auf gebührende Weise zu erwerben. Und solltest du manchmal zu diesem Zweck deine eigene Ruhe opfern, so verlierst du dieselbe deswegen nicht, besonders wenn du die Ermahnung befolgst, welche ich dir oftmals gegeben ben habe, Gott bei keiner Beschäftigung aus dem Auge zu verlieren; denn mit seinem Lichte und seiner Gnade kannst du alle Geschäfte in Ruhe verrichten, wenn du sorgsam bist. Wenn man sich auf gebührende Weise durch menschliche Mittel helfen kann, so soll man keine Wunder erwarten und nicht der Arbeit ausweichen, in der Hoffnung, Gott werde auf übernatürliche Weise zu Hilfe kommen. Die göttliche Majestät hilft durch liebliche, gewöhnliche, passende Mittel. Gerade die Handarbeit ist aber ein geeignetes Mittel dafür, dass der Körper mit der Seele, so gut er kann, dem Herrn diene, Opfer darbringe und Verdienste erwerbe. Auch kann das vernünftige Geschöpf während der Arbeit Gott loben und ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten. Damit du aber dies tuest, richte alle deine Handlungen ausdrücklich auf sein Wohlgefallen hin, berate dich darüber mit ihm, wäge sie ab auf der Waagschale des Heiligtums und achte mit aller Aufmerksamkeit auf das göttliche Licht, welches der Allmächtige dir eingiesst. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Ubung der Nächstenliebe 670. Meine Tochter, du bist von Staunen ergriffen über die Werke der Barmherzigkeit, welche ich in Ägypten an so vielen armen Kranken geübt habe, die ich pflegte, um ihnen die Gesundheit des Leibes und der Seele zu verschaffen. Wie sich diese Verrichtung mit meiner Sittsamkeit und Liebe zur Zurückgezogenheit vertragen hat, wirst du verstehen, wenn du auf die unermessliche Liebe hinsiehst, mit welcher mein heiligster Sohn nach seiner Geburt jenem Lande Hilfe bringen und in dessen Bewohnern die ersten Funken des Liebesfeuers entzünden wollte, welches in seinem Herzen für das Heil der Menschen glühte. Diese Liebe teilte er mir mit und machte mich zum Werkzeuge seiner Liebe und Macht; sonst hätte ich aus mir selbst mich nicht zu so vielen Werken erkühnt, da ich immer geneigt war, zu schweigen und mit niemanden zu verkehren. Aber der Wille meines Sohnes und Herrn war in allem die Richtschnur meines Verhaltens. Von dir, meine Freundin, verlange ich, dass du nach meinem Beispiele am Wohl und am Heile deines Nächsten arbeitest, und zwar soviel möglich mit der Vollkommenheit und in der Weise, wie ich dies getan habe. Du hast die Gelegenheiten hiefür nicht zu suchen, der Herr wird sie dir senden; nur wenn ein wichtiger Grund es nötig erscheinen lässt, wirst du selbst dich dazu anbieten. In allen Gelegenheiten aber gib dir Mühe, erleuchte und belehre mit Hilfe des dir verliehenen Lichtes so viele du nur kannst, nicht als hättest du das Amt einer Lehrerin, sondern wie jemand, der trösten will und Mitleid hat mit seinen leidenden Brüdern und der von ihnen Ge duld lernen will, so dass grosse Demut und kluge Zurückhaltung mit der Übung der Liebe Hand in Hand gehen. 671. Deine Untergebenen sollst du ermahnen, zurechtweisen und zu dem anleiten, was das Vollkommenste und Gottgefälligste ist; denn nächst der Vollkommenheit, welche du selbst zu üben hast, ist das Wichtigste, was du für den Herrn tun kannst, dies, dass du nach deinen Kräften und mit Hilfe der dir verliehenen Gnade auch andere hiezu anleitest und ermunterst. Für diejenigen, mit welchen du nicht sprechen kannst, bete beständig, auf dass sie zum Heile gelangen; so kannst du die Liebe auf alle ausdehnen. Und weil du auswärtige Kranke nicht pflegen kannst, so ersetze dies an den Kranken deines Hauses, indem du selbst ihnen Dienste leistest, ihnen Freude machst und für die Reinlichkeit sorgest. Du sollst dich aber hiebei nicht wegen deines Amtes als Oberin der Kranken betrachten; denn für sie bist du die Mutter und sollst dies durch mütterliche Sorge und Liebe für alle zeigen. Im übrigen hast du dich immer als die geringste anzusehen. Die Welt verwendet gewöhnlich die Ärmsten und Verachtesten zur Pflege der Kranken, da sie in ihrer Unwissenheit die Erhabenheit dieses Dienstes nicht kennt; da du arm und die geringste bist, so gebe auch ich dir das Amt der Krankenwärterin, damit du mir in Ausübung desselben nachfolgest. BUCH VIER. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Tränen über den Untergang der Seelen 679. Meine Tochter, als Lehre dieses Hauptstückes möge dir dienen einerseits der Schmerz, mit dem du es geschrieben, und anderseits die Erfahrung, die du durch fremden Schaden hiebei gemacht hast. Der Schmerz soll dir zur Lehre sein; ich meine den Schmerz, den du empfindest in Anbetracht, dass ein edles Geschöpf, das von Gottes Hand nach seinem Bilde und Gleichnis erschaffen und mit erhabenen, ja himmlischen Fähigkeiten ausgerüstet ist, mit der Fähigkeit nämlich, Gott zu erkennen, zu lieben, ewig zu schauen und zu geniessen, dass ein solches Geschöpf diese hohe Würde vollständig vergisst und sich zu so tierischen und schrecklichen Plänen verleiten und erniedrigen lässt, dass es das Blut unschuldiger Kinder vergiesst, welche niemand ein Leid zufügen konnten. Dieses Mitleid muss dich bewegen, den Untergang so vieler Seelen zu beweinen, welche namentlich in dem gegenwärtigen Jahrhunderte verloren gehen, in diesem Jahrhundert, in welchem der nämliche Ehrgeiz, der den Herodes beseelte, grausamen Hass und schreckliche Feindschaft unter den Kindern der Kirche angestiftet hat und den Verlust zahlloser Seelen herbeiführt. Das Blut meines heiligsten Sohnes, das für ihre Erlösung vergossen wurde, geht an ihnen verloren. Weine bitterlich über ein solches Verderben. 680. Lerne aber auch aus dem Beispiele anderer und erwäge, was eine blinde Leidenschaft vermag, wenn man ihrem Verlangen nachgibt; denn wenn sie das Herz ganz einnimmt, so entflammt sie dasselbe entweder mit dem Feuer der Begierlichkeit, wenn sie ihr Verlangen erreicht, oder mit dem Feuer des Zornes, wenn sie nicht dazu gelangen kann. Meine Tochter, fürchte diese Gefahr, nicht nur angesichts der Untaten, welche des Herodes Ehrgeiz angestiftet, sondern auch angesichts dessen, was du stündlich an anderen wahrnimmst. Gib acht, dass du dein Herz an nichts, so klein es auch scheinen mag, hängest; denn das kleinste Fünkchen genügt, den grössten Brand anzufachen. Diese Lehre bezüglich der Abtötung deiner Neigungen habe ich dir schon oft gegeben und werde sie noch öfter wiederholen, weil die grösste Schwierigkeit für die Tugend darin besteht, allem Sinnlichen und Vergnüglichen abzusterben, und weil du in der Hand des Herrn kein Werkzeug nach seinem Wunsche sein kannst, wenn du nicht sogar jede Vorstellung von einem Geschöpfe aus deinem Geiste verbannest, damit sie keinen Zutritt zu deinem Willen finde. Darum muss es ein unverletzliches Gesetz für dich sein, alles, was ausser Gott und seinen Engeln und Heiligen existiert, so zu betrachten, als bestünde es nicht. Dies muss dein Geschäft sein; zu diesem Zwecke offenbart dir der Herr seine Geheimnisse und ladet dich zu seinem vertrauten und innigen Verkehr ein; zu demselben Zwecke lade auch ich dich hiezu ein. So sollst du nur mit Gott leben und leben wollen. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Liebe zur hl. Armut 688. Meine Tochter, es ist dir und allen Geschöpfen zusammen unmöglich, vollkommen zu begreifen, wie gross der Geist der Armut gewesen ist, den mein heiligster Sohn besass und den er auch mich gelehrt hat. Doch kannst du aus dem, was ich dir geoffenbart habe, einerseits die Erhabenheit dieser Tugend, welche ihrem Urheber und Lehrmeister so lieb war, und anderseits den Abscheu, den er vor dem Laster der Habsucht gehabt hat wenigstens zum grossen Teil erkennen. Freilich konnte der Schöpfer die Dinge nicht hassen, die er ins Dasein gerufen hatte; aber er sah in seiner unendlichen Weisheit das unaussprechliche Verderben, welches die ungeordnete Gier nach irdischen Gütern unter den Menschen anrichten würde; er sah, wie diese unsinnige Liebe zum Zeitlichen den grössten Teil des Menschengeschlechtes in das Verderben stürzen werde. Und eben deshalb, weil er sah, dass eine so grosse Menge Sünder und Verworfene durch das Laster des Geizes und der Habgier verloren gehen würden, war sein Hass gegen diese Laster so unaussprechlich gross. 689. Um diesem Verderben vorzubeugen und ein Gegenmittel zu bieten, hat mein göttlicher Sohn die Armut erwählt und dieselbe nicht nur durch Worte, sondern auch durch das Beispiel seiner wunderbaren Entäusserung gelehrt. Wenn die Menschen von diesem Heilmittel keinen Gebrauch machen, so ist die Sache des Arztes, welcher das Heilmittel bereitet hat, gerechtfertigt. Die nämliche Lehre habe auch ich mein ganzes Leben hindurch ausgesprochen und ausgeübt; durch sie haben die heiligen Apostel die Kirche gepflanzt; dasselbe haben die Ordensstifter und überhaupt alle Heiligen, welche die Kirche verbessert und ihre Stütze gebildet haben, gelehrt und getan. Sie alle haben die Armut als einziges und wirksames Mittel der Heiligkeit geliebt; die Reichtümer dagegen haben sie gehasst als die Quelle aller Übel und die Wurzel der Laster. Ich will, dass auch du diese Armut liebest und mit aller Sorgfalt suchest; denn sie ist der Schmuck der Bräute meines süssesten Sohnes, und ich versichere dich, Teuerste, dass er sie ohne diesen Schmuck nicht als Bräute anerkennt, sondern sie verstösst als solche, die ihm gar sehr ungleich sind. Eine reiche Braut, welche an allen unnötigen Bequemlichkeiten Überfluss hat, passt keineswegs zu einem ganz armen und von allem entblössten Bräutigam. Bei solcher Ungleichheit kann von gegenseitiger Liebe keine Rede sein. 690. Wenn du nach Massgabe deiner Kräfte als echte Tochter mir vollkommen nachfolgen willst, wie du es schuldig bist, so ist es klar, dass ich, die ich arm war, dich nicht als Tochter anerkennen werde, wenn du nicht auch arm bist; ich werde an dir nicht lieben, was ich für meine eigene Person verabscheut habe. Auch ermahne ich dich, die Wohltaten des Herrn, die du in so reichem Masse empfängst, ja nicht zu vergessen; denn wenn du auf die Dankbarkeit nicht sehr bedacht bist, wird die schwerfällige Natur dich leicht und wie von selbst zu dieser rohen Vergessenheit hinziehen. Darum erneuere jeden Tag öfters das Andenken an jene Wohltaten und danke dem Herrn jedesmal mit einem Herzen voll Liebe und Demut. Vor allen Wohltaten sind aber namentlich diese denkwürdig, dass er dich gerufen und erwartet, dass er deine Fehler langmütig ertragen, als sehe er sie nicht, und dass er dir ausserdem wiederholt zahlreiche Gnaden verliehen hat. Das Andenken an diese Wohltaten wird in deinem Herzen eine zarte und kräftige Liebe unterhalten, so dass du mit Umsicht und Eifer wirken wirst; der Herr aber wird dich dann mit neuen Gnaden belohnen, weil ihm ein treues und dankbares Herz überaus wohlgefällig ist, wie es ihm umgekehrt im höchsten Grade missfällt, wenn seine Gnaden und Wohltaten keine Hochschätzung und dankende Anerkennung finden; denn wie er seine Gaben mit der Fülle seiner Liebe spendet, so will er auch, dass wir dieselben durch emsige, hochherzige und liebevolle Dankbarkeit erwidern. BUCH VIER. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Himmelskönigin gab. 700. Meine Tochter, von der Zeit an, da du das erste Mal den Auftrag erhieltest, diese Geschichte meines Lebens zu beschreiben, hast du auch schon erkannt, dass, um von anderem zu schweigen, der Herr hiebei auch die Absicht gehabt hat, der Welt zu erkennen zu geben, was die Menschen seiner und meiner Liebe, welche sie so wenig beachten, ja ganz vergessen, schuldig sind. Freilich ist alles darin eingeschlossen und ausgedrückt, dass er uns geliebt hat bis zum Tode am Kreuze; dies ist die äusserste Grenze, bis zu welcher die Wirkungen seiner unermesslichen Liebe gehen konnten. Allein es gibt viele Undankbare, welchen das Andenken an diese Wohltat Ekel einflösst. Für diese nun wie überhaupt für alle würde es ein neuer Antrieb und Sporn sein, wenn sie wenigstens dasjenige einigermassen erkennten, was der Sohn Gottes während der dreiunddreissig Jahre seines Lebens für sie getan hat; jedes seiner Werke hat ja einen unendlichen Wert, und ein jedes verdient eine Dankbarkeit von ewiger Dauer. Der Allmächtige hat mich von allem Zeuge sein lassen, und ich versichere dich, liebste Tochter, vom ersten Augenblicke seiner Empfängnis in meinem Schosse an hat er nie aufgehört, für das Heil der Menschen zu seinem Vater zu rufen und zu flehen. In jenem Augenblicke schon hat er angefangen, das Kreuz zu umarmen, nicht bloss mit dem Verlangen seines Herzens, sondern soviel möglich schon in der Tat indem er als Kind die Haltung eines Gekreuzigten annahm und diese Übungen sein ganzes Leben hindurch fortsetzte. Und hierin habe ich ihn nachgeahmt, indem ich mich an seine Werke und seine Gebete für die Menschen anschloss, und zwar von dem ersten Akte an, mit welchem er für die seiner heiligsten Menschheit verliehenen Wohltaten dankte. 701. Die Sterblichen mögen nun sehen, ob ich, die ich Zeugin und Mitwirkerin ihrer Erlösung gewesen bin, nicht auch am Tage des Gerichtes Zeugnis geben werde, wie sehr Gottes Sache ihnen gegenüber gerechtfertigt ist; sie mögen erwägen, ob es nicht im höchsten Grade gerecht ist, dass ich alsdann meine Fürsprache denjenigen verweigere, welche törichterweise so viele und mehr als hinreichende Gnaden und Wohltaten verachtet und vergessen haben, welche meine und meines heiligsten Sohnes Liebe ihnen geschenkt hat! Welche Antwort, welche Ausflucht, welche Entschuldigung werden sie alsdann vorbringen, da sie so gut unterrichtet, ermahnt und von der Wahrheit erleuchtet sind? Wie können solche Undankbare und Hartnäckige Barmherzigkeit erwarten von einem höchst gerechten Gott, der ihnen bestimmte und gelegene Zeit gegeben und während derselben sie eingeladen, gerufen, erwartet und mit unermesslichen Wohltaten beschenkt hat, was alles sie aber verscherzt und verloren haben, um der Eitelkeit nachzugehen? Fürchte, meine Tochter, fürchte diese grösste aller Gefahren und Verblendungen! Erneuere oftmals in dir das Andenken an die Werke meines allerheiligsten Sohnes, sowie an die meinigen, und ahme dieselben mit allem Eifer nach. Setze die Kreuzesübungen mit Erlaubnis der Obern fort, damit du dabei vor Augen habest, was du nachahmen und wofür du danken sollst. Wisse aber auch, dass mein Sohn und Herr, ohne soviel zu leiden, die Welt hätte erlösen können; er wollte jedoch aus unermesslicher Liebe zu den Seelen seine Schmerzen erhöhen und steigern. Der einer solchen Güte gebührende Dank soll darin bestehen, dass das Geschöpf sich nicht begnügt, für Gott nur weniges zu tun, wie es die Menschen in ihrer unseligen Blindheit gewöhnlich machen. Füge du eine Tugendübung, eine Mühe an die andere, damit du deiner Pflicht nachkommest und meinem Herrn und mir Gesellschaft leistest in den Leiden, die wir auf Erden erduldet. Opfere alles für die Seelen auf und vereinige es vor dem Angesichte des ewigen Vaters mit den Verdiensten des Erlösers. BUCH VIER. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Bereitwilligkeit den Willen Gottes zu tun 710. Meine Tochter, in den Anordnungen, die der Allerhöchste über mich getroffen hat, da er mir befahl, von einer Gegend in die andere, von einem Reiche in ein anderes zu ziehen, ist mein Herz niemals verwirrt, mein Geist niemals traurig geworden, weil ich allezeit bereit war, den Willen Gottes zu erfüllen. Seine Majestät gab mir zwar wohl die höchst erhabenen Absichten seiner Werke zu erkennen; allein er tat dies nicht immer gleich im Anfang, damit ich inzwischen mehr leide; denn ein Geschöpf soll keine anderen Gründe für seine unterwürfige Ergebung suchen als den, dass der Schöpfer es befiehlt und dass er alles leitet. Dies allein zu wissen genügt jenen Seelen, welche nur verlangen, Gott Freude zu machen, ohne dass sie zwischen Glück und Unglück einen Unterschied machen und ohne dass sie darauf achten, was ihren Neigungen zusage. Ich will, dass du in dieser Weisheit Fortschritte machest und nach meinem Beispiel, sowie wegen deiner Verpflichtungen gegen meinen Sohn Angenehmes und Widerwärtiges in diesem sterblichen Leben mit derselben Miene, mit Gleichmut und Ruhe annehmest. Das eine darf dich nicht betrüben, das andere dich nicht zu eitler Freude fortreissen; nur daran sollst du denken, dass der Allerhöchste alles nach seinem Wohlgefallen anordnet. 711. Das Menschenleben ist ein Gewebe verschiedener Ereignisse; die einen sind für die Menschen erfreulich, die andern sind schmerzlich, die einen werden verabscheut, die andern begehrt. Da aber das Menschenherz so eng und klein ist, so beobachtet der Mensch diesen beiden entgegengesetzten Dingen gegenüber ein verschiedenes Verhalten: er nimmt nämlich mit übermässiger Freude an, was er liebt und begehrt; dagegen ist er trostlos und betrübt, wenn ihm etwas begegnet, das ihm verhasst und zuwider ist. Diese Änderungen und Aufregungen sind aber allen oder doch vielen Tugenden gefährlich. Denn die ungeordnete Liebe zu einer Sache erregt, wenn man dieselbe nicht erlangt, alsbald im Herzen das Verlangen nach einer anderen, und so sucht man in diesen neuen Wünschen den Verdruss über das, was man nicht erlangte, zu lindern. Wird aber der Wunsch befriedigt, dann ist das Herz wie berauscht von Freude, zu haben, was es begehrte; und von dieser geht man weiter zu noch ungeordneteren Wünschen und Leidenschaften. Sei also, Teuerste, vor dieser Gefahr auf der Hut, und um sie mit der Wurzel auszureissen, bewahre dein Herz in heiliger Freiheit. Schaue allein auf Gottes Vorsehung und lass dich nicht hinneigen zu dem, was du verlangst und was dich erfreuen würde; fürchte aber auch nicht, was dir peinlich ist. Erfreue dich einzig im Willen deines Herrn. Lass dich nicht fortreissen von deinen Wünschen, und nicht entmutigen durch Furcht vor irgend einem Ereignis. Lass dich von deinen heiligen Übungen nicht abbringen durch die äusseren Beschäftigungen und noch viel weniger durch menschliche Rücksicht oder durch den Gedanken an die Geschöpfe. Habe in allem vor Augen, was ich tat, und folge meinen Fussstapfen mit Liebe und Sorgfalt. @@@@@ Buch 5 @@@@@ Buch 5. Agreda. BUCH FÜNF. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Achtsamkeit auf die göttlichen Einsprechungen 723. Meine Tochter, was du gesehen und beschrieben hast, hat in dir das Verlangen erregt, gleichfalls die Schülerin meines heiligsten Sohnes zu sein, wie ich es war. So sollst du denn zu deinem Troste wissen und erfahren, dass der Sohn Gottes dieses Amt eines Lehrmeisters nicht bloss einmal ausgeübt hat, während der Zeit nämlich, da er in Menschengestalt seine in den Evangelien und in der Kirche niedergelegten Lehren verkündete. Nein, er übt dieses Amt immerfort an den Seelen aus und wird es ausüben bis zum Ende der Welt, indem er sie ermahnt und ihnen das Vollkommenste und Heiligste eingibt, damit sie es ins Werk setzen. Er tut dies zwar an allen ohne Ausnahme; aber nach seinem göttlichen Willen oder nach der Disposition und Aufmerksamkeit einer jeden Seele empfängt die eine mehr, die andere weniger Licht. Hättest du dir diese Wahrheit immer zunutze gemacht, so wüsstest du jetzt durch lange Erfahrung, dass der höchste Herr es nicht verschmäht, der Lehrmeister der Armen, der Verachteten, ja der Sünder zu sein, wenn sie nur auf seine innerliche Lehre merken wollen. Weil du nun zu wissen begehrst, welche Disposition er von dir verlangt, so will ich es dir im Namen des Herrn selbst sagen und dir versichern, dass, wenn er dich wohlbereitet findet, er als wahrer und weiser Lehrer seine Weisheit, sein Licht, seine Lehre in grosser Fülle in deine Seele ausgiessen wird. 724. Fürs erste musst du ein reines, lauteres, ruhiges und zufriedenes Gewissen haben und beständig auf der Hut sein, damit du niemals in einen Fehler oder eine Unvollkommenheit fällst, in welcher Lage du dich immer befinden magst. Zugleich musst du dich von allem Irdischen losmachen, und zwar in dem Grade, dass, wie ich dich bereits früher ermahnt habe, keine Vorstellung und keine Erinnerung an etwas Menschliches und Sichtbares in dir verbleibe, sondern dass dein Herz ganz rein, ruhig und klar sei. Und wenn dein Inneres in besagter Weise losgeschält, wenn es von Finsternis und von dem, was solche Finsternis hervorruft, nämlich von den irdischen Gedanken frei ist, dann musst du auf den Herrn aufmerken und dein Ohr zu ihm neigen', als liebste Tochter, welche das Volk des eitlen Babylon und das Haus ihres Vaters Adam vergisst und alle Über bleibsel der Schuld abstreift; und ich versichere dir, dass dann der Herr Worte des ewigen Lebens zu dir sprechen wird. Du musst ihn aber mit Ehrfurcht und demütiger Dankbarkeit anhören, seine Lehre nach Gebühr hoch schätzen und sie mit aller Pünktlichkeit und Sorgfalt befolgen; denn nichts kann diesem grossen Lehrmeister der Seelen verborgen bleiben, und er zieht sich mit Missfallen zurück, wenn das Geschöpf den Gehorsam und den Dank für eine so grosse Wohltat vernachlässigt. Die Menschen dürfen aber nicht meinen, wenn sich der Allerhöchste von ihnen zurückzieht, so geschehe dies immer aus demselben Grund, wie es bei mir geschehen ist. Bei mir geschah es ohne eine Verschuldung von meiner Seite, und ich zeigte in der Prüfung eine überaus grosse Liebe. Bei den übrigen Menschenkindern aber, die so voll sind von Sünden und Unarten. so voll von Undankbarkeit und Nachlässigkeit, pflegen solche Prüfungen eine wohlverdiente Strafe und Züchtigung zu sein. 725. Beachte jetzt, meine Tochter, was du gefehlt und versäumt hast bezüglich der schuldigen Hochachtung für die Lehre und das Licht, welches du auf besondere Weise vom göttlichen Meister sowie durch meine Ermahnungen erhalten hast. Mässige von nun an deine ungeordnete Furcht und hege nicht mehr Zweifel, ob es wirklich der Herr sei, der zu dir spricht; denn die Lehre selber ist es, welche von ihrer Wahrheit Zeugnis gibt und über ihren Urheber und dich vergewissert, sie ist ja heilig, rein, vollkommen und ohne Makel; sie leitet dich zum Vollkommensten an; sie weist dich zurecht wegen eines jeden, auch des geringsten Fehlers, und überdies ist sie von deinen geistlichen Führern gutgeheissen. Ferner ist es mein Wille, dass du es dir nach meinem Beispiel zur unverbrüchlichen Regel machst, jeden Abend und jeden Morgen zu mir, deiner Lehrmeisterin, zu kommen, mir demütig deine Fehler zu sagen und mit vollkommenem Reueschmerz sie zu bekennen, damit ich deine Fürsprecherin sei bei dem Herrn und als Mutter dir Verzeihung erlange. Solltest du eine Sünde oder Unvollkommenheit begehen, so bekenne und beweine sie ohne Verzug und bitte, mit dem ernsten Verlangen dich zu bessern, den Herrn um Verzeihung. Wenn du diese meine Weisungen getreu befolgst, so wirst du, wie du es begehrst, meine und des Allerhöchsten Schülerin sein. Denn der Gnadenstand und die Reinheit der Seele sind die beste und vollkommenste Disposition zur Aufnahme des himmlischen Lichtes und der eingegossenen Wissenschaft, welche der Erlöser der Welt denen mitteilt, die seine wahren Schüler sind. BUCH FÜNF. LEHRE DER HEILIGSTEN JUNGFRAU MARIA. Wallfahrten der Heiligen Familie nach Jerusalem 736. Meine Tochter, ich lade dich aufs neue ein, von jetzt an als meine Schülerin und Freundin die himmlische Lehre auszuführen, welche mein göttlicher Sohn in den heiligen Evangelien und den übrigen heiligen Büchern seiner Kirche hinterlassen hat. Du sollst dein Herz mit neuem Eifer vorbereiten, damit es als auserwählte Erde den lebendigen und heiligen Samen des göttlichen Wortes aufnehme und hundertfältige Frucht bringe. Achte aufmerksam auf meine Worte; lies beständig die heiligen Evangelien und erwäge deren Lehre und Geheimnisse. Höre auf die Stimme deines Meisters und Bräutigams. Alle lädt er ein und ruft sie zu seinen Worten des ewigen Lebens; allein die Verblendung in diesem sterblichen Leben ist so gross, dass nur sehr wenige Seelen hören und verstehen wollen, welches der Weg des Lichtes ist. Viele folgen den Vergnügungen, welche ihnen der Fürst der Finsternis bietet; "wer aber in der Finsternis wandelt, der weiss nicht, wohin er geht'." Dich ruft der Herr auf den Weg des wahren Lichtes; folge diesem, indem du mich nachahmst, und du wirst dein Verlangen erreichen. Entsage allem Irdischen; denke nicht daran, betrachte, verlange es nicht; vermeide, bekannt zu werden; gestatte den Geschöpfen keinen Raum in deinem Herzen; bewahre dein Inneres, deinen Schatz vor der Verblendung der Menschen und bösen Geister. Alles dieses wird dir gelingen, wenn du als meine und meines göttlichen Sohnes Schülerin die Lehre des Evangeliums, in welcher wir dich unterrichten, mit schuldiger Vollkommenheit ausübst. Und um dich zum Streben nach einem so hohen Ziele anzuspornen, habe immer vor Augen, welch grosse Wohltat der Herr dir erwiesen hat, indem er dich berief, nach Verhältnis deiner Kräfte Novizin und Professin in Nachahmung meines Lebens, meiner Lehre und meiner Tugenden zu sein und in meine Fussstapfen zu treten. Von diesem Stande sollst du dann übergehen zu dem höheren Noviziate und zu der vollkommenen Profession der katholischen Religion, indem du die Lehre und das Beispiel des Erlösers der Welt befolgst und dem Geruch seiner Salben nachgehst auf den geraden Pfaden seiner Wahrheit. In (lern ersten Stande, als meine Schülerin, musst du dich vorbereiten, die Schülerin meines heiligsten Sohnes zu werden; beide Stände aber sollen dir dazu dienen, den letzten zu erreichen, nämlich die Vereinigung mit der unwandelbaren Wesenheit Gottes. Alle diese drei Stände sind Wohltaten von unaussprechlichem Wert; sie stellen dir zur Aufgabe, vollkommener zu werden als die hocherhabenen Seraphim. Die Hand des Herrn hat dir aber diese Wohltaten zu dem Zwecke gespendet, damit du dadurch bereitet, befähigt und tauglich werdest, die L. ehre, Unterweisung und Erleuchtung zu empfangen über mein Leben, mein Wirken, meine Tugenden und meine Geheimnisse und Gnadenvorzüge, auf dass du all dies beschreibst. Diese Barmherzigkeit hat dir der Herr ohne dein Verdienst, auf meine Fürbitte erwiesen. Ich habe diese in kräftiger Weise für dich eingelegt zur Belohnung dafür, dass du deinen furchtsamen Sinn dem Willen Gottes und deiner Oberen unterworfen hast, welche dir wiederholt aufgetragen haben, meine Lebensgeschichte zu schreiben. Der für deine Seele vorteilhafteste Lohn besteht in den genannten drei geistlichen, geheimnisvollen Ständen oder Wegen, die sehr erhaben, der Klugheit des Fleisches verborgen, Gott aber sehr wohlgefällig sind. Sie sind, wie dir aus Erfahrung bekannt ist, von den reichlichsten Belehrungen begleitet, damit du ihr Ziel erreichst. Schreibe diese Belehrungen in einer besonderen Abhandlung nieder; es ist dies der Wille meines heiligsten Sohnes. Gib ihr den Titel, welchen du in der Einleitung dieser Geschichte angekündigt hast, nämlich: "Gesetze der Braut, erhabene Grundsätze ihrer keuschen Liebe und Früchte, gesammelt vom Lebensbaume dieses Buches." BUCH FÜNF. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Eifer im Dienste Gottes 744. Meine Tochter, wenn du die Grösse deiner Verpflichtungen aufmerksam und ernstlich erwägst, so wird dir die Mühe, welche ich dir wiederholt auflege, nämlich die Gebote und das heilige Gesetz des Herrn zu erfüllen, sehr leicht und süss erscheinen. Dieses muss der erste Schritt deiner geistlichen Wanderschaft sein; denn es ist der Anfang und das Fundament aller christlichen Vollkommenheit. Ich habe dich aber oftmals belehrt, dass man die Gebote des Herrn nicht mit Launigkeit und Kälte, sondern mit allem Eifer und mit vollkommener Hingabe erfüllen soll. Diese Hingabe wird dich anspornen, ja nötigen, dich nicht mit einer gewöhnlichen Tugend zu begnügen, sondern auch freiwillig manche Werke der Übergebühr zu verrichten und aus Liebe zu tun, was Gott dir nicht als Pflicht auferlegt. Denn in seiner Weisheit wählte er diesen Weg, um sich seinen wahren Dienern und Freunden gleichsam zum Schuldner zu machen, wie er es gegen dich sein will. Bedenke, meine Tochter, dass der Weg dieses sterblichen Lebens zum ewigen Leben lang, mühevoll und gefährlich ist; lang wegen der Entfernung, mühevoll wegen der Schwierigkeiten, gefährlich wegen der Gebrechlichkeit des Menschen und der Arglist der Feinde. Zudem ist die Zeit kurz; das Ende ist ungewiss, entweder überaus glücklich oder im höchsten Grade unglücklich; das eine wie das andere aber unabänderlich. Seit der Sünde Adams hat das sinnliche, irdische Leben grosse Macht über diejenigen, die sich ihm hingeben; die Bande der Leidenschaften sind stark, der Streit der Leidenschaften ist ein beständiger. Was Vergnügen bietet, das ist den Sinnen gegenwärtig und blendet sie gar leicht; die Tugend dagegen ist in ihren Wirkungen mehr verborgen und liegt darum auch der Erkenntnis ferner. Alles dieses zusammen bewirkt, dass die Pilgerfahrt dieses Lebens voll Gefahren und Schwierigkeiten und ihr Ende ein unsicheres ist. 745. Unter allen Gefahren aber, denen die menschliche Gebrechlichkeit ausgesetzt ist, ist eine der grössten die, welche von der Begehrlichkeit des Fleisches herrührt. Eben weil der Mensch gebrechlich, das Fleisch aber ein Feind ist, welcher niemals schläft und zudem im Innern wohnt, darum gehen gerade durch diesen Feind gar viele Menschen der Gnade Gottes verlustig. Das kürzeste und sicherste Mittel, ihn zu besiegen, ist für dich, wie für alle, das Leben in Bitterkeit und Schmerz hinzubringen, den Sinnen keine Ruhe und kein Vergnügen zu gestatten und mit ihnen den unverbrüchlichen Vertrag zu schliessen, dass sie nichts beanspruchen und verlangen dürfen, als was die Notwendigkeit und die Vernunft erlauben. Zu dieser Sorge musst du noch die andere fügen, immer mit Eifer nach dem grösseren Wohlgefallen Gottes zu streben und nach dem letzten Ziel, welches du zu erreichen begehrst. Zu diesem Zwecke musst du immer darauf bedacht sein, mir nachzufolgen. Ich lade dich dazu ein, weil ich verlange, dass du die Fülle der Tugend und Heiligkeit erreichst. Erwäge also, wie pünktlich und eifrig ich so vieles getan, nicht weil der Herr es mir geboten hatte, sondern weil ich wusste, dass es zu seinem grösseren Wohlgefallen diene. Verrichte viele feurige Tugendakte, Andachten und geistliche Übungen; und bei allen richte beständig Gebete zum ewigen Vater für das Heil der Menschen. Suche überdies durch dein Beispiel und durch Ermahnungen den Menschen zu Hilfe zu kommen, soviel du nur kannst. Tröste die Traurigen, ermutige die Schwachen, hilf den Gefallenen und biete für alle, wenn es nötig wäre, Blut und Leben zum Opfer dar. Danke überdies meinem heiligsten Sohne, dass er die schändliche Undankbarkeit der Menschen mit solcher Nachsicht erträgt und dieselben trotzdem erhält, ja mit Wohltaten überhäuft. Denke an die unüberwindliche Liebe, welche er für sie gehegt hat und noch hegt, wie auch daran, dass ich diese seine Liebe teilte und zur Stunde noch teile. Ich will, dass du in einer so erhabenen Tugend deinem süssen Bräutigame und mir, deiner Lehrmeisterin, folgst. BUCH FÜNF. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Verhalten der Seele, der Gott seine Gegenwart entzieht 755. Meine Tochter, durch vielfache Erfahrung ist es den Sterblichen bekannt, dass man nicht ohne Schmerz verliert, was man liebt und mit Freude besitzt. Diese so bekannte und erprobte Wahrheit sollte den Kindern der Welt zu ihrer eigenen Beschämung die Einsicht beibringen, wie gross ihre Lieblosigkeit gegen ihren Gott und Schöpfer ist. Denn während es deren so viele sind, die ihn verlieren, sind es nur sehr wenige, die sich über diesen Verlust betrüben, weil sie niemals verdienten, durch die Wirksamkeit der Gnade ihn zu lieben und zu besitzen. Und weil der Verlust eines Gutes, das sie nicht lieben und nicht besassen, ihnen keinen Schmerz bereitet, so kümmern sie sich auch nicht darum, es zu suchen, nachdem sie es verloren haben. Es besteht indes ein grosser Unterschied zwischen den verschiedenen Arten, wie man das wahre Gut verliert, oder wie es sich der Seele entzieht. Denn etwas anderes ist es, wenn sich Gott der Seele verbirgt zur Prüfung ihrer Liebe und zur Vermehrung der Tugenden; und etwas anderes, wenn sich Gott von ihr entfernt zur Strafe für ihre Sünden. Das erstere ist ein Kunstgriff der göttlichen Liebe, mittels dessen sich der Herr einer Seele in reichlicherem Masse mitteilen will, falls die Seele darnach Verlangen trägt und dessen würdig ist. Das letztere aber ist eine gerechte Strafe des erzürnten Gottes. Bei der ersten Abwesenheit des Herrn demütigt sich die Seele in heiliger Furcht, in kindlicher Liebe und in ihrer Ungewissheit über die Ursache dieser Abwesenheit. Macht ihr auch das Gewissen keinen Vorwurf, so erkennt doch das schuldlose, liebevolle Herz die Gefahr, es fühlt den Verlust und ist, wie der Weise sagt', glückselig, weil es immer in Furcht ist wegen dieses Verlustes. Denn der Mensch weiss nicht, ob er der Liebe oder des Hasses Gottes würdig sei, sondern alles wird als ungewiss für das Ende aufbehalten'. Unterdessen aber ist das Los des Gerechten in diesem sterblichen Leben gewöhnlich nicht verschieden von dem des Sünders. 756. Dies ist aber, wie der weise Mann sagte, das Gefährlichste und Schlimmste von allem, was unter der Sonne geschieht; denn das Herz der Gottlosen wird voll der Bosheit und verhärtet sich in falscher Sicherheit, da sie sehen, dass es ihnen ergeht wie den anderen, und dass man nicht mit Sicherheit wissen kann, ob jemand auserwählt ist oder verloren geht, ob jemand Gottes Freund oder Feind, gerecht oder Sünder, der Liebe oder des Hasses würdig ist. Allein wenn die Menschen ohne Leidenschaft und Vorurteil ihr Gewissen befragen wollten, so würde es einem jeden die Wahrheit sagen, die er zu wissen braucht. Denn wenn das Gewissen Sünden vorhält, die man begangen hat, so wäre es die schändlichste Torheit, Übel und Leiden nicht sich selbst zuzuschreiben und nicht einzugestehen, dass man der Gnade beraubt ist und mit ihr das höchste und beste Gut verloren hat. Wäre die Vernunft frei, so müsste ein solcher den deutlichsten Beweis seines schlimmen Zustandes darin erblicken, dass er über den Verlust oder den Abgang der geistlichen Freude und der Wirkungen der Gnade keinen tiefen Schmerz empfindet. Denn wenn eine Seele, die doch für die ewige Seligkeit erschaffen und bestimmt ist, hierüber keinen Schmerz empfindet, so ist dies ein starkes Anzeichen, dass sie jene Seligkeit nicht liebt und nicht verlangt; denn sonst würde sie dieselbe mit allem Fleisse suchen, und zwar so lange, bis sie, soweit dies dem sterblichen Leben möglich ist, zu einer vernünftigen Hoffnung oder Überzeugung gelangt ist, dass sie das höchste Gut nicht durch eigene Schuld verloren habe. 757. Was mich betrifft, so hatte ich nur die körperliche Gegenwart meines Sohnes verloren, und die Hoffnung, ihn zu finden, war mir geblieben. Trotzdem liessen mir die Liebe und die Ungewissheit über den Grund seiner Abwesenheit keine Ruhe, bis ich ihn wiedergefunden hatte. Dieses mein Beispiel, liebe Tochter, musst du nachahmen, wenn du den Herrn verlieren solltest, mag dies nun geschehen durch deine Schuld oder durch liebevolle Fügung Gottes. Damit es aber nicht zur Strafe geschehe, musst du wohl auf der Hut sein und alle Kraft aufbieten, dass weder Trübsal noch Angst, weder Not noch Gefahr, weder Verfolgung noch Schwert, weder Höhe noch Tiefe von deinem höchsten Gute dich scheiden'; denn wenn du dem Herrn die schuldige Treue bewahrst und ihn nicht verlieren willst, so werden weder Engel, noch Mächte, noch Gewalten, noch ein anderes Geschöpf' imstande sein, dich des höchsten Gutes zu berauben. So fest ist das Band der göttlichen Liebe, so stark sind ihre Ketten, dass niemand dieselben zu sprengen vermag, als nur der eigene Wille des Menschen. BUCH FÜNF. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Eifer im Streben nach dem letzten Ziele 773. Meine Tochter, alle Werke meines göttlichen Sohnes, wie auch die meinigen sind reich an geheimnisvollen Lehren, wenn man sie mit Aufmerksamkeit und Ehrfurcht betrachtet. Unser Herr zog sich von mir zurück, damit ich mit Schmerz und Tränen ihn suche und dann mit Freude und geistigem Nutzen ihn finde. In diesem Geheimnis sollst du meinem Beispiel folgen; auch du sollst den Herrn mit bitterem Schmerz suchen, und dieser Schmerz soll dich zu einer ununterbrochenen Sorgfalt antreiben, so dass du in deinem ganzen Leben nicht ruhest, bis du ihn gefunden, um ihn zu halten und nimmer zu lassen. Damit du das Geheimnis des Herrn besser verstehst, so wisse: seine unendliche Weisheit leitet die Seelen in der Weise zur ewigen Seligkeit, dass er sie auf den Weg zu derselben stellt. Er zeigt ihnen dieselbe von ferne und lässt sie im Zweifel, ob sie dieselbe erreichen. Seine Absicht hiebei ist die, dass die Menschen, solange sie noch nicht zum Besitz der ewigen Seligkeit gelangt sind, beständig in Besorgnis und Schmerz leben. Diese Besorgnis aber soll im Menschen eine andauernde Furcht und einen immerwährende Abscheu vor der Sünde erzeugen, da die Sünde allein es ist, durch welche der Mensch die Seligkeit verlieren kann; sie soll ihn ferner antreiben, dass er sich im Getümmel des gesellschaftlichen Lebens nicht von den sichtbaren, irdischen Dingen umstricken und umgarnen lasse. Dieser Besorgnis gibt sodann der Schöpfer dadurch Nahrung, dass er zur natürlichen Vernunft die Tugenden des Glaubens und der Hoffnung fügt; diese aber erwecken die Liebe, durch welche man das letzte Ziel sucht und erreicht. Ausser diesen und anderen in der Taufe eingegossenen Tugenden sendet der Herr auch Einsprechungen und Gnadenhilfen; durch diese mahnt und weckt er die Seele, dass sie, solange sie seiner liebenswürdigen Gegenwart entbehrt, weder ihn noch sich selbst vergesse, sondern ihre Laufbahn fortsetze bis zum ersehnten Ziel, an welchem sie all ihr Verlangen und Sehnen erfüllt sehen wird. 774. Hieraus magst du erkennen, wie gross die Blindheit der Sterblichen ist, und wie gering die Zahl derer, welche sich Zeit nehmen, die wunderbare Ordnung ihrer Erschaffung und Rechtfertigung sowie die auf dieses erhabene Ziel hingerichteten Werke des Allerhöchsten mit Aufmerksamkeit zu betrachten. Die Folge dieser Vergessenheit sind alle die zahllosen Übel, denen die Sterblichen unterworfen sind, indem sie von den irdischen Gütern und trügerischen Freuden Besitz ergreifen, gleich als wären diese ihre Seligkeit und ihr letztes Ziel. Dies ist aber die ärgste Verkehrtheit gegen die von Gott gewollte Ordnung: die Menschen wollen in diesem kurzen, vergänglichen Leben das Irdische geniessen, als wäre es ihr letztes Ziel, während sie sich der Geschöpfe bedienen sollten, um das höchste Gut zu erreichen, nicht aber um es zu verlieren. Betrachte also wohl, meine Tochter, die Gefahr, welcher die menschliche Torheit sich aussetzt. Halte all ihre Vergnügungen und Freuden für Trug, ihr Lachen für Verirrung'; sage zur sinnlichen Befriedigung, dass sie sich umsonst täuschen lässt, dass sie die Mutter der Torheit ist, das Herz berauscht und alle wahre Weisheit vernichtet. Lebe beständig in heiliger Furcht, das ewige Leben zu verlieren, und erfreue dich nicht ausser im Herrn, bis du die Seligkeit erlangt hast. Fliehe den Umgang mit den Menschen; fürchte dessen Gefahren; und wenn du zuweilen aus Gehorsam, nach Gottes Willen und zu seiner Ehre mit den Menschen verkehren musst, so sollst du zwar auf Gottes Schutz vertrauen, darum aber nicht nachlässig und säumig sein in Anwendung der nötigen Vorsicht. Überlasse dich nicht deiner natürlichen Neigung zur Freundschaft und zum Verkehr mit den Menschen; hierin liegt für dich die grösste Gefahr; denn der Herr hat dir ein dankbares und weiches Gemüt gegeben, damit du seinen Wer ken desto leichter dich fügest und seine Wohltaten zu seiner Liebe verwendest. Gibst du aber der Liebe zu den Geschöpfen Zutritt, so werden sie dich ganz gewiss mit sich fortreissen und von dem höchsten Gute entfernen; und damit würdest du die Ordnung und die Werke seiner unendlichen Weisheit verkehren. Es ist aber ein unwürdiges Verhalten, wenn man das kostbarste Geschenk der Natur nicht auf den edelsten Gegenstand richtet. Erhebe dich über alles Erschaffene und über dich selbst; richte die Kräfte deiner Seele samt ihrem Wirken nach oben. Gib ihnen das edelste Ziel, nämlich die Wesenheit Gottes, die Vollkommenheiten meines geliebten Sohnes, deines Bräutigams, der schön ist vor allen Menschenkindern'. Ihn liebe aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüte. BUCH FÜNF. LEHRE welche mir Unsere Liebe Frau gab 783. Meine Tochter, ich habe dich oftmals in deinem Leben, namentlich seit der Zeit, da du mein Leben beschreibst, ermahnt und aufgefordert, mir nachzufolgen soweit es dir mit Gottes Gnade nur immer möglich ist. Ich erinnere dich jetzt aufs neue an diese deine Pflicht, da Gottes Güte dir ein so klares Verständnis über das Geheimnis verliehen hat, welches er in meinem Herzen wirkte, indem er in dasselbe das ganze Gesetz der Gnade, die ganze Lehre seines Evangeliums einschrieb. Du hast auch gesehen, welche Wirkung diese Gnade in mir hervorbrachte und wie ich mich durch treue und vollkommene Nachfolge meines allerheiligsten Sohnes und Lehrers für diese Gnade dankbar und erkenntlich zeigte. Die Erkenntnis, welche dir hierüber mitgeteilt wurde, sollst du als eine der grössten Gnaden betrachten, welche Gottes Majestät dir verliehen hat; denn du wirst in derselben, wie in einem überaus hellen Spiegel die Summe und den Inbegriff der grössten und höchsten Vollkommenheit finden; es werden vor deinem Geiste offen daliegen die Pfade des göttlichen Lichtes, auf denen du mit Sicherheit wandeln kannst, ohne in die Finsternis der Unwissenheit gehüllt zu sein, welche die übrigen Sterblichen umnachtet. 784. Komm also, meine Tochter, komm und folge mir nach! Damit du mich aber nachahmst, wie ich es verlange, mit erleuchtetem Verstand und aufwarts gerichtetem Geist, mit bereitwilligem Herzen und eifrigem Willen, so mache dich frei und schäle dich los von allem, wie dein Bräutigam es verlangt. Entsage allem Irdischen, lass alle Geschöpfe, verleugne dich selbst, verschliesse deine Sinne für den Trug der Welt und des Teufels. Wenn jedoch dieser Feind dich versucht, so lass dich dadurch nicht verwirren, nicht niederschlagen; denn wenn es ihm gelingt, dich im Voranschreiten aufzuhalten, so hat er damit schon einen grossen Sieg über dich errungen, und du wirst in der Vollkommenheit nicht erstarken. Achte also auf den Herrn; er verlangt sehnsüchtig, deine Seele schön zu sehen; freigebig will er ihr diese Schönheit verleihen. Er ist mächtig, um die Schätze seiner Weisheit in ihr niederzulegen, und eifrig besorgt, um dich zur Annahme derselben zu bewegen. Lass ihn das göttliche Gesetz seines Evangeliums in dein Herz einschreiben. Studiere und erwäge dasselbe bei Tag und bei Nacht. Es sei der Gegenstand deiner Gedanken, es sei die Nahrung und das Leben deiner Seele, es sei der Himmelstrank, aus dem du geistige Wonnen schöpfest. Auf diese Weise wirst du erreichen, was der Allerhöchste von dir verlangt, was ich von dir will, und wonach du selber begehrst. BUCH FÜNF. LEHRE welche mir die göttliche Mutter gab 792. Meine Tochter, der Allerhöchste, welcher aus reiner Liebe und Güte allen Geschöpfen das Dasein verliehen hat und noch verleiht und keinem einzigen derselben seine liebevolle väterliche Vorsehung verweigert, spendet auch in treuester Liebe allen Seelen sein Licht, damit sie zu seiner Erkenntnis und dadurch auf den Weg des ewigen Lebens gelangen, wenn nur die Seele selbst nicht durch ihre Sünden dieses Licht abweist und verdunkelt und auf den Erwerb des Himmelreichs verzichtet. Doch zeigt Gott sich freigebiger gegen jene Seelen, welche er nach seinen verborgenen Ratschlüssen in seine Kirche beruft; denn in der Taufe giesst er ihnen mit der heiligmachenden Gnade auch die Tugenden ein, die man teils "wesentlich eingegossen" nennt, und welche niemand durch sich selbst erwerben kann, teils "akzidentell eingegossen", welche nämlich eine Seele auch durch eigene Tätigkeit erwerben kann. Gott verleiht ihr dieselben zum voraus, damit sie desto williger und eifriger sei, sein heiliges Gesetz zu beobachten. Anderen Seelen verleiht er in seiner Güte ausser diesem gewöhnlichen Licht des Glaubens besondere übernatürliche Gaben, nämlich höhere Erkenntnis, um die Geheimnisse des evangelischen Gesetzes zu verstehen, und grössere Kraft, um darnach zu handeln. Diese Gnaden hat Gott dir freigebiger verliehen als tausend anderen. Dadurch hat er dich verpflichtet, dass auch du dich in der schuldigen Liebe und Dankbarkeit auszeichnest und allezeit in tiefster Demut und Selbsterniedrigung verharrst. 793. Damit du aber von allen unterrichtet seist, will ich dir als Lehrmeisterin mit mütterlicher Liebe und Sorgfalt zeigen, mit welcher Arglist der Satan die Werke des Herrn zu zerstören trachtet. Von der Stunde an, da eine Seele zum Gebrauche der Vernunft gelangt, folgt ihr eine Menge böser Geister mit Aufmerksamkeit auf dem Fusse nach. Zur Zeit also, da die Seelen ihren Geist zur Erkenntnis Gottes erheben und die in der Taufe eingegossenen Tugenden zu üben beginnen sollten, trachten diese bösen Geister mit unglaublicher Wut und Arglist jenen göttlichen Samen auszureissen oder wenigstens zu verhindern, dass er Frucht bringe, indem sie die Menschen zu sündhaften, unnützen, eitlen Handlungen verleiten. Durch diese gottlosen Pläne suchen sie die Seelen zu zerstreuen, damit sie von dem Glauben, der Hoffnung und den anderen (eingegossenen) Tugenden keinen Gebrauch machen, sich nicht erinnern, dass sie Christen sind, und um die Erkenntnis Gottes, der Geheimnisse der Erlösung und des ewigen Lebens sich nicht kümmern. Überdies flösst der böse Feind den Eltern eine grobe Nachlässigkeit oder aber eine blinde weltliche Liebe für ihre Kinder ein; die Lehrer dagegen treibt er zur Gleichgültigkeit an, dass sie die schlechte Erziehung nicht bemerken und es geschehen lassen, wenn die Kinder verdorben werden, viele schlechte Gewohnheiten annehmen, dagegen die Tugenden und guten Neigungen verlieren und so auf dem Wege des Verderbens wandeln. 794. Doch der erbarmungsvollste Herr lässt nich nach, dieser Gefahr entgegenzuwirken. Er gibt neues, inneres Licht durch heilige Einsprechungen und neue Gnadenhilfen, durch den kirchlichen Unterricht von seiten der Prediger und Priester, durch den Gebrauch der heiligen Sakramente und durch andere Mittel, welche er gebraucht, um die Seelen auf den Weg des Lebens zurückzubringen. Wenn nun trotz so vieler Hilfsmittel die wenigsten auf den Weg des Heils zurückkehren, so liegt die Ursache hievon hauptsächlich in den Lastern und bösen Gewohnheiten, weche sie in ihrer Kindheit mit der Muttermilch eingesogen haben. Denn wahr ist der Ausspruch im Deuteronomium: "Wie die Tage deiner Jugend, so dein Alter'." Dadurch gewinnen die bösen Geister grössere Keckheit und gewaltsamere Herrschaft über die Seelen, denn sie denken: haben wir dieselben beherrscht, solange deren Sünden weniger und kleiner waren, so wird uns dies noch leichter sein, wenn sie ohne Scheu vieler und grösserer sich schuldig machen. Zu solchen Sünden reizen sie dann auch die Menschen an und flössen ihnen eine immer blindere Verwegenheit ein. Durch jede Sünde verliert dann die Seele mehr geistige Kraft und wird dem bösen Feinde untertäniger. Dieser Tyrann aber, vollständig Herr geworden, wirft die Seele durch Sünde und Elend bis unter die Füsse seiner Bosheit und schleppt sie, wohin er will, von einem Sturz zum anderen, von einem Abgrund zum andern: eine wohlverdiente Strafe für den, der sich durch die erste Sünde dem bösen Feinde unterworfen hat. Durch diese Mittel hat Luzifer eine Unzahl Seelen in die Hölle gestürzt, und er tut es noch jeden Tag, indem er sich in immer grösserem Stolze gegen Gott erhebt. Auf diese Weise ist er Herr geworden in der Welt und hat bewirkt, dass man die letzten Dinge des Menschen, Tod, Gericht, Hölle und Himmel, vergisst. Auf diesem Wege hat er soviele Nationen von Abgrund zu Abgrund fortgerissen, bis sie in die blinden, tierischen Irrtümer gerieten, wie man sie unter den Ketzern und bei den falschen Sekten der Ungläubigen findet. Darum achte, meine Tochter, auf diese schreckliche Gefahr; lass niemals aus deinem Gedächtnis schwinden die Gebote Gottes, die Lehren des Evangeliums, die katholischen Wahrheiten. Lass keinen Tag vorübergehen, ohne lange Zeit darüber nachzudenken. Denselben Rat gib auch deinen Nonnen und allen, die auf dich hören; denn ihr Widersacher, der Satan, ist unaufhörlich bemüht, ihren Verstand zu verdunkeln, damit derselbe das göttliche Gesetz vergesse und den Willen, dieses an sich blinde Seelenvermögen, nicht zu den Werken des Heiles antreibe, welches man nicht anders erlangt, als durch lebendigen Glauben, feste Hoffnung, glühende Liebe und durch ein zerknirschtes, gedemütigtes Herz. BUCH FÜNF. LEHRE DER HEILIGSTEN HIMMELSKÖNIGIN MARIA 805. Meine Tochter, für den wahren Lehrmeister der Tugend geziemt es sich, dass er lehre, was er tut, und dass er tue, was er lehrt. Sagen und Tun sind die beiden Obliegenheiten des Lehramtes. Die Worte sollen belehren, das Beispiel aber soll bewegen und das Gelehrte beglaubigen, damit man es annehme und ausführe. Alles dieses hat mein allerheiligster Sohn beobachtet,', und nach seinem Beispiel auch ich. Weil aber weder Seine Majestät noch ich immer in der Welt verbleiben wollten, so beschloss der Herr, als einen Abriss seines und meines Lebens die heiligen Evangelien zu hinterlassen, damit die Kinder des Lichtes durch den Glauben an die Lehre des Evangeliums und durch die Befolgung derselben ihr Leben nach dem Leben ihres Meisters einrichten. In dem Evangelium ist die Lehre, in welcher der Herr mich unterwiesen und zu deren Beobachtung er mich angehalten hat, gleichsam lebendig vor Augen gestellt. Daraus siehst du aber auch, welchen Wert die heiligen Evangelien haben, wie hoch du dieselben schätzen und wie sehr du sie verehren sollst. Ich sage dir, dass es meinem göttlichen Sohne und mir zur grossen Ehre und Freude gereicht, wenn seine göttlichen Worte und die Beispiele seines Lebens bei den Menschen die gebührende Hochachtung und Ehrfurcht finden. Dagegen betrachtet es der Herr als eine grosse Unbill, wenn die Kinder der Kirche seine Evangelien und seine Lehre vergessen. Und doch gibt es so viele Kinder der Kirche, welche für diese Wohltat weder Verständnis, noch Aufmerksamkeit, noch Dankgefühl haben und nicht einmal darandenken, wie wenn sie Heiden wären oder des Glaubenslichtes entbehrten. 806. Was dich betrifft, so bist du in dieser Hinsicht zum grössten Danke verpflichtet; denn dir hat der Herr zu erkennen gegeben, welche Verehrung und Hochschätzung ich für die Lehre des Evangeliums gehabt habe und welche Anstrengung ich mich kosten liess, sie ins Werk zu setzen. Zwar hast du diese meine Erkenntnis und mein Verhalten nicht nach dem ganzen Umfange verstehen können, denn dies übersteigt deine Fassungskraft; allein soviel ist gewiss, dass ich, was diese Gnade betrifft, gegen niemand so gütig und freigebig gewesen bin, wie gegen dich. Sei also sorgfältig darauf bedacht, diese Gnade zu benützen und die Liebe, welche dir für die Heilige Schrift, besonders für die Evangelien und ihre himmlische Lehre eingeflösst worden ist, nicht zu vernachlässigen. Diese Lehre muss die Leuchte deines Herzens, mein Leben muss das Muster und Vorbild sein, nach welchem du das deinige einrichtest. Bedenke, wie wichtig es ist und wieviel daran liegt, dass du hierauf alle Sorgfalt verwendest; bedenke nur, dass du dadurch meinem Sohn und Herrn Freude machst, und dass ich dafür aufs neue die Verpflichtung auf mich nehme, deine Mutter und Lehrmeisterin zu sein. Zittere vor der Gefahr, in welcher sich derjenige befindet, der die Einsprechungen Gottes nicht achtet. Zahllose Seelen gehen verloren, weil sie dieselben nicht beachten. Und weil die Einsprechungen, welche von der freien Güte des Allmächtigen dir zukommen, so zahlreich und wunderbar sind, so würde eine Missachtung derselben von deiner Seite eine strafwürdige Undankbarkeit und ein Gegenstand des Abscheues sein für den Herrn, für mich und für alle Heiligen Gottes. BUCH FÜNF. LEHRE, welch mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Hochschätzung des Glaubens 815. Meine Tochter, im sterblichen Leben ist es unmöglich, die Gefühle und Akte zu begreifen, zu welchen ich angeregt wurde durch den Glauben und die eingegossene Erkenntnis der Artikel, welche mein heiligster Sohn für die heilige Kirche bereitete. Es ist nicht anders möglich, als dass die Worte dir fehlen, um auszusprechen, was du verstanden hast; denn alle Worte, welche ein im Fleische lebender Mensch zu erreichen vermag, sind unzureichend, um von diesem Geheimnisse eine Vorstellung zu geben oder es zu erklären. Was ich dir aber auftrage und befehle, und was du mit der göttlichen Gnade auch zu leisten vermagst, ist dies, dass du den gefundenen Schatz der Erkenntnis und Wissenschaft so ehrwürdiger Geheimnisse mit aller Ehrfurcht und Sorgfalt bewahrest. Denn als Mutter sage ich dir und tue dir kund, dass deine Feinde mit grausamer Arglist darauf ausgehen, dir diesen Schatz zu rauben. Trage also Sorge und sei voll Umsicht, dass sie dich mit "Kraft umgürtet" und deine "Hausleute", d. h. deine Sinne und Seelenkräfte "doppelt gekleidet" finden, nämlich durch innere und äussere Wachsamkeit gegen die Stürme der Versuchungen. Die Angriffswaffen, welche dir zum Sieg über alle, die dich bekriegen, verhelfen, seien die Artikel des katholischen Glaubensbekenntnisses. Das beständige, lebendige Andenken, der feste Glaube daran und das aufmerksame Betrachten derselben erleuchtet die Seelen, zerstreut die Irrtümer, deckt die Betrügereien des Satans auf und macht dieselben verschwinden, wie die Strahlen der Sonne ein leichtes Wölkchen. Überdies ist es eine geistige Nahrung und Speise, welche die Seelen stark macht, um die Schlachten des Herrn zu schlagen. 816. Wenn die Gläubigen diese und andere, noch grössere und wunderbarere Wirkungen des Glaubens nicht an sich erfahren, so ist die Schuld nicht auf seiten des Glaubens, als ob dieser die Kraft nicht hätte, solche Wirkungen hervorzubringen, sondern sie ist auf seiten der Gläubigen, von denen die einen den Glauben vergessen und vernachlässigen, andere aber einem fleischlichen und tierischen Leben sich blindlings hingeben, die Gnade des Glaubens ganz unbenützt lassen und kaum daran denken, von dem Glauben Gebrauch zu machen, als ob sie ihn nie empfangen hätten. Sie sehen doch, dass die Heiden diese Gnade nicht haben, und bedauern, wie es ganz natürlich ist, deren unglücklichen Zustand; und doch sind sie viel schlechter als die Heiden, weil sie eine so grosse und himmlische Gabe mit so entsetzlicher Undankbarkeit und Verachtung behandeln. Von dir aber, meine liebste Tochter, verlange ich, dass du mit tiefer Demut und feuriger Inbrunst für den Glauben dankest, durch unablässige und heldenmütige Akte ihn übest und die Geheimnisse, welche er dich lehrt, allezeit betrachtest, damit du, von allem Irdischen frei, der überaus süssen und göttlichen Wirkungen teilhaftig werdest, die er hervorbringt. Diese Wirkungen werden aber in dir um so mächtiger und stärker sein, je lebendiger und klarer die Erkenntnis ist, welche der Glaube dir gibt. Wenn du aber deinerseits den gehörigen Fleiss anwendest, so wird das Licht zunehmen; du wirst eine immer tiefere Erkenntnis erhalten über die erhabenen und wunderbaren Geheimnisse des Glaubens, z. B. über die Wesenheit des dreieinigen Gottes, über die persönliche Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur, über das Leben, den Tod und die Auferstehung meines allerheiligsten Sohnes und über alle seine Werke. Auf diese Weise wirst du die Süssigkeit des Glaubens kosten und reiche Früchte an Verdiensten sammeln, welche dich der ewigen Ruhe und Seligkeit würdig machen. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Eifer in Erfüllung des göttlichen Gesetzes 828. Meine Tochter, der Sohn Gottes ist aus dem Schosse des ewigen Vaters niedergestiegen, um in meinem Schosse Mensch zu werden und in seiner Menschheit das Menschengeschlecht zu erlösen. Er ist gekommen, um diejenigen, welche in Finsternis und Todesschatten sassen', zu erleuchten und zur Seligkeit zu führen, die sie verloren hatten. Darum war es notwendig,dasserihr Licht, ihr Weg, ihre Wahrheit und ihr Leben wurde. Es war notwendig, dass er ihnen ein Gesetz gebe, so heilig, dass es sie rechtfertigt; so klar, dass es sie erleuchtet; so sicher, dass es ihnen Zuversicht gibt; so mächtig, dass es sie bewegt; so wirksam, dass es ihnen hilft; endlich so wahr, dass es allen, welche es beobachten, Freude und Weisheit verleiht. Nun hat das unbefleckte Gesetz des Evangeliums in seinen Geboten und Räten wirklich die Kraft, alle die genannten und noch andere wunderbare Wirkungen hervorzubringen. Esleitet und ordnet die vernünftigen Geschöpfe in einer Weise, dass in der Beobachtung desselben allein ihr ganzes geistiges und leibliches, zeitliches und ewiges Wohl besteht. In Anbetracht dieser Wahrheit magst du auch erkennen, in welcher Verblendung die Sterblichen dahinleben, und wie sehr sie von ihren Todfeinden betrogen und bezaubert sind; sie alle haben einen mächtigen Drang und ein Verlangen nach der eigenen Glückseligkeit, und doch sind es nur wenige, welche dazu gelangen; der Grund ist der, weil sie die Glückseligkeit nicht da suchen, wo sie allein zu finden ist, im göttlichen Gesetze. 829. Da du nun dieses weisst, so mache dein Herz bereit, damit der Herr sein heiliges Gesetz in dasselbe schreibe, wie er es in das meinige geschrieben hat. Reisse dich los von allem Sichtbaren und Irdischen und schlage es dir so sehr aus dem Sinne, dass alle deine Seelenkräfte von irdischen Gedanken und Vorstellungen frei und ledig seien und nur diejenigen Gedanken sich darin finden, welche der Finger des Herrn in deine Seele einprägt, die Gedanken an den Willen Gottes und an die Lehre des Herrn, wie sie in den Wahrheiten des Evangeliums enthalten ist. Damit aber dein Verlangen nicht eitel und unfruchtbar bleibe, so flehe unablässig, bei Tag und bei Nacht, zum Herrn, dass er dich dieser Gnade und Verheissung meines allerheiligsten Sohnes würdig mache. Betrachte mit Aufmerksamkeit, dass eine Nachlässigkeit in dieser Hinsicht an dir weit verwerflicher wäre als bei anderen Menschen; denn keinen von ihnen hat der Herr mit solcher Macht und durch solche Wohltaten zu seiner göttlichen Liebe gerufen und angetrieben wie dich. Diese deine Verpflichtung und die Eifersucht des Herrn musst du dir von Augen halten sowohl am Tage des Überflusses, als in der Nacht der Versuchung und Trübsal, damit weder die Gnaden dich erheben, noch die Leiden und Trübsale dich niederdrücken. Dies wirst du erreichen, wenn du dich im einen wie im anderen Zustande an das deinem Herzen eingeschriebene Gesetz Gottes hälst, um es unverletzlich, ohne Lauigkeit und Sorglosigkeit, mit aller Vollkommenheit und Aufmerksamkeit zu beobachten. Was die Nächstenliebe betrifft, so musst du immer jene oberste Regel, welche den Maßstab der Nächstenliebe bildet, in Anwendung bringen und befolgen, nämlich dem Nächsten zu wünschen, was du dir selber wünschst. Willst und verlangst du, dass die Nebenmenschen Gutes von dir denken und reden und Gutes dir tun, so tue ein Gleiches deinen Brüdern. Fühlst du es schmerzlich, wenn andere in einer auch noch so unbedeuten-den Sache dich beleidigen, so hüte dich, anderen auf solche Weise lästig zu fallen. Und missfällt es dir an anderen, wenn sie ihre Nebenmenschen betrüben, so tue du dies nicht auch selbst; denn du weisst ja, dass dieses der obenerwähnten Regel sowie dem Gebote des Herrn widerstreitet. Beweine auch deine und deiner Mitmenschen Sünden, weil sie eine Beleidigung Gottes und eine Verletzung seines heiligen Gesetzes sind. Es ist dies eine sehr gute Übung der Liebe sowohl gegen den Herrn als gegen die Mitmenschen. Trauere über fremde Leiden, wie über die deinen, und folge auch in dieser Art der Liebe meinem Beispiele. BUCH FÜNF. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN. Lehre: Undank der Menschen für die Gnade der hl. Sakramente 843. Meine Tochter, ich habe dir schon oft vorgestellt, wie beleidigend es für den Allerhöchsten und wie gefährlich es für euch Menschen ist, wenn ihr die Wunderwerke vergesst und geringachtet, welche er in unendlicher Güte zu euerem Heil vollbracht hat, Die Mutterliebe treibt mich an, das Andenken daran und den Schmerz über ein so beklagenswertes Verderben aufs neue in dir anzuregen. Wo ist doch Sinn und Verstand der Menschen, dass sie ihr ewiges Heil und die Ehre ihres Schöpfers und Erlösers zu ihrer eigenen grössten Gefahr geringschätzen? Die Pforten der Gnade und Glorie stehen weit offen, sie aber wollen nicht eintreten; ja wenn ihnen von dort Licht und Leben entgegenkommt, so verschliessen sie ihre Türen, damit dasselbe nicht eindringe in ihre Herzen, die voll Finsternis und Tod sind. 0 mehr als unmenschliche Grausamkeit des Sünders deine Krankheit ist tödlich, die gefährlichste unter allen, und du willst das Heilmittel nicht annehmen, das aus reiner Gnade dir angeboten wird! Welcher Tote würde sich nicht zum Dank verpflichtet glauben, wenn man ihm das Leben wiedergäbe? Welcher Kranke würde nicht dem Arzte danken, der ihn von schmerzlicher Krankheit befreit? Wenn nun die Menschenkinder dies einsehen und jenen dankbar zu sein wissen, welche ihnen Gesundheit und Leben des Leibes geben, das sie doch bald verlieren müssen und durch welches sie nur neuen Gefahren und Mühen ausgesetzt werden. wie töricht und hartherzig sind sie dann, da sie keine Dankbarkeit und keine Erkenntlichkeit gegen denjenigen tragen, welcher ihnen das Heil der Seele und ein Leben ewiger Ruhe geben und sie erlösen will aus Peinen, welche kein Ende nehmen und an Grösse jede Fassungskraft übersteigen! 844. 0 meine liebste Tochter, wie kann ich diejenigen als meine Kinder anerkennen, die auf solche Weise meinen einzigen und liebevollsten Sohn und Herrn verachten und seine freigebige Güte geringschätzen? Die Engel und Heiligen des Himmels kennen diese Güte und staunen über den Stumpfsinn und die Undankbarkeit der Erdenpilger und über die gefährliche Lage, in welcher diese sich befinden. Sie sehen es, wie sehr das gerechte Verfahren Gottes begründet ist. Ich habe dir im Verlaufe dieser Geschichte schon vieles über diese Geheimnisse mitgeteilt; jetzt sage ich dir noch mehreres darüber, damit du im Schmerze meine Nachfolgerin und Begleiterin seiest. Weine auch du bitterlich über ein so unseliges Elend, dass Gott der Herr so ungemein beleidigt worden ist und noch beleidigt wird. Ich wünsche, dass du keinen Tag vorübergehen lassest, ohne Seiner Majestät demütig dafür zu danken, dass er die heiligen Sakramente eingesetzt hat und den Missbrauch derselben von seiten der schlechten Christen geduldig erträgt. Empfange du sie mit tiefer Ehrfurcht, mit lebendigem Glauben und mit festem Vertrauen. Und da du das heilige Sakrament der Busse sehr liebst, so trachte, demselben mit der Vorbereitung und mit Beobachtung aller der Bedingungen zu nahen, welche die heilige Kirche und ihre Lehrer zum fruchtreichen Empfange desselben verlangen. Empfange es täglich mit reumütigem und dankbarem Herzen; und sooft du einen Fehler an dir findest, wende ohne Verzug das Heilmittel dieses Sakramentes an. Wasche und reinige deine Seele; denn es ist eine schreckliche Nachlässigkeit, wenn man sich mit einer Sünde bemakelt sieht und, ich will nicht sagen lange Zeit, auch nur einen Augenblick verstreichen lässt, um sich von dem Schmutze derselben zu reinigen. 845. Ganz besonders aber wünsche ich, dass du einsehest, wie gross der Zorn des allmächtigen Gottes gegen diejenigen ist, welche in wahnsinniger Frechheit und Verwegenheit die heiligen Skramente und insbesondere das allerheiligste Sakrament des Altares unwürdig empfangen. Freilich wird es dir nicht möglich sein, diesen Zorn nach seiner ganzen Grösse vollkommen zu fassen. 0 Seele, wie schwer wiegt diese Verschuldung in den Augen des Herrn und seiner Heiligen! Allein nicht bloss der unwürdige Empfang der heiligen Kommunion ist so schuldbar, es sind auch die Unehrerbietigkeiten, welche in den Kirchen vor den Augen der göttlichen Majestät begangen werden, sündhaft. Wie können die Kinder der Kirche behaupten, einen lebendigen und ehrfurchtsvollen Glauben an das allerheiligste Sakrament des Altars zu haben, wenn sie, obwohl der Herr an so vielen Orten darin gegenwärtig ist, ihn dennoch nicht nur nicht besuchen und anbeten, sondern in seiner Gegenwart Sakrilegien begehen, wie sie nicht einmal die Heiden bei ihrem Götzendienste sich erlauben! Das ist eine Sache, über welche gar vieles zu sagen und viele Bücher zu schreiben wären; ich sage dir aber, meine Tochter, dass die Menschen in der gegenwärtigen Zeit die Gerechtigkeit des Herrn gar sehr erzürnt haben, so dass ich ihnen nicht einmal sagen kann, was ich in meiner Barmherzigkeit ihnen zu ihrem Heile sagen möchte. Was sie aber jetzt wissen müssen, ist dies, dass ihr Gericht furchtbar und ohne Erbarmen sein wird, da sie als böse und untreue Knechte aus ihrem eigenen Munde verurteilt werden'. Du kannst dies allen, welche auf dich hören wollen, mitteilen und allen den Rat geben, womöglich jeden Tag eine Kirche zu besuchen, in welcher das allerheiligste Altarssakrament aufbewahrt wird, um es ehrerbietig anzubeten. Auch mögen sie trachten, die heilige Messe täglich mit Ehrfurcht anzuhören; denn die Menschen wissen nicht, wieviel sie durch Nachlässigkeit in diesem Punkte verlieren. BUCH FÜNF. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Steter Hinblick auf das Beispiel Jesu 853. Meine Tochter, einer der Gründe, warum die Menschen mich Mutter der Barmherzigkeit nennen müssen, ist die mitleidsvolle Liebe, mit welcher ich innigst verlange, dass alle Sterblichen dazu gelangen, gesättigt zu werden von dem Strome der Gnade und die Süssigkeit des Herrn zu kosten', wie ich sie gekostet habe. Alle lade ich ein, alle rufe ich, dass sie voll Durst mit mir kommen zu den Gewässern der Gottheit. Es mögen kommen die Ärmsten und Betrübtesten; wenn sie mir nur gehorchen und folgen, so biete ich ihnen meinen mächtigen Schutz und Schirm an. Ich werde ihre Mittlerin sein bei meinem Sohne und das "verborgene Manna" ihnen erflehen, das ihnen Nahrung und Leben verleiht. Komme du, meine Freundin, komme; nähere dich, meine liebe Tochter, und folge mir, damit du den "neuen Namen" erhaltest, den niemand kennt, als wer ihn empfängt'. Erhebe dich aus dem Staube, schüttle ab und wirf weg alles Irdische und Vergängliche und nähere dich dem Himmlischen! Verleugne dich selbst und alle Werke der menschlichen Gebrechlichkeit. Und da du im Lichte der Wahrheit die Werke erkennst, welche mein heiligster Sohn verrichtet hat, und welche auch ich nach seinem Beispiele verrichtet habe, so betrachte dieses Vorbild und beschaue dich in diesem Spiegel, damit du die Schönheit erlangst, welche der allerhöchste König in dir zu sehen verlangt und begehrt'. 854. Und weil dieses das mächtigste Mittel ist, um zur ersehnten Vollkommenheit in deinem ganzen Tun und Lassen zu gelangen, so wünsche ich, dass du als Regel aller deiner Handlungen die Mahnung in dein Herz einschreibst, die ich dir jetzt geben will: Sooft du irgendeine Handlung vornehmen willst, sei es eine innere oder eine äussere, so gehe zuvor mit dir selbst zu Rate und erwäge, ob auch mein allerheiligster Sohn und ich das sagen oder tun würden, was du sagen oder tun willst, und mit welch gerader Meinung wir es auf die Ehre des Allerhöchsten und auf das Wohl unserer Mitmenschen beziehen würden. Erkennst du, dass wir es getan haben, oder dass wir es in solcher Meinung tun würden, so tue es, um uns gleichförmig zu werden. Findest du aber das Gegenteil, so warte und tue es nicht. Es ist das eine Lehre, welche ich meinem Herrn und Meister gegenüber selbst befolgt habe, wiewohl ich kein Widerstreben gegen das Gute hatte wie du, sondern im Gegenteil sehnlich begehrte, ihm auf das vollkommenste nachzufolgen. Diese Nachfolge des Herrn ist es, welche eine fruchtreiche Teilnahme an seiner Heiligkeit verleiht; denn sie gibt Anweisung und Antrieb, um in allem das Vollkommenste und Gott Wohlgefälligste zu tun. Überdies ermahne ich dich, dass du von heute an kein Werk tust, kein Wort redest und keinen Gedanken hegest, ohne mich um Erlaubnis zu bitten, bevor du dich dazu entschliesst. Gehe mit mir darüber zu Rate, als mit deiner Mutter und Lehrmeisterin. Und wenn ich dir antworte, so sage dem Herrn dafür Dank; wenn ich dir aber nicht antworte und du verharrst dennoch treu in dieser Übung, so gebe ich dir die Versicherung und das Versprechen von seiten des Herrn, dass er dich einsehen lassen wird, was seinem vollkommensten Willen am meisten entspricht. Indes musst du alles dieses im Gehorsam gegen deinen geistlichen Vater tun. Vergiss niemals diese Übung! BUCH FÜNF. LEHRE, welche Maria, die heiligste Himmelskönigin, mir gab. Lehre: Pflicht der Arbeit 861. Meine Tochter, was du in bezug auf meine Arbeiten geschrieben hast, bietet dir eine sehr erhabene Lehre, wie du in der Führung deines Amtes meinem Beispiele folgen sollst. Damit du aber nicht alles vergessest, will ich dir die ganze Lehre in folgende Hauptpunkte zusammenfassen. Du sollst mich besonders in drei Tugenden nachahmen, die du dem Gesagten gemäss an mir wahrgenommen hast, in der Klugheit, in der Liebe und in der Gerechtigkeit. Es sind das Tugenden, welche von den Sterblichen wenig beachtet werden. Vermöge der Klugheit musst du auf die Bedürfnisse deines Nächsten und auf die Art und Weise, wie du denselben deinem Stande gemäss abhelfen kannst, zum voraus bedacht sein. Die Liebe muss dir Eifer und Hingebung einflössen, um wirkliche Abhilfe zu treffen. Die Gerechtigkeit aber sagt dir, dass es Pflicht ist, anderen das zu tun, was du für dich selbst verlangen könntest, und was die Not des Dürftigen erheischt. Dem Blinden musst du Auge sein' und dem Tauben Ohr; dem, der keine Hände hat, müssen deine Hände dienen, d. h. du musst für ihn arbeiten. Das ist eine Mahnung, welche du deinem Amte gemäss in geistlichen Dingen beständig ausführen musst; du sollst sie aber in treuester Nachahmung meines Beispiels auch in Hinsicht auf das Zeitliche befolgen. Ich bin den Bedürfnissen meines Bräutigams zuvorgekommen und habe alles getan, ihm zu dienen und den Lebensunterhalt zu verschaffen, weil ich dies für meine Pflicht hielt. Und ich habe dies mit innigster Liebe getan, indem ich bis zu seinem Tode Handarbeit verrichtete. Der Herr hatte mir den hl. Joseph gegeben, damit er mir den Lebensunterhalt verschaffe, und dies hat er mit grösster Treue getan, so lange seine Kräfte es zuliessen. Als aber seine Kräfte schwanden, war die Verpflichtung auf meiner Seite. Mir hat der Herr die Kräfte dazu gegeben, und es wäre ein grosser Fehler gewesen, wenn ich nicht mit treuer Liebe seinem Willen entsprochen hätte. 862. Dieses Beispiel wird von den Kindern der Kirche nicht beachtet; und darum hat unter ihnen ein ganz schlimmer, unchristlicher Gebrauch eingerissen, welcher den gerechten Richter nötigt, mit strengen Züchtigungen gegen sie einzuschreiten.Währenddoch alle Menschen zur Arbeit geboren werden', und dies nicht erst infolge des Sündenfalls, wodurch ihnen die Arbeit zur Strafe geworden ist, sondern überhaupt seit Erschaffung des ersten Menschen, so wird doch die Arbeit nicht auf alle verteilt, sondern die Mächtigeren, Reicheren und überhaupt alle jene, welche von der Welt "Herren" und "Hochgeborne" genannt werden, suchen sich diesem allgemeinen Gesetze zu entziehen. Die Arbeit soll den Niedrigen und Armen im Staate aufgebürdet sein. Diese letzteren müssen mit ihrem Schweisse den Luxus und die Hoffart der Reichen unterhalten; der Schwache und Gebrechliche muss dem Starken und Mächtigen dienen. Bei vielen Kindern der Hoffart hat diese schlimme Gewohnheit so sehr überhand genommen, dass sie meinen, man sei ihnen solche Dienste schuldig, und in dieser Anschauung bedrücken und verachten sie die Armen und treten sie mit Füssen. Sie beanspruchen, dass die Armen nur für sie leben, damit sie sich dem Müssiggang hingeben, die Vergnügungen dieser Welt geniessen und ihrer Güter sich erfreuen können. Ja sie bezahlen nicht einmal den geringen Liedlohn, den der Arme für seine Arbeit verdient. Was diesen Punkt betrifft, dass die Armen und Dienenden nicht erhalten, was ihnen gehört, könntest du, wie überhaupt in vielen anderen Dingen, die dir gezeigt wurden, gar schwere Ungerechtigkeiten aufzählen, welche gegen die Ordnung und den Willen des Allerhöchsten begangen werden. Es genügt aber zu wissen, dass, wie sie Recht und Gerechtigkeit verkehren und an der Arbeit der Menschen nicht teilnehmen wollen, so einstens die Ordnung der Barmherzigkeit, welche den Geringen und Verachteten gewährt wird, bei ihnen in das Gegenteil umschlagen wird. Alle, welche aus Hoffart trägem Müssiggange sich hingegeben haben, werden gezüchtigt werden mit den bösen Geistern, deren Beispiel sie hierin nachgeahmt haben. 863. Öffne, liebe Tochter, deine Augen, damit du eine solche Täuschung einsehest. Allezeit sollst du "eine Arbeit vor dir haben'"; aber auch mein Beispiel soll dir immer vor Augen schweben. Halte dich ferne von den Kindern Belialsz, welche in ihrem Müssiggange den Prunk der Eitelkeit suchen und "umsonst arbeiten'". Betrachte dich nicht als Vorsteherin und Oberin deiner Untergebenen, sondern als ihre Dienerin, besonders den Schwächeren und Niedrigsten gegenüber. Überhaupt diene allen ohne Unterschied als fleissige Magd. Hilf ihnen und arbeite, um ihnen nötigenfalls den Lebensunterhalt zu verschaffen; und bedenke wohl, dass dir dies nicht bloss obliegt, weil du Oberin bist, sondern auch, weil jede Klosterfrau deine Schwester ist, eine Tochter deines himmlischen Vaters und ein Geschöpf deines Herrn und Bräutigams. Und da du aus seiner freigebigen Hand mehr als alle anderen empfangen hast, obwohl du es am wenigsten verdientest, so bist du auch verpflichtet, mehr als irgendeine andere zu arbeiten. Kranke und Schwache enthebe der körperlichen Arbeit und nimm dieselbe auf dich. Weit entfernt, die Arbeit, welche dir möglich ist und dir zukommt, anderen aufzubürden, sollst du vielmehr die Arbeit aller, soweit es möglich ist, auf deine Schultern nehmen, als die Magd und Geringste von allen; denn als solche musst du dich betrachten und anerkennen. Weil du aber nicht alles selbst tun kannst, sondern die Handarbeiten unter deine Untergebenen verteilen musst, so tue dies mit Billigkeit und im rechten Verhältnisse. Trage denjenigen, welche aus Demut weniger Schwierigkeit machen oder schwächlicher sind, nicht die schwerere Arbeit auf, vielmehr will ich, dass du gerade jene demütigst, welche stolzen und hochfahrenden Geistes sind und ungern an die Arbeit gehen. Indes darfst du diese nicht durch Rauheit und Strenge reizen, vielmehr sollst du die Lässigen und überhaupt alle, welche schwierigen Charakters sind, durch bescheidenen Ernst und Klugheit dazu bringen, dass sie sich unter das Joch des Gehorsams beugen. So erweist du ihnen die grösstmögliche Wohltat und handelst zugleich nach Pflicht und Gewissen. Sorge aber, dass sie dies einsehen. All dies wird dir gelingen, wenn du keinen Unterschied der Person machst, sondern unparteiisch einer jeden die Arbeit anweist, welche sie verrichten kann, ihr aber auch gibst, was sie für sich nötig hat. Besonders aber werden sie sich dadurch zur Flucht des Müssigganges und der Nachlässigkeit angetrieben und verpflichtet fühlen, wenn sie sehen, wie du das Schwerste der Arbeit als die erste auf dich nimmst. Hiedurch wirst du eine mit Demut gepaarte Freiheit erlangen, ihnen zu befehlen. Was du aber selbst tun kannst, trage keiner anderen auf. Auf solche Weise wirst du die Frucht und den Lohn der nach meinem Beispiele verrichteten Arbeit ernten und zugleich meinen Mahnungen und Weisungen Gehorsam leisten. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Werktätige Liebe zu den Kranken 871. Meine Tochter, die Übungen der Liebe zu den Kranken ist eines der gottgefälligsten und für die Seelen fruchtbringendsten Tugendwerke. Durch diese Übung erfüllt man nämlich einen grossen Teil jenes vom Naturgesetz auferlegten Gebotes, dass ein jeder seinem Bruder das tue, was er will, dass man ihm tue. Dieser Liebesdienst wird im Evangelium als einer jener Gründe aufgezählt, welche der Herr geltend machen wird, um die Gerechten ewig zu belohnen'; umgekehrt aber wird die Nichterfüllung dieses Gebotes als einer der Gründe angeführt, um derentwillen die Verworfenen verdammt werden. Das Evangelium gibt dort auch den Grund an, warum es also geschehen wird. Weil nämlich alle Menschen Kinder eines und desselben himmlischen Vaters sind, darum betrachtet Gott der Herr alles, was man seinen Kindern und Ebenbildern Gutes oder Böses tut, so, als hätte man es ihm selbst getan; findet ja auch unter den Menschen ein ähnliches Verhältnis statt. Ausser dieser allgemeinen Pflicht der Nächstenliebe hast du deinen Ordensschwestern gegenüber noch andere, besondere Verpflichtungsgründe; du bist ihr Mutter, und sie sind Bräute Christi, meines göttlichen Sohnes und Herrn, wie du; sie haben aber weniger Wohltaten empfangen als du, und darum bist du durch zahlreichere Gründe verpflichtet, ihnen zu dienen und in ihren Krankheiten für sie zu sorgen. Deshalb habe ich dir bereits anderwärts' befohlen, dich als die Krankenwärterin aller zu betrachten, weil du die geringste von allen bist und am meisten Verpflichtungen hast. Du musst aber für diesen Befehl sehr dankbar sein; denn ich übertrage dir damit ein Amt, welches hohe Achtung verdient und gross ist im Hause Gottes. Um diesem Amte nachzukommen, sollst du anderen im Krankendienste nichts auftragen, was du selbst tun kannst. Und was du wegen deiner anderweitigen Beschäftigungen als Oberin nicht tun kannst, das lege dringend denjenigen ans Herz, welchen dieser Dienst vom Gehorsam aufgetragen ist. Abgesehen von diesem Grunde der allgemeinen Nächstenliebe, welche hiebei geübt wird, besteht den Ordensfrauen gegenüber noch ein anderer Grund, sie in Krankheiten mit aller möglichen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu verpflegen, damit sie nämlich nicht aus Traurigkeit und Entbehrung Augen und Herz der Welt zuwenden und an das elterliche Haus zurückdenken. Glaube mir, dass sich auf diesem Wege grosse Übelstände in Ordensgemeinden einschleichen; denn der Mensch ist von Natur aus dem Leiden so abhold, dass er, wenn er krank ist und dabei des Nötigen entbehren muss, seinen schwersten Verpflichtungen untreu wird. 872. Die Liebe, welche ich meinem Bräutigam Joseph in seinen Krankheiten erwies, soll dir als Sporn und Muster dienen, diese Lehre in allen Stücken gut auszuüben. Die Liebe und auch die Höflichkeit ist recht träge, wenn sie wartet, bis der Notleidende um das, was ihm abgeht, bittet. Ich habe dies nicht abgewartet, sondern habe geholfen, ehe mich Joseph um das Nötige bat. Mit Geist und Herz bin ich der Bitte zuvorgekommen und habe ihn so nicht bloss durch meinen Dienst, sondern auch durch meine liebevolle Aufmerksamkeit getröstet. Ich fühlte das innigste Mitleid mit seinen Schmerzen; trotzdem lobte ich dabei Gott und dankte ihm für die Wohltat, welche er seinem Diener erwies. War ich bemüht, ihm Linderungen zu verschaffen, so geschah dies nicht, um ihm die Gelegenheit zum Leiden zu entziehen, sondern ich leistete ihm Hilfe, damit er dadurch zu fernerem Leiden ermutigt werde und den Urheber alles Guten und Heiligen preise. Zu diesen Tugenden habe ich ihn auch ausdrücklich ermuntert. Mit solcher Zartheit soll man die so edle Tugend der Liebe üben, dass man soviel wie möglich dem Bedürfnisse des Kranken und Schwächlichen zuvorkommt, ihm durch mitleidsvolle Ermunterung Mut einflösst und ihm diese Wohltat von Herzen wünscht, ohne dass er dadurch das noch grössere Gut des Leidens einbüsst. Lasse dich nicht durch die natürliche Liebe verwirren, wenn deine Schwestern krank werden, wären es auch jene, welche dir am meisten notwendig oder lieb sind. Denn auf solche Weise verlieren gar viele Seelen, sowohl in der Welt als im Kloster, das Verdienst ihrer Bemühungen; wenn sie nämlich Freunde oder Verwandte krank oder gar in Gefahr sehen, so verlieren sie vor Schmerz und falschem Mitleid die Fassung und wollen gewissermassen die Anordnungen des Herrn tadeln, indem sie sich denselben nicht fügen. In allen diesen Dingen habe ich den Menschen ein Beispiel gegeben, und von dir verlange ich, dass du es vollkommen nachahmst. BUCH FÜNF. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Sorge für einen guten Tod 880. Meine liebste Tochter, es ist nicht ohne besonderen Grund geschehen, dass dein Herz mit einem aussergewöhnlichen Mitleiden für die Sterbenden und einem besonderen Verlangen, denselben in der Todesstunde beizustehen, erfüllt worden ist. Denn es ist wahr, wie du gesehen hast, dass die Seelen in jener Stunde unglaublichen Nöten und Gefahren ausgesetzt sind, teils von seiten der bösen Geister, welche sie bestürmen, teils von der eigenen Natur, teils von den Dingen der Welt. Der Tod ist jener Augenblick, in welchem die Akten des Lebens geschlossen und das Endurteil gefällt wird, ein Urteil, welches entscheidet, ob ewiges Leben oder ewiger Tod, ob immerwährende Qual oder unvergängliche Herrlichkeit das Los des Menschen sein werde. Der Allerhöchste, welcher dir dieses Verlangen eingeflösst hat, will dir die Gnade geben, dasselbe tatsächlich auszuführen; und darum bestärke auch ich dich in eben diesem Verlangen und ermahne dich, mit Aufbietung aller deiner Kräfte mit der Gnade mitzuwirken und hierin sowohl dem Herrn als mir gehorsam zu sein. So wisse denn, meine Freundin: Sobald Luzifer und die übrigen Knechte der Finsternis aus den Krankheitszuständen eines Menschen und aus anderen natürlichen Ursachen ersehen, dass sich jemand in einer lebensgefährlichen Krankheit befindet, so waffnen sie sich augenblicklich mit all ihrer Bosheit und Hinterlist, um den armen, arglosen Kranken anzufallen und womöglich durch mannigfache Versuchungen zum Falle zu bringen. Und da den bösen Geistern die Frist, in der sie die Seele versuchen können, ausgeht, so trachten sie durch ihre Wut das Fehlende zu ersetzen und durch erhöhte Bosheit zu ergänzen, was ihnen an Zeit gebricht. 881. Zu diesem Zwecke kommen sie, heisshungrigen Wölfen gleich, zusammen, um den Zustand des Kranken, sowohl was seine natürlichen Anlagen, als was seine erworbenen Fertigkeiten betrifft, noch einmal auszukundschaften. Sie erforschen seine Neigungen, Gewohnheiten und Sitten und suchen in bezug auf die Leidenschaften seine schwache Seite zu entdecken, um dann ihre heftigsten Angriffe auf diesen Punkt hinzurichten. Diejenigen, welche eine ungeordnete Anhänglichkeit an das Leben haben, sucht der Satan zu bereden, es sei keine so grosse Gefahr; oder er verhindert, dass man ihnen die Wahrheit sage. Jene, welche lau und nachlässig im Empfange der hl. Sakramente gewesen sind, macht er auch jetzt lau und gleichgültig und legt ihnen noch grössere Hindernisse und Schwierigkeiten in den Weg, damit sie entweder ohne Sakramente sterben oder dieselben fruchtlos und in schlechter Verfassung empfangen. Anderen flösst er falsche Scham ein, dass sie ihr Gewissen nicht aufdecken und ihre Sünden verschweigen. Andere hält er ab, etwaige Verpflichtungen, die sie noch auf sich haben, einzugestehen, damit so ihr Gewissen nicht in Ordnung komme. Andere, welche die Eitelkeit lieben, sucht er zu bewegen, dass sie selbst in jener letzten Stunde noch mancherlei unnütze und eitle Anordnungen treffen in bezug auf das, was nach ihrem Tode geschehen soll. Jenen, welche dem Geiz oder der Sinnlichkeit huldigten, sucht er heftige Neigungen zu dem Gegenstande ihrer blinden Liebe einzuflössen. Und so benützt dieser grausame Feind alle bösen Gewohnheiten und Neigungen, um die Sterbenden auf die Dinge der Welt hinzulenken und ihnen die Anwendung der Heilmittel zu erschweren oder unmöglich zu machen. Alle sündhaften Handlungen, welche der Sterbende in seinem Leben begangen und wodurch er sich schlimme Gewohnheiten zugezogen hat, sind für den Feind der Seelen ebenso viele Handhaben oder Waffen, mit denen er in jener fürchterlichen Stunde den Menschen anfällt und bestürmt. Durch jede böse Neigung, die man befriedigte, hat man dem Satan einen Weg gebahnt und einen Pfad eröff net, auf dem er in die Burg, d. h. in die Seele, eindringen kann. Und hier, im Innern der Seele, strömt er dann seinen Pesthauch aus und erregt dichte Finsternis, - und das ist es eben, was er zu bewirken sucht -, damit die Sterbenden die göttlichen Einsprechungen nicht achten, ihre Sünden nicht wahrhaft bereuen und für ihr schlimmes Leben nicht Busse tun. 882. Im allgemeinen richten die bösen Geister in jener Stunde dadurch grosse Verheerungen an, dass sie den Kranken die trügerische Hoffnung beibringen, sie würden noch länger leben und könnten dann mit der Zeit jene guten Einsprechungen befolgen, welche ihnen der Herr jetzt durch die Engel zukommen lässt; in dieser Hoffnung werden die getäuscht und gehen verloren. Gross ist ferner die Gefahr in jener Stunde auch für diejenigen, welche in ihrem Leben das Heilmittel der heiligen Sakramente geringgeschätzt haben. Diese Geringschätzung, welche sowohl für den Herrn als für die Heiligen sehr beleidigend ist, wird von der göttlichen Gerechtigkeit gewöhnlich damit bestraft, dass solche Seelen sich selbst überlassen werden. Denn weil sie das geeignete Heilmittel nicht zur rechten Zeit angewendet, vielmehr es verachtet haben, so verdienen sie, dass nach den gerechten Gerichten Gottes auch sie in jener letzten Stunde verachtet werden, auf welche sie in törichter Vermessenheit die Sorge um das ewige Heil verschoben haben. Sehr gering ist die Zahl der Gerechten, welche in jener letzten Not nicht mit unglaublicher Wut von der alten Schlange angefallen werden. Wenn aber der Satan in jener Stunde sogar grosse Heilige zu stürzen versucht, was werden dann erst die Lasterhaften, die Gleichgültigen und jene zu erwarten haben, welche Sünde auf Sünde gehäuft und ihr ganzes Leben damit zugebracht haben, die Gnade und Hilfe Gottes von sich zu stossen! Was werden jene zu erwarten haben, welche leer sind an Werken, die sie dem bösen Feinde entgegenhalten könnten! Mein heiliger Bräutigam Joseph war einer von den Bevorzugten, welche in der Todesstunde den Satan nicht sahen und nicht gewahrten; denn als die bösen Geister es versuchten, ihm zu nahen, fühlten sie gegen sich eine grosse Gewalt, welche sie fernhielt. Überdies wurden sie auch von den heiligen Engeln verjagt und in die Tiefe geschleudert. Da sie sich nun so unterdrückt, und, um nach deiner Vorstellungsweise zu sprechen, zu Boden geschmettert sahen, waren sie ganz verwirrt, ratlos und ausser Fassung. Dies gab die Veranlassung, dass Luzifer eine Versammlung oder ein Konziliabulum hielt, um diesen Vorfall zu t'eraten, worauf er die Welt durchstreifte, um auszukundschaften, ob etwa der Messias schon gekommen sei. Hiervon wirst du aber später reden'. 883. Aus dem Gesagten magst du abnehmen, wie überaus gross die Gefahr ist, welche der Tod mit sich bringt, und wie .-iele Seelen in jener Stunde verloren gehen, in welcher sowohl die Verdienste wie die Sünden zu wirken beginnen. Ich sage dir nicht, wie viele verloren gehen; denn wenn du von wahrer Liebe zum Herrn beseelt bist, so würdest du vor Schmerz sterben, wenn du es erführest. Die allgemeine Regel aber ist diese, dass auf ein gutes Leben auch ein guter Tod folgt. Ausnahmen sind zweifelhaft, selten und zufällig. Das sichere Mittel aber ist dies, dass man den Anlauf schon von weitem nimmt. Darum ermahne ich dich, täglich schon beim ersten Morgengrauen zu bedenken, dieser Tag könne der letzte für dich sein. Tue dann, wie wenn er es wirklich wäre, denn du weisst nicht, ob er es nicht sein wird. Bereite deine Seele so, dass du den Tod, falls er käme, mit freudigem Angesicht aufnehmen könntest. Verschiebe es keinen Augenblick, deine Sünden zu bereuen und den Vorsatz zu fassen, sie, falls du solche auf dir hast, zu beichten und selbst die geringste Unvollkommenheit zu verbessern. Lasse keinen einzigen Fehler in deinem Gewissen, den man dir vorwerfen könnte und den du noch nicht bereut hättest. Wasche dich ab im Blute meines allerheiligsten Sohnes Jesu Christi und setze dich instand, vor dem gerechten Richter erscheinen zu können, welcher dich über den geringsten Gedanken und über die geringste Regung deiner Seelenkräfte erforschen und richten wird. 884. Damit du aber deinem Verlangen gemäss denjenigen, welche sich in dieser äussersten Gefahr befinden, helfen könnest, mache ich dich auf folgendes aufmerksam: Fürs erste erteile allen, bei denen es dir möglich ist, die gleichen Ratschläge, die ich dir gegeben habe; sage, sie sollen während ihres Lebens für ihre Seele besorgt sein, wenn sie eines seligen Todes sterben wollen. Überdies musst du jeden Tag ohne Ausnahme in dieser Absicht besondere Gebete verrichten. Flehe mit glüliender Andacht und starkem Rufen zum Allmächtigen, dass er die Täuschungen, mit welchen die bösen Geister die Sterbenden und in Todesgefahr Schwebenden berücken, zerstreue, ihre Fallstricke vernichte, ihre Pläne vereitle und mit seinem ,iöttlichen Arme alle bösen Geister zuschanden mache. Du weisst, dass ich in dieser Weise für die Sterbenden gebetet habe, und ich will, dass du mich hierin nachahmest. Und damit du den Sterbenden noch wirksamere Hilfe bringen könnest, trage ich dir auf, den bösen Geistern die strengsten Befehle zu erteilen, dass sie sich von denselben entfernen und sie nicht mehr belästigen. Von dieser Gewalt kannst du gar wohl Gebrauch machen, auch wenn du bei den Sterbenden nicht gegenwärtig bist; ist ja doch der Herr gegenwärtig, in dessen Namen und zu dessen grösserer Ehre und Verherrlichung du den bösen Geistern zu befehlen und sie zu verjagen hast. 885. Was deine Schwestern betrifft, so belehre sie, wenn sie in diese Lage kommen, was sie zu tun haben, jedoch ohne sie zu verwirren. Ermahne sie und sei ihnen behilflich, dass sie sich ohne Verzug mit den heiligen Sakramenten versehen lassen und dieselben überhaupt immer häufig empfangen. Trachte, sie zu ermutigen und zu trösten, indem du mit ihnen von Gott, von göttlichen Dingen und von der Heiligen Schrift redest, damit sie gute Gefühle und Begierden erwecken und für die himmlischen Erleuchtungen und Einflüsse sich bereiten. Befestige sie in der Hoffnung, stärke sie gegen die Versuchungen, zeige ihnen, wie sie denselben siegreich widerstehen sollen, und trachte ihre Versuchungen zu entdecken, noch ehe sie dir dieselben mitteilen. Gelingt es dir nicht, so wird Gott dich erleuchten, damit du sie erkennest und für eine jede das passende Heilmittel anwendest: denn geistliche Krankheiten sind schwer zu erkennen und schwer zu heilen. Alle diese Ermahnungen musst du als meine teuerste Tochter Gott zuliebe ausführen; dann werde ich dir von Seiner Majestät verschiedene Vorrechte erlangen sowohl für dich, als für die, welchen du jener schrecklichen Stunde beizustehen verlangst. Sei nicht karg in der Liebe, denn du wirkst hiebei nicht durch deine Kraft, sondern durch die Kraft des Allerhöchsten, welcher selbst in dir wirken will. BUCH FÜNF. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria 893. Meine Tochter, du hast zwar geschrieben, dass mein Bräutigam Joseph unter den Heiligen und Fürsten des himmlischen Jerusalem einen überaus hohen Rang einnimmt; allein, weder du bist jetzt imstande, seine hocherhabene Heiligkeit zu schildern, noch sind die Sterblichen vermögend, dieselbe zu erkennen, bevor sie zur Anschauung Gottes gelangt sind; dann werden sie zu ihrer Verwunderung und unter Lobpreisung des Herrn dieses Geheimnis schauen. Am jüngsten Tage aber, wenn über alle Menschen Gericht gehalten wird, werden die unseligen Verdammten bitterlich weinen, dass sie ein so mächtiges und wirksames Mittel des Heils, wie es die Fürsprache des hl. Joseph ist, um ihrer Sünden willen nicht gekannt und sich desselben nicht nach Kräften bedient haben, um die Freundschaft des gerechten Richters zu erlangen. Alle Kinder der Welt sind in tiefer Unwissenheit über die Privilegien und Vorrechte, welche der allerhöchste Herr meinem heiligen Bräutigam verliehen hat, und über die Macht seiner Fürbitte bei der göttlichen Majestät und bei mir. Ich versichere dir aber, meine liebste Tochter, dass er im Himmel einer der innigsten Vertrauten des Herrn ist und gar viel vermag, um die Strafen der göttlichen Gerechtigkeit von den Sündern abzuhalten. 894. Über dieses Geheimnis hast du grosse Erkenntnisse und Erleuchtungen erhalten, und es ist darum mein Wille, dass du dem Herrn für diese Gnade recht dankbar seiest; aber auch mir sollst du für diese Wohltat, die ich dir in dieser Hinsicht erweise, dankbar sein. Trachte von heute an, die ganze Zeit deines Lebens hindurch in der Andacht und herzlichen Liebe zu meinem heiligen Bräutigam zuzunehmen. Preise den Herrn, dass er ihn so freigebig mit Gnaden bereichert und mir die Freude gewährt hat, dies zu wissen. In allen deinen Nöten wende dich an seine Vermittlung und bemühe dich, ihm zahlreiche Verehrer zu gewinnen; insbesondere sollen deine Ordensschwestern sich hierin auszeichnen. Denn um was mein Bräutigam im Himmel bittet, das gewährt der Allerhöchste auf Erden. Grosse, ja ausserordentliche Gnaden sind seinen Bitten und Worten zum Heile der Menschen zugesichert, wenn nur diese sich derselben nicht unwürdig machen. Alle diese Vorrechte stehen im innigen Zusammenhange mit der Unschuld und Vollkommenheit dieses wunderbaren Heiligen und mit seinen grossartigen Tug?nden; denn zu diesen hat die göttliche Güte sich herabgeneigt; um ihrerwillen hat der Herr mit freigebigster Liebe ihn angesehen und hat ihm wunderbare Erbarmungen zugewendet, sowohl für sich, als für alle jene, die seiner Fürsprache sich teilhaftig machen. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Demut, Liebe, Abtötung 905. Meine Tochter, bevor du zur Beschreibung anderer Geheimnisse übergehst, musst du zuerst die geheimnisvolle Bedeutung alles dessen verstehen, was mir der Allerhöchste hinsichtlich meines heiligen Bräutigams Joseph aufgetragen hatte. Als ich mich mit ihm vermählte, befahl mir der Herr, meine Lebensordnung hinsichtlich der Mahlzeit und anderer äusserer Werke zu ändern und mich in die Lebensweise des hl. Joseph zu fügen; denn er war das Haupt und in gewöhnlichen Dingen war ich ihm untergeben. Ganz dasselbe wie ich, tat auch mein heiligster Sohn, der doch wahrer Gott war; er wollte im äusseren demjenigen untertan sein, den die Welt für seinen Vater hielt. Als aber der hl. Joseph gestorben und wir wieder allein waren, fiel der genannte Grund weg, und so kehrten wir wieder zu unserer früheren Ordnung in bezug auf Essen und Arbeiten zurück. Seine Majestät wollte nicht, dass der hl. Joseph sich nach uns richte, sondern dass wir uns nach ihm richteten; denn so verlangte es meine Stellung nach der gewöhnlichen Ordnung der Dinge. Auch wollte sich der Heiland keiner Wunder bedienen, so dass er sich den gewöhnlichen Geschäften entzogen und der Nahrung enthalten hätte. Der Herr wollte vielmehr in allem als Lehrmeister der Tugenden handeln und alle, Eltern wie Kinder, Kirchenvorsteher und Klosterobere wie Untergebene, die höchste Vollkommenheit lehren. Die Eltern lehrte er, dass sie ihre Kinder lieben, ihnen helfen, sie ernähren, ermahnen, zurechtweisen und mit unermüdlichem Eifer zum Heile führen sollen; die Kinder, dass sie ihren Eltern als den Urhebern ihres Lebens und Daseins Liebe, Hochachtung und Ehrfurcht zeigen und ihnen pünktlich gehorchen sollen. Denn auf diese Weise befolgen die einen wie die anderen das natürliche, göttliche Gesetz, welches gleichfalls diese Vorschriften gibt. Das Gegenteil aber ist etwas Unnatürliches und ein abscheuliches, schreckliches Vergehen. Die Kirchenvorsteher und Klosteroberen müssen ihre Untergebenen lieben und sie wie ihre Kinder regieren. Die Untergebenen aber müssen ohne Widerrede gehorchen, auch wenn sie von höherem Stande wären und ausgezeichnetere Eigenschaften besässen als ihre Vorgesetzten; denn in der Würde steht immer der Vorgesetzte höher, weil er vermöge dieser die Stelle Gottes vertritt. Indes muss die wahre Liebe bewirken, dass alle eins sind. 906. Damit du dir diese grosse Tugend erwirbst, musst du dich deinen Schwestern und Untergebenen gleichförmig ma chen und darfst dich nicht durch steifes Verhalten oder andere äussere Unvollkommenheiten verfehlen. Im Verkehr mit ihnen sei offen und einfältig wie die Tauben. Bete, wann sie beten; iss oder arbeite, wann sie ein gleiches tun; die Zeit der Erholung bringe bei ihnen zu. Denn die höchste Vollkommenheit in Ordensgemeinden gründet sich darauf, dass man dem Geiste des betreffenden Ordens folgt. Tust du dies, so wirst du vom Heiligen Geiste geleitet sein; denn er ist es, welcher wohlgeordnete Kommunitäten regiert. Auf Grund dieser Ordnung magst du dann, was die Enthaltsamkeit betrifft, etwas über das Gewöhnliche tun, indem du dir zwar bei Tisch das gleiche vorsetzen lässt wie die übrigen, allein weniger davon geniessest als sie. Was du dir aus Liebe zu deinem Bräutigam und zu mir versagen willst, das versage dir, aber tue es unbemerkt und ohne Aufsehen. Bei den gemeinschaftlichen Übungen sollst du niemals fehlen, ausser wenn eine schwere Krankheit dich daran hindert, oder wenn der Gehorsam gegen deine Vorgesetzten dich bisweilen anderwärts beschäftigt. Diese Übungen sollst du mit aussergewöhnlicher Ehrfurcht, Aufmerksamkeit und Andacht mitmachen; denn bei ihnen wirst du oft der Heimsuchungen des Herrn gewürdigt werden. 907. Dieses Hauptstück soll dir ferner zur Lehre dienen, dass du die guten Werke, welche du zu verrichten vermagst, mit ängstlicher Sorgfalt verbirgst. Folge hierin meinem Beispiele. Ich hätte nicht die geringste Gefahr zu befürchten gehabt, auch wenn ich sie alle in Gegenwart meines heiligen Bräutigams Joseph verrichtet hätte; allein nichtsdestoweniger wollte ich sie auch in diesem Punkte nach den Vorschriften der Klugheit und Vollkommenheit verrichten; denn das Verborgensein macht die Werke schon an und für sich lobenswerter. Was aber die gemeinschaftlichen und pflichtschuldigen Werke betrifft, so ist bei diesen die genannte Rücksicht nicht zu beobachten; bei diesen musst du vielmehr ein gutes Beispiel geben und dein Licht leuchten lassen; denn Fehler in diesem Punkte könnten Ärgernis geben und wären ohnedies tadelnswert. Es gibt aber noch viele andere Werke, welche man im Verborgenen, und ohne dass ein menschliches Auge sie bemerkt, verrichten kann; diese freilich darf man nicht der Gefahr des Bekanntwerdens und der Prahlerei aussetzen. So kannst du, wenn du allein bist, oftmals deine Knie beugen, wie ich es getan habe; du kannst dich auf dein Angesicht niederwerfen und in den Staub gebeugt die unendliche Majestät des Allerhöchsten anbeten, damit auch der sterbliche Leib, welcher die Seele beschwert', als ein wohlgefälliges Opfer Gott dargebracht werde zur Genugtuung für die ungeordneten Regungen, die er gegen Vernunft und Gerechtigkeit sich zuschulden kommen liess. Ohnedies soll nichts an dir sein, was nicht dem Dienste deines Schöpfers und Bräutigams geopfert und geweiht wäre. Auch soll der Leib durch solche Übungen einigen Ersatz dafür leisten, dass er durch seine irdischen Neigungen und Gebrechen die Seele vielfach beschwert und ihr manche Verluste verursacht hat. 908. In dieser Absicht trachte den Leib immer in strenger Zucht zu halten. Was man ihm gewährt, soll nur dazu dienen, ihn in der Dienstbarkeit der Seele zu erhalten, nicht aber um seine Gelüste und Neigungen zu befriedigen. Töte ihn ab und kasteie ihn, indem du allem sinnlichen Wohlbehagen so sehr abstirbst, dass selbst die Befriedigung der alltäglichen und zum Leben nötigen Bedürfnisse ihm eher Pein als Behagen, eher Bitterkeit als gefährliches Vergnügen bereite. Ich habe dir zwar schon bei anderen Gelegenheiten manches gesagt über den Wert solcher Demütigung und Abtötung: jetzt aber wird dich mein Beispiel noch besser darüber aufklären, wie hoch du jeden Akt der Demut und Abtötung anschlagen sollst. Ich mache es dir jetzt zur Pflicht, dass du keinen solchen Akt versäumst oder geringachtest, vielmehr musst du jeden als ein unschätzbares Kleinod betrachten und dich nach Kräften um dasselbe bewerben. Hierin musst du gierig und geizig sein und, wie ich es dir früher schon gesagt habe, dich vordrängen, wenn es sich um Verrichtung niedriger Geschäfte handelt, wie z. B. um das Auskehren und Scheuern des Hauses, um die Besorgung der verächtlichsten Geschäfte im ganzen Hause und um den Dienst der Kranken und Notleidenden. Bei allen diesen Verrichtungen sollst du mich als Muster vor Augen haben; der Eifer, den ich in solcher Selbstdemütigung an den Tag legte, wird dir zum Sporne sein, so dass du es als eine Freude ansiehst, mich nachzuahmen, und als eine Schande, hierin nachlässig zu sein. Wenn diese Fundamentaltugend bei mir so notwendig war, um in den Augen des Herrn, dem ich in meinem ganzen Leben nie ein Missfallen bereitet, nie eine Beleidigung zugefügt habe, Gnade und Wohlgefallen zu finden; wenn ich mich demütigen musste, um von seiner göttlichen Hand erhöht werden zu können, wieviel mehr wirst dann du nötig haben, dich in den Staub zu beugen und in dein Nichts dich zu versenken, du, die du in Sünde empfangen bist und den Herrn oftmals beleidigt hast! Versenke dich bis in das Nichts und bekenne, dass du das Dasein, welches der Allerhöchste dir gegeben, schlecht angewendet hast. Auf diese Weise wird dir selbst das Dasein als Mittel dienen, dich tiefer zu demütigen, um den Schatz der Gnade zu finden. BUCH FÜNF. LEHRE DER HIMMELSKÖNIGIN 918. Meine Tochter, würdest du, ja würden alle Menschen die Sprache der Engel reden, so könntet ihr doch die Gnaden und Auszeichnungen nicht beschreiben, welche ich in den letzten Jahren, die mein göttlicher Sohn bei mir zubrachte, von der Hand des Allerhöchsten erhalten habe. Diese Werke des Herrn sind gewissermassen unbegreiflich, und darum sind sie auch unaussprechlich für dich, wie für alle Menschen. Da dir aber eine ausserordentliche Kenntnis von diesen Geheimnissen verliehen ist, so musst du auch den Allmächtigen loben und preisen für das, was er an mir getan: dass er mich zu unaussprechlicher Würde, zu unaussprechlichen Gnaden aus dem Staube erhoben hat. Allerdings musst du meinen Sohn und Herrn mit Freiheit lieben, als treueste Tochter und liebevolle Braut, nicht eigennützig und gezwungen wie eine Dienerin: gleichwohl aber sollst du, das will ich, deine Schwäche und dein Vertrauen beleben, indem du dich daran erinnerst, wie süss es ist, Gott zu lieben und "wie süss der Herr' für jene ist, die mit kindlicher Liebe ihn fürchten. 0 meine liebste Tochter, wenn die Sünden der Menschen der unendlichen Güte Gottes nicht im Wege stünden, die Menschen würden ohne Mass der Tröstung und Gnaden des Herrn sich erfreuen! Du musst dir, um nach deiner Vorstellungsweise zu reden, denken, der Herr sei gleichsam mit Gewalt zurückgehalten und traurig, dass die Sterblichen dem unermesslichen Drange seiner Liebe widerstehen. Und dies tun sie auch, und zwar in einer Weise, dass sie sich nicht bloss daran gewöhnen, der Süssigkeiten und Tröstungen des Herrn aus eigener Schuld zu entbehren, sondern dass sie es nicht einmal glauben wollen, wenn andere dieser Gnaden teilhaftig werden, die doch der Herr allen ohne Ausnahme mitteilen möchte. 919. Sei also dankbar für alles, was mein göttlicher Sohn beständig für die Menschen getan und gelitten hat, und was ich, wie du gesehen hast, mit ihm getan und gelitten habe. Die Katholiken denken zwar ziemlich oft an das Leiden und Sterben des Herrn, weil die heilige Kirche sie daran erinnert; allein wenige sind bedacht, sich dankbar zu erzeigen, und noch wenigere achten auf die übrigen Werke, welche mein Sohn und ich vollbracht haben; keine Stunde, keinen Augenblick hat er vorübergehen lassen, ohne seine Gnaden zum Heile der Menschen zu verwenden, um alle von der ewigen Verdammnis zu erretten und sie seiner Glorie teilhaftig zu machen. Diese Werke meines Herrn, des menschgewordenen Gottes, werden namentlich am Tage des Gerichts Zeugnis ablegen gegen die Undankbarkeit und Hartherzigkeit der Gläubigen. Wenn aber du, die du vom Herrn besonders erleuchtet und von mir belehrt bist, dich undankbar erweisest, so wird deine Schuld eine schwerere und deine Schande eine grössere sein. Du sollst dankbar sein nicht bloss für so viele Wohltaten, welche Gott dir wie allen anderen erweist, sondern auch für so viele besondere Gnaden, welche du alltäglich empfängst. Hüte dich also von Stunde an vor einer so gefährlichen Undankbarkeit; entsprich diesen Gnaden als meine Tochter und Schülerin und zögere keinen Augenblick, das Gute und Beste zu tun, sobald du es tun kannst. Achte in allem auf das innere Licht sowie auf die Weisungen der Oberen, der Diener des Herrn. Denn wenn du die einen Gnaden benützest, so darfst du versichert sein, dass der Allerhöchste seine allmächtige Hand auftun wird, um dir andere, noch grössere zu verleihen und dich mit seinen Reichtümern und Schätzen zu erfüllen. BUCH FÜNF. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Luzifer will das Erlösungswerk verhindern 930. Meine Tochter, da ich dich über meine und meines allerheiligsten Sohnes geheimnisvolle Werke unterrichte, bist du, wie ich sehe, verwundert, dass so viele derselben bisher unbekannt waren, obwohl sie so mächtig sind, die Herzen der Menschen zu rühren. Aber nicht darüber sollst du dich wundern, dass die Menschen diese Geheimnisse nicht wissen, sondern darüber, dass sie so viele Geheimnisse des Lebens und Wirkens meines und ihres Herrn, die ihnen gar wohl bekannt sind, so sehr vergessen und missachten. Wären sie nicht so schweren Herzens und würden sie mit Interesse die göttlichen Wahrheiten betrachten, dann hätten sie an dem, was sie aus meinem und meines Sohnes Leben wissen, Beweggründe genug, dankbar zu sein. Die Artikel des heiligen katholischen Glaubens und die zahlreichen göttlichen Wahrheiten, wie die heilige Kirche sie lehrt und zu glauben vorstellt, wären mächtig genug, um viele Welten zu bekehren. Vermöge dieser Wahrheiten wissen ja die Menschen, dass der eingeborene Sohn des ewigen Vaters sich mit sterblichem Fleische bekleidet und Knechtsgestalt angenommen hat, um sie durch einen schmählichen Tod am Kreuze zu erlösen; sie wissen, dass er um den Preis seines eigenen irdischen Lebens ihnen das ewige Leben verdient und von dem Tode der Hölle sie errettet hat. Würde man diese Wohltat zu Herzen nehmen, würden die Sterblichen gegen ihren Gott und Erlöser nicht so undankbar und gegen sich selbst nicht so grausam sein, kein Einziger würde das ihm dargebotene Heil verschmähen und der ewigen Verdammnis sich überliefern. Darum staune nur, meine Tochter, weine und wehklage ohne Aufhören über den furchtbaren Untergang so vieler Toren, so vieler Undankbaren, welche weder an Gott, noch an ihre Verpflichtung gegen ihn, noch an sich selbst denken! 931. Ich habe dir schon bei einer anderen Gelegenheit' gesagt, dass die Zahl der Unglücklichen, welche verloren gehen, so gross, dagegen die Zahl derer, welche gerettet werden, so klein ist, dass es nicht angeht, dir hierüber nähere Aufschlüsse zu geben; denn wenn du es wüsstest, so müsstest du, falls du eine wahre Tochter der Kirche und eine wahre Braut Christi, meines Sohnes und Herrn bist, vor Schmerz über ein solches Unheil sterben. Dies aber magst du wissen: das ganze Verderben der Seelen und all das Unglück, von welchem das christliche Volk sowohl hinsichtlich seiner Regierung, als hinsichtlich einzelner Mißstände heimgesucht ist, mag es nun die Häupter oder die Glieder dieses mystischen Leibes, mag es geistliche oder weltliche Personen betreffen, all dies kommt daher, weil man das Leben Christi und die Geheimnisse der Erlösung vergisst und missachtet. Würde man in dieser Hinsicht Abhilfe treffen und das Andenken an diese Geheimnisse wieder auffrischen und die Dankbarkeit dafür wieder beleben; würden alle Christen als treue und dankbare Kinder ihres Schöpfers und Erlösers sich betragen; würden sie sich mir, ihrer Mittlerin, dankbar erzeigen, dann würde der Zorn des gerechten Richters besänftigt; dem allgemeinen Verderben würde gesteuert, die Geisseln, von denen die Katholiken getroffen sind, würden abgewendet, und der ewige Vater, welcher für die Ehre seines Sohnes gerechterweise eifert und jene Knechte, die den Willen des Herrn kennen, aber nicht erfüllen, mit grösserer Strenge züchtigt', würde versöhnt werden. 932. Die Kinder der heiligen Kirche sprechen gar viel von der Sünde, welche die ungläubigen Juden begangen haben, als sie ihrem Gott und Herrn das Leben nahmen. Allerdings war diese Sünde sehr schwer und verdiente die Züchtigungen, von denen dieses undankbare Volk heimgesucht ist, gar wohl; allein die Katholiken sollten bedenken, dass ihre Sünden in gewisser Hinsicht noch ärger sind als die der Juden. Die letzteren waren doch in der Unwissenheit, wenn auch ihre Unwissenheit eine verschuldete war. Auch hat sich der Herr damals freiwillig überliefert, indem er die Mächte der Finsternis wirken liess, von denen die Juden, freilich aus eigener Schuld, eingenommen waren. Die heutigen Katholiken aber können sich nicht mit Unwissenheit entschuldigen. Sie sind vielmehr mitten im Lichte, und in diesem Lichte erkennen sie deutlich genug die göttlichen Geheimnisse der Menschwerdung und Erlösung. Die heilige Kirche ist gegründet, allerwärts verbreitet und durch Wunder, durch Heilige und durch die Heiligen Schriften erleuchtet. Sie kennt und bekennt Wahrheiten, welche andere nicht zu erkennen vermochten. Und trotz dieser Fülle von Gnaden und Wohltaten, von Licht und Erkenntnis leben dennoch viele wie Ungläubige, oder als hätten sie vor ihren Augen nicht so viele Beweggründe, welche sie aufrütteln und anspornen, so viele Strafgerichte, welche sie schrecken sollten. Wie können sie sich bei dieser Sachlage noch einbilden, die Sünden anderer seien grösser und schwerer als die ihrigen? Warum fürchten sie nicht, dass ihre Strafe noch jammervoller sein werde als die Strafe anderer? 0 meine Tochter, erwäge ernstlich diese Lehre und durchdringe dich mit heiliger Furcht. Demütige dich vor dem Allerhöchsten bis in den Staub und erkenne dich als das geringste aller Geschöpfe. Betrachte die Werke deines Erlösers und Meisters. Opfere sie unter Schmerz und Busse über deine Sünden zu deiner Heiligung auf. Folge meinem Beispiele, wie du es in göttlichem Lichte erkennst. Arbeite nicht nur für dich selbst, sondern auch für deine Mitmenschen; bete für sie, leide für sie, erteile, soweit du kannst, liebevolle Ermahnungen und ersetze so durch Liebe, was die strenge Gerechtigkeit nicht von dir verlangt. Besonderen Eifer zeige für das Wohl derer, die dich beleidigen; ertrage alle; erniedrige dich unter die Geringsten und sei eifrigst besorgt, mit feuriger Liebe und festem Vertrauen den Sterbenden Hilfe zu bringen, wie dir aufgetragen worden ist'. BUCH FÜNF. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Die Liebe Jesu, von den Menschen mit Undank erwidert 939. Meine Tochter, beweine allezeit mit bitteren Tränen die Blindheit und Verstocktheit der Sterblichen, welche nicht einsehen und verstehen wollen, welch liebevollen Schutz sie in allen ihren Nöten und Bedürfnissen bei meinem süssesten Sohne und bei mir finden könnten. Mein Herr hat keine Mühe gescheut und keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um ihnen unaussprechliche Schätze zu verdienen. Er hat für sie die unendlichen Reichtümer seiner Verdienste, die wesentliche Frucht seines Leidens und Sterbens in der heiligen Kirche niedergelegt. Er hat ihnen die sicheren Unterpfänder seiner Liebe und seiner Glorie, nämlich leichte und höchst wirksame Mittel der Gnade hinterlassen, damit alle an diesen Gütern teilnehmen und sie zu ihrem Nutzen und ewigen Heile verwenden. Überdies bietet er ihnen seinen und meinen Schutz an. Er liebt sie wie seine Kinder. Er liebkost sie wie seine Freunde; er ruft sie durch Einsprechungen; er ladet sie ein durch Wohltaten und wahre Reichtümer. Als gütigster Vater erwartet er sie; als ihr Hirte sucht er sie; als Allmächtiger beschützt er sie; als ein unendlich reicher Herr belohnt er sie; als mächtiger König regiert er sie. Alle diese und unzählige andere Gnaden, über welche der Glaube sie belehrt, bietet die heilige Kirche ihnen an; sie haben dieselben vor Augen. Aber alle vergessen und verachten sie. Blind, wie sie sind, lieben sie die Finsternis und überliefern sich der rasenden Wut so grausamer Feinde, wie sie dir gezeigt wurden. Sie hören auf ihre Vorspiegelungen, gehorchen ihrer Bosheit, schenken ihren Lügen Glauben und überlassen sich ruhig dem unersättlichen und glühenden Hass dieses Feindes, der auf ihren ewigen Tod ausgeht. Denn dieser grausame Drache hasst sie, weil sie Geschöpfe des Allerhöchsten sind, von dem er besiegt und niedergeschmettert ist. 940. 0 meine liebe Tochter, schau hin auf eine so beklagenswerte Verblendung der Menschenkinder. Sammle alle deine Geisteskräfte, um zu erwägen, welcher Unterschied sei zwischen Christus und Belial. Er ist grösser, als der Abstand zwischen Himmel und Erde. Christus ist das wahre Licht, der Weg und das ewige Leben'. Die ihm folgen, die liebt er mit unwandelbarer Liebe. Er bietet ihnen den Himmel an, wo sie seiner Anschauung und Gesellschaft sich erfreuen und einer ewigen Ruhe und Seligkeit teilhaftig werden, die kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und die in keines Menschen Herz gekommen ist. Luzifer dagegen ist die Finsternis, Lüge, Täuschung, Unseligkeit, ja der Tod selbst. Die ihm folgen, die hasst er und treibt sie, soviel er nur kann, zu allem Bösen an; das Ende davon wird nichts Geringeres sein als ewige Gluten und grausame Peinen. Nun mögen die Sterblichen sagen, ob ihnen diese Wahrheiten unbekannt sind. Die heilige Kirche belehrt sie darüber und stellt sie ihnen tagtäglich vor Augen. Wenn sie aber diese Wahrheiten glauben und bekennen, wo ist dann ihr Verstand? Wer hat sie betört? Wer lässt sie auf die Liebe zu sich selbst vergessen? Wer macht sie so grausam gegen sich selbst? 0 Torheit der Kinder Adams, die du niemals genügend geschildert noch beweint werden kannst! Ihr ganzes Leben lang mühen sich die Menschen ab, in ihre Leidenschaften sich zu verstricken, in den Eitelkeiten sich zu verlieren und dem unauslöschlichen Feuer, dem ewigen Tod und ewigen Untergang sich zu überliefern, gleich als wäre mein heiligster Sohn nicht vom Himmel gekommen, um am Kreuze zu sterben und ihnen dadurch die Erlösung zu verdienen. 0 möchten sie doch an den Preis der Erlösung denken, dann würden sie begreifen, wieviel das wert ist, was Gott den Herrn soviel gekostet hat, ihn, der in der Wertschätzung sich nicht täuschen kann! 941. Wenn die Heiden und Götzendiener diesem höchst unseligen Irrtum verfallen, so ist ihre Schuld nicht so schwer, und der Zorn des Allerhöchsten über sie ist nicht so gross, als über die Gläubigen, die Kinder der heiligen Kirche, welche das Glück haben, das Licht dieser Wahrheit zu sehen. Ist aber in gegenwärtiger Zeit dieses Licht gar sehr schnell verdunkelt und vergessen, so mögen die Gläubigen wissen und erkennen, dass dies ihre eigene Schuld ist, weil sie dem Luzifer, ihrem Feinde, die Hand geboten haben. In seiner unersättlichen Bosheit geht der Satan auf nichts so sehr aus, als darauf, den Menschen diesen Zügel zu nehmen; er macht, dass sie die letzten Dinge und die ewigen Qualen, die ihrer warten, vergessen, damit sie unvernünftigen Tieren gleich sich den sinnlichen Vergnügungen hingeben, an sich selbst nicht denken, ihr ganzes Leben lang eitlen Scheingütern nachjagen und, wie Job sagt', in einem Augenblick zur Hölle fahren, wie das in der Tat zahllosen Toren begegnet, welche die Erkenntnis dieser Wahrheiten und die Zucht von sich stossen. Du aber, meine Tochter, lass dich belehren durch meinen Unterricht und halte dich ferne von einem so unheilvollen Irrtum, von einer so allgemeinen Verblendung, wie sie unter den Weltkindern herrschend ist. Immer möge in deinen Ohren ertönen das verzweiflungsvolle Jammergeschrei der Verdammten, welches seinen Anfang nehmen wird am Ende ihres Lebens und beim Beginn ihres ewigen Todes, und welches lauten wird: "Wir Toren hielten das Leben der Gerechten für Unsinn! Siehe, wie sie unter die Kinder Gottes gezählt sind und ihr Los unter den Heiligen ist! So haben wir uns also verirrt vom Wege der Wahrheit, und das Licht der Gerechten leuchtete uns nicht! Wir sind müde geworden auf dem Wege der Bosheit und des Verderbens und wandelten harte Wege; aber den Weg des Herrn erkannten wir nicht (durch unsere eigene Schuld). Was half uns der Stolz? Was nützte uns des Reichtums Prahlerei? Alles das ging für uns vorüber wie ein Schatten2. 0 wären wir niemals geboren!" Dies ist es, meine Tochter, was du zu fürchten hast; dies ist es, worüber du in deinem Herzen nachdenken sollst. Sieh dich vor und bedenke, was du Böses zu meiden und Gutes zu tun hast, ehedenn du hingehst, wie Job sagt', und nicht wiederkehrst, hin in das finstere Land der ewigen Abgründe. Tue jetzt, so lange du noch lebst, und zwar aus Liebe, was die Verworfenen aus Verzweiflung und genötigt durch die Gewalt ihrer Pein aus der Hölle dir zurufen! FRAGE: 948. In betreff dieses geheimnisvollen Vorganges stieg mir ein Zweifel auf, den ich der Mutter der Weisheit mit folgenden Worten vorlegte: "Königin des Himmels, meine Herrin, Heiligste unter den Heiligen, unter allen Geschöpfen zur Mutter Gottes auserkoren! Als unwissendes Weib von langsamer Fassungskraft finde ich in dem, was ich soeben geschrieben habe, eine Schwierigkeit. Wenn du es erlaubst, möchte ich sie dir, o Herrin, vorlegen; du bist ja die Lehrmeisterin der Weisheit und willst in deiner Güte dieses Amt an mir ausüben, meine Finsternis erleuchten und mich in der Heilslehre des ewigen Lebens unterrichten. Mein Zweifel ist folgender: Ich habe vernommen, dass nicht nur der heilige Johannes, sondern auch du selbst, o Königin, das Kreuz verehrtest, ehe dein göttlicher Sohn an demselben gestorben war. Und doch habe ich immer geglaubt, ehe unsere Erlösung an jenem heiligen Stamme sich vollzog, habe das Kreuz als Richtholz zur Bestrafung der Verbrecher gedient und deswegen als schimpflich und verächtlich gegolten. Auch lehrt uns die heilige Kirche, aller Wert und alle Würde des heiligen Kreuzes stamme daher, dass unser Erlöser dasselbe berührt und an ihm das Geheimnis unserer Erlösung gewirkt hat. ANTWORT UND LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Antwort und Buch fünf. LEHRE: Verehrung des hl. Kreuzes 949. Meine Tochter, mit Freuden entspreche ich deinem Verlangen und antworte auf deinen Zweifel. Allerdings war das Kreuz, wie du sagst, schimpflich, ehe mein Sohn und Herr dasselbe durch sein Leiden und Sterben ehrte und heiligte. Und dieses Leiden und Sterben ist der Grund, warum man ihm jetzt jene Adoration und höchste Ehrfurcht schuldet, welche ihm die heilige Kirche erweist. Hätte nun jemand das Kreuz verehren wollen, bevor das Werk der Erlösung vollzogen war, und ohne dass er die Geheimnisse derselben und die Gründe, die ich und Johannes gehabt haben, gekannt hätte, dann wäre er allerdings der Abgötterei und des Irrtums schuldig gewesen; denn er hätte etwas verehrt, was nach seiner Anschauung einer Verehrung in der Tat nicht würdig gewesen wäre. Wir aber hatten mehrere Gründe, das Kreuz zu verehren. Fürs erste war uns mit unfehlbarer Gewissheit bekannt, was unser Erlöser an demselben vollbringen sollte. Fürs zweite hatte der Herr schon vorher dieses Zeichen der Erlösung berührt und geheiligt, als er sich auf demselben hinstreckte, betete und freiwillig zum Tode sich aufopferte. Der ewige Vater aber hatte dieses Opfer und den vorhergesehenen Tod meines heiligsten Sohnes durch unwiderruflichen Beschluss angenommen. Jeder Akt, jede Berührung des menschgewordenen Sohnes Gottes war von unendlichem Werte, und eben dadurch wurde auch das Kreuzesholz geheiligt und verehrungswürdig. Dieses Geheimnis und diese Wahrheit hatten wir, ich und der hl. Johannes, vor Augen, wenn wir das Kreuz verehrten. Wir verehrten aber das Kreuz nicht in sich selbst, d. h. das Stück Holz, denn der Kultus der Latrie gebührte ihm erst, nachdem die Erlösung daran vollzogen war; sondern wir hatten die Darstellung des Leidens des menschgewordenen Wortes vor Augen; auf diese zielte unsere Verehrung hin, wie auch noch jetzt die Verehrung, welche die heilige Kirche dem Kreuze erweist, darauf hinzielt'. 950. Erwäge nun im Lichte dieser Wahrheit, wie sehr du amt allen Sterblichen verpflichtet bist, das heilige Kreuz hoch!uachten und zu verehren. Schon ehe mein göttlicher Sohn an demselben starb, haben ich und sein Vorläufer ihn nachgeahmt in der Liebe und Ehrfurcht für dasselbe sowie in den Bussiibungen, die wir an diesem heiligen Zeichen verrichteten. Was müssen also die gläubigen Kinder der heiligen Kirche tun, nachdem sie ihren Schöpfer und Erlöser mit den Augen des Glaubens ans Kreuz geheftet sehen und sein Bild mit leiblichen Augen wahrnehmen! Darum wünsche ich, meine Tochter, dass du das Kreuz mit ausserordentlicher Hochachtung umfassest, es als ein höchst kostbares Kleinod deines Bräutigams dir erwählst und deine gewöhnlichen Übungen mit demselben niemals freiwillig unterlässt, wenn nicht der Gehorsam dich verhindert. Verrichte diese heiligen Handlungen mit tiefer Ehrfurcht und erwäge dabei das Leiden und Sterben deines Herrn und Bräutigams. Trachte diese Gewohnheit auch bei deinen Mitschwestern einzuführen; ermahne sie dazu, denn es gibt Keine Übung, welche für Bräute Christi in höherem Grade geziemend wäre. Wenn sie mit Andacht und würdiger Ehrerbietung verrichtet wird, ist sie dem Herrn höchst wohlgefällig. Ferner sollst du, wie der Täufer, dein Herz zu allem bereiten, was der Heilige Geist zu seiner Ehre und zum Heile deiner Mitmenschen in dir wirken will. Soviel von dir abhängt, liebe die Einsamkeit und ziehe dich zurück von dem Getriebe der Menschen. Will aber der Herr, dass du mit den Menschen verkehrst, so achte dabei immer auf dein eigenes Verdienst und auf die Erbauung des Nächsten, so dass der Eifer und Geist deines Herzens aus all deinen Unterredungen hervorleuchte. Die hocherhabenen Tugenden, welche du an dem Beispiele des hl. Johannes gesehen hast, sollen dir als Sporn zur Nachahmung dienen. Von diesen und von den Tugenden anderer Heiligen, die zu deiner Kenntnis gelangen, trachte, wie die emsige Biene von den Blumen, den süssesten Honig der Reinheit und Heiligkeit zu sammeln, welche mein göttlicher Sohn von dir verlangt. Beobachte den Unterschied zwischen der Spinne und der Biene. Jene verwandelt ihre Nahrung in schädliches Gift, diese in liebliche und heilsame Erquickung für Lebende und Abgestorbene. So sammle auch du aus den Tugendblumen der Heiligen, die sich im Garten der heiligen Kirche finden, soviel du mit Hilfe der Gnade zu sammeln vermagst. Ahme sie emsig und eifrig nach und sorge, dass alles zum Besten der Lebenden und Abgestorbenen gereiche. Fliehe dagegen das Gift der Sünde, welches allen zum Verderben gereicht. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Kreuzesliebe 960. Meine Tochter, die Geheimnisse, welche du eben beschrieben hast, sollst du ernstlich erwägen und sehr hochschätzen, sowohl zum Heile deiner Seele, als auch um mich einigermassen nachzuahmen. Beachte also, dass ich bei der erwähnten Vision in Gott schaute, wie hoch der Allerhöchste nicht nur die Leiden und den Tod meines Sohnes, sondern auch die Leiden aller derer schätzt, welche dem Heiland auf dem Kreuzwege nachfolgen sollten. Bei dieser Erkenntnis opferte ich nicht nur meinen göttlichen Sohn freiwillig zum Leiden und Sterben auf, sondern ich flehte auch zum Allerhöchsten, er möge mich an allen Schmerzen und Peinen des Erlösers teilnehmen lassen, und der ewige Vater gewährte mir meine Bitte. Darauf bat ich meinen Sohn und Herrn, er möge mir fortan seine inneren Tröstungen entziehen, damit ich ihm auf seinem bitteren Wege zu folgen anfange. Er selbst gab mir diese Bitte ein; denn er wollte, dass ich sie stelle, und die Liebe bewog mich dazu. Die Liebe, welche er als Sohn und als Gott mir schenkte, sowie meine Sehnsucht zu leiden, trieben mich an, die Leiden zu begehren; und eben weil er mich zärtlich liebte, so gewährte er mir die Leiden; denn diejenigen, die er liebt, die züchtigt er'. Er wollte, dass mir als seiner Mutter diese Wohltat und Auszeichnung nicht mangle, ihm in demjenigen, was er in dem sterblichen Leben am höchsten schätzte, vollkommen ähnlich zu sein. Dieser Wille des Herrn und meine Bitte wurden alsbald erfüllt; ich entbehrte von da der gewöhnlichen Tröstungen, und er behandelte mich nun nicht mehr mit so grosser Zärtlichkeit. Dies war einer der Gründe, warum er mich bei der Hochzeit zu Kana und am Fusse des Kreuzes nicht "Mutter", sondern "Weib" nannte und mich auch bei anderen Gelegenheiten mit Strenge prüfte, indem er mir die zärtlichen Worte entzog. Dieses Verhalten hatte seinen Grund nicht im Mangel an Liebe; vielmehr war es gerade der grösste Beweis seiner Liebe, indem er mich dadurch zu seinem Ebenbilde machte im Leiden, das er als Erbe und kostbaren Schatz für sich erkoren hatte. 961. Hieraus siehst du, wie sehr die Menschen im Irrtum sind und wie weit sie entfernt sind vom Lichte und vom rechten. Wege. Die meisten, ja fast alle bemühen sich, der Mühe zu entgehen; sie leiden, um nicht zu leiden; sie hassen den sicheren, königlichen Weg des Kreuzes und der Abtötung. Infolge dieses gefährlichen Irrtums verabscheuen und verlieren sie nicht nur die Ähnlichkeit mit ihrem Vorbilde Jesus Christus und mit mir, während doch diese Ähnlichkeit das wahre und höchste Gut auf Erden ist, sondern sie machen dadurch zugleich ihre Heilung unmöglich. Denn sie alle sind krank wegen ihrer vielen Sünden; das Heilmittel gegen die Sünde kann aber kein anderes sein als das Leiden. Begangen wird die Sünde durch unerlaubtes Vergnügen; entfernt wird sie durch den Schmerz der Busse, und in der Trübsal gewährt der gerechte Richter Verzeihung. Durch Ertragung von Bitterkeit und Schmerz wird die böse Begierlichkeit bezähmt, werden die ungeordneten Regungen der Leidenschaften gemässigt und niedergedrückt: der Stolz wird gedemütigt, das Fleisch unterworfen, die Freude am Bösen und am Sinnlichen und Irdischen vergeht; der Verstand wird erleuchtet und der Wille geordnet; es werden alle Seelenkräfte der Vernunft unterworfen und die Leidenschaften gemässigt und geregelt. Was aber die Hauptsache von allem ist: Gott wird gleichsam genötigt, dem Betrübten, der sein Leiden mit Geduld umfängt oder, um meinem heiligsten Sohne ähnlich zu werden, es aufsucht, seine mitleidsvolle Liebe zuzuwenden. In dieser Wissenschaft ist die ganze Wohlfahrt des Menschen eingeschlossen; wer diese Wahrheit flieht, ist ein Tor, wer sie nicht kennt, ist ein Unwissender. 962. Bemühe dich darum, meine teuerste Tochter, in dieser Wissenschaft Fortschritte zu machen. Gehe mutig dem Kreuze entgegen, dem menschlichen Troste dagegen sage für immer Lebwohl. Damit du aber in den geistlichen Tröstungen nicht strauchelst und fällst, musst du wissen, dass der böse Feind für solche, die ein geistliches Leben führen, auch in diesen Tröstungen seine Schlingen verbirgt. Da nämlich die Beschauung und der vertraute Umgang mit dem Herrn süsse Freuden mit sich bringt und dadurch mehr oder weniger die Seelenkräfte und zuweilen auch der niedere Teil des Menschen mit Wonne und Trost erfüllt werden, so gewöhnen sich einzelne Seelen so sehr an diese Tröstungen, dass sie zu anderen notwendigen Beschäftigungen des menschlichen Lebens, welche die Liebe und der geziemende Verkehr mit anderen erfordert, untauglich werden. Wenn sie pflichtgemäss mit den Menschen verkehren müssen, so fallen sie in ungeordnete Betrübnis, Ungeduld und Verwirrung, verlieren den Frieden und die innere Freude, sind traurig, mürrisch und verdrossen im Umgange mit den Neben menschen, ohne wahre Demut und Liebe. Bemerken sie dann ihre Unruhe und ihren geistlichen Schaden, so schieben sie die Schuld auf die äusseren Beschäftigungen, welche Gott ihnen durch den Gehorsam und die Liebe zugewiesen hat; dagegen wollen sie nicht einsehen und noch weniger zugeben, dass die Schuld in ihrer geringen Abtötung und Unterwerfung unter die Anordnungen Gottes liegt, sowie in ihrem Haschen nach Trost. Der böse Feind aber verbirgt ihnen diese Schlinge, indem er ihnen vorspiegelt, es sei ja etwas Gutes, wenn man sich nach ru higer Zurückgezogenheit und nach dem Verkehr mit Gott sehne; hiebei, meinen sie, sei nichts zu fürchten; das sei alles gut und heilig; das Übel aber liege nur darin, dass man sie hindere, ihr Verlangen zu erfüllen. 963. In diese Fehler bist auch du zuweilen schon gefallen; hüte dich also in Zukunft davor. Alles hat, wie der Weise sagt', seine Zeit, der Genuss der Tröstungen, wie das Entbehren derselben. Es ist aber eine Täuschung der Unvollkommenen und der Anfänger in der Tugend, wenn sie meinen, man könne die Zeit für den vertrauten Verkehr mit dem Herrn selbst bestimmen, oder wenn sie sich über den Mangel der himmlischen Tröstungen allzusehr betrüben. Damit will ich aber nicht sagen, dass du Zerstreuungen und äussere Beschäftigungen absichtlich suchen und mit Vorliebe daran hängen sollst; das ist eben das Gefährliche daran; ich sage nur dies: wenn dir die Obern solche Beschäftigungen befehlen, dann sollst du mit Gleichmut gehorchen. Verlasse dann den Herrn in seiner Tröstung, um ihn in der nützlichen Arbeit und in dem Wohle deines Nächsten wieder zu finden. Ja du sollst dies deiner Einsamkeit und ihren verborgenen Tröstungen vorziehen und nicht allein um letzterer willen die Einsamkeit so sehr lieben. Dies will ich; denn du sollst lernen, bei den einer Oberin obliegenden Geschäften und Sorgen auf vollkommene Weise zu glauben, zu hoffen und zu lieben. Durch dieses Mittel wirst du den Herrn zu jeder Zeit, an jedem Ort und bei jeder Beschäftigung finden, wie du bereits oft erfahren hast. Niemals darfst du meinen, du seist seinem Blicke, seiner süssesten Gegenwart und seinem lieblichen Verkehre ferne; niemals darfst du mit kindlichem Unverstande meinen, du könnest nicht auch ausserhalb der Einsamkeit Gott finden und des Verkehrs mit ihm dich erfreuen; denn alles ist. voll von seiner Herrlichkeit', und es gibt keinen Raum, in dem ei sich nicht fände. In ihm lebst, in ihm bist du, in ihm bewegst rin dicht. Wenn er dich aber zu den genannten Beschäftigungen nicht verpflichtet, dann magst du deiner ersehnten Einsamkeit dich erfreuen. 964. Alles dieses wirst du besser verstehen, wenn du, wie ich verlange, meinem heiligsten Sohne und mir mit edelmütiger Liebe nachfolgst. Das eine Mal sollst du dich mit ihm in seiner Kindheit erfreuen; ein anderes Mal sollst du mit ihm am Seelenheile der Menschen arbeiten; dann sollst du dich wieder mit ihm in die Einsamkeit zurückziehen; ein anderes Mal sollst du mit ihm verklärt, d. h. in ein neues Geschöpf umgewandelt werden; dann sollst du wieder mit ihm Leiden und Kreuz umfangen, sollst jenen Weisungen folgen und jene Lehre ausführen, die er als göttlicher Lehrmeister am Kreuze gegeben hat. Mit einem Worte: Die höchste Übung und erhabenste Meinung bestand bei mir darin, dass ich den Herrn zu jeder Zeit und in allen seinen Handlungen nachahmte; dies war es, was meine höchste Vollkommenheit und Heiligkeit ausmachte. Darum will ich aber auch, dass du mir hierin nachfolgst, soweit es deinen schwachen Kräften mit Hilfe der Gnade möglich ist. Zu diesem Zwekke musst du erstens allen Wünschen einer Tochter Adams entsagen und Verzicht leisten auf jedes "Ich will" oder "Ich will nicht", "Ich nehme an oder schlage ab aus diesem oder jenem Grunde". Du weisst ja nicht, was dir zum Besten dient; dein Herr und Bräutigam aber weiss es. Er liebt dich mehr, als du selbst dich liebst, und er will für dein Bestes sorgen, wenn du dich ganz seinem Willen überlässt. Nur eines erlaube ich dir, nämlich dass du ihn liebst und im Leiden nachahmen wollest. In allem übrigen läufst du Gefahr, von meinem und meines göttlichen Sohnes Willen abzuweichen; und dies wird wirklich geschehen, wenn du deinem Willen, deinen Neigungen und Wünschen folgst. Töte sie also ab, bringe sie zum Opfer, erhebe dich über dich selbst und schwinge dich auf zur erhabenen Wohnung deines Herrn; achte auf seine Erleuchtungen, auf seine Worte der Wahrheit und des ewigen Lebens'. Damit du aber zu diesem Leben gelangen wirst, nimm dein Kreuz auf dich4, folge den Fußstapfen des Herrn, gehe dem Geruche seiner Salben nach5; ruhe nicht, bis du ihn findest, und hast du ihn gefunden, so lasse ihn nicht mehr'. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Himmelskönigin, gab. Lehre: Gleichförmigkeit mit Jesus Christus 972. Meine teuerste Tochter, die Weisheit des Fleisches hat die Menschen zu Unwissenden, zu Toren und Feinden Gottes gemacht; denn diese Weisheit ist teuflisch, trügerisch, irdisch und dem Gesetz Gottes nicht unterworfen'. Je mehr sich die Kinder Adams bemühen, je mehr sie auf Mittel ausgehen, um die schlechten Ziele ihrer sinnlichen, tierischen Leidenschaften zu erreichen, desto unwissender werden sie in göttlichen Dingen, und um so unfähiger, zu ihrem wahren und letzten Ziel zu gelangen. Bei den Kindern der Kirche aber ist diese Unwissenheit und fleischliche Klugheit noch beklagenswerter und Gott missfälliger. Auf welchen Grund hin wollen sich denn die Kinder der Welt Kinder Gottes, Brüder Christi und Erben seiner Güter nennen? Ein Adoptivsohn muss doch dem leiblichen Sohne in allem möglichst ähnlich sein. Ein Bruder ist doch nicht von ganz entgegengesetztem Geschlecht und Charakter als der andere. Erbe heisst man nicht, wenn man nur einen beliebigen Teil von den Gütern des Vaters erhält, ohne den Genuss des Vermögens und der Haupterbschaft. Wie sollten also jene Miterben Christi sein, die nur die irdischen Güter lieben, verlangen und suchen und an ihnen ihr ganzes Wohlgefallen finden? Wie sollten jene seine Brüder sein, die von seinen Eigenschaften, seiner Lehre und seinem heiligen Gesetz so weit abweichen? Wie sollten jene ihm ähnlich sein, welche so oft sein Bild in ihrer Seele austilgen und das "Bild der höllischen Bestie"' sich so oft eindrükken lassen? 973. Im göttlichen Lichte siehst du, meine Tochter, diese Wahrheiten ein; du weisst, wie sehr ich mich bemühte, dem Bilde des Allerhöchsten, meines Sohnes und Herrn, mich gleichförmig zu machen. Glaube aber nicht, ich habe dir eine so hohe Erkenntnis meiner Werke umsonst gegeben. Mein Verlangen geht vielmehr dahin, dass die Erinnerung daran deinem Herzen eingeprägt bleibe. Stets soll dir meine Lehre vor Augen schweben; nach ihr sollst du dein Leben ordnen und deine Handlungen einrichten während der ganzen noch übrigen Zeit deines Lebens, das nicht mehr lange dauern kann. Lass dich durch den Umgang und den Verkehr mit den Geschöpfen nicht aufhalten und hindern, mir nachzufolgen. Verlass die Geschöpfe, meide sie, kehre ihnen den Rücken, sofern sie dir hinderlich sein können. Um in meiner Schule Fortschritte zu machen, musst du arm, demütig, verachtet und gedrückt sein und bei alledem eine heitere Miene und ein freudiges Herz haben. Erfreue dich nicht über den Beifall und die Zuneigung irgendeines Menschen; lasse dich nie von den natürlichen Wünschen eines anderen bestimmen; denn der Herr will an dir keine so unnützen Rücksichten und keine so niedrigen Beschäftigungen, die mit dem Stande, zu welchem er dich beruft, unvereinbar sind. Erwäge mit demütiger Aufmerksamkeit die Liebesbeweise, welche du von der Hand des Herrn empfangen hast; bedenke, dass er, um dich zu bereichern, grosse Gnadenschätze aufgewendet hat. Dies ist aber dem Luzifer und seinen Dienern wohlbekannt; sie sind mit Zorn und Arglist gegen dich bewaffnet und werden alle Hebel in Bewegung setzen, um dich ins Verderben zu stürzen. Den gewaltigsten Kampf werden sie aber gegen dein Inneres führen; dorthin werden sie die feurigsten Geschosse ihrer Arglist und Bosheit richten. Sei darum wachsam und vorsichtig in deinem Verhalten; verschliesse die Türen deiner Sinne; halte deinen Willen im Zaum und lasse ihn an keine irdische Sache, so gut und ehrbar sie auch scheinen mag, sich hängen. Denn wenn deine Liebe zu Gott auch nur im geringsten hinter dem, was der Herr verlangt, zurückbleibt, so wird diese kleine Lücke die Pforte sein, durch welche deine Feinde eindringen. Das ganze Reich Gottes ist innerhalb dir', dort besitzest du den Herrn, dort wirst du ihn finden, und in ihm die Glückseligkeit, welche du begehrst. Vergiss meine Lehre nicht, bewahre sie in deinem Herzen. Wisse, dass die Gefahr und der Nachteil, welche ich von dir fernhalten will, sehr gross sind. Das höchste Glück aber, welches du dir wünschen kannst, ist dies, dass du mir nachfolgst und mir ähnlich wirst. Mit aller Zärtlichkeit bin ich geneigt, dir dasselbe zu verleihen, wenn du durch erhabene Gedanken und heilige Werke dich dazu bereitest und dich so zu jenem Stande erhebst, für welchen der Allmächtige und ich dich bestimmt haben. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir Maria, die heiligste Himmelskönigin, gab 983. Meine Tochter, ich habe dir schon oftmals gezeigt, was mein allerheiligster Sohn zum Heile der Menschen getan hat. Dabei habe ich dir auch gezeigt, wie hoch ich diese Werke geschätzt und wie eifrig ich dafür Dank gesagt habe. Daraus kannst du abnehmen, wie sehr eine dankbare Gesinnung von deiner Seite Gott wohlgefällig ist und welch grosse Güter in derselben eingeschlossen sind. Du bist zwar arm im Hause des Herrn, eine Sünderin, klein und schwach wie Staub; aber ich verlange doch, dass du es dir zur Aufgabe machst, meinem göttlichen Sohn unablässig Dank zu sagen für die Liebe, die er zu den Kindern Adams getragen, für das heilige, unbefleckte, gnadenreiche und vollkommene Gesetz, das er ihnen zum Heile gegeben, insbesondere aber für die Einsetzung der heiligen Taufe, durch deren Kraft sie von der Herrschaft des Satans befreit, zu Kindern Gottes wiedergeboren und mit der Gnade ausgerüstet werden, welche sie rechtfertigt und ihnen Kraft gibt, nicht wieder zu sündigen. Freilich ist dies eine Pflicht, welche allen insgesamt obliegt; allein da die Menschen dieselbe beinahe ganz vergessen, so schärfe ich sie dir ein, damit du nach meinem Beispiel im Namen aller dankst, wie wenn du allein die Dankschuldige wärst. Mit Rücksicht auf einzelne besondere Gnadenerweise des Herrn bist du dies in der Tat; denn gegen niemand ist der Herr so freigebig gewesen wie gegen dich. Bei Gründung des Neuen Bundes und bei Einsetzung der heiligen Sakramente bist du seinem Gedächtnis und seiner Liebe gegenwärtig gewesen, da er dich zu einer Tochter seiner Kirche berufen und auserwählt hat, um als solche mit den Früchten seines Blutes genährt zu werden. 984. Um als weiser Architekt die heilige Kirche zu gründen und den ersten Grundstein dieses Gebäudes durch das Sakrament der Taufe zu legen, hat mein allerheiligster Sohn, der Urheber der Gnade, sich gedemütigt, gebetet, gefleht und alle Gerechtigkeit erfüllt, indem er die Unterordnung seiner heilig sten Menschen unter die Wesenheit Gottes anerkannte. Ob gleich wahrer Gott, hat er es nicht verschmäht, sich als Mensch zu dem Nichts zu erniedrigen, aus welchem seine reinste Seele erschaffen und seine Menschheit gebildet war. Wie musst dann aber du dich demütigen! Du hast gesündigt; du bist we niger als Staub und Asche. Bekenne also, dass du aus Gerechtigkeit nur Züchtigung und Zorn von allen Geschöpfen verdienst. Kein Sterblicher, der seinen Schöpfer und Erlöser beleidigt hat, kann mit Wahrheit sagen, es geschehe ihm Unrecht, wenn auch alle Leiden und Trübsale vom Anfang an bis zum Ende der Welt über ihn kämen. Nun haben aber alle in Adam gesündigt. Wie sehr müssen sie sich also demütigen und unterwerfen, wenn die Hand des Herrn sie berührt'! Und wenn du auch alle Peinen der Menschen mit demütigem Herzen ertrügst und überdies alle meine Ermahnungen, Belehrungen und Befehle vollkommen beobachtetest, so müsstest du dich dennoch als eine unnütze Magd betrachten'. Um wieviel mehr musst du dich also aus ganzem Herzen demütigen, wenn du deine Pflicht nicht erfüllst und hinter dem schuldigen Dank weit zurückbleibst? Ich will, dass du in deinem Namen und im Namen aller anderen diesen Dank abstattest; nimm also diese Pflicht wohl zu Herzen; bereite dich dazu, indem du dich bis in den Staub erniedrigst. Leiste keinen Widerstand und gib dich niemals zufrieden, bis Gott dich im himmlischen, triumphierenden Jerusalem als seine Tochter erklärt und zu seiner ewigen Anschauung zugelassen hat. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir unsere Königin und Herrin gegeben hat. Lehre: Notwendigkeit der äusseren Abtötung 992. Meine Tochter, die körperlichen Busswerke sind dem sterblichen Menschen notwendig und unerlässlich, und zwar in dem Grade, dass viele Seelen ewig verloren gegangen sind, einzig und allein deshalb, weil sie diese Wahrheit und diese ihre Schuldigkeit nicht kannten und ihre Verpflichtung, das Kreuz zu umfangen, vergessen und verachtet haben; und viele andere Seelen befinden sich aus dem gleichen Grunde in der Gefahr, demselben Schicksale zu verfallen. Der erste Grund, warum die Menschen ihr Fleisch kreuzigen und abtöten müssen, ist, weil sie in Sünde empfangen sind. Durch die Sünde ist die ganze Natur des Menschen verdorben; die Leidenschaften sind widerspenstig gegen die Vernunft und zum Bösen geneigt, sie streiten wider den Geist. Lässt man sie ihren Trieben nachgehen, dann reissen sie die Seele mit sich fort und stürzen sie von einem Laster in das andere. Wird aber dieses wilde Tier, das Fleisch, durch den Zügel der Abtötung und Kasteiung gebändigt und unterjocht, dann verliert es seine Kraft, und die Vernunft gewinnt mit dem Lichte der Wahrheit die Oberhand. Der zweite Grund ist, weil kein Mensch frei ist von Sünden, durch die er den ewigen Gott beleidigt hat. Auf die Schuld aber muss unerlässlich die entsprechende Strafe und Züchtigung folgen, sei es in diesem, sei es im anderen Leben. Und da Leib und Seele miteinander gesündigt haben, so müssen nach voller Gerechtigkeit auch beide gezüchtigt werden. Der innere Schmerz reicht nicht hin, wenn das Fleisch, um nicht leiden zu müssen, der verdienten Strafe auszuweichen sucht. Dazu kommt, dass die Schuld eine sehr grosse, die Ersatzleistung von seiten des Schuldigen aber eine sehr beschränkte und kärgliche ist. Und da überdies der Sünder, auch wenn er sein ganzes Leben lang Busse tut, niemals gewiss weiss, ob er dem Richter Genüge geleistet habe, so darf er auch bis zum Ende seines Lebens niemals von der Busse ablassen. 993. Allerdings ist der gütige Gott gegen die Menschen so gnädig, dass er, wenn sie durch die geringe Busse, die sie zu leisten imstande sind, ihre Sünden abzuzahlen sich bemühen, nicht nur die ihm zugefügten Beleidigungen nachsieht, sondern überdies sich durch sein eigenes Wort verbindlich machen wollte, den Menschen für ihre Busse neue Gnaden und ewige Belohnungen zu verleihen. Allein die treuen und klugen Knechte, welche ihren Herrn wahrhaft lieben, lassen es sich angelegen sein, noch freiwillige Werke hinzuzufügen. Denn ein Schuldner, der nur daran denkt, die Schuld zu bezahlen, über das Schuldige hinaus aber nichts leisten will, der mag zwar seine Schuld abzahlen, bleibt aber doch arm und mittellos, wenn er nicht auch etwas erübrigt. Was müssen also diejenigen denken oder erwarten, welche weder ihre Schuld bezahlen, noch freiwillige Werke verrichten? Der dritte Grund, welcher die Seelen am meisten bewegen sollte, ist der, weil sie ihrem göttlichen Lehrmeister und Herrn nachfolgen sollen. Mein allerheiligster Sohn und ich, wir hatten weder Sünden noch ungeordnete Leidenschaften, und doch haben wir uns zum Leiden hingeopfert. Unser ganzes Leben war eine ununterbrochene Abtötung und Kasteiung des Fleisches, und es geziemte sich, dass der Herr auf diesem Wege in die Glorie seines Leibes und seines Namens einging', und dass ich ihm auf diesem Wege folgte. Wenn nun wir so getan haben, weil es so geziemend war, welches Recht haben dann die Menschen, einen anderen Weg aufzusuchen und ein angenehmes, weichliches, vergnügliches und genußsüchtiges Leben zu führen und alles, was weh tut, Unbilden, Demütigungen, Fasten und Abtötungen zu verachten und zu verabscheuen? Sind etwa diese Peinen bloss für meinen Sohn und Herrn Jesus Christus und für mich bestimmt gewesen, während die Sünder, die Schuldigen, die, welche die Strafen verdient haben, die Hände in den Schoss legen, den schändlichen Gelüsten des Fleisches sich hingeben und die Seelenkräfte, die sie von meinem Herrn Jesus Christus empfangen haben, um sie zu seinem Dienste und seiner Nachfolge zu gebrauchen, nur dazu verwenden, ihren Vergnügungen zu frönen und dem Satan, der solche eingeführt hat, zu dienen? Diese Ungeheuerlichkeit, welche unter den Kindern Adams ganz allgemein herrschend ist, hat den Zorn des gerechten Richters gar sehr gereizt. 994. Es ist wohl wahr, meine Tochter, dass durch die Leiden und Schmerzen meines heiligsten Sohnes ersetzt wurde, was den Menschen an Verdiensten gebrach. Auch hat der Erlöser angeordnet, dass ich, obwohl ein blosses Geschöpf, gleichsam die Stelle aller übrigen Menschen vertretend, mit ihm gemeinschaftlich wirke und ihn in seinen Leiden und Bussübungen aufs vollkommenste nachahme. Allein dies geschah nicht, um die Menschen der Busse zu entheben, sondern vielmehr um sie zur Busse anzueifern; denn wäre nichts weiter erfordert gewesen, als für die Menschen genugzutun, dann hätte es so vieler und schwerer Leiden nicht bedurft. Auch war es die Absicht meines heiligsten Sohnes, als eines wahren Vaters und Bruders der Menschen, den Werken und Bussübungen aller seiner Jünger Wert zu verleihen; denn alle Werke der Geschöpfe wären vor Gottes Augen von geringem Wert, wenn sie nicht von den Werken meines heiligsten Sohnes Wert bekommen würden. Wenn nun dies von Werken gilt, welche in jeder Hinsicht tugendhaft und vollkommen sind, was wird erst von solchen gelten, welche dem Gegenstande nach zwar gut, aber doch voll Fehler und Mängel sind, wie dies bei euch Adamskindern gewöhnlich der Fall ist? Denn auch an den Werken derer, die im geistlichen Leben weit vorangeschritten und gerecht sind, ist gar vieles zu ergänzen und zu verbessern. Alle diese Lücken nun hat mein Herr Jesus Christus durch seine Werke ausgefüllt, damit der himmlische Vater die Werke der Menschen, mit den Werken Christi vereinigt, wohlgefällig annehme. Wenn nun aber jemand nicht daran denkt, eigene Werke zu verrichten, sondern müssig dasteht und die Hände in den Schoss legt, dann kann er auch die Werke seines Erlösers nicht für sich geltend machen; bei solchen Menschen gibt es nichts zu ergänzen und zu vervollkommnen, wohl aber gar vieles zu verdammen. Ich rede jetzt, meine Tochter, nicht mehr von der verabscheuungswürdigen Verirrung jener Gläubigen, welche die Sinnlichkeit und Eitelkeit der Welt sogar in die Übungen der Busse eingeführt haben. Solche verdienen für ihre Busse noch grössere Strafe als für ihre übrigen Sünden, da sie mit den Werken der Busse eitle, unvollkommene Absichten verbinden, dagegen die übernatürlichen Zwecke, welche der Busse ihren Wert und der Seele das Gnadenleben verleihen, ganz und gar ausser acht lassen. Ich werde hievon bei einer anderen Gelegenheit reden, falls es nötig sein wird. Für jetzt aber merke dir, dass du eine solche Verblendung beweinen und dich zu Mühsal und Leiden bereit halten sollst. Und würdest du auch soviel leiden, als alle Apostel, Märtyrer ünd Bekenner gelitten haben, so würdest du damit nur deine Schuldigkeit tun. Kasteie deinen Leib allezeit und trachte in deinem Eifer hierin immer mehr zuzunehmen. Bedenke, dass dir noch vieles mangelt, zumal da das Leben so kurz, deine Leistungsfähigkeit zum Bezahlen aber so gering ist. FRAGE, welche ich an die heiligste Himmelskönigin Maria stellte. Frage an die heiligste Himmelskönigin Maria 1003. Königin des Himmels, Herrin des Weltalls, deine herablassende Güte flösst mir den Mut ein, dir als meiner Meisterin und als der Mutter der Weisheit einen Zweifel vorzulegen, und zwar in betreff jener himmlischen Speise, welche die heiligen Engel unserem Herrn in der Wüste brachten, wie du mir in diesem und in anderen Hauptstücken durch himmlisches Licht mitgeteilt hast. Ich meine, diese Speise werde von der nämlichen Art gewesen sein, wie jene, welche die Engel deinem göttlichen Sohne und dir manchmal boten, wenn euch nach Gottes Fügung die gewöhnliche irdische Nahrung fehlte. Ich habe dieselbe eine "himmlische Speise" genannt, weil mir kein anderer Ausdruck zu Gebote stand; ich weiss aber nicht, ob dieser Ausdruck zutreffend ist. Denn ich bin darüber nicht im klaren, woher jene Speise kam und von welcher Beschaffenheit sie war. Im Himmel wird es wohl keine Speisen geben für den Unterhalt des Leibes; dort hat man ja nicht nötig, sich wie auf Erden zu nähren. Freilich werden bei den Seligen des Himmels auch die leiblichen Sinne eine entsprechende, sinnlich wahrnehmbare Freude empfinden, und darum wird auch der Geschmacksinn eine entsprechende Befriedigung finden. Doch wird dies wohl, wie ich glaube, nicht durch eine Speise geschehen, sondern auf eine andere Weise, indem nämlich die Glorie der Seele auf den Körper überströmt und dieser an der Seligkeit der Seele teilnimmt. Und so werden wohl auch die Sinne des Leibes auf wunderbare Weise an der Seligkeit teilnehmen, und zwar jeder einzelne Sinn gemäss seiner natürlichen Gabe zu empfinden, jedoch so, dass dort von einer Unvollkommenheit und roh sinnlichen Wahrnehmung, wie sie im sterblichen Leben in bezug auf die Sinnestätigkeiten und ihre Gegenstände stattfindet, keine Rede mehr sein kann. Hierüber wünsche ich von deiner herablassenden, mütterlichen Güte als eine Unwissende belehrt zu werden. ANTWORT UND LEHRE der Himmelskönigin. Buch fünf. LEHRE: Wie man die Versuchungen überwinden soll 1004. Meine Tochter, dein Zweifel ist begründet: denn es gibt in der Tat, wie du gesagt hast, im Himmel keine stoffliche Speise. Trotzdem hast du jene Speise, welche die Engel meinem göttlichen Sohne und mir gebracht haben, ganz richtig eine "himmlische Speise" genannt, und ich selbst habe dir diesen Ausdruck gegeben; denn sie hatte ihre Kraft vom Himmel empfangen und nicht von der Erde, auf welcher alles roh, sinnlich und unvollkommen ist. Damit du aber die Beschaffenheit dieser Speise und die Art verstehst, wie Gottes Vorsehung sie bildet, so wisse: wenn der Herr uns speisen und den Mangel anderer Nahrung durch jene ersetzen wollte, welche er auf wunderbare Weise durch die heiligen Engel uns sandte, dann bediente er sich dabei einer materiellen Sache, und zwar meistens des Wassers, weil dieses klar und einfach ist; denn der Herr will für diese Wunder keine vielfach zusammengesetzten Stoffe verwenden. Manchmal bediente er sich auch des Brotes oder einiger Früchte. In seiner Allmacht verlieh er dann diesen Dingen solche Kraft und solchen Wohlgeschmack, dass sie alle irdischen Speisen, auch die köstlichsten, so weit übertrafen, als der Himmel die Erde. Ja nichts auf Erden ist denselben zu vergleichen; denn jener himmlischen Speise gegenüber erscheint alles andere als fad und kraftlos. Folgende Beispiele mögen dir zu besserem Verständnisse dienen. Das erste Beispiel liefert der Aschenkuchen, welchen Gott dem Elias gab. Diese Speise war so stärkend, dass Elias in Kraft derselben bis zum Berge Horeb gehen konnte'. Das zweite Beispiel ist das Manna, welches auch Brot der Engel genannt wird, weil die Engel dasselbe bereiteten, indem sie die Dünste der Erde verdichteten und dann, in Körner verteilt, auf die Erde streuten. Das Manna war von ganz mannigfachem Geschmacke und sehr kräftig, um den Leib zu nähren'. Das dritte Beispiel ist das Wunder, welches mein heiligster Sohn bei der Hochzeit zu Kana wirkte, indem er Wasser in Wein verwandelte. Er verlieh diesem Weine einen ausserordentlichen Wohlgeschmack und eine ungewöhnliche Kraft, wie daraus hervorgeht, dass diejenigen, welche davon kosteten, mit Staunen erfüllt wurden'. 1005. Auf diese Weise verlieh Gottes Allmacht dem Wasser wunderbare Kraft und übernatürlichen Wohlgeschmack; oder er verwandelte es in ein anderes, überaus süsses und wohlschmeckendes Getränk. Eine gleiche Kraft verlieh er auch dem Brote oder den Früchten, indem er alle diese Dinge verfeinerte oder sozusagen vergeistigte. Eine solche Speise nährte dann den Körper, erquickte die Sinne und stellte die Kräfte auf wunderbare Weise wieder her, so dass die menschliche Schwachheit zu mühsamen Werken stark und behende war und darin weder Überdruss noch Beschwerde fand. Von solcher Beschaffenheit war jene Speise, welche die Engel meinem heiligsten Sohne nach dem Fasten brachten, und ebenso jene, welche mein Sohn, ich und der hl. Joseph miteinander manchmal erhielten; denn auch der hl. Joseph ward dieser Gnade gewürdigt. Überdies hat der Allerhöchste auch einigen anderen seiner Freunde und Diener eine solche Freigebigkeit erzeigt und sie durch ähnliche Speisen erquickt. Doch geschah es nicht so häufig und nicht unter so wunderbaren Umständen wie bei uns. - Dies ist die Antwort auf deinen Zweifel. Nun vernimm auch die Lehre, welche zu diesem Hauptstücke gehört. 1006. Zum besseren Verständnis dessen, was du geschrieben hast, musst du drei Gründe erwägen, welche unter anderen meinen allerheiligsten Sohn bewogen haben, den Kampf gegen Luzifer und seine höllischen Diener aufzunehmen. Du wirst dadurch höheres Licht und grösseren Mut gegen diese Feinde erhalten. Sein erster Beweggrund war die Absicht, die Sünde und den bösen Samen zu zerstören, welchen der Satan durch den Fall Adams in die menschliche Natur ausgesät hatte, nämlich die sieben Hauptsünden: den Stolz, den Geiz, die Unlauterkeit u. s. f.; diese sind die sieben Köpfe dieses Drachen. Luzifer hatte aber für jede dieser sieben Sünden einen besonderen bösen Geist als Anführer der übrigen aufgestellt, damit alle miteinander, gleichsam die Waffen unter sich verteilend, gegen die Menschen Krieg führen, sie zu den Hauptsünden versuchen und überhaupt in jener verwirrten Ordnung, von der du im ersten Teile gesprochen hast', gegen die Menschen streiten. Darum hat mein göttlicher Sohn gegen alle diese Fürsten der Finsternis gestritten, sie überwunden und durch die Kraft seiner Tugenden ihre Macht gebrochen. Das Evangelium erwähnt zwar nur drei Versuchungen, weil diese mehr sichtbar waren; allein der Streit wie der Triumph waren weiter ausgedehnt; denn unser Herr hat alle jene Anführer der höllischen Geister mit ihren Lastern überwunden. Er überwand den Stolz durch seine Demut, den Zorn durch seine Sanftmut, den Geiz durch die Verachtung des Reichtums und in ähnlicher Weise alle übrigen Hauptsünden. Am allermeisten wurden diese Feinde niedergeschmettert und entmutigt, als sie später am Fusse des Kreuzes die Gewissheit erlangten, derjenige, der sie überwunden, sei der menschgewordene Sohn Gottes. Dadurch wurden sie, wie du später berichten wirst', sehr verzagt, so dass sie es kaum wagen würden, die Menschen anzugreifen, wenn sich diese die Kraft und die Siege meines heiligsten Sohnes zunutze machen wollten. 1007. Der zweite Beweggrund, warum mein heiligster Sohn diesen Kampf aufnahm, war der Gehorsam gegen den himmlischen Vater. Dieser hatte ihm nämlich befohlen, nicht bloss für die Erlösung der Menschen zu leiden und zu sterben, sondern auch diesen Kampf mit den bösen Geistern aufzunehmen und dieselben durch die geistige Kraft seiner unvergleichlichen Tugenden zu überwinden. Der dritte Beweggrund, der aus den zwei ersten hervorgeht, war die Absicht, den Menschen ein Muster und Beispiel zu hinterlassen, wie sie über diese Feinde siegen und triumphieren könnten. Auch deshalb hat der Heiland diesen Kampf übernommen, damit kein Sterblicher sich wundere, wenn er von den bösen Geistern angefochten und verfolgt wird. Alle sollten in ihren Versuchungen und Kämpfen den Trost haben, dass ihr Erlöser und Meister dieselben Kämpfe schon vorher durchgemacht hat. Und wenn diese auch bei unserem Herrn der Art nach verschieden waren, so waren sie doch dem Wesen nach den Kämpfen der anderen Menschen gleich; nur hat der Satan dem Erlöser gegenüber eine grössere Anstrengung und Bosheit entwickelt. Mein Herr Jesus Christus liess zu, dass Luzifer die ganze Macht seiner Bosheit zuerst an ihm versuche, damit auf diese Weise die Macht Satans durch die göttliche Kraft Christi gebrochen und für die Kämpfe, die er in der Folge gegen die Menschen führen sollte, geschwächt würde. Infolgedessen könnten die Sterblichen den Satan gar leicht besiegen, wenn sie sich der Gnaden, die ihnen ihr Erlöser bei seinen Versuchungen verdient hat, zunutze machen würden. 1008. Alle Menschen haben diese meine Lehre nötig, uni den Satan zu besiegen, du aber, meine Tochter, bist derselben noch mehr bedürftig als alle andern; denn der Zorn des Drachen gegen dich ist sehr gross, deine Natur aber ist schwach zum Widerstand, wenn du dir nicht meine Lehre und das Beispiel des göttlichen Heilands zunutze machst. An erster Stelle musst du die Welt und das Fleisch überwinden; das Fleisch, indem du es mit kluger Strenge abtötest; die Welt, indem du sie fliehst und dich von den Geschöpfen zurückziehst in das verborgene Kämmerlein deines Herzens. Beide Feinde wirst du überwinden, wenn du dieses Kämmerlein nie verlässt, wenn du die Gnade und das Licht, welches du darin empfängst, nie aus dem Auge verlierst, und wenn du endlich nichts Irdisches liebst, ausser soweit es die wohlgeordnete Liebe gestattet. Damit rufe ich dir das strengste Gebot, welches ich dir so oft schon gegeben habe, in das Gedächtnis zurück; denn Gott hat dir ein Herz geschenkt, welches feurig liebt; und es ist sein Wille, wie auch der meine, dass es ganz und vollständig unserer Liebe geweiht sei. Keiner einzigen, wenn auch noch so leichten Regung deiner Neigungen darfst du freiwillig zustimmen und deinen Sinnen keine Tätigkeit gestatten, ausser zur Ehre Gottes und um Gott zuliebe für des Nächsten Wohl etwas zu tun oder zu leiden. Wenn du mir in allem gehorchst, so werde ich dich gegen den höllischen Drachen beschirmen und stärken, auf dass du die Kämpfe des Herrn kämpfst'. Tausend Schilde wer den an dir hängen2, um dich zu verteidigen und den Satan zu überwinden. Sei jedoch allezeit bedacht, dich der Worte der Heiligen Schrift zu bedienen, ohne dich auf viele Worte oder Gründe mit diesem arglistigen Feinde einzulassen. Denn schwache Geschöpfe dürfen keine Unterredung mit ihrem Todfeinde, dem Vater der Lüge, pflegen, da selbst mein heiligster Sohn, obwohl allmächtig und unendlich weise, dies nicht getan hat, gerade damit die Seelen durch sein Beispiel dieses vorsichtige Verhalten gegen den Satan lernen. Bewaffne dich mit lebendigem Glauben, fester Hoffnung, glühender Liebe und tiefer Demut; denn dies sind die Waffen, um diesen Drachen zu zerschmettern und zu vernichten. Ihnen wagt er nicht die Stirne zu bieten; er flieht vor ihnen, denn sie sind seinem Stolze überlegen. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Liebe zur Einsamkeit. Seeleneifer 1016. Meine Tochter, als Lehre dieses Hauptstückes gebe ich dir zwei wichtige Unterweisungen. Für's erste liebe die Einsamkeit. Bewahre sie mit höchster Sorgfalt, damit du der Segnung teilhaftig werdest, welche mein allerheiligster Sohn verdient und verheissen hat, welche in der Liebe zur Einsamkeit seinem Beispiele folgen. Trachte immer allein zu sein, sofern du nicht durch den Gehorsam verpflichtet bist, mit den Menschen zu verkehren. Und wenn du in diesem Falle die äussere Einsamkeit zu verlassen hast, so nimm sie in deinem Herzen mit dir, so dass die äusseren Sinne und deren Gebrauch dich nicht in deiner Sammlung stören. Die äusseren Geschäfte mache wie im Vorbeigehen ab, sei dagegen beständig in der inneren Einsamkeit und Sammlung. Zu diesem Zwecke versage jeder Vorstellung von Geschöpfen den Zutritt, denn manchmal nehmen diese Bilder den Geist mehr ein als die Sache selbst; immer aber stören und rauben sie die Freiheit des Herzens. Eine unwürdige Sache aber wäre es, wenn du dein Herz an ein Geschöpf hängen würdest, oder wenn eines in deinem Herzen Platz fände. Mein göttlicher Sohn will dein Herz für sich allein, und ich will es gleichfalls. Die zweite Lehre ist, dass du an erster Stelle deine eigene Seele hochschätzst und dich bemühst, sie in aller Reinheit und Unschuld zu bewahren. Sodann sollst du aber auch für das Seelenheil aller übrigen besorgt und bemüht sein. Ganz besonders aber verlange ich von dir, dass du meinem heiligsten Sohne und mir in der Liebe zu den Armen und zu den von dieser Welt Verachteten ähnlich werdest. Diese Kleinen bitten gar oft um das Brot des Rates und der Unterweisung, finden aber niemand, der es ihnen bräche', wie man dies für die Grossen und Reichen der Welt tut, denen es nicht an Dienern und Ratgebern gebricht. Arme und Verachtete kommen viele zu dir; nimm sie voll Mitleid auf und tröste sie mit Zärtlichkeit, damit sie das Licht und deinen Rat in ihr aufrichtiges Herz aufnehmen. Den Begabteren jedoch gib deinen Rat auf andere Weise. Trachte diese Seelen zu gewinnen; denn bei all ihrem zeitlichen Elend sind sie doch kostbar in den Augen Gottes. Bemühe dich für sie ohne Unterlass und sei bereit, nötigenfalls selbst dein Leben zu geben, damit weder an ihnen noch an anderen die Frucht der Erlösung verloren gehe. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Notwendigkeit. dem ersten Rufe der Gnade su lullt, rn 1023. Meine Tochter, alle Werke meines göttlichen Sohnes geben die Liebe Gottes zu den Menschen kund, zugleich aber auch den Unterschied seiner Liebe von derjenigen, welche die Menschen untereinander hegen. Weil die Menschen so karg, engherzig, eigennützig und träge sind, so lassen sie sich zur Liebe eines andern gewöhnlich nur durch ein Gut bewegen, das sie in demselben voraussetzen. Somit entspringt die Liebe der Menschen aus dem Gut, das sie in dem Gegenstand ihrer Liehe finden. Die Liebe Gottes dagegen hat ihren Ursprung in sich selbst; und da sie auch bewirken kann, was sie will, so sucht sie das Geschöpf nicht, als ob dasselbe ihrer würdig wäre, sondern sie liebt dasselbe, um es eben durch ihre Liebe würdig zu machen. Deshalb darf keine Seele misstrauisch sein gegen Gottes Güte. Sie darf sich aber auch nicht dem vermessenen Vertrauen hingeben, die göttliche Liebe werde in ihr jene Gnadenwirkungen hervorbringen, deren sie sich unwürdig macht. Denn Gott befolgt in seiner Liebe und in seinen Geschenken eine Ordnung der Gerechtigkeit, welche den Menschen ganz und gar verborgen ist. Er liebt zwar alle Menschen und will, dass alle selig werden'; er verweigert niemand die Geschenke seiner Liebe; allein es gibt doch ein gewisses Mass und Gewicht des Heiligtums, mit welchem sie verteilt werden. Und da der Mensch dieses Geheimnis nicht erforschen kann, so muss er acht haben, dass er die erste Gnade und Einladung nicht verscherze und unbenützt lasse. Denn er weiss nicht, ob er durch ein solch undankbares Verhalten sich nicht der zweiten Gnade unwürdig macht; er weiss nur soviel, dass, wenn er sich nicht unwürdig macht, dieselbe ihm nicht verweigert wird. Diese Wirkungen der göttlichen Liebe in einer Seele beginnen mit einer inneren Erleuchtung, welche dahin zielt, den Menschen seiner Sünden zu überweisen und zur klaren Überzeugung zu bringen, dass er sich in einem schlimmen Zustande befinde und in der Gefahr des ewigen Todes schwebe. Allein der Stolz macht die Menschen so töricht und hartherzig, dass viele diesem Lichte widerstehen; andere sind träge, so dass sie demselben niemals folgen; und so kommt es, dass sie die erste Wirkung der göttlichen Liebe vereiteln und eben dadurch zu weiteren Wirkungen sich unfähig machen. Ohne den Beistand der Gnade kann aber der Mensch weder das Böse meiden, noch das Gute vollbringen, ja er kann letzteres nicht einmal erkennen. So geschieht es dann, dass die Menschen von einem Abgrund in viele andere stürzen; denn weil sie die Gnade vereiteln und zurückstossen und sich dadurch neuen Beistandes unwürdig machen, so ist ihr Sturz in neue und immer grössere Sünden unvermeidlich. 1024. Achte also, meine Tochter, auf das Licht, welches Gott in seiner Liebe deiner Seele verliehen hat. Hättest du auch nur jenes Licht empfangen, welches dir mein Leben zeigt, so wärst du dafür allein schon zum grössten Danke verpflichtet; und wenn du es nicht benützest, so bist du vor Gott, vor mir und vor allen Engeln und Menschen strafbarer als jeder andere Mensch. Nimm dir auch ein Beispiel an den ersten Jüngern meines göttlichen Sohnes und an der Bereitwilligkeit, mit wel cher sie ihm folgten und ihn nachahmten. Freilich war es eine ganz besondere Gnade, dass er sie ertragen und herangebildet hat; allein sie haben auch seinen Bemühungen entsprochen und seine Lehre ausgeübt. Und wenn sie auch von Natur schwach waren, so machten sie doch neue, grössere Gnaden für sich nicht unmöglich, und ihr Verlangen ging viel weiter, als ihre schwachen Kräfte reichten. Um auf solche Weise aufrichtig und treu die Liebe zu Gott zu üben, musst du mein Verhalten nachahmen, insbesondere mein Verlangen, für meinen göttlichen Sohn oder mit ihm zu sterben; denn zu diesem Zwecke habe ich dir dieses Geheimnis geoffenbart. Bereite dein Herz für das, was ich dir ferner noch mitteilen werde über den Tod unseres Herrn und über mein übriges Leben; so wirst du auf das Vollkommenste und Heiligste handeln. Endlich spreche ich dir, meine Tochter, nochmals meine Klage darüber aus, dass die meisten Menschen so wenig an das denken, was mein Sohn und ich für sie getan und gelitten haben. Es liegt ihnen nichts daran, dies zu wissen; sie geben sich zufrieden, es im allgemeinen zu glauben; undankbar wie sie sind, nehmen sie es nicht zu Herzen, welchen Nutzen ein jedes unserer Werke ihnen bringt und welchen Dank es verdient. Du wenigstens bereite mir diesen Schmerz nicht. Ich teile dir ja so verehrungswürdige, erhabene Geheimnisse mit, in welchen du Licht und Belehrung sowie die Übungen der höchsten Vollkommenheit findest. Erhebe dich über dich selbst und wirke mit Eifer, damit du Gnade und immer reichere Gnade erlangst und durch deren Benützung zahlreiche Verdienste und ewige Belohnungen erwirbst. BUCH FÜNF. LEHRE, welche mir die heiligste Jungfrau Maria gegeben hat. Lehre: Innige Liebe zu Maria 1031. Meine Tochter, wie ich sehe, blickst du mit heiliger Eifersucht auf das grosse Glück der Jünger meines heiligsten Sohnes, insbesondere auf das des hl. Johannes, meines Dieners und Liebhabers. Es ist wahr, dass ich ihn in besonderer Weise liebte, weil er ganz rein und unschuldig war wie eine Taube. Er war aber auch dem Herrn sehr wohlgefällig, teils wegen dieser Unschuld, teils wegen seiner Liebe zu mir. Dieses Beispiel soll dir ein Antrieb sein, dem Herrn und mir gegen??lrcr dich so zu verhalten, wie ich es verlange. Du weisst es gar wohl. meine liebste Tochter, dass ich eine sehr gütige Mutter bin und dass ich alle diejenigen, welche mit glühender und frommer Sehnsucht meine Kinder und Diener meines Herrn zu sein wün schen, mit innigster Mutterliebe aufnehme. Mit der ganzen Kraft der Liebe, welche Seine Majestät mir verliehen hat, werde ich sie mit beiden Armen an mich schliessen und werde ihre Mittlerin und Fürsprecherin sein. Was aber dich betrifft, so werde ich, je unnützer, ärmer und schwächer du bist, uni so mehr Beweggründe in dir finden, meine überaus freigebige Güte an dir zu offenbaren. Darum rufe ich dich und lade dich ein, meine liebste Tochter zu sein, ausgezeichnet vor der ganzen Kirche durch deine Andacht zu mir. 1032. Dieser meiner Verheissung wirst du jedoch nur unter einer Bedingung teilhaftig werden, deren Erfüllung ich von dir verlange. Es ist folgende: Wenn deine Eifersucht auf meine grosse Liebe zu meinem Sohne Johannes und auf seine heilige Gegenliebe zu mir in Wahrheit eine heilige ist, so musst du diesen Jünger nach dem Masse deiner Kräfte mit aller Vollkommenheit nachahmen. Dies ist es, was du mir versprechen und was du erfüllen musst, ohne irgendwie von meinem Willen abzuweichen. Es ist aber mein Wille, dass du dir alle Mühe geben sollst, dahin zu gelangen, dass die Eigenliebe samt allen Wirkungen der Erbsünde in dir stirbt, dass die mit der Begierlichkeit verbundenen irdischen Neigungen ausgetilgt werden und du zu dem Stande der lautersten Tauben-Unschuld zurückkehrst, der alle Bosheit und Unaufrichtigkeit ausschliesst. In allen deinen Handlungen sollst du ein Engel sein; denn in seiner huldvollen Güte gegen dich hat dir der Allerhöchste Licht und Erkenntnis mitgeteilt, wie sie mehr einem Engel als einem menschlichen Geschöpfe eigen sind; und ich bin es, welche dir diese grossen Gnaden erbittet. Es ist aber billig, dass das Wirken mit dem Erkennen gleichen Schritt hält. Darum musst du eine ununterbrochene liebevolle Sorge tragen, mir Freude zu machen und mir zu dienen. Allezeit sollst du auf meine Rat schläge achten und deine Augen sollen stets auf meine Hände gerichtet sein, um meinen Willen zu erfahren und ihn augen blicklich zu vollziehen. Wenn du dies tust, dann wirst du meine wahre Tochter, ich aber werde deine liebevolle Beschützerin und Mutter sein. @@@@@ Buch 6 @@@@@ BUCH SECHS. LEHRE welche mir die grosse Himmelskönigin gab. Lehre Eifer für die Ehre Gottes 1042. Meine Tochter, es ist eine bei den Kindern der Kirche zwar allgemein vorkommende, aber unentschuldbare Nachlässigkeit und Sorglosigkeit, dass sie auf die Ausbreitung der Ehre Gottes nicht bedacht sind. Alle insgesamt und jeder einzelne sollten trachten, dass der heilige Name Gottes mehr und mehr erkannt und so die Herrlichkeit allen offenbar werde. Allein dies vernachlässigen sie ganz, und ihre Nachlässigkeit ist schuldbarer, seitdem das ewige Wort gerade zu dem Zwecke in meinem Schosse Fleisch angenommen und die Welt belehrt und erlöst hat, um die Ehre Gottes zu verbreiten. Zu diesem Zwecke hat der Sohn Gottes die heilige Kirche gegründet; zu diesem Zwekke hat Er die Kirche mit geistlichen Gütern und Schätzen bereichert, mit Dienern versehen und auch mit zeitlichen Gütern beschenkt. Alles dieses muss nicht bloss dazu dienen, um die Zahl der Kinder der Kirche zu erhalten, sondern auch, um die Kirche zu erweitern und eine immer grössere Anzahl von Menschen der Wiedergeburt durch den katholischen Glauben zuzuführen. Zur Erreichung dieses Zieles müssen alle beitragen, damit der Tod ihres Erlösers mehr und mehr Frucht trage. Die einen können es tun durch Bitten, Flehen und heisses Verlangen nach der Ausbreitung der Ehre des göttlichen Namens; andere können es tun durch Almosen, andere durch Wachsamkeit und Ermahnung, wieder andere durch ihre Arbeit und ihren Fleiss. Und wenn auch die Nachlässigkeit und Saumseligkeit, welche sich die Menschen in dieser Hinsicht zuschulden kommen lassen, bei den Unwissenden und Armen weniger schuldbar ist, weil vielleicht niemand sie an diese Pflicht erinnert, so sind doch die Reichen und Mächtigen und ganz besonders die Diener und Vorsteher der Kirche, welchen diese Sorge als strenge Pflicht obliegt, gar sehr strafbar. Viele von ihnen, ganz uneingedenk der furchtbaren Rechenschaft, welche ihnen bevorsteht, suchen anstatt der wahren Ehre Jesu Christi nur ihre eigene, eitle Ehre. Sie verwenden das Patrimonium der Kirche, die Frucht des Blutes des Erlösers, zu Werken und Zielen, die gar nicht genannt zu werden verdienen. Auf ihre Rechnung kommt es, wenn unzählige Seelen, welche durch Anwendung der rechten Mittel für die heilige Kirche gewonnen werden könnten, zugrunde gehen. Zum wenigsten verlieren sie das Verdienst, das sie sich hiebei erwerben könnten; der Herr aber entbehrt der Ehre, treue Diener in seiner Kirche zu haben. Die gleiche Rechenschaft steht auch den weltlichen Fürsten und Machthabern bevor; sie haben aus der Hand Gottes Ehre, Reichtum und andere zeitliche Güter empfangen, um dieselben zur Ehre der göttlichen Majestät zu verwenden; allein an nichts denken sie weniger als an diese ihre Verpflichtung. 1043. Trauere über diese Misstände und biete alle deine Kräfte auf, damit der Allerhöchste mehr und mehr von allen Völkern erkannt und geehrt werde und dass aus den Steinen Kinder Abrahams erweckt werden'; denn der Herr ist mächtig genug, alles dieses zu bewirken. Damit sich aber die Menschen unter das süsse Joch des Evangeliums beugen, so flehe, dass der Herr seiner Kirche tüchtige Arbeiter sende; denn die Ernte ist zwar gross, aber der eifrigen und treuen Arbeiter, welche dieselbe einheimsen, sind es nur wenige2. Als lebendiges Beispiel diene dir die mütterliche Sorgfalt und Liebe, mit welcher, wie dir geoffenbart worden, ich mit meinem Sohne und Herrn mich bemüht habe, um Ihm Seelen zu gewinnen und dieselben in seiner Lehre und Nachfolge zu erhalten. Die Flamme dieses Liebeseifers erlösche niemals in deinem Herzen! Es ist auch mein Wille, dass das Stillschweigen und die Sittsamkeit, welche ich, wie du gesehen, bei der Hochzeit beobachtet habe, dir und deinen Nonnen zur unverbrüchlichen Richtschnur diene, wonach ihr eure äusseren Handlungen regeln sollt; auch ihr sollt zurückhaltend, gemässigt und in Worten sparsam sein, namentlich in Gegenwart der Männer. Denn diese Tugenden bilden den Schmuck und die Zier einer Braut Christi; sie bewirken, dass sie Gnade findet in seinen heiligsten Augen. BUCH SECHS. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Anhören des Wortes Gottes 1051. Meine Tochter, allerdings habe ich, während ich meinem göttlichen Sohne bis zum Kreuze nachfolgte, mehr gelitten, als die Menschen denken und verstehen. Und auch nach seinem Tode noch waren meine Mühen nicht geringer, wie du später erfahren wirst, wenn du den dritten Teil meines Lebens zu schreiben hast. Doch unter diesen Mühen und Beschwerden war es für meine Seele eine unbeschreibliche Freude, zu sehen, wie der menschgewordene Sohn Gottes das Heil der Menschen wirkte und wie Er das mit sieben Siegeln verschlossene Buch der Geheimnisse seiner Gottheit und seiner heiligsten Menschheit allmählich öffnete. Das Menschengeschlecht aber schuldet mir nicht geringeren Dank für meine Freude über das Wohl eines jeden als für die Mühe, mit welcher ich für sein Heil sorgte: denn beide stammten aus derselben Liebe. Hierin musst du mich nachahmen, wie ich dich so häufig ermahne. Freilich hörst du die Lehre, die Stimme und die Predigt meines göttlichen Sohnes nicht mit leiblichen Ohren. Dennoch kannst du mir in der Ehrfurcht nachfolgen, mit welcher ich Ihn hörte: denn derselbe Heiland ist es, der dir zum Herzen spricht, und es ist die nämliche Wahrheit, seine Lehre ist dieselbe. Deshalb befehle ich dir, dass du, sobald du dieses Licht und diese Stimme deines Bräutigams und Hirten erkennst, ehrfuchtsvoll niederkniest, um auf Ihn zu hören, Ihn mit Danksagung anzubeten und seine Worte in dein Herz einzugraben. Befindest du dich aber an einem öffentlichen Orte, wo dir diese äusserliche Demütigung unmöglich ist, so tue dies wenigstens innerlich und gehorche Ihm in allem, gerade wie wenn du seiner Predigt beiwohntest. Denn wie damals das Anhören derselben dich nicht selig gemacht hätte, wenn du sie nicht befolgt hättest, so wirst du andererseits jetzt glückselig sein, wenn du tust, was du zwar nicht körperlich, aber doch geistig hörst. Gross ist deine Verpflichtung, weil die Güte und Barmherzigkeit, welche der Allerhöchste und ich dir erweisen, überaus gross sind. Sei darum nicht trägen Herzens und verarme nicht unter so reichen Schätzen des göttlichen Lichtes. 1052. Doch nicht allein auf die innere Stimme des Herrn sollst du mit Ehrfurcht hören, sondern auch auf seine Diener, die Priester und Prediger. Ihre Stimme ist das Echo der Stimme Gottes und der Kanal, durch welchen die gesunde Lehre des Lebens aus der unversieglichen Quelle der göttlichen Wahrheit an die Menschen vermittelt wird. In ihnen spricht Gott: in ihnen lässt Er die Stimme seines göttlichen Gesetzes erschallen. Höre sie darum mit solcher Ehrfurcht an, dass du niemals einen Fehler an ihnen findest und niemals sie richtest. Alle sollen dir als weise und beredt gelten, und in jedwedem sollst du Christus, meinen Sohn und Herrn, hören. So wirst du dich davor bewahren, jener törichten Verwegenheit der Weltkinder zu verfallen, welche mit einer im höchsten Grade verwerflichen und gottverhassten Eitelkeit und Hoffart die Diener und Prediger des Herrn verachten, weil sie nicht nach ihrem verdorbenen Geschmacke reden. Solche Weltkinder kommen nicht, um die göttliche Wahrheit zu hören: sie urteilen allein über die Ausdrücke und den Stil, als wäre das Wort Gottes nicht lauter und wirksam' auch ohne diese gezierten Worte, die dem kranken Geschmakke der Zuhörer angepasst sind. Schätze diese Mahnung ja nicht gering und achte überhaupt auf alle Lehren, welche ich dir in dieser Geschichte noch geben werde. Ich will dich als Lehrmeisterin unterrichten im Grossen und im Kleinen, im Bedeutenden und im Unbedeutenden; denn es ist immer etwas Grosses, alles mit Vollkommenheit zu tun. Ebenso ermahne ich dich, dass du die Armen wie die Reichen in gleicher Weise, ohne Unterschied der Person, anhörst. Denn die Nichtbeachtung dieser Regel ist ein anderer, unter den Kindern Adams gleichfalls gewöhnlich vorkommender Fehler. Mein heiligster Sohn aber und ich haben denselben verurteilt und verworfen, indem wir uns gegen alle in gleicher Weise freundlich zeigten, ganz besonders aber gegen die Verachtetsten, Bedrängtesten und Hilfsbedürftigsten. Die menschliche Weisheit sieht auf die Personen und nicht auf die Seelen; sie sieht nicht auf die Tugenden, sondern auf weltliche Grösse. Die Weisheit des Himmels dagegen erblickt in allen das Ebenbild Gottes. Endlich soll es dir nicht zuwider sein, wenn deine Brüder und Nebenmenschen bemerken, dass du jenen Gebrechen der Natur, welche eine Folge der Erbsünde sind, wie z.B. den Krankheiten, der Ermüdung, dem Hunger und anderen Armseligkeiten, unterworfen bist. Gar oft ist das Verbergen solcher Gebrechen Heuchelei und Mangel an Demut. Die Freunde Gottes haben einzig die Sünde zu fürchten, und sie sollen verlangen, lieber zu sterben als eine Sünde zu begehen. Alle anderen Mängel aber beflecken das Gewissen nicht, und darum ist es auch nicht nötig, sie zu verheimlichen. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Demut 1063. Meine Tochter, die alte Schlange hat alle ihre Bosheit und Arglist aufgeboten, um die Wissenschaft der Demut, welche der gütige Schöpfer in dem Herzen der Menschen als heilige Saat niedergelegt hatte, zu vernichten und an deren Statt (las gottlose Unkraut des Stolzes darin auszustreuen. Soll nun letzteres ausgerottet und die Seele wieder in den Besitz des verlorenen Schatzes der Demut gesetzt werden, so muss sie sich dazu verstehen, gerne von anderen Geschöpfen gedemütigt zu werden, und überdies muss sie mit beständigem Verlangen und mit aufrichtigem Herzen den Herrn um diese Tugend und um die Mittel zu deren Erwerbung bitten. Allein sehr selten sind die Seelen, welche sich dieser Weisheit befleissen und zur vollkommenen Demut gelangen. Denn dies erheischt vom Menschen eine vollständige und allseitige Selbstüberwindung; diese aber gelingt nur sehr wenigen, selbst unter denen, die der Tugend ergeben sind. Das Gift des Stolzes hat die Geisteskräfte des Menschen derart durchdrungen, dass es sich fast in alle Handlungen einmischt, und kaum eine einzige ist frei von diesem Gifthauche des Stolzes, gleichwie auch keine Rose ohne Dornen und kein Getreidekorn ohne Spitze ist. Gerade deswegen schätzt aber Gott die wahrhaft Demütigen so hoch. Er erhöht diejenigen, welche den vollständigen Sieg über den Stolz erringen, Er setzt sie neben die Fürsten seines Volkes', behandelt sie als seine Lieblingskinder und befreit sie von der Macht des bösen Feindes. Der Satan aber ist den Demütigen gegenüber mutlos; er fürchtet sie, und ihre Siege sind ihm peinlicher als die Flammen des höllischen Feuers. 1064. Meine Tochter, es ist mein Wunsch, dass du zum vollen Besitze dieses unschätzbaren Schatzes der Demut gelangest. Übergib dem Allerhöchsten dein ganzes Herz, und zwar gelehrig und ergeben, damit Er das Abbild meiner demütigen Handlungen leicht und widerstandslos, gleichwie in weiches Wachs, darin eindrücke. Nachdem ich dir so tiefe Geheimnisse über diesen heiligen Gegenstand mitgeteilt habe, bist du streng verpflichtet, meinem Wunsche hierin zu entsprechen und weder einen Augenblick noch eine Gelegenheit vorübergehen zu lassen, ohne dich nach Kräften zu demütigen und in der Tugend der Demut voranzuschreiten. Du weisst ja, dass ich es getan habe, obwohl ich die Mutter Gottes und in allem voll Reinheit und Gnade war. Ja, je mehr Gnaden ich empfing, um so mehr habe ich mich gedemütigt; denn je zahlreicher diese Gnaden waren, um so mehr überstiegen sie, wie ich dafür hielt, meine Verdienste; um so mehr wuchsen meine Verpflichtungen. Ihr Adamskinder aber, ihr seid alle in Sünde empfangen, und keines ist, das nicht überdies noch freiwillig sündigte. Wenn aber niemand diese Wahrheit, dass seine Natur verdorben ist, in Abrede stellen kann, woher soll dann ein Mensch das Recht haben, sich nicht vor Gott und den Menschen demütigen zu müssen? Und mag er sich auch bis zur Erde, bis zum letzten Platze und selbst unter den Staub erniedrigen, so ist das für jemand, der gesündigt hat, noch keine grosse Demut; denn er hat immer noch mehr Ehre, als ihm gebührt. Der wahrhaft Demütige muss sich zu einem Platze herablassen, welcher niedriger ist als jener, der ihm gebührt. Und wenn alle Kreaturen ihn verachten, verabscheuen und misshandeln und wenn er selbst überzeugt ist, dass er die Hölle verdient hat, so ist das alles nicht so sehr Demut als vielmehr Gerechtigkeit; denn er schreibt sich eben zu, was er verdient hat. Die tiefe Demut aber geht weiter; sie wünscht eine tiefere Demütigung, als ihm, dem Demütigen, aus Gerechtigkeit gebührt. Darum ist es aber auch ganz gewiss, dass kein Sterblicher den Grad von Demut erreichen kann, den ich gemäss dem, was du geschaut und niedergeschrieben hast, erreicht habe. Indes gibt sich der Allerhöchste zufrieden, wenn sich die Sterblichen wenigstens so weit demütigen, als sie können und von Rechts wegen schuldig sind. 1065. Nun mögen die hoffärtigen Sünder kommen und ihre Abscheulichkeiten betrachten; sie mögen es einsehen, dass sie Ungeheuer der Hölle sind, wenn sie den Luzifer in seinem Stolze nachahmen. Luzifer war doch schön und mit grossartigen Gaben der Natur und Gnade ausgestattet, als er in die Hoffart verfiel; und wenn er sich auch der empfangenen Gaben wegen aufblähte, so hat er sie doch wenigstens tatsächlich besessen, und sie waren ihm eigen. Der Mensch dagegen ist Staub und Erde; er hat überdies gesündigt und ist voll von Abscheulichkeit und Greuel. Will er sich also in Hoffart aufblähen, so ist er ein Ungeheuer und übertrifft in dieser Verkehrtheit selbst den Satan, weil er weder die edle Natur noch die Gnade und Schönheit besitzt, welche Luzifer besass. Ja, Luzifer mit seinem Anhange verachtet und verspottet jene Menschen, welche trotz ihrer Niedrigkeit noch hoffärtig sind; denn die bösen Geister sehen ein, welch verächtliche Torheit, welch eitler Aberwitz dies ist. Beachte wohl, meine Tochter, diese Lehre! Demütige dich unter die Erde, und wenn der Herr entweder selbst oder durch die Geschöpfe dich demütigt, so zeige dich ebenso unempfindlich wie der Erdboden. Glaube nie, es tue dir jemand unrecht; zeige dich niemals beleidigt; und wenn du Eitelkeit und Täuschung in Wahrheit verabscheust, so bedenke, dass das Verlangen nach Ehre und hohen Stellen die grösste Täuschung ist. Und wenn Gott entweder dich oder deine Nebenmenschen durch Leiden und Trübsale demütigt, so schreibe dies nicht auf Rechnung der Mitmenschen; das hiesse sich über die Werkzeuge beklagen. Es ist dies die Art der göttlichen Barmherzigkeit, die Menschen mit Trübsalen heimzusuchen, damit sie sich vor Ihm demütigen. Dies gilt auch von den Drangsalen, welche die göttliche Majestät heutzutage über diese Reiche kommen lässt; möchten sie es doch einmal einsehen! Um den Zorn Gottes zu besänftigen, demütige dich vor Ihm in deinem und deiner Mitmenschen Namen, und zwar so, wie wenn du allein schuldbeladen wärest und noch nie eine Genugtuung geleistet hättest; denn in der Tat kann im sterblichen Leben niemand wissen, ob er schon Genugtuung geleistet habe. Bemühe dich, den Herrn zu versöhnen, wie wenn du allein Ihn beleidigt hättest; und was die Gnaden und ausserordentlichen Gaben betrifft, welche du entweder schon empfangen hast oder noch empfangen wirst, so zeige dich dafür dankbar wie jemand, der sie am wenigsten verdient und gar grosse Verpflichtungen hat. Dies muss dir ein Ansporn sein, dich mehr als alle anderen zu demütigen und unaufhörlich dich zu bemühen, der göttlichen Güte, welche sich so freigebig gegen dich gezeigt hat, wenigstens teilweise Genugtuung zu leisten. BUCH SECHS. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Flucht der Freuden. Kreuzesliebe. 1077. Meine Tochter, du hast die Geheimnisse dieses Hauptstückes sehr kurz gefasst; sie enthalten aber, wie du bereits gesehen hast, eine für dich und für alle Kinder des Lichtes höchst wichtige Lehre, welche du deinem Herzen tief einprägen sollst. Erwäge ernstlich den Unterschied zwischen der Reinheit und Heiligkeit des armen, verfolgten, misshandelten, eingekerkerten Täufers und zwischen dem abscheulichen Wandel des mächtigen, reichen, üppigen, aufs beste bedienten und den schändlichsten Vergnügungen ergebenen Königs Herodes. Beide waren von derselben menschlichen Natur, aber sehr verschiedenen Charakters, und zwar deswegen, weil der eine von seinem freien Willen und von den sichtbaren Dingen einen guten, der andere einen schlechten Gebrauch gemacht hat. Johannes, mein Diener, gelangte durch Busse, Armut, Demut, Verachtung, Trübsal und Eifer für die Ehre meines Sohnes zu (lern unschätzbaren Glücke, in Jesu und meinen Händen zu sterben. Herodes aber ist durch Glück, Hoffart, Eitelkeit, durch Gewalttätigkeiten und Unlauterkeit dahin gekommen, dass er durch einen Diener des Herrn mit einem unglückseligen Tode (geschlagen wurde, um mit ewigen Qualen gezüchtigt zu werden. Bedenke, dass ganz dasselbe noch jetzt und immerfort in der Welt geschieht, obwohl die Menschen weder daran denken noch sich davor fürchten. So fliehen die einen die Eitelkeit, Macht und Herrlichkeit der Welt, die anderen aber lieben sie und denken nicht an das Ende; sie bedenken nicht, dass dieselbe schneller hinschwindet als der Schatten und vergänglicher ist als Gras. 1078. Ebensowenig denken die Menschen an ihr letztes Ziel und Ende oder an den tiefen Abgrund, in welchen sie schon im gegenwärtigen Leben durch ihre Laster gestürzt werden. Der Satan kann sie freilich ihrer Freiheit nicht berauben, und er hat keine unmittelbare Gewalt über ihren Willen. Allein sie übergeben ihm denselben durch ihre vielen und schweren Sünden, und so erlangt er solche Herrschaft über ihn, dass er sich dessen als eines Werkzeuges zu allen Missetaten bedient, die er ihnen vorschlägt. Und trotz so zahlreicher und beklagenswerter Beispiele wollen die Menschen diese schreckliche Gefahr nicht erkennen, sie wollen nicht sehen, in welchen Abgrund sie nach den gerechten Ratschlüssen des Herrn stürzen können. So erging es Ilerodes und den Mitschuldigen seines Ehebruchs, welche es durch ihre Sünden verdient hatten. In diesen Abgrund der Bosheit führt Luzifer die Seelen auf dem Wege der Eitelkeit, des Stolzes, der Pracht und der schändlichen Vergnügungen der Welt. Dies allein stellt er ihnen als gross und wünschenswert vor. Und die törichten Kinder des Verderbens werfen die Zügel der Vernunft ab, um ihren Leidenschaften und den Lüsten des F leisches zu folgen und Sklaven ihres Todfeindes zu werden. Meine Tochter, mein heiligster Sohn und ich mit Ihm, wir haben den Weg der Demut der Verachtung und der Leiden gelehrt. Dies ist der königliche Weg, der zum Leben führt. Wir sind ihn zuerst gegangen und die besonderen Lehrmeister und Beschützer der Betrübten geworden. Rufen sie Uns in ihren Nöten an, so stehen Wir ihnen auf wunderbare Weise und durch ausserordentliche Gnaden bei. Doch dieses wohltätigen Schutzes berauben sich die Anhänger der Welt und ihrer eitlen Freuden, sie, die den Weg des Kreuzes verabscheuen. Auf diesen Weg bist du gerufen und mit sanfter Gewalt gezogen worden durch mei- ne Liebe und durch meine Lehre. Folge mir nach! denn du hast den verborgenen Schatz, die kostbare Perle gefunden', für deren Besitz du auf alles Irdische und auch auf deinen Willen verzichten musst, falls er dem des Allerhöchsten, meines Herrn, widerstreiten sollte. BUCH SECHS. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Anrufung Mariä Ehrfurcht vor den Heiligen 1097. Meine Tochter, was du in diesem Hauptstücke geschrieben hast, enthält eine der wichtigsten Lehren für alle, die, im sterblichen Fleische wandelnd, der Gefahr ausgesetzt sind, das höchste Gut zu verlieren. Denn darin, dass der Mensch sich angelegentlich um meine Fürsprache und gnädige Vermittlung bei Gott bewirbt und dabei die Gerichte des Allerhöchsten in kluger Weise fürchtet, besteht das wirksame Mittel, seine Seele zu retten und einen hohen Lohn in der ewigen Seligkeit zu erwerben, Ich sage dir darum noch einmal: unter den göttlichen Geheimnissen, welche mein heiligster Sohn seinem und meinem Lieblingsjünger Johannes in der Nacht des Abendmahles offenbarte, war auch dieses, dass er die Liebe des Herrn durch jene Liebe erworben habe, die er zu mir trug, dass dagegen Judas gefallen sei, weil er die Barmherzigkeit verachtete, die ich ihm bezeigte. Der Evangelist erfuhr damals auch mehrere der grossen Geheimnisse, welche Gott an mir gewirkt und mir mitgeteilt hat; er erfuhr, was ich während des Leidens Jesu zu erdulden haben würde, und erhielt vom Herrn den Auftrag, besondere Sorge für mich zu tragen. Meine Tochter, ich verlange von dir eine Reinheit, welche die der Engel übersteigt; wenn du dich bemühst, sie zu erwerben, dann wirst auch du, wie Johannes, mein liebstes Kind sein und die teure, geliebte Braut meines Sohnes und Herrn. Das Beispiel des Judas dagegen und sein Verderben müssen dir zur Warnung und zum Ansporn dienen, dich meiner Liebe zu versichern und dankbar zu sein für jene, welche ich dir ohne dein Verdienst bezeige. 1098. Noch ein anderes, der Welt unbekanntes Geheimnis sollst du wissen. Eine der schändlichsten und Gott dem Herrn am meisten verhassten Sünden ist es, wenn man die Gerechten und Freunde der Kirche geringschätzt, ganz besonders aber, wenn man mich verachtet, die ich auserwählt war, die Mutter Gottes und das Heil aller Menschen zu sein. Ist es eine dem Herrn und den Heiligen des Himmels verhasste Sache, wenn man die Feinde nicht liebt und sie verachtet, wie wird es dann der Herr ertragen, dass man dies seinen teuersten Freunden tue, auf welche Er seine Augen voll Liebe gerichtet hat. Es ist dies eine Lehre von viel grösserer Bedeutung, als du im sterblichen Leben zu begreifen vermagst; denn der Hass gegen die Gerechten ist eines der Kennzeichen der Verworfenen. Meide also diese Gefahr. Richte niemand, am wenigsten jene, welche dich belehren und zurechtweisen. Hänge dich an nichts Irdisches, am allerwenigsten trachte nach Ämtern, durch deren Kusseren Schein sich manche, die nur auf Äusserliches achten, verleiten und den Kopf verwirren lassen. Beneide niemand um Ehre oder irdische Güter und bitte den Herrn um nichts anderes nls um seine heilige Liebe und Freundschaft. Denn der Mensch ist voll blinder Leidenschaften; hält er sie nicht im Zaume, so begehrt und erfleht er oft etwas, was ihm zum Verderben gereicht. Und der Herr gewährt zuweilen diese Bitten zur Strafe für diese oder andere Sünden, nach seinen geheimen Gerichten, wie dies bei Judas der Fall war. Solche erhalten dann in diesen so heissbegehrten zeitlichen Gütern den Lohn für einige gute Werke, die sie etwa verrichtet haben. Hieraus siehst du, in welcher Täuschung so viele Liebhaber der Welt befangen sind: sie achten sich glücklich, wenn sie alles erhalten, was sie ihren irdischen Neigungen gemäss verlangen. Dies ist aber gerade ihr Unglück; denn sie haben dann keinen ewigen Lohn zu erwarten, wie die Gerechten, welche die Welt verachtet haben. Diese haben oft viele Widerwärtigkeiten durchzumachen, und der Herr lässt oft ihr Verlangen in zeitlichen Dingen unerhört, eben weil Er sie vor der Gefahr bewahren will. Damit du nicht in solche Gefahr geratest, ermahne ich dich, ja befehle ich dir, niemals ein irdisches Gut zu verlangen. Reisse deinen Willen von allem los, bewahre ihm Freiheit und Herrschaft: befreie ihn von der Sklaverei der bösen Neigungen, welcher er verfällt, falls er seinen bösen Neigungen folgt. Verlange nichts als den Willen des Allerhöchsten, denn Seine Majestät trägt Sorge für jene, die sich seiner Vorsehung überlassen. BUCH SECHS. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Kreuzesliebe Verdienstlichkeit derselben 1113. Meine Tochter, bei Beschreibung meines Lebens verstehst und verkündest du täglich mehr und mehr die Liebe, mit welcher mein Herr, dein Bräutigam, und ich mit ihm den Weg des Kreuzes betraten und für dieses Leben nur Kreuz und Leiden wählten. Es ist darum gerecht, dass du auch nach der erhaltenen Erkenntnis und meiner darauf bezüglichen, oft wiederholten Lehre dein Leben einrichtest. Diese deine Verpflichtung ist noch schwerer geworden, seitdem dich mein Sohn zu seiner Braut erwählt hat; sie wird täglich grösser, und du kannst ihr nicht genügen, wenn du nicht die Leiden mit solcher Liebe umfängst, dass es deine grösste Pein ist, derselben zu entbehren. Erneuere täglich in deinem Herzen diese Sehnsucht nach Leiden; denn es ist mein Wunsch, dass du in dieser Wissenschaft, welche der Welt unbekannt, ja verhasst ist, wohl unterrichtet seiest. Beachte aber auch, dass Gott dem Menschen das Leiden nicht einzig deswegen schickt, damit derselbe leide, sondern um ihn der Gnadenschätze und Reichtümer fähig und würdig zu machen, welche Er ihm für die Leiden bereithält und welche alle menschliche Vorstellung übersteigen. Zur Beglaubigung dieser Wahrheit und wie zum Pfande für dieses Versprechen wollte der Herr auf dem Tabor in meiner und einiger Jünger Gegenwart verklärt werden. Dabei richtete Er ein Gebet an seinen himmlischen Vater, welches mir allein bekannt war. Wie Er bei seinen Gebeten zu tun pflegte, demütigte Er sich zuerst vor seinem Vater und bekannte Ihn als den wahren, unendlich vollkommenen Gott. Dann flehte Er, dass alle, welche im neuen Gesetze der Gnade Ihm zuliebe und nach seinem Beispiele ihren Leib abtöten und an ihrem Leibe leiden, einst auch an der Glorie seines eigenen Leibes teilnehmen und dass am Tage des Letzten Gerichtes ihre Leiber mit der Seele vereinigt auferstehen möchten, um diese Glorie, jeder im entsprechenden Grade, zu geniessen. Der ewige Vater gewährte diese Bitte, und darum wollte der göttliche Heiland, dass hierüber zwischen Gott und den Menschen gleichsam ein Vertrag geschlossen werde, und dieser Vertrag sollte seine Bekräftigung erhalten durch die Glorie, welche dem Leibe des Lehrmeisters und Erlösers der Menschen zuteil wurde; denn diese Glorie war das Unterpfand, dass auch die Menschen zum Besitze der Herrlichkeit gelangen werden, welche Jesus für alle, die Ihm nachfolgen, erbeten hat. Daraus erkennt man auch den grossen Wert der augenblicklichen Trübsal', welche die Menschen auf sich nehmen, indem sie den elenden, irdischen Freuden entsagen, ihr Fleisch abtöten und für Christus, meinen Sohn und Herrn, leiden. 1114. Wegen seiner unendlichen Verdienste, welche der Herr in seinem Gebete geltend machte, ist die Glorie, welche dem Menschen als einem Gliede Christi zukommt und von diesem als seinem Haupte verdient wurde, "eine Krone der Gerechtigkeit'". Der Mensch muss aber mit Jesus Christus vereinigt sein, und zwar durch die Gnade und durch die Nachfolge im Leiden, denn nur diesem entspricht der Lohn. Empfängt man aber schon für jedes körperliche Leiden eine Krone, so ist diese noch viel grösser, wenn man Unbilden erträgt, dieselben verzeiht und mit Wohltaten vergilt, wie mein heiligster Sohn und ich an Judas getan haben. Denn der Herr hat ihn nicht nur seines Apostelamtes nicht entsetzt und sich nicht unwillig gegen ihn gezeigt, sondern Er hat Geduld mit ihm gehabt bis zum Ende, bis derselbe nämlich zuletzt das Heil unmöglich machte, indem er sich dem Satan überlieferte. Während des sterblichen Lebens schreitet der Herr nur sehr langsamen Schrittes zur Rache: im Jenseits aber wird Er diese Zögerung ersetzen durch die Schwere der Züchtigung. Wenn nun Gott soviel erträgt und so lange wartet, was sollte dann nicht ein armer Erdenwurm ertragen von seinem Mitmenschen, der seiner Natur und Stellung nach ihm gleichsteht? Nach dieser Wahrheit und dach dem Eifer deiner Liebe zu deinem Herrn und Bräutigam musst du deine Geduld und Nachgiebigkeit sowie deine Sorge für das Heil der Seelen regeln. Ich will damit nicht sagen, dass du ruhig hinnehmen sollst, was gegen die Ehre Gottes ist; in diesem Falle würdest du nicht den wahren Eifer für das Wohl deines Nächsten haben: aber du musst, während du die Sünde hassest, den Mitmenschen als Geschöpf Gottes lieben. Du musst ertragen und gar nicht beachten, was dir selbst angetan wird, und dich aus allen Kräften bemühen, dass soviel als möglich alle gerettet werden. Verzage nicht, wenn du nicht alsbald Erfolg siehst; opfere vielmehr dem ewigen Vater die Verdienste meines heiligsten Sohnes auf und dazu meine Fürsprache sowie die Fürsprache der Engel und Heiligen. Denn weil Gott die Liebe ist und die Seligen in ihm sind, so üben sie auch die Liebe gegen die Erdenpilger. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria 1126. Meine Tochter, du hast einiges niedergeschrieben und noch mehr erkannt von den Geheimnissen, welche vor und bei dem triumphierenden Einzuge meines heiligsten Sohnes in Jerusalem stattfanden. Viel mehr aber wirst du hierüber einstens im Herrn schauen: denn während eurer Pilgerschaft auf Erden könnt ihr Sterblichen dies nicht fassen. Indes haben die Menschen in dem, was geoffenbart ist, hinlängliche Belehrung und Unterweisung, um zu verstehen, wie erhaben die Gerichte des Herrn sind und wie verschieden von ihren Gedanken'. Der Allerhöchste sieht das Herz der Menschen', das Innere, wo die Herrlichkeit der Königstochter sich findet', die Menschen dagegen schauen auf das Äussere und Sinnenfällige. Darum sind in den Augen seiner Weisheit die Gerechten und Auserwählten geachtet und erhöht, da sie sich erniedrigen und demütigen; die Stolzen dagegen werden von ihm verabscheut und erniedrigt, da sie sich erhöhen. Meine Tochter, nur wenige verstehen diese Wissenschaft; deshalb verlangen und suchen die Kinder der Finsternis keine andere Ehre und Erhöhung als jene, welche die Welt gibt. Die Kinder der heiligen Kirche aber bekennen allerdings, dass diese Ehre eitel und gehaltlos ist und dass sie nicht länger besteht als Blüte und Gras: allein sie handeln nicht nach dieser Wahrheit. Ihr Gewissen gibt ihnen nicht das treue Zeugnis, dass sie Tugenden üben und das Licht der Gnade Gottes besitzen, und darum suchen sie das Ansehen bei den Menschen; sie suchen Ehre und Beifall, wie ihn die Menschen zu geben vermögen, obwohl das alles falsch, trügerisch und voll Lüge ist. Gott allein ist es, welcher, ohne sich zu täuschen, jene ehrt und erhöht, welche es verdienen. Die Welt dagegen pflegt die Sache verkehrt zu machen; sie erweist denjenigen Ehre, welche solche am wenigsten verdienen oder welche sich mit grösserer Gier und Geschicklichkeit darum bewerben. 1127. Von einer solchen Verirrung halte dich fern, meine Tochter! Finde kein Wohlgefallen am Lobe der Menschen, nimm ihre Schmeicheleien und Komplimente nicht an. Lege jedem Dinge den Namen und den Wert bei, welchen es verdient: denn die Weltkinder handeln gar blind in diesem Stücke. Niemand konnte die Ehre und den Beifall der Menschen in dem Grade verdienen wie mein heiligster Sohn; und dennoch hat Er die Ehre verachtet, die Ihm bei seinem Einzuge in Jerusalem gezollt wurde. Er hat sich derselben schnell entledigt: denn sie war nur dazu bestimmt, seine Allmacht zu offenbaren, sein Leiden desto schimpflicher zu machen und die Menschen zu beleh ren, dass niemand die Ehrenbezeigungen der Welt für sich selbst annehmen darf, wenn er sie nicht auf einen höheren Zweck, nämlich auf die Ehre des Allerhöchsten, beziehen kann. Denn sonst sind sie eitel und nutzlos: die wahre Glückseligkeit eines Geschöpfes, das zu einer ewigen Seligkeit bestimmt ist, kann nicht in diesen weltlichen Ehren bestehen. Wie ich sehe, möchtest du wissen, warum ich bei diesem Triumphe meines göttlichen Sohnes nicht anwesend war. Ich will deinem Verlangen entsprechen und erinnere dich darum an das, was du so oftmals in dieser Geschichte geschrieben hast hinsichtlich der Vision, durch welche ich die inneren Handlungen meines lieben Sohnes in dem reinsten Spiegel seiner Seele schaute. Durch diese Vision sah ich in seinem Willen, wann und zu welchem Zwecke Er sich von mir entfernen wollte. Dann warf ich mich zu seinen Füssen nieder und bat, Er möge mir erklären, was ich tun solle. Manchmal gab Er mir seinen Willen in bestimmter Weise, durch einen ausdrücklichen Befehl zu erkennen. Manchmal stellte Er mir die Wahl anheim, damit ich dieselbe gemäss der mir gewährten himmlischen Erleuchtung und Klugheit treffe. Letzteres tat Er, als Er sich zu seinem triumphierenden Einzuge in Jerusalem entschloss. Er liess es mir frei, Ihn zu begleiten oder in Bethanien zu bleiben. Ich bat Ihn nun um die Erlaubnis, diesem geheimnisvollen Ereignisse fernbleiben zu dürfen, fügte aber die dringende Bitte bei, dass Er mich später mit sich nehme, wenn Er zum Leiden und Sterben nach Jerusalem ginge. Denn ich dachte, es sei weiser und in seinen Augen wohlgefälliger, wenn ich mich zur Teilnahme an den Demütigungen und Schmerzen seiner Passion anbiete, als wenn ich die ihm erwiesene Ehre teile. Diese Ehre hätte ja, wenn ich gegenwärtig gewesen wäre, teilweise auch mir, als seiner Mutter, gegolten, da ich jenen bekannt war, die den Herrn lobten und priesen. Ausserdem aber, dass dieser Triumph für mich nicht wünschenswert war, erkannte ich, derselbe sei bestimmt zur Offenbarung seiner Gottheit und Allmacht. An dieser hatte ich aber keinen Teil; auch hätte ich durch die Ehre, welche mir damals erwiesen worden wäre, jene nicht vermehrt, welche dem Heilande als dem einzigen Erlöser des Menschengeschlechtes gebührte Damit ich mich aber in der Zurückgezogenheit dieses Geheimnisses erfreue und den Allerhöchsten in seinen Wundern verherrliche, wurde mir in meiner Einsamkeit die Vision und das Verständnis alles dessen gewährt, was du geschrieben hast. Dies soll dir zur Lehre dienen; folge meinen demütigen Schritten; schäle dein Herz von allem Irdischen los, erhebe deinen Geist zum Himmel; dann wirst du die Ehrenbezeigungen der Menschen fliehen und verabscheuen; denn du wirst im göttlichen Lichte erkennen, dass sie nur Eitelkeit der Eitelkeit und Geistesplage sind'. BUCH SECHS. LEHRE der Himmelskönigin. Lehre: Wachsamkeit gegen die Nachstellungen des Teufels. 1137. Meine Tochter, alles, was du in diesem Hauptstücke erfahren und niedergeschrieben hast, enthält wichtige Lehren und grosse Geheimnisse zum Nutzen der Sterblichen; möchten sie doch dieselben aufmerksam erwägen! Fürs erste beachte wohl: Mein allerheiligster Sohn ist gekommen, um die Werke des Satans zu zerstören und ihn zu überwinden, damit er nicht mehr so grosse Macht über die Menschen besässe. Diesem Plane gemäss hat Er ihm wohl die Natur eines Engels und das derselben eigene Wissen gelassen, aber Er hat ihm viele Dinge verborgen, damit durch deren Unkenntnis die Bosheit dieses Drachen gezügelt würde, und zwar auf die Weise, welche der mächtigen und lieblichen Vorsehung Gottes am besten entspricht'. Aus diesem Grunde wurde dem Satan die hypostatische Einigung der beiden Naturen, der göttlichen und menschlichen, verborgen, und darum war er in bezug auf dieses Geheimnis in so grosser Täuschung befangen, dass er in Verwirrung geriet und sich in den verschiedensten Einbildungen und in fabelhaften Entschlüssen erging, bis endlich mein heiligster Sohn zur rechten Zeit ihn die Wahrheit erkennen und wissen liess, dass seine mit der Gottheit vereinigte Seele vom Augenblicke seiner Empfängnis an die Glorie genossen habe. Ebenso verbarg er dem Satan einige Wunder seines heiligsten Lebens; andere dagegen liess Er ihn erkennen. Dasselbe ist noch jetzt bei manchen Seelen der Fall; mein heiligster Sohn lässt nicht zu, dass der böse Feind alle ihre Werke entdecke, auch solche nicht, welche er sonst natürlicherweise gewahren könnte. Der Herr verbirgt ihm dieselben, um seine hohen Absichten zum Besten dieser Seelen zu erreichen. Später lässt Er dann den Satan zu seiner grösseren Beschämung dieselben erfahren, wie dies auch bei den Werken der Erlösung geschah; der Herr liess ihn dieselben später zu seiner grösseren Qual innewerden. Aus diesem Grunde lauert der höllische Drache den Seelen auf, um nicht nur ihre inneren, sondern auch ihre äusseren Akte auszuforschen. Dies zeigt aber auch die grosse Liebe, welche mein heiligster Sohn zu den Seelen trägt, nachdem Er für dieselben in die Welt gekommen und gestorben ist. 1138. Diese Wohltat würde einer viel grösseren Anzahl von Seelen und in höherem Grade zuteil werden, wenn sie es nicht selbst verhindern und sich dessen unwürdig machen würden, indem sie sich ihrem Feinde ergeben und seinen lügnerischen Einflüsterungen und boshaften Ratschlägen Gehör schenken. Gleichwie nämlich gerechte, in der Heiligkeit ausgezeichnete Menschen Werkzeuge werden in der Hand Gottes, der sie lenkt und von keinem anderen beeinflussen lässt, weil sie sich gänzlich seiner göttlichen Anordnung überlassen, so tritt das Gegenteil ein bei vielen Verworfenen, die ihren Schöpfer und Erlöser vergessen und sich durch wiederholte Sünden den Händen Satans überliefern. Dieser treibt sie dann zu Verbrechen jeder Art an und bedient sich ihrer zu allem, was seine verkehrte Bosheit verlangt, wie dies dem treulosen Jünger und den Pharisäern, den Mördern ihres Erlösers, begegnete. Aber niemand kann sich bei einer solchen Verirrung entschuldigen. Denn so gut Judas und die Hohenpriester dem Rate Satans, von der Verfolgung unseres Herrn abzustehen, die Zustimmung ihres freien Willens verweigerten, ebenso gut, ja noch viel mehr hätten sie dies tun können, als Satan ihnen den Plan eingab, Jesus zu verfolgen. Denn zum Widerstande gegen diese Versuchung hätte ihnen die göttliche Gnade geholfen, falls sie mit derselben hätten mitwirken wollen; um aber in ihrer Sünde hartnäckig zu verharren, dazu bedienten sie sich nur ihres freien Willens und ihrer bösen Gewohnheiten. Wenn ihnen aber damals der Beistand der Gnade und der Antrieb des Heiligen Geistes fehlte, so geuchah dies durch gerechte Zulassung Gottes; er musste ihnen verweigert werden, weil sie sich dem Satan hingegeben und untmirworfen hatten, um ihm in jeder Missetat zu gehorchen und sich ausschliesslich von seinem verkehrten Willen leiten zu lassen, ohne jede Rücksicht auf die Güte und Macht ihres Schöpfers. 1139. Hieraus siehst du, dass die höllische Schlange nichts vermag, um jemand zum Guten zu bewegen, dass sie aber viel vermag, um zur Sünde zu verleiten, wenn die Menschen das Gefahrvolle ihrer Lage nicht beachten und keine Vorsorge treffen. Ich sage dir in Wahrheit, meine Tochter, wenn die Menschen das Gefährliche ihrer Lage einsähen und gebührend überlegten, sie würden in grossen Schrecken geraten. Hat sich eine Seele der Sünde hingegeben, so gibt es keine geschaffene Macht, die sie zurückhalten könnte, von einem Abgrunde in den anderen zu stürzen. Infolge der Erbsünde neigt die menschliche Natur durch ihre bösen Leidenschaften und Begierden zum Schlechten hin, wie der Stein dem Mittelpunkte der Erde zustrebt. Diese bösen Neigungen werden noch verstärkt durch die schlechten Gewohnheiten. Und zu all dem kommt noch die Herrschaft, welche der Satan über den Sünder erlangt, und die Tyrannei, mit welcher er dieselbe ausübt. Wer sollte also so sehr sein eigener Feind sein, dass er diese Gefahr nicht fürchtete? Nur der Allmächtige kann ihn daraus befreien: seinem Arme ist die Rettung vorbehalten. Allein trotzdem leben die Menschen in ihrem Verderben so ruhig und sorglos dahin, als ob es in ihrer Hand stünde, aus demselben sich nach Belieben zu erheben und alles wieder gutzumachen. Allerdings gibt es viele, welche erkennen und bekennen, dass sie von ihrem Falle sich nicht erheben können ohne den Arm des Herrn; allein ihr Wissen bleibt fruchtlos; anstatt den Herrn anzurufen, dass Er ihnen seine mächtige Hand reiche, beleidigen und erzürnen sie Ihn: ja sie muten dem Allerhöchsten zu, dass Er mit seiner Gnade auf sie warte, bis sie des Sündigens müde oder nicht mehr imstande sind, ihre undankbare Torheit und Bosheit weiter zu treiben. 1140. Fürchte, meine Tochter, diese schreckliche Gefahr und hüte dich deshalb vor der ersten Sünde; fällst du in die erste Sünde, so wirst du der zweiten noch weniger widerstehen, und der böse Feind wird gegen dich stark werden. Bedenke wohl: dein Schatz ist gross, das Gefäss ist gebrechlich', und durch einen einzigen Fehltritt kannst du alles verlieren. Gross ist auch die Arglist der höllischen Schlange gegen dich, und du wirst in dieser Hinsicht stets hinter ihr zurückbleiben. Darum musst du deine Sinne bezähmen und sie allem Sichtbaren ver schliessen. Dein Herz muss sich in die Festung des göttlichen Schutzes zurückziehen, um von da aus den teuflischen Angriffen zu widerstehen. Das Unglück des Judas muss genügen, um dich zur gebührenden Furcht zu bewegen. Mein Beispiel aber muss dich anspornen, denen, die dich hassen und verfolgen, zu verzeihen, ihnen Gutes zu wünschen, sie mit Liebe und Geduld zu ertragen und mit aufrichtigem Eifer für ihre Rettung zu Gott zu flehen, wie ich es für den Verräter Judas getan habe. Dazu bist du oftmals ermahnt worden, und in dieser Tugend musst du dich auszeichnen und sie deinen Nonnen und überhaupt allen, mit denen du umgehst, einschärfen. Denn angesichts der Geduld und Sanftmut, welche mein heiligster Sohn und ich geübt haben, wird es den Bösen und allen Menschen zur unerträglichen Schande gereichen, wenn sie einander nicht mit brüderlicher Liebe verziehen haben. Die Sünden des Hasses und der Rache werden beim Gerichte mit ganz besonderer Strenge bestraft, und während des gegenwärtigen Lebens stossen gerade sie die Barmherzigkeit Gottes am weitesten von den Menschen zurück, und zwar zu ihrem ewigen Verderben, falls sie nicht diese Fehler bereuen und bessern. Wer aber gegen Beleidiger und Verfolger sanft und milde ist und erlittene Unbilden vergisst, der besitzt in gewissem Grade eine besondere Ähnlichkeit mit dem menschgewordenen Sohne Gottes, welcher beständig den Sündern nachging, um ihnen zu verzeihen und Gutes zu tun. Durch die Nachahmung seiner Liebe und Lammessanftmut erhält die Seele eine gewisse, von der Gottes- und Nächstenliebe erzeugte Beschaffenheit, wodurch sie befähigt und vorbereitet wird, die Gnadeneinflüsse und Gaben Gottes in reicher Fülle zu empfangen. BUCH SECHS. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: Hochschätzung der Geheimnisse des Leidens Christi 1153. Meine Tochter, da du vom himmlischen Lichte in ganz besonderer Weise erleuchtet bist, so lade ich dich aufs neue ein, dich in das tiefe Meer der Geheimnisse des Leidens und Sterbens meines göttlichen Sohnes zu versenken. Bereite dein Inneres zu, strenge alle Kräfte deines Herzens und deiner Seele an, damit du wenigstens einigermassen würdig werdest, die Schmach und die Schmerzen zu erkennen, zu erwägen und zu fühlen, welche der Sohn des ewigen Vaters erleiden wollte, indem Er sich für die Erlösung der Menschen bis zum Tode an einem Kreuze erniedrigte, und damit du auch alles erkennest, was ich getan und gelitten habe, da ich den Herrn in seinem bittersten Leiden begleitete. Diese von den Sterblichen so sehr vergessene Wissenschaft sollst du, meine Tochter, studieren und erlernen, um deinem Bräutigam und mir, deiner Mutter und Lehrerin; nachzufolgen. Während du niederschreibst und empfindest, was ich dir über diese Geheimnisse mitteile, sollst du dich von jeder menschlichen und irdischen Zuneigung, ja von dir selbst vollständig losmachen, um, allem Irdischen entrückt, arm und verlassen unseren Fusstapfen zu folgen. Weil ich aber jetzt durch eine eigene Gnade dich ganz besonders einlade, meinen und meines heiligsten Sohnes Willen zu vollbringen, und weil wir durch dich andere belehren wollen, so sollst du dich auch für die überreiche Erlösung in der Weise verpflichtet erachten, wie wenn sie dir allein gälte und wie wenn sie verloren wäre, falls auch nur du sie nicht benütztest. So hoch sollst du sie schätzen. Denn wegen der Liebe, mit welcher mein göttlicher Sohn für dich gelitten hat und gestorben ist, hat Er dich mit solchen Gefühlen betrachtet, wie wenn du die einzige wärest, welche seines Leidens und Sterbens zur Erlösung bedurfte. 1154. Nach dieser Regel musst du also deine Verbindlichkeit und Dankesschuld bemessen. Und da du weisst, wie sehr die Menschen zu ihrem eigenen Schaden diese übergrosse Wohltat vergessen, dass ihr Gott und Schöpfer für sie Mensch geworden und gestorben ist, so bestrebe dich, Ihm für diese Unbill Ersatz zu leisten; liebe den Herrn im Namen aller Menschen, gerade so, wie wenn die Erfüllung dieser Pflicht ausschliesslich deiner Dankbarkeit und Treue überlassen wäre. Beklage auch die Blindheit und Torheit der Menschen, mit der sie ihre ewige Seligkeit geringschätzen und sich Schätze des göttlichen Zornes aufhäufen, indem sie die grössten Wirkungen der unendlichen Liebe Gottes zu den Menschen vereiteln. Zu diesem Zwecke offenbare ich dir so viele Geheimnisse; zu diesem Zwecke offenbare ich dir den unvergleichlichen Schmerz, den ich von der Stunde an gelitten habe, da mein göttlicher Sohn Abschied von mir nahm, um zum Opfer seines hochheiligen Leidens und Sterbens hinzugehen. Es gibt keine Worte, welche die Bitterkeit meiner Seele bei diesem Anlasse wiedergeben könnten; angesichts derselben wirst du kein Leiden als gross betrachten; es wird dir unmöglich sein, nach Ruhe und irdischer Freude zu verlangen; du wirst nichts begehren, als mit Christus zu leiden und zu sterben. Trage auch Mitleiden mit mir; denn die Gnaden, welche ich dir erweise, erheischen diese Treue. 1155. Betrachte ferner, welch verabscheuungswürdige Sache es vor Gott, vor mir und vor allen Seligen ist, dass die Menschen so nachlässig und gleichgültig sind, die heilige Kommunion zu empfangen, und dass sie ohne gebührende Vorbereitung, ohne inbrünstige Andacht hinzutreten. Damit du diese meine Lehre verstehst und niederschreibst, habe ich dir offenbart, was ich so viele Jahre lang getan habe, um mich auf den Tag vorzubereiten, an welchem ich meinen göttlichen Sohn im heiligsten Sakramente empfangen sollte'. Zu demselben Zwecke teile ich dir auch mit, was du hierüber später noch zu deiner Belehrung und Beschämung schreiben wirst. Denn wenn ich, die ich doch unschuldig, von jedem Makel der Sünde frei und überdies mit der Fülle aller Gnaden ausgerüstet war, dennoch getrachtet habe, mich durch glühende Liebe, durch Demut und Dankbarkeit noch mehr vorzubereiten, was musst dann du, was müssen die übrigen Kinder der heiligen Kirche tun, die sich jeden Tag, jede Stunde mit neuen hässlichen Fehlern beflekken? Was müssen sie tun, um die Schönheit der Gottheit und Menschheit meines heiligsten Sohnes und Herrn empfangen zu dürfen? Welche Entschuldigung werden die Menschen bei dem Gerichte dafür vorbringen, dass sie in der Kirche ihren Gott im allerheiligsten Sakramente bei sich hatten, welcher sie erwartete, damit sie Ihn empfangen und von Ihm mit der Fülle seiner Gnaden beschenkt werden, während sie diese unaussprechliche Liebe und Wohltat verschmäht haben, um weltlichen Vergnügungen nachzugehen und der Eitelkeit und dem Truge zu dienen? Staune mit den Engeln und Heiligen über eine solche Torheit und hüte dich, in dieselbe zu fallen. BUCH SECHS. LEHRE welche mir Maria, die grosse Königin der Welt, gegeben hat. Lehre: Nächstenliebe. Demut, Gehorsam 1176. Meine Tochter, in drei hervorragenden Tugenden, von welchen du in diesem Hauptstücke gesprochen hast, musst du meinem Sohn und Herrn als seine Braut und meine teuerste Schülerin mit ganz besonderem Eifer nachfolgen, nämlich in der Liebe, in der Demut und im Gehorsam; diese sind es, welche an dem Herrn in der letzten Zeit seines Lebens besonders hervorleuchteten. Gewiss hat Er sein ganzes Leben hindurch seine Liebe zu den Menschen offenbart; denn um ihretwillen und für sie hat Er so viele und so grosse Wunderwerke vollbracht von dem Augenblicke an, da Er durch Wirkung des Heiligen Geistes in meinem Schosse empfangen ward. Als Er aber am Ende seines Lebens den Neuen Bund stiftete, trat die Flamme der glühenden Liebe, welche in seinem Herzen brannte, mit noch grösserer Kraft hervor. In dieser Zeit war die Liebe unseres Herrn Jesu Christi zu den Kindern Adams in ihrer ganzen Kraft tätig; denn seinerseits war Er umringt von Todesschmerzen', und dazu kam von seiten der Menschen ihr Widerstreben gegen das Leiden und die Tugend sowie ihre äusserste Undankbarkeit und Verkehrtheit, da sie darauf ausgingen, demjenigen Ehre und Leben zu nehmen, der ihnen seine Ehre und sein Leben schenkte und ewiges Heil bereitete. Allein gerade durch diesen Widerspruch stieg seine unauslöschliche Liebe immer höher; sie wurde noch erfinderischer, um sich durch ihr eigenes Wirken zu erhalten. Der Herr traf Anstalten, um bei den Menschen zu bleiben, da Er sie verlassen musste. Er zeigte ihnen durch seine Lehre wie durch sein Beispiel und seine Werke sichere und wirksame Mittel, um an den Wirkungen seiner göttlichen Liebe teilzunehmen. 1177. Eben diese Kunst, den Nächsten um Gottes willen zu lieben, sollst du wohl verstehen und fleissig üben. Dies wird der Fall sein, wenn gerade die Unbilden und Beschwerden, welche andere dir antun, die ganze Kraft deiner Liebe wachrufen; du weisst ja, dass dann die Liebe sicher und unverdächtig ist, wenn von seiten der Menschen weder Wohltaten noch Schmeicheleien dazu bewegen. Wohltäter zu lieben ist zwar Pflicht; allein wenn du nicht genau acht gibst, weisst du nicht, ob du dieselben um Gottes willen oder wegen des Nutzens liebst, den sie dir bringen. Wäre letzteres der Fall, dann würdest du vielmehr deinen Vorteil oder dich selbst lieben, als den Nächsten um Gottes willen. Wer sich aber durch andere Gründe, etwa auch durch Schmeichelei, zur Liebe bewegen lässt, der weiss von der wahren, göttlichen Liebe nichts, da er von der blinden Liebe zu seinem Vorteil eingenommen ist. Liebst du dagegen auch jene, die dein Herz nicht durch solche Mittel gewinnen, dann wird der Beweggrund und das Hauptziel deiner Liebe kein anderes sein als der Herr selbst, den du dann in allen seinen Geschöpfen ohne Ausnahme liebst. Weil du aber die körperlichen Liebeswerke weniger üben kannst als die geistlichen - obwohl du dich beiden hingeben sollst, soviel du nur Kräfte und Gelegenheit hast -, so musst du dich besonders in den geistlichen Liebeswerken auszeichnen. In diesen sollst du, wie der Herr es verlangt, stets nach Grossem streben und durch flehentliches Gebet, geistliche Übungen, kluge und heilige Ermahnungen das Heil der Seelen zu fördern trachten. Erinnere dich, dass mein Sohn und Herr niemand eine zeitliche Wohltat erwiesen hat, ohne eine geistliche beizufügen; sonst wären seine göttlichen Handlungen nicht im höchsten Grade vollkommen gewesen. Hieraus wirst du ersehen, wie sehr man die Wohltaten der Seele denen des Leibes vorziehen soll; jene musst du immer inbrünstig begehren und an die erste Stelle setzen, wenn auch irdisch gesinnte Menschen gewöhnlich blindlings zeitliche Güter verlangen, dagegen die ewigen und jene, welche zur wahren Freundschaft und Gnade Gottes führen, vergessen. 1178. Auch die Tugenden der Demut und des Gehorsams hat mein heiligster Sohn bei der Fusswaschung durch Wort und Tat verherrlicht. Dein Herz wäre sehr hart und ungelehrig für die Wissenschaft des Herrn, wenn du trotz der innerlichen Erleuchtungen über sein wunderbares Beispiel dich nicht bis unter den Staub erniedrigtest. Fasse es also jetzt wohl: niemals kannst du sagen oder dir einbilden, du habest dich nach Gebühr gedemütigt, müsstest du auch von allen, selbst von den sündhaftesten Menschen verachtet werden und deinen Platz zu ihren Füssen nehmen; denn niemand wird schlechter sein als Judas, du selbst aber wirst niemals deinem Herrn und Meister gleichstehen. Wenn dir aber der Herr die Gnade und Auszeichnung einer wahren Demut verleiht, so gibt Er dir eben damit eine Art Vollkommenheit und Gleichförmigkeit mit sich selbst, welche dich des Titels einer "Braut Christi" würdig und einiger Ähnlichkeit mit ihm teilhaftig macht. Ohne diese Demut aber kann keine Seele zu solcher Auszeichnung und Teilnahme erhoben werden; denn wer sich erhöht, muss erniedrigt werden; wer dagegen sich erniedrigt, kann und soll erhöht werden, und zwar geschieht dies immer in dem Masse, als die Seele sich demütigt und vernichtet. 1179. Damit du aber diese Perle der Demut nicht gerade dann verlierest, wenn du darauf denkst, sie zu bewahren, so mache ich dich aufmerksam, dass die Übung der Demut weder dem Gehorsam vorgehen, noch nach dem eigenen Ermessen geregelt werden darf; dies muss durch den Oberen geschehen. Denn wenn du dein eigenes Urteil über das deines Seelenführers stellst, sei es auch unter dem Vorwande der Demut, so bist du schon hoffärtig; denn weit entfernt, dich auf den letzten Platz zu stellen, erhebst du dich sogar über das Urteil deines Obern. Aus dem Gesagten magst du auch abnehmen, wie sehr du dich der Gefahr des Irrtums aussetzest, wenn du, wie der hl. Petrus, aus falscher Ängstlichkeit die Gnaden und Wohltaten des Herrn nicht annehmen willst. Dadurch machst du dich nicht bloss jener Gnadenschätze verlustig, gegen welche du dich sträubst, sondern auch der Demut, dieses kostbarsten Schatzes, nach welchem du doch so sehr verlangst. Zugleich verstossest du aber auch gegen die Dankbarkeit, welche du Gott schuldig bist für die hohen Absichten, die Er bei solchen Werken stets vor Augen hat; endlich würdest du dich dadurch der Erhöhung seines heiligen Namens widersetzen. Es ist ja nicht deine Sache, in seine geheimen, unerforschlichen Ratschlüsse einzudringen und dieselben zu verbessern durch die Gründe, wegen welcher du dich unwürdig erachtest, solche Gnaden zu empfangen oder solche Werke zu vollbringen. Dies alles ist Hochmut, welchen Luzifer unter dem Scheine der Demut aussät, mit der Absicht, dich der Freundschaft Gottes und der Gnadengeschenke zu berauben, nach welchen du doch so sehnlich verlangst. Es sei dir also ein unverletzliches Gesetz: wenn deine Beichtväter und Oberen die Gnadenerweise des Herrn in dir als solche erkennen, so halte sie dafür, nimm sie an, achte sie hoch, danke dafür mit gebührender Ehrfurcht; schwanke nicht immer zwischen neuen Zweifeln und Befürchtungen, sondern handle mit Eifer; dann wirst du demütig, sanftmütig und gehorsam sein. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Andacht zum allerheiligsten Sakrament des Altars 1200. 0 meine Tochter, möchten doch die Bekenner des heiligen katholischen Glaubens ihre harten und irdisch gesinnten Herzen öffnen, um die wahre Erkenntnis des hochheiligen, gnadenvollen Geheimnisses der Eucharistie darin aufzunehmen! Möchten sie sich doch der Fesseln ihrer irdischen Neigungen entledigen und ihre Leidenschaften bezähmen, um im göttlichen Lichte eines lebendigen Glaubens einzusehen, welches Glück es für sie ist, den ewigen Gott im Sakramente bei sich zu haben, Ihn empfangen, besuchen und an den Wirkungen dieses himmlischen, göttlichen Mannas teilnehmen zu können! Möchten sie doch die Grösse dieser Gabe recht erkennen, möchten sie doch diesen Schatz gebührend achten, möchten sie die Süssigkeiten dieses Sakramentes kosten und der darin verborgenen Kraft ihres allmächtigen Gottes sich teilhaftig machen: sie würden am Orte ihrer Verbannung nichts mehr zu wünschen nichts mehr zu fürchten haben. Die Sterblichen, welche in dem glücklichen Zeitalter des Gesetzes der Gnade leben, dürfen sich nicht beklagen, dass ihre Gebrechlichkeit und ihre Leidenschaf ten ihnen soviel zu schaffen machen: in diesem Himmelsbrote haben sie ja das Mittel des Heils und der Stärkung zuhanden Sie dürfen sich auch nicht beklagen, dass sie vom Satan ver sucht und angefochten werden; denn durch den häufigen unwürdigen Empfang dieses unaussprechlichen Sakramentes werden sie den Satan glorreich überwinden, sofern sie es in dieser Absicht empfangen. Die Schuld liegt auf seiten der Gläu bigen, weil sie auf dieses Geheimnis nicht achten und es unter lassen, in allen ihren Nöten und Mühsalen die unendliche Kraft dieses Sakramentes, das ja mein allerheiligster Sohn als ein Heilmittel eingesetzt hat, sich zunutzen zu machen. Ich sage dir in Wahrheit, meine Tochter: Luzifer und seine bösen Geiste haben einen solchen Schrecken vor der Gegenwart des allerhei ligsten Altarssakramentes, dass ihnen das Weilen in der Nähe desselben grössere Qualen verursacht als selbst der Aufenthalt in der Hölle. Sie gehen zwar in die Gotteshäuser hinein, um die Gläubigen anzufechten: allein sie tun dies gleichsam mit Uber windung, indem sie sich zwingen, grausame Qualen zu leiden nur um eine Seele zu zerstreuen und zu verwirren, oder, was sie am meisten freut, an den geweihten Stätten und in Gegenwart des allerheiligsten Sakramentes jemand zu einer Sünde zu ver leiten. Ihr Hass gegen Gott und gegen die Seelen treibt sie an selbst dieser furchbaren Qual, welche ihnen die Nähe meine heiligsten, im Sakramente gegenwärtigen Sohnes verursacht zu trotzen, um einen solchen Sieg zu erringen. 1201. Wenn das Allerheiligste in Prozession durch die Strassen getragen wird, dann fliehen die bösen Geister gewöhnlich in aller Eile davon. Sie würden sich nicht getrauen, denen, wel ehe dasselbe begleiten, zu nahen, wenn nicht eine langjährige Erfahrung ihnen die Zuversicht gäbe, dass sie wenigstens ein zelne dazu bringen, die Ehrfurcht gegen den Herrn beiseite zu setzen. Aus demselben Grunde geben sie sich auch so viele Mühe, die Menschen in den Kirchen zu versuchen; sie wissen nämlich, welch grosse Unbill dem Herrn durch ein unehrerbieti ges Betragen zugefügt wird, Ihm, der dort aus Liebe im Sakra mente gegenwärtig ist und die Menschen erwartet, um sie zu heiligen und von ihnen den Dank für seine süsseste und zärt lichste Liebe entgegenzunehmen, die Er durch so viele und deutliche Beweise an den Tag legt. Aus dem Gesagten kannst du aber auch abnehmen, welch grosse Gewalt gegen den Satan diejenigen besitzen, die das hochheilige Brot der Engel würdig geniessen, und welche Furcht die Teufel vor den Menschen haben würden, wenn diese das heiligste Sakrament mit Andacht und reinem Herzen empfangen und sich Mühe geben würden, von einer Kommunion zur andern die Reinheit des Gewissens zu bewahren. Allein es gibt nur sehr wenige, welche sich diese Mühe geben, und der böse Feind arbeitet mit Wachsamkeit und Eifer daran, dass sie bald wieder gleichgültig, lau und zerstreut werden und auf diese Weise so mächtige Waffen gegen ihn nicht gebrauchen. Präge diese Lehre deinem Herzen ein, und weil der Allerhöchste, freilich ohne dein Verdienst, durch deine Oberen angeordnet hat, dass du dieses heilige Sakrament täglich empfangest, so bemühe dich, den Eifer, mit welchem du dich zu einer Kommunion vorbereitest, bis zur folgenden zu bewahren; denn es ist der Wille meines Herrn und mein Wille, dass du mit diesem Schwerte die Schlachten des Herrn schlagest, d.h. dass du im Namen der heiligen Kirche kämpfest gegen ihre unsichtbaren Feinde, welche heutigen Tages sie, die Herrin der Völker', bedrängen und betrüben, ohne dass sie jemand findet, der sie trösten oder an ihr Leid auch nur ernstlich denken würde'. Weine hierüber; ja dein Herz möge vor Schmerz brechen; denn während der allmächtige und gerechte Richter gegen die Katholiken im höchsten Grade erzürnt ist, weil sie trotz des heiligen Glaubens, zu dem sie sich bekennen, seine göttliche Gerechtigkeit durch ihre masslosen und unaufhörlichen Sünden erzürnt haben, findet sich kein Mensch, der ein solches Unglück betrachtet und zu Herzen nimmt. Keiner ist, der sich darüber entsetzt oder zur Anwendung eines Heilmittels sich anschickt; und doch könnten sie ein solches Mittel finden in dem guten Gebrauche des allerheiligsten Sakramentes des Altars, wenn sie nämlich mit zerknirschtem und gedemütigtem Herzen und durch meine Vermittlung demselben nahen würden. 1202. Ist die Unehrerbietigkeit gegen das heiligste Sakrament eine sehr schwere Schuld für alle Kinder der Kirche, so sind die unwürdigen und schlechten Priester hierin noch strafbarer. Denn von der Unehrerbietigkeit, mit welcher sie das heiligste Sakrament des Altares behandeln, haben die übrigen Katholiken Anlass genommen, dasselbe geringzuachten. Würde (las Volk sehen, wie die Priester den heiligen Geheimnissen mit Ehrfurcht und heiligem Schauer nahen, dann würde es begrei fen, dass es seinen Gott im heiligsten Sakramente ebenso behandeln und empfangen muss. Und diejenigen, welche dies tun, werden im Himmel strahlen wie die Sonne unter den Sternen; denn von der verklärten Menschheit meines göttlichen Sohnes wird auf jene, die ihn mit aller Ehrfurcht behandelt und empfangen haben, ein besonderer Glorienglanz überströmen, der jenen abgehen wird, welche die heilige Eucharistie nicht mit solcher Andacht empfangen haben. Überdies weden ihre verklärten Leiber auf der Brust hellstrahlende und wunderbar schöne Kennzeichen oder Sinnbilder tragen, zum Zeugnis, dass sie würdige Tabernakel des heiligsten Sakramentes waren, wenn sie dasselbe in ihr Herz aufnahmen. Dies wird ihnen eine hohe, ausserwesentliche Freude bereiten, die Engel zu Jubelliedern anregen und alle mit Bewunderung erfüllen. Sie werden aber auch noch eine andere ausserwesentliche Belohnung erhalten, nämlich ein besonderes Verständnis der Art und Weise, wie mein göttlicher Sohn in der Eucharistie gegenwärtig ist, sowie aller Wunder, welche dieselbe in sich schliesst. Ihre Freude hierüber wird aber so gross sein, dass sie dadurch allein schon ewiglich glücklich sein würden, wenn es auch sonst keine andere Wonne im Himmel für sie gäbe. Die wesentliche Glorie jener aber, welche die Eucharistie mit gebührender Andacht und Reinheit empfangen haben, wird die Glorie mancher Märtyrer erreichen, ja übertreffen, denen es nicht gegönnt war, das heilige Sakrament zu empfangen. 1203. Du sollst auch noch, meine Tochter, aus meinem Munde vernehmen, was ich von mir selbst gedacht habe, wenn ich in meinem sterblichen Leben meinen Gott und Herrn im heiligsten Sakramente empfing. Und um dies besser zu verstehen, rufe dir nochmals alles das ins Gedächtnis zurück, was ich dir über meine Gnaden, über mein Wirken und über die Verdienste meines Lebens offenbart habe, damit du es aufzeichnest. In meiner Empfängnis wurde ich vor der Erbsünde bewahrt, und schon in jenem Augenblicke wurden mir die Erkenntnis und Vision Gottes zuteil, wie du schon öfter geschrieben hast. In der Erkenntnis Gottes übertraf ich alle Heiligen, in der Liebe die höchsten Seraphim. Niemals beging ich eine wirkliche Sünde; alle Tugenden übte ich stets in heroischer Weise und die niedrigste Stufe derselben überragte den Gipfelpunkt der Heiligkeit, welchen die grössten Heiligen am Ende ihres Lebens erreichten. Die Absichten bei allen meinen Handlungen waren höchst erhaben. Die eingegossenen Tugenden und Gaben waren in mir ohne Mass und Schranke. Ich folgte dem Beispiele meines allerheiligsten Sohnes mit höchster Vollkommenheit nach; ich arbeitete mit Treue, litt mit Mut und wirkte bei allen Werken der Erlösung in dem mir zukommenden Grade mit. Niemals hörte ich auf, Gott zu lieben und die Vermehrung der Gnade und Glorie im höchsten Grade zu verdienen. Und doch, für alle diese Verdienste hielt ich mich gebührend belohnt durch den einmaligen Empfang des heiligsten Leibes meines Sohnes in der Eucharistie; ja, ich erachtete mich dieser grossen Gnade gar nicht einmal würdig. Nun erwäge, meine Tochter: was musst du, was müssen die übrigen Menschen denken beim Empfange dieses wunderbaren Sakramentes? Wäre eine einzige Kommunion eine überreiche Belohnung selbst für den grössten Heiligen, was müssen dann die Priester und die Gläubigen, welche dieselbe häufig empfangen, denken und was müssen sie tun? Öffne die Augen inmitten der dichten Finsternis und Blindheit der Menschen und erhebe sie zum himmlischen Lichte, um diese Geheimnisse zu verstehen. Erachte deine Werke als unbedeutend, deine Verdienste als höchst gering, deine Mühen als sehr leicht, deine Dankbarkeit als viel zu schwach im Vergleiche zu dieser unermesslichen Wohltat, dass die heilige Kirche Christus, meinen göttlichen Sohn, im heiligen Sakramente besitzt, in welchem Er verlangt, dass alle Ihn empfangen, damit Er sie bereichern könne. Und siehst du dich ausserstande, diese und andere Wohltaten nach Gebühr zu vergelten, so erniedrige dich wenigstens bis zum Staube und bekenne mit aller Aufrichtigkeit deine Unwürdigkeit. Lobe und preise den Herrn und sei allezeit bereit, Ihn mit Eifer und Inbrunst zu empfangen, ja viele Martern zu erdulden, um ein so hohes Glück zu erlangen. BUCH SECHS. LEHRE der heiligsten Himmelskönigin Maria. Lehre: In Furcht und Zittern das Heil zu wirken 1221. Meine Tochter, alles, was du in diesem Hauptstücke erfahren und niedergeschrieben hast, ist für dich wie für alle Sterblichen ein Weck- und Mahnruf von höchst segensreichen Folgen, wenn du ihm eine ernste Aufmerksamkeit zuwendest. Erwäge also aufmerksam, welch grosse Sache die ewige Auserwählung oder Verwerfung der Seelen ist, da mein heiligster Sohn sich derselben mit solchem Eifer angenommen hat und da die Schwierigkeit oder vielmehr die Unmöglichkeit, alle Menschen zu retten und selig zu machen, Ihm das Leiden und Sterben, welches Er zum Heile aller erduldete, so bitter gemacht hat. In diesem Kampfe hat Er den Menschen die Wichtigkeit dieser Sache vor Augen gestellt. Darum hat Er auch so viele Bitten an seinen ewigen Vater gerichtet; und die Liebe zu den Menschen hat Ihn bewogen, sein unbeschreiblich kostbares Blut in reichlichen Schweisstropfen zu vergiessen, aus Schmerz darüber, dass sein Tod nicht allen zum Heile dienen sollte, weil sich die Verworfenen der Teilnahme an den Früchten seines Todes durch eigene Schuld unwürdig machen. Mein Sohn und Herr hat seine Sache gerechtfertigt, da er allen das Heil erworben hat, und zwar mit unendlicher Liebe und durch unendliche Verdienste. Auch der ewige Vater hat seine Sache gerechtfertigt, da Er der Welt diese Erlösung geschenkt und sie einem jeden zugänglich gemacht hat. Dem freien Willen jedes einzelnen ist es anheimgestellt, nach Tod oder Leben, nach Feuer oder Wasser seine Hand auszustrecken', und der Abstand, der zwischen diesen beiden Gegensätzen besteht, kann keinem unbekannt sein. 1222. Welche Entschuldigung oder welche Ausrede werden aber einstens die Menschen vorbringen, dass sie das ewige Heil ihrer eigenen Seele vernachlässigt haben, während mein göttlicher Sohn und ich dasselbe so sehnsüchtig gewünscht und mit solcher Liebe getrachtet haben, es ihnen zuzuwenden! Wenn aber am Tage des Gerichtes kein einziger unter allen Sterblichen für seine Gleichgültigkeit und Torheit eine Entschuldigung finden wird, so werden die Kinder der heiligen Kirche um so weniger eine solche finden, sie, welche den Glauben an diese wunderbaren Geheimnisse erhalten haben und sich gleichwohl im Leben nur wenig von den Ungläubigen und Heiden unterscheiden. Glaube nicht, meine Tochter, es stehe umsonst geschrieben: "Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt'." Möge dieser Ausspruch dir Furcht einflössen! Erneuere in deinem Herzen die Wachsamkeit und Sorge für dein Seelenheil, und zwar im Verhältnis zur Schwere deiner Verpflichtung, welche durch die Erkenntnis so hoher Geheimnisse bei dir zugenommen hat. Nachlässigkeit in diesem Stücke wäre, selbst wenn es sich nicht um das ewige Leben und um die ewige Seligkeit handeln würde, ein Undank gegen die besondere Liebe, mit welcher ich dir so grosse und göttliche Geheimnisse offenbare. Ich nenne dich "meine Tochter und "Braut meines Herrn". Hieraus musst du abnehmen, dass deine Aufgabe keine andere ist, als mit Hintansetzung alles Sichtbaren und Irdischen zu lieben und zu leiden. Ich berufe dich ja zu meiner Nachfolge; ich habe auf diese zwei Dinge, auf Lieben und Leiden, alle meine Seelenkräfte gerichtet, und zwar zu jeder Zeit und mit der höchsten Vollkommenheit. Damit auch du diese Vollkommenheit erreichest, muss dein Gebet ein ununterbrochenes und unablässiges sein. Wache mit mir eine Stunde, d.h, wache mit mir die ganze Zeit deines sterblichen Lebens: dasselbe ist ja, mit der Ewigkeit verglichen, weniger als eine Stunde, ja weniger als ein Augenblick. In solcher Verfassung sollst du fortfahren, die Geheimnisse des Leidens meines heiligsten Sohnes zu beschreiben, sie mitzuempfinden und deinem Herzen einzuprägen. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gegeben hat. Lehre: Betrachtung des Leidens Christi 1237. Meine Tochter, in allem, was du durch meine Belehrung erkennst und niederschreibst, sprichst du über dich, wie über alle Sterblichen das Urteil aus, das über euch ergehen wird, falls ihr nicht, den Zustand der Kindheit verlassend, eure Undankbarkeit und Gefühllosigkeit aufgebet, um das bittere Leiden und Sterben Jesu des Gekreuzigten Tag und Nacht zu betrachten. Das ist die Wissenschaft der Heiligen, von welcher die Weltkinder nichts wissen; das ist das Brot des Lebens und der Erkenntnis, welches die Kleinen sättigt und ihnen Weisheit verleiht, während die stolzen Liebhaber der Welt hungrig bleiben und leer ausgehen. Diese Wissenschaft sollst du, das ist mein Wille, fleissig studieren und gut verstehen; denn mit ihr werden alle Güter zumal dir zukommen. Mein Sohn und Herr hat die Regel dieser verborgenen Weisheit gelehrt, da Er sprach: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, ausser durch mich'." Sage mir nun, meine Tochter: wenn mein Herr und Meister dadurch der Weg und das Leben für die Menschen geworden ist, dass Er für sie Leiden und den Tod erduldete, muss man dann nicht, um diesen Weg zu gehen und diese Wahrheit zu bekennen, dem geschmähten, misshandelten, gegeisselten, gekreuzigten Heilande nachfolgen? Sieh also, wie töricht die Menschen sind, da sie zum Vater kommen wollen, aber nicht durch Christus; da sie mit Ihm herrschen wollen, ohne Mitleid mit Ihm getragen und selbst gelitten zu haben? Ja ohne an sein Leiden und Sterben zu denken, ohne dasselbe auch nur in etwa zu kosten, noch aufrichtig dafür zu danken, wollen sie, dass es ihnen zugute komme. Sie möchten im gegenwärtigen und im ewigen Leben Freuden und Ehren geniessen, während ihr Schöpfer bitterste Schmerzen und Pein gelitten hat, um so in die ewige Glorie einzugehen und um den Sterblichen ein Beispiel zu hinterlassen und den Weg des Lichtes zu eröffnen. 1238. Die ewige Ruhe verträgt sich nicht mit der Schande, nichts gelitten zu haben, da man doch auf diesem Wege die Ruhe hätte verdienen sollen. Wer seinem Vater nicht nachfolgt, ist kein wahres Kind: wer seinen Herrn nicht begleitet, ist kein treuer Knecht: wer seinem Meister nicht folgt, ist dessen Schüler nicht. Auch ich betrachte jenen nicht als meinen Verehrer, der mit dem Leiden meines Sohnes und mit meinen Schmerzen kein Mitleid kennt. Allein die liebevolle Besorgnis für das ewige Heil der Menschen bewegt uns, ihnen, da sie diese Wahrheit ganz vergessen und das Leiden verabscheuen, Leiden und Widerwärtigkeiten zu schicken, damit sie diese, wenn nicht freiwillig und mit Liebe, wenigstens gezwungen annehmen und ertragen und so den sicheren Weg der ewigen Ruhe betreten, nach der sie verlangen. Allein dies ist noch nicht genug. Denn die blinde Neigung und Liebe zum Irdischen fesselt und beherrscht sie, macht ihr Herz träge und schwerfällig, nimmt ihnen alles Gedächtnis, alle Aufmerksamkeit und alles Gefühl, so dass sie sich weder über sich noch über das Vergängliche erheben. Darum finden sie in den Trübsalen keine Freude, in den Mühen keine Erquickung, in den Leiden keinen Trost, in den Widerwärtigkeiten keine Ruhe. Denn alles dieses verabscheuen sie und nichts, was ihnen beschwerlich ist, verlangen sie. Und doch war gerade dies das Verlangen der Heiligen; ja die Heiligen rühmten sich der Trübsale', weil sie dadurch den Gegenstand ihrer Sehnsucht erlangt hatten. Bei vielen Gläubigen geht die Torheit noch weiter. Denn einige begehren zwar, von der Liebe Gottes verzehrt zu werden; andere flehen um Verzeihung vieler Sünden; noch andere um grosse Gnaden. Allein nichts von all dem kann ihnen gewährt werden, weil sie nicht im Namen Christi meines Herrn darum bitten, d.h. weil sie Ihm in seinem Leiden nicht nachfolgen und Gesellschaft leisten wollen. 1239. Umarme also das Kreuz, meine Tochter, und nimm in deinem sterblichen Leben nie einen Trost an ohne das Kreuz. Durch das Betrachten und Mitfühlen des Leidens Jesu wirst du den Gipfel der Vollkommenheit erreichen und die Liebe einer Braut erwerben. Folge mir hierin nach gemäss dem Lichte, welches du erhalten, und der Verpflichtung, welche ich dir auferlege. Preise und verherrliche meinen göttlichen Sohn wegen der Liebe, mit welcher Er sich für das Heil der Menschen dem Leiden überliefert hat. Die Menschen betrachten dieses Geheimnis gar wenig. Aber ich versichere dir als Augenzeugin, dass mein allerheiligster Sohn nächst der Auffahrt zur Rechten des ewigen Vaters nichts höher geschätzt und nichts mit grösserer Inbrunst des Herzens verlangt hat, als sich zum Leiden und Sterben anzubieten und sich dazu seinen Feinden auszuliefern. Endlich sollst du mit innigstem Schmerze beklagen, dass Judas in seinen Treulosigkeiten und Verbrechen mehr Nachfolger findet als Christus. Zahlreich sind die Ungläubigen, zahlreich die schlechten Katholiken, zahlreich die Heuchler, welche unter dem Namen von Christen ihren Heiland verkaufen, ausliefern und ihn aufs neue kreuzigen. Über alle diese Übel weine; denn damit du auch hierin mir nachfolgest, werden sie dir offenbart. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Gefahr der Sünde selbst bei hoher Begnadigung 1253. Meine Tochter, nicht ohne Grund bist du erstaunt über das, was du erkannt und geschrieben hast über das unselige Los des Judas und über den Fall der Apostel. Sie alle waren in der Schule meines göttlichen Sohnes; sie waren genährt mit seiner Lehre; sie waren Augenzeugen seines Lebens, seines Beispiels und seiner Wunder; sie hatten sich seines lieblichsten und sanftmütigsten Umganges erfreut, sowie meiner Fürsprache, meiner Ratschläge und anderer Wohltaten, welche sie durch meine Vermittlung empfingen. Ich sage dir in Wahrheit: würden alle Kinder der Kirche dies einzige Beispiel gebührend betrachten und beherzigen, sie fänden darin die heilsame Mahnung und Warnung, dass sie, mögen sie auch noch so zahlreiche und ausserordentliche Gnaden von Gottes Hand empfan gen haben, dennoch den gefahrvollen Zustand des sterblichen Lebens fürchten müssen. Denn alle Gnaden, die sie empfangen haben mögen, sind doch immerhin geringer als das Glück, dessen die Apostel gewürdigt waren, den Herrn zu sehen, zu hören, mit Ihm umzugehen und Ihn als lebendiges Muster der Heiligkeit vor Augen zu haben. Das nämliche sage ich dir in bezug auf mich. Denn ich habe die Apostel ermahnt; sie waren Zeugen meines heiligen, sündelosen Lebens; sie empfingen durch meine Güte grosse Wohltaten, insbesondere teilte ich ihnen die Liebe zu Gott mit, die von Gott in mich überströmte, da ich in Ihm war. Wenn sie nun trotzdem unter den Augen ihres Herrn und Meisters so zahlreiche Gnaden und die Pflicht, denselben zu entsprechen, vergessen haben, wer wird dann im sterblichen Leben so vermessen sein, dass er die Gefahr des Verderbens nicht fürchten sollte, hätte er auch der Wohltaten noch so viele erhalten? Jene waren Apostel, von ihrem Meister, dem wahren Gotte, auserwählt: und dennoch ist einer von ihnen so weit gekommen, dass er tiefer fiel als irgendein anderer Mensch; die übrigen aber kamen dahin, dass sie selbst im Glauben, dem Fundamente aller Tugend, wankend wurden. Und alles dieses geschah gemäss der Gerechtigkeit und den unerforschlichen Gerichten des Herrn. Wie sollten also diejenigen nicht zu fürchten haben, welche weder Apostel sind, noch soviel, wie diese, in der Schule meines göttlichen Sohnes gewirkt haben, noch auch meine Fürsprache in gleichem Grade, wie sie verdienten. 1254. Aus dem, was du über das Verderben des Judas und seine gerechteste Strafe geschrieben hast, ersieht man zur Genüge, wohin die Laster und der böse Wille einen Menschen führen können, der sich ihnen und dem Satan hingibt, die Einsprechungen und Gnadenhilfen Gottes aber verachtet. Ich füge dem Gesagten noch dies bei: nicht nur die Qualen des Verräters Judas, sondern auch die Pein vieler Christen, die mit ihm verlorengehen und in den nämlichen, seit Beginn der Welt für sie bestimmten Ort der Pein hinabsteigen, sind grösser als die Qualen mancher Teufel. Denn mein göttlicher Sohn ist nicht für die bösen Engel gestorben, wohl aber für die Menschen. Den bösen Geistern kam die Frucht der Erlösung nicht zugute, während sie den Kindern der Kirche in den Sakramenten mitgeteilt wird. Die unvergleichliche Wohltat der Erlösung geringzuschätzen, ist also nicht so sehr die Sünde des Satans als vielmehr die der Gläubigen, und ihnen gebührt für diese Verachtung auch eine neue, andere Strafe. Dass Luzifer und seine Diener sich täuschten und Christus bis zu seinem Tode nicht als den wahren Gott und Erlöser erkannten, dies quält sie noch immer in allen ihren Geisteskräften, und aus diesem Schmerze entspringt in ihnen ein furchtbarer Grimm gegen die Erlösten überhaupt, namentlich aber gegen die Christen, welchen die Erlösung und das Blut des Lammes in reicherem Masse zugewendet wird. Darum arbeiten die bösen Geister mit aller Anstrengung darauf hin, dass die Gläubigen das Werk der Erlösung vergessen und sich nicht zunutze machen. In der Hölle aber zeigen sie sich dann gegen die schlechten Christen ganz besonders wütend und erbost, und sie würden dieselben ohne jedes Erbarmen noch mehr peinigen, wenn nicht die göttliche Gerechtigkeit anordnete, dass die Strafe den Sünden entspreche. Gott überlässt nämlich die Strafe nicht der Willkür der bösen Geister, sondern setzt in seiner unendlichen Macht und Weisheit das Mass derselben fest, so dass selbst bis an diesen Ort die Güte des Herrn sich erstreckt. 1255. Aus dem Falle der übrigen Apostel sollst du, meine Tochter, abnehmen, welche Gefahr für den gebrechlichen Menschen darin liegt, dass er selbst bei dem Empfange der grössten Gnaden und Wohltaten sich daran gewöhnt, hartherzig, nachlässig und undankbar zu sein. Solches ist den elf Aposteln begegnet, da sie ihren himmlischen Meister ungläubig verliessen und flohen. Diese Gefahr kommt daher, weil die Menschen so äusserlich und so geneigt sind, sich an alles zu hängen was sinnenfällig und irdisch ist; weil ferner ihre Neigungen durch die Sünde verdorben sind, und sie es sich zur Gewohnheit machen, mehr nach dem Irdischen, Fleischlichen und Sinnenfälligen zu leben und zu handeln als nach dem Geiste. So kommt es dann, dass sie selbst die Gnadengeschenke des Herrn auf sinnliche Weise behandeln und lieben. Werden sie aber nicht in dieser Weise befriedigt, dann wenden sie sich anderen sinnlichen Gegenständen zu, lassen sich von diesen leiten und verlieren den Geschmack am geistlichen Leben, weil sie dasselbe in sinnlicher Weise, mit Geringschätzung des Geistigen begonnen haben. Durch diese Unachtsamkeit und irdische Anschauung sind die Apostel gefallen, obgleich sie von meinem heiligsten Sohne und von mir in so hohem Grade begünstigt worden waren. Denn die Wunder, die Lehre, die Beispiele, welche sie vor Augen hatten, fielen in den Bereich der Sinne. Da sie nun zwar gerecht oder im Stande der Gnade waren, aber doch irdisch gesinnt und nur am Sinnlichen hingen, wurden sie verwirrt, als letzteres ihnen abging; sie gerieten in Versuchung und fielen. Sie waren zu wenig eingedrungen in die Geheimnisse und in den Geist des sen, was sie in der Schule ihres Meisters gesehen und gehört hatten. Dieses Beispiel muss dich, meine Tochter, lehren, eine geistliche Schülerin zu sein, nicht eine irdisch gesinnte, dich nicht an das Sinnenfällige zu gewöhnen, selbst nicht in den besonderen Gnaden, welche du von dem Herrn oder von mir empfängst. Bleibe nicht bei dem Sinnlichen oder Äusserlichen stehen, sondern erhebe deinen Geist zu dem Geistigen, welches nicht mit dem leiblichen Sinne, sondern mit dem inneren Lichte erfasst wird'. Kann aber das Sinnenfällige dem geistlichen Leben hinderlich sein, wie wird es dann stehen mit dem, was zum irdischen, tierischen und fleischlichen Leben gehört? Es ist deshalb klar, dass ich von dir verlange, du sollest jede Vorstellung von den Geschöpfen vergessen und aus deinem Innern austilgen, damit du fähig seiest, meine heilbringende Lehre zu empfangen und meinem Beispiele zu folgen. BUCH SECHS. LEHRE der grossen Königin und Herrin. Lehre: Selbstverleugnung und Kreuzesliebe 1280. Meine Tochter, das verborgene Geheimnis der Beschimpfungen, Unbilden und der Verachtung, welche mein allerheiligster Sohn erduldete, ist ein verschlossenes Buch, das man bloss mittels des göttlichen Lichtes öffnen und verstehen kann. Du hast es erklärt und es ist dir zum Teile gezeigt worden, obwohl du eigentlich weit weniger davon niederschreibst, als du vernimmst, weil du nämlich das Ganze zu erklären ausserstande bist. Da dir nun aber dieses Buch im Innern deines Herzens aufgeschlagen und geöffnet worden ist, so will ich, dass es darin auch eingeschrieben bleibe und du in der Erkenntnis dieses lebendigen und wahren Vorbildes die göttliche Wissenschaft erlernest, worin Fleisch und Blut dich nicht zu unterrichten vermögen; denn die Welt kennt diese Wissenschaft nicht und ist auch ihrer Erkenntnis nicht würdig. Diese göttliche Philosophie besteht darin, dass man das überaus glückliche Los der Armen, der Demütigen, der Bedrängten, der Verachteten und überhaupt aller, die bei den Kindern der Eitelkeit keinen Namen haben, versteht und liebt. Diese Schule hat mein allerheiligster und liebreichster Sohn in seiner Kirche gegründet, als Er auf dem Berge' allen die acht Seligkeiten verkündete und vor Augen stellte. Und später hat Er, als ein Lehrer, der seine vorgetragene Lehre auch ins Werk setzt, dieselbe ausgeübt, als Er nämlich bei seinem Leiden und bei seinen Beschimpfungen die Hauptstücke dieser Lehre wiederholte, welche Er auf sich selbst so anwandte, wie du dies beschrieben hast. Obwohl nun diese Schule den Katholiken geöffnet und dieses Buch des Lebens vor ihnen aufgeschlagen ist, so sind doch derer, welche diese Schule besuchen und in diesem Buche studieren, sehr wenige und leicht zu zählen; dagegen sind unzählig die Toren, welche diese Wissenschaft nicht kennen, weil sie sich zum Empfange des Unterrichtes in derselben nicht vorbereiten wollen. 1281. Alle fliehen die Armut und dürsten nach dem Reichtum, ohne sich über dessen trügerische Nichtigkeit enttäuschen zu lassen. Zahllos sind jene, welche sich vom Zorne und von der Rachsucht hinreissen lassen und von der Sanftmut nichts wissen wollen. Nur wenige beweinen ihr wahres Elend, viele dagegen haschen nach irdischen Tröstungen, und kaum findet man einen, der die Gerechtigkeit liebt und nicht ungerecht und treulos gegen seinen Nächsten sich benimmt. Die Barmherzigkeit ist verschwunden, die Reinheit des Herzens verletzt und beschmutzt, der Friede gestört. Niemand verzeiht, und weit entfernt, für die Gerechtigkeit leiden zu wollen, suchen alle sogar durch ungerechte Mittel jener Strafe und Pein zu entkommen, die sich doch nach der Gerechtigkeit zu leiden verdient haben. Deshalb, liebste Tocher, gibt es nur wenige Glückliche, denen meine und meines heiligsten Sohnes Segnungen zuteil werden. Schon oftmals ist dir gezeigt worden, wie der Allerhöchste gegen die Bekenner des Glaubens gerechterweise erzürnt ist, weil sie im Angesichte ihres Vorbildes und des Lehrmeisters des Lebens fast wie Ungläubige, ja manche sogar noch verkehrter als diese dahinleben. Denn sie sind es, welche in Wahrheit die Frucht der Erlösung, die sie bekennen und erkennen, verachten; im Lande der Heiligen' verüben sie ihre Bosheit und Gottlosigkeit und machen sich des Rettungsmittels unwürdig, welches ihnen aus grösster Barmherzigkeit an die Hand gegeben ist. 1282. Von dir aber, meine Tochter, verlange ich, dass du dir alle Mühe gebest, der verheissenen Seligkeiten teilhaftig zu werden, indem du nach Massgabe der Gnade, welche du zum Verständnisse dieser vor den Weisen und Klugen der Welt verborgenen Lehre erhältst' mein Beispiel vollkommen nachahmest. Ich offenbare dir täglich neue Geheimnisse meiner Weisheit, damit dein Herz sich entzünde und du dich beeiferst, deine Hände an grosse Dinge zu legen'. Und jetzt füge ich für dich noch eine Übung bei, welche ich verrichtet habe, und worin du mich wenigstens teilweise nachahmen kannst. Du weisst nämlich schon, dass ich vom ersten Augenblicke meiner Empfängnis an voll von Gnade und frei von dem Makel der Erbsünde war und an deren Wirkungen keinen Anteil hatte. Du weisst, dass ich um dieses besondern Vorrechtes willen bereits von jener Zeit an glückselig in den Tugenden war, ohne dass ich ein Widerstreben fühlte oder einen Widerstreit besiegen musste, oder eine abzutragende Schuld auf mich geladen, oder für eigene Sünden Genugtuung zu leisten hatte. Aber trotzdem belehrte mich die göttliche Wissenschaft, dass ich mich unter den Staub der Erde demütigen müsse, weil ich der Natur nach, welche gesündigt hat, eine Tochter Adams sei, obwohl ich der Schuld nach keine Sünde begangen hatte. Und weil ich Sinne von derselben Art besass, wie jene, die zu Werkzeugen des Ungehor sams dienten und seine schlimmen Wirkungen herbeiführen halfen, welche damals und für die Zukunft mit der menschlichen Natur verbunden wurden, so musste ich schon um dieser Verwandtschaft willen die Sinne abtöten, niederhalten und ihre Neigung hemmen, welche sie infolge eben dieser Natur haben. Und so benahm ich mich denn wie eine treue Tochter eines Hauses, welche die Schuld ihres Vaters und ihrer Brüder, obwohl sie sich damit nicht beladen hat, doch als ihre eigene ansieht und dieselbe abzutragen und dafür genugzutun sich bemüht, und zwar mit um so grösserem Fleisse, je mehr sie ihren Vater und ihren Bruder liebt, und je weniger diese imstande sind, die Bezahlung zu leisten und ihrer Verpflichtung sich zu entledigen. Und sie ruht nicht, bis sie dieses Ziel erreicht hat. Gerade dies habe ich für das ganze Menschengeschlecht getan, dessen Sündenelend ich beweinte. Und weil ich eine Tochter Adams war, so tötete ich an mir die Sinne und Fähigkeiten ab, mit denen jener gesündigt hat; ich demütigte mich voll Beschämung, als wäre ich seines Ungehorsams und seiner Sünde schuldig, obwohl ich keinen Anteil daran hatte. Und das nämliche tat ich auch für alle übrigen Menschen, die der Natur nach meine Brüder sind. Du kannst mich nun in den erwähnten Vorzügen nicht nachahmen, weil du an der Schuld teilhast. Aber gerade diese legt dir die Pflicht auf, mich im übrigen, was ich ohne jene getan habe, nachzuahmen. Denn der Umstand, dass du mit der Schuld beladen und zur Genugtuung gegen die göttliche Gerechtigkeit gehalten bist, muss dich antreiben, dich ohne Unterlass für dich und den Nächsten abzumühen und dich in den Staub zu demütigen: ein zerknirschtes und demütiges Herz macht ja die göttliche Güte geneigt, Barmherzigkeit zu üben'. BUCH SECHS. LEHRE der allerseligsten Jungfrau und Himmelskönigin Maria 1295. Meine Tochter, wie im Evangelium' geschrieben steht, hat der ewige Vater seinem und meinem Eingebornen die Macht übergeben, am Tage des allgemeinen Gerichtes die Verworfenen zu richten und zu verdammen. Dies war auch ganz geziemend, und zwar nicht bloss deshalb. damit dann alle Gerichteten und Schuldigen sehen, dass der höchste Richter nach dem Willen und der Gerechtigkeit Gottes sie verdamme, sondern auch deshalb, dass sie alsdann seine heiligste Menschheit schauen und erkennen, in der sie erlöst worden sind, und damit ihnen an derselben die Pein und die Unbilden offenbar werden, welche Er zu ihrer Befreiung von der Hölle erduldet hat; denn der Herr und Richter selber, der über sie zu Gericht sitzen wird, wird ihnen dieses vorhalten. Weil sie nun aber nichts zu ihrer Entschuldigung oder Verteidigung werden vorzubringen vermögen, so wird auch diese Beschämung der Anfang ihrer ewigen Pein sein, die sie durch ihre hartnäckige Undankbarkeit verdient haben. Denn alsdann wird die gütigste Barmherzigkeit, womit sie erlöst wurden, in ihrer ganzen Grösse offenbar gemacht und dargelegt werden, aber auch der Grund, warum sie aus Gerechtigkeit verdammt werden. Gross waren die Schmerzen und überaus scharf die Pein und Bitterkeit, welche mein heiligster Sohn gerade deshalb litt, weil sich nicht alle Menschen der Früchte der Erlösung teilhaftig machen würden. Und dies war es, was auch mein Herz beim Anblicke seiner Martern durchbohrte. Zugleich peinigte mich aber auch dieser Anblick der Leiden, die Er durch Verspeiung, durch Ohrfeigen, Lästerungen und so ruchlose Qualen edulden musste, wie man sie im gegenwärtigen und sterblichen Leben nicht zu begreifen vermag. Ich erkannte dies auf eine würdige und klare Weise; und diese Erkenntnis bildete auch den Masstab für meinen Schmerz, sowie sie es auch für die Liebe und Verehrung war, die ich zur Person Christi, meines Herrn und Sohnes, trug. Nächst diesen Qualen waren aber jene die grössten, die mir der Gedanke bereitete, dass, obwohl Seine Majestät einen solchen Tod und ein solches Leiden für die Menschen erduldet hat, dennoch so viele im Angesichte dieses unermesslichen Preises verlorengehen würden. 1296. Es ist mein Wille, dass du auch bei diesem Schmerze mich begleitest und nachahmst und dieses beklagenswerte Unglück beweinst; denn es gibt für die Menschen kein anderes Unglück, das mit so bitteren Tränen beweint zu werden verdient und mir solchen Schmerz bereitet wie dieses. Nur wenige sind auf Erden, welche diese Wahrheit gebührend beachten und beherzigen. Aber mein Sohn und ich blicken mit besonderem Wohlgefallen auf jene, welche uns in diesem Schmerze nachahmen und sich über den Untergang so vieler Seelen betrüben. Darum, liebste Tochter, trachte dich in dieser Übung auszuzeichnen und bitte; denn du weisst nicht, wie huldvoll der Allerhöchste diese Bitten aufnimmt. Wohl aber musst du wissen, dass nach seinen Versprechungen dem Bittenden gegeben und dem Anklopfenden die Türe zu seinen unendlichen Schätzen geöffnet wird'. Und damit du etwas habest, das du Ihm aufop fern könnest, so schreibe deinem Gedächtnisse das ein, was mein heiligster Sohn und dein Bräutigam durch die Hände jener gemeinen und verkommenen Henkersknechte gelitten hat, sowie seine unüberwindliche Geduld und Sanftmut und sein Stillschweigen, womit Er sich ihrem ruchlosen Willen überliess. Handle darum von jetzt an ernstlich nach diesem Vorbilde, auf dass weder der Zorn noch eine andere Leidenschaft einer Tochter Adams in dir zur Herrschaft gelange, und damit in deinem Herzen ein wirksamer Abscheu vor der Sünde des Stolzes und vor jeder Verachtung und Beleidigung des Nebenmenschen entstehe. Bitte und flehe zum Herrn um Geduld, Sanftmut, Friedfertigkeit und Liebe zu den Beschwerden und zum Kreuze des Herrn. Umfasse das Kreuz, nimm es mit frommer Gesinnung auf dich und folge Christus deinem Bräutigam nach', damit du zu Ihm gelangest. BUCH SECHS. LEHRE der grossen Himmelskönigin. Lehre: Nachfolge Jesu in Dernut und Geduld 1311. Meine Tochter, grosse Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit legen die Sterblichen an den Tag, wenn es sich um die Erwägung der Werke meines heiligsten Sohnes und um das demütige und ehrfurchtsvolle Eindringen in die Geheimnisse handelt, welche zur Rettung und zum Heile aller Menschen darin enthalten sind, Deshalb wissen manche gar nichts davon, und andere können es nicht begreifen, wie Seine Majestät sich herbeilassen konnte, dass Er gleich einem Schuldigen vor die ungerechten Richter geschleppt, wie ein Übeltäter und Verbrecher verhört und als Narr und Tor behandelt und betrachtet wurde. Sie sind verwundert, dass Er in seiner göttlichen Weisheit kein Wort für seine Unschuld vorbrachte und die Bosheit der Juden und aller seiner Gegner nicht aufdeckte, obwohl Er dies so leicht hätte tun können. Staunt man aber hierüber, so muss man vor allem die allerhöchsten Gerichte des Herrn anbeten: "Er ist es, welcher die Erlösung der Menschen auf diese Weise anordnete, indem Er mit Billigkeit, Güte und Gerechtigkeit und so, wie es allen seinen Eigenschaften entsprechend war, handelte. Er hat keinem einzigen seiner Feinde die Gnadenhilfe versagt, welche, wenn sie anders hätten mitwirken und die Vorrechte ihrer Freiheit zum Guten gebrauchen wollen, zum guten Handeln auch hingereicht hätte. Er wollte, dass alle selig werden! und wenn dies nicht bei allen geschehen ist, so lag die Schuld an ihnen. Niemand hat ein Recht, sich über die göttliche Barmherzigkeit zu beklagen; denn sie war überfliessend. 1312. Ich verlange aber überdies, dass du, meine Tochter, die in diesen Werken enthaltene Lehre wohl auffassest. Denn keines seiner Werke hat mein heiligster Sohn anders verrichtet, denn als Erlöser und Lehrmeister der Menschen. Indem Er bei seinem Leiden mit Schweigen und Geduld es hinnahm, dass man Ihn als Missetäter und Toren behandelte, so hinterliess Er den Menschen eine Lehre, die zwar höchst wichtig ist, die aber von den Kindern Adams nur wenig beachtet und noch weniger ausgeübt wird. Weil sie die Pest nicht ins Auge fassen, womit Luzifer sie mittels der Sünde ansteckt, und die derselbe ununterbrochen in der Welt ausbreitet, so suchen sie auch nicht beim Arzte die Arznei für ihre Krankheit. Und doch hat der Erlöser in seiner unermesslichen Liebe das Heilmittel in seinen Worten und Werken hinterlassen. Möchten doch die in der Sünde empfangenen Menschen sich selbst betrachten und sehen, wie tiefe Wurzeln der von Luzifer ausgestreute Same des Stolzes, der Anmassung, der Eitelkeit, der Selbstüberschätzung, der Habsucht, der Heuchelei, der Lüge und der anderen Laster bereits in ihren Herzen geschlagen hat. Das gewöhnliche Streben aller ist darauf gerichtet, dass sie durch Ehre und eitlen Ruhm sich auszeichnen, dass sie andern vorgezogen und hochgeschätzt werden. Die Gelehrten und alle, welche sich für weise halten, suchen Beifall zu finden, gefeiert zu werden und mit ihrer Wissenschaft zu prahlen; die Ungelehrten möchten weise erscheinen: die Reichen rühmen sich ihres Reichtums und wollen um desselben willen geehrt sein. Die Armen dagegen möchten reich sein und reich scheinen und damit sich Achtung verschaffen. Die Mächtigen wollen, dass man sie fürchte, sie ehre und ihnen gehorche. Kurz, alle überlassen sich diesem Wahne und wollen mit aller Gewalt als das erscheinen, was sie, wenn es auf die Tugend ankommt, nicht sind; dagegen sind sie nicht das, als was sie erscheinen wollen. Sie entschuldigen ihre Laster, suchen mit ihren Tugenden und guten Eigenschaften viel Aufhebens zu machen und schreiben die Güter und Wohltaten sich selbst zu, als ob sie dieselben nicht empfangen hätten; sie empfangen dieselben, als wären sie nicht ein Gnadengeschenk, sondern eine ihnen schuldige Sache, und anstatt dafür zu danken, bedienen sie sich derselben als Waffen gegen Gott und sich selbst. Kurz, fast alle sind vom Gifte der alten Schlange angesteckt und verlangen umso gieriger dassselbe hineinzutrinken, je mehr sie von dieser beklagenswerten Krankheit angesteckt sind. Der Weg des Kreuzes und der Nachfolge Christi durch Demut und christliche Einfalt ist verlassen; denn nur wenige sind es, die auf demselben wandeln. 1313. Um nun dieses Haupt Luzifers zu zertreten und seinen hochfahrenden Stolz zu besiegen, übte mein Sohn bei seinem Leiden Geduld und Stilschweigen, indem Er sich als unwissenden Menschen und törichten Missetäter behandeln liess. Als Lehrmeister dieser Philosophie und als Arzt, welcher gekommen war, um die Krankheit der Sünde zu heilen, wollte Er sich weder entschuldigen, noch verteidigen und rechtfertigen, noch auch wollte Er seine Ankläger der Lüge überführen, damit die Menschen ein lebendiges Beispiel vor Augen hätten, wonach sie gegen die Pläne der Schlange vorgehen und handeln sollten. An Ihm ging jene Lehre des Weisen in Erfüllung, dass eine kleine Torheit auf kurze Zeit kostbarer sei als Weisheit und Ehre'. Es ist ja für die menschliche Gebrechlichkeit besser, einige Zeit für unwissend und schlecht gehalten zu werden, als mit Tugend und Weisheit zu prahlen. Unzählbar sind aber jene, welche in diesen gefährlichen Irrtum verstrickt sind. Sie wollen weise erscheinen, reden viel und machen gleich Narren viele Worte; aber gerade dadurch büssen sie das ein, was sie verlangen: sie werden als Toren erkannt. Alle die genannten Laster kommen vom Stolze, welcher so tief in der menschlichen Natur eingewurzelt ist. Du aber, meine Tochter, bewahre die Lehre meines heiligsten Sohnes und die meinige wohl in deinem Herzen; verabscheue die eitle Prahlerei, ertrage, schweige und lass es geschehen, wenn die Welt dich für eine Närrin hält; denn wo die wahre Weisheit lebt, das ist der Welt verborgen. BUCH SECHS. LEHRE der grossen Herrin des Himmels, der heiligsten Jungfrau Maria. Lehre: Schwierigkeit der Bekehrung solcher, die einst sehr begnadigt waren. 1331. Ich sehe dich, meine Tochter, mit Verwunderung über das erfüllt, was du geschrieben und vernommen hast, und dies deshalb, weil du bemerkst, dass Pilatus und Herodes sich beim Tode meines heiligsten Sohnes nicht so unmenschlich und grausam erwiesen wie die Priester und Pharisäer. Du legst ein besonderes Gewicht darauf, dass die ersteren weltliche Richter und Heiden waren, die letzteren aber Lehrer des Gesetzes und Priester des jüdischen Volkes, welche sich zum wahren Glauben bekannten. Ich will dir aber die Antwort auf dein Bedenken mittels einer Lehre geben, die nicht neu ist und die du auch sonst schon gehört hast, von der ich aber wünsche, dass du sie in deinem Geiste wieder auffrischest und im Verlaufe deines ganzen Lebens ja nicht vergessest. Merke dir darum wohl, meine Tochter: Der Fall von einer grossen Höhe ist im höchsten Grade gefahrvoll, und das dadurch entstandene Unheil kann entweder gar nicht oder nur sehr schwer wiedergutgemacht werden. Luzifer hatte im Himmel einen ausserordentlich hohen Platz, mag man nun seine natürlichen Eigenschaften oder die Gaben des Lichtes und der Gnade in Betracht ziehen; denn in seiner Schönheit übertraf er alle Geschöpfe. Aber durch seinen Sündenfall stürzte er in den tiefsten Abgrund der Hässlichkeit und des Elendes hinab, so dass er seinen ganzen Anhang an Verhärtung im Bösen übertrifft. Die Stammeltern des Menschengeschlechtes, Adam und Eva, waren zur höchsten Würde erhoben und mit Wohltaten überschüttet, da sie durch die Hand des Allmächtigen gebildet waren; ihr Fall aber stürzte sie selbst und ihre Nachkommenschaft ins Verderben, und das Rettungsmittel kam unaussprechlich teuer zu stehen, wie der Glaube dies lehrt; ja es war geradezu eine unendliche Barmherzigkeit, dass ihnen und ihren Nachkommen noch Rettung zuteil wurde. 1332. Gar manche andere Seelen sind auf den Gipfel der Vollkommenheit gelangt, aber von demselben auf die elendeste Weise wieder herabgestürzt, und die Folge davon war, dass sie nachher fast verzweifelten oder es gar für unmöglich hielten, sich wieder zu erheben. Dieses Urteil entsteht von seiten der Kreatur aus vielen Ursachen: Die erste ist die Mutlosigkeit und eine gewisse übertriebene Beschämung, welche einen solchen beschleicht, der aus einem hohen Stande der Tugend herabgestürzt ist; denn er hat nicht bloss grössere Güter verloren, sondern zugleich auch das Vertrauen eingebüsst, dass er in Zukunft ebenso grosse Gnaden empfangen werde, wie die früheren, die er verloren hat. Und was die Gnade betrifft, die er mittels neuen Fleisses wiedererwerben kann, so verspricht er sich hierin keine grössere Festigkeit, als bei jenen, die er schon erlangt, aber in seiner Undankbarkeit vergeudet hat. Dieses gefährliche Misstrauen hat dann die schlimme Folge, dass er nur mit Lauigkeit, ohne Eifer, ohne Fleiss, ohne Freude und bereitwillige Hingabe ans Werk geht; denn alles dieses wird durch das Misstrauen zerstört, gleich wie umgekehrt ein lebendiges und festes Vertrauen gar manche Schwierigkeiten überwindet und der Schwachheit der menschlichen Kreatur Kraft und Leben zur Ausführung grossartiger Werke verleiht. Ein weiterer Grund, der nicht minder zu fürchten ist, istfolgender: Wenn Seelen, welche an die Gnadenerweisungen Gottes gewöhnt sind, sei es nun infolge ihres Amtes, wie die Priester und Ordensleute, oder sei es wegen ihrer Tugendübungen und besonderen Gnaden, wie andere fromme und einem geistlichen Leben ergebene Personen, in Sünde fallen, so geschieht dies gewöhnlich infolge von Geringschätzung der göttlichen Gnaden und des schlechten Gebrauches der göttlichen Dinge. Denn weil sie häufig mit heiligen Dingen umgehen, so geraten sie in den gefährlichen Zustand der Gleichgültigkeit, in welchem sie die Gaben des Herrn nur wenig schätzen. Durch diese Unehrerbietigkeit und geringe Wertschätzung verhindern sie die Wirkungen der Gnade, eben weil sie nicht mehr mit derselben mitwirken; sie verlieren die heilige Furcht, welche dazu anregt und aneifert, dass man gut handle, dem Willen Gottes gehorche und deshalb auch die Mittel in Anwendung bringe, welche Gott zum Aufstehen von der Sünde und zur Erlangung seiner Freundschaft und des ewigen Lebens bestimmt hat. Diese Gefahr besteht offenbar für die lauen Priester, welche ohne Furcht und Ehrerbietigkeit die heilige Kommunion und andere Sakramente so oft empfangen; sie besteht ferner für die Gelehrten, Weisen und Machthaber der Welt, welche nur gar schwer sich bessern und ihre Sünden gutmachen, weil ihnen eben die Hochschätzung und Ehrfurcht vor den Gnadenmitteln der Kirche, d.h. vor den Sakramenten, der Predigt und der Christenlehre abhanden gekommen ist. Trotz all dieser Arzneimittel, welche anderen Sündern Heilung bringen und die Unwissenden gesund machen, bleiben jene krank, welche doch die Ärzte für die geistliche Gesundheit sind. 1333. Es gibt indes auch noch andere Ursachen der genannten unheilvollen Wirkung, Ursachen, welche ihre Erklärung in den Eigenschaften Gottes finden. Die Sünden jener Seelen nämlich, welche ihres Standes oder ihrer Tugend wegen dem Herrn besonders verpflichtet sind, wiegen in der Waagschale seiner Gerechtigkeit ganz anders als die Sünden anderer, von seiner Barmherzigkeit weniger begünstigter Seelen. Mögen auch die Sünden ihrer Natur nach ganz dieselben sein, so sind sie doch der Umstände wegen gar sehr verschieden. Denn die Priester, die Lehrer, die Mächtigen, die Prälaten und alle, deren Amt und Name Heiligkeit erfordern, stiften durch das Ärgernis ihres Falles und ihrer begangenen Sünden grosses Unheil. Ihre Keckheit und Vermessenheit, womit sie sich gegen Gott erheben, ist grösser, weil sie Ihn besser erkennen und Ihm mehr schulden. Sie beleidigen Ihn bei grösserem Lichte, mit grösserer Erkenntnis und darum auch mit grösserer Keckheit und Verachtung als die Unwissenden. Aus diesem Grunde reizen die Sünden der Katholiken und namentlich der Einsichtsvolleren und Angeseheneren unter denselben Gott ganz besonders zum Unwillen, wie man dies aus dem ganzen Verlauf der Heiligen Schrift ersehen kann. Und weil bei dem Zeitraume des menschlichen Lebens, welcher einem jeden der Sterblichen zur Erwerbung der ewigen Belohnung angewiesen, ebenso auch das Mass der Sünden festgesetzt ist, welche die Langmut des Herrn an einem jeden ertragen und nachsehen will, dieses Mass aber von der göttlichen Gerechtigkeit nicht bloss nach der Menge und Anzahl, sondern ebenso auch nach der Beschaffenheit und Schwere der Sünde berechnet wird, so kann auch der Fall eintreten, dass bei Seelen, welche eine grössere Erkenntnis und grössere Gnadenerweisungen des Himmels erlangt haben, die Beschaffenheit der Sünden deren Menge ersetzt und dass sie wegen einer geringeren Anzahl von Sünden schon verlassen und bestraft werden, während dies bei anderen erst nach einer grösseren Anzahl der Fall ist. Es ist nicht möglich, dass es einem jeden ergeht wie dem David' und dem hl. Petrus2; denn nicht bei allen ist dem Falle eine solche Menge guter Werke vorangegangen, welche der Herr berücksichtigen könnte. Auch gilt das, was einigen wenigen als ein Vorrecht verliehen wurde, durchaus nicht als allgemeine Regel für jedermann; denn nicht alle sind nach den verborgenen Ratschlüssen Gottes zu einem besonderen Amte auserwählt. 1334. Durch diese Lehre, meine Tochter, wird dein Zweifel gelöst sein und wirst du verstehen, wie böse und bitter es ist, wenn Seelen, welche der Herr mit seinem Blute erlöst und auf den Weg des Lichtes gestellt hat und welche Er immer noch auf diesem Wege leitet, Ihn, den Allmächtigen, beleidigen. Du siehst, wie jemand von einem hohen Stande zu einer grösseren Verhärtung und Verstockheit herabsinken kann als andere, die auf einer niedrigen Stufe stehen. Das Geheimnis des Leidens und Sterbens meines allerheiligsten Sohnes legt für diese Wahrheit Zeugnis ab; denn hiebei verfielen die Priester und Schriftgelehrten und jenes ganze Volk, welches im Vergleich mit den Heiden gegen Gott weit mehr verpflichtet war, wegen ihrer Sünden in eine so fluchwürdige und gefährliche Verkehrtheit, Verblendung und Grausamkeit, wie es selbst bei den Heiden nicht der Fall war, welche doch die wahre Religion nicht erkann ten. Und deshalb wünsche ich auch, dass diese Wahrheit und dieses Beispiel deine Aufmerksamkeit auf eine so schreckliche Gefahr lenken, damit du eine vernünftige Furcht davor habest und mit der heiligen Furcht die demütige Dankbarkeit für die Wohltaten des Herrn, sowie eine grosse Hochschätzung der selben verbindest. Zur Zeit des Überflusses vergiss nicht der Not}. Vergleiche nur bei dir selbst das eine mit dem andern und bedenke, dass du den Schatz in einem zerbrechlichen Gefässe trägst' und ihn darum verlieren kannst. Der Empfang so grosser Wohltaten ist keineswegs ein Beweis, dass du sie verdienst, und der Besitz derselben ist keine Sache, welche dir von Rechts wegen zukommt, sondern ein Geschenk freier Gnade. Und würdigt dich der Allerhöchste seines vertrauten Umganges, so gewährt er dir damit noch keineswegs die Sicherheit, dass du nun nicht mehr fallen könnest oder dass du sorglos dahinleben oder die Furcht und Ehrerbietigkeit vor ihm verlieren dürfest. Mit dem Masse der empfangenen Gnaden müssen auch diese Tugenden gleichen Schritt halten; denn auch der Zorn der Schlange ist im Verhältnis damit gewachsen. Der Satan stellt dir mehr nach als anderen Seelen, da er bemerkt hat, dass der Allerhöchste seine freigebige Liebe an dir mehr offenbart hat als an tausend anderen. Würdest du darum so grosse Wohltaten und Erweise seiner Barmherzigkeit mit Undank erwidern, so wärest du äusserst unglücklich und einer scharfen Strafe würdig, und deine Sünde wäre unentschuldbar. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die grosse Königin und Herrin des Himmels gegeben hat. Lehre: Missbrauch der Gnade 1351. Mit Staunen, meine Tochter, stellst du deine Erwägungen über die Hartherzigkeit und Bosheit der Juden sowie über die Nachgiebigkeit des Pilatus an, welcher diese Bosheit einsah und sich dennoch gegen die Unschuld meines Sohnes und Herrn davon einnehmen liess. Dieses Staunen will ich dir mittels der Lehren und Anweisungen nehmen, welche dir zu einem vorsichtigen Wandel auf dem Wege des Lebens behilflich sind. Es ist dir schon bekannt, dass die alten Prophezeiungen über die Geheimnisse der Erlösung und überhaupt sämtliche Heilige Schriften unfehlbar in Erfüllung gehen mussten; denn eher würden Himmel und Erde vergehen, als dass diese nicht erfüllt würden, wie sie im göttlichen Geiste festgesetzt sind'. Damit nun mein Sohn und Herr dem höchst schimpflichen Tode, welcher Ihm von den Propheten vorherverkündigt war, überliefert werde, musste es allerdings notwendig Menschen geben, welche Ihn verfolgten: dass aber gerade die Juden und ihre Hohenpriester sowie der ungerechte Richter Pilatus dies taten, das war ihr eigenes, selbstverschuldetes Unglück und äusserstes Verderben, nicht aber die Anordnung des Herrn, der ja alle selig machen wollte. Was diese Werkzeuge des Todes Christi in ein solches Verderben stürzte, das waren ihre eigenen Sünden und ihre übergrosse Bosheit, womit sie der grössten Gnade und Wohltat widerstanden: denn sie waren der Gnade gewürdigt, ihren Erlöser und Lehrmeister in ihrer Mitte zu haben, mit Ihm zu verkehren, Ihn zu kennen, seine Predigten und Lehren zu hören, seine Wunder zu sehen und von Ihm so ausserordentliche Wohltaten zu empfangen: Gnaden, wie sie keinern der Altväter zuteil wurden, trotzdem diese so sehr danach verlangten. Dadurch wurde die Sache des Herrn gerechtfertigt und es offenbar gemacht, dass er seinen Weinberg mit eigener Hand pflanzte und ihn mit Wohltaten überschüttete, dieser aber zum Danke dafür nur Dornen und Disteln trug und dem Herrn, der ihn pflanzte, das Leben raubte: es wurde offenbar, dass der Weinberg seinen Herrn nicht anerkennen wollte, wie er es hätte tun können und sollen, und zwar weit eher als die Fremdlinge. 1352. Was nun an dem Haupte, d.h. an Christus, meinem Herrn und Sohne, geschah, das muss bis zum Ende der Welt auch an den Gliedern dieses geheimnisvollen Leibes, nämlich an den Gerechten und Auserwählten geschehen; es wäre ja eine ungereimte Sache, wenn die Glieder dem Haupte, die Kinder dem Vater und die Schüler dem Lehrer nicht ähnlich wären. Nun muss es freilich zu jeder Zeit Ärgernisse in der Weit geben', weil jederzeit Gerechte und Sünder, Auserwählte und Verworfene, Verfolger und Verfolgte, Marternde und Martyrer, Peiniger und Gepeinigte zusammen auf der Weit leben müssen; allein die Verschiedenheit dieser Lose richtet sich nach der Bosheit oder Rechtschaffenheit der Menschen. Und wehe dem, der durch seine Schuld und seinen bösen Willen Ursache ist, dass das Ärgernis, welches kommen muss, durch ihn kommt. Wehe dem, der sich in solcher Weise zum Werkzeuge des Satans macht. Mit dieser Art des Handelns haben zur Zeit, als die Kirche des Neuen Bundes im Entstehen begriffen war, die Hohenpriester und Pharisäer im Verein mit Pilatus den Anfang gemacht: diese alle haben das Haupt dieses wunderbar schönen geistlichen Leibes gepeinigt und misshandelt. Diejenigen aber, welche im Verlaufe der Weltzeit die Glieder der Kirche, d.h. die Heiligen und Auserwählten drangsalieren und bedrängen, sind die Nachahmer der Juden und wie sie Werkzeuge des Satans. 1353. Nun bedenke wohl, meine Tochter, welches dieser beiden Lose du vor dem Angesichte meines Herrn und vor mir wählen willst. Wenn dein Erlöser, dein Bräutigam, dein Haupt gemartert, bedrängt, mit Dornen gekrönt und mit Beschimpfungen überhäuft worden ist und wenn du an Ihm Anteil haben und ein Glied dieses geistlichen Leibes sein willst, so ist ein Leben in Ergötzlichkeiten nach dem Fleische für dich weder schicklich noch möglich. Du musst Verfolgung leiden, nicht aber verfolgen, unterdrückt werden, nicht aber unterdrücken: du musst das Kreuz auf dich nehmen und das Ärgernis ertragen, nicht aber dasselbe veranlassen: du musst leiden, darfst aber keinem deiner Mitmenschen Leiden verursachen: im Gegenteil, du musst, soweit es dir nur möglich ist, an der Rettung deiner Mitmenschen und an ihrem Heile tüchtig arbeiten, indem du immerfort in der Vollkommenheit deines Standes und Berufes Fortschritte machst. Das ist der Anteil der Freunde Gottes und die Erbschaft seiner Kinder in diesem sterblichen Leben, und darin ist die Teilnahme an der Gnade und Glorie enthalten, welche ihnen mein Sohn und Herr durch seine Leiden, seine Beschimpfungen und den Kreuzestod verdient hat. Auch ich habe bei diesem Werke mitgewirkt, und es hat mir keine geringeren Schmerzen und Trübsale gekostet, als wie sie dir gezeigt worden sind. Es ist mein Wille, dass du diese Leiden niemals deinem Gedächtnisse und deiner Vorstellungskraft entschwinden lassest. Der Allerhöchste wäre mächtig genug gewesen, seine Auserwählten in zeitlicher Hinsicht gross zu machen, ihnen Reichtum, Vergnügen und Auszeichnungen vor jedermann zu verleihen; Er hätte sie mit Löwenstärke ausrüsten können, so dass sie ihrer unbesiegbaren Macht alles unterworfen hätten. Allein es war nicht gut, sie auf diesem Wege zu führen. Denn sonst wären die Menschen insgesamt irregeführt worden und hätten geglaubt, ihre Glückseligkeit bestehe in sichtbarer, irdischer Grösse: sie hätten den Pfad der Tugend verlassen, die Ehre des Herrn verdunkelt, die Macht der göttlichen Gnade nicht erfahren und nach den geistigen und ewigen Gütern kein Verlangen getragen. Das ist die Wissenschaft, welche du ohne Unterlass studieren und in welcher du täglich Fortschritte machen sollst, indem du alles tust und übst, was du mittels derselben einsiehst und erkennst. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die grosse Herrin und Königin gab. Lehre: Nachfolge Jesu auf dem Wege des Kreuzes 1372. Meine Tochter, die Frucht des Gehorsams, in welchem du meine Lebensgeschichte beschreibst, soll meinem Willen gemäss darin bestehen, das du dich in Wahheit zu meiner und meines heiligsten Sohnes Schülerin ausbildest. Dies ist der erste Zweck der himmlischen Erleuchtungen, welche du über so erhabene und ehrwürdige Geheimnisse empfängst. Dies ist auch der erste Zweck der Lehren, die ich dir so oft gebe und in denen ich dich ermahne, dein Herz von jeder Zuneigung zu den Geschöpfen zu reinigen und loszuschälen, so dass du zu niemand mehr eine solche Zuneigung in dir duldest und von niemand eine solche annimmst. Durch diese Losschälung wirst du die Hindernisse von seiten des Teufels überwinden, welche dir deiner weichen Natur wegen gefährlich sind. Und ich, die ich dies erkenne, mache dich aufmerksam und führe dich, wie eine Mutter und Lehrmeisterin, welche dich zurechtweist und unter richtet. Durch die Wissenschaft des Allerhöchsten erkennst du die Geheimnisse seines Leidens und Sterbens sowie auch den einzigen und wahren Weg zum Leben, d.h. den Weg des Kreuzes; du erkennst aber auch, dass nicht alle, die zu demselben berufen sind, auch auserwählt sind, ihn wirklich zu wandeln. Denn viele gibt es, welche, wenn man auf ihre Worte hört, Christus nachzufolgen verlangen; aber nur sehr wenige finden sich, die in Wahrheit zu seiner Nachahmung sich anschicken. Denn wenn sie einmal das Kreuz der Leiden zu fühlen anfangen, dann werfen sie es wieder von sich ab und machen sich davon. Der Schmerz bei den Mühseligkeiten ist sehr empfindlich und kostet, eben weil das Fleisch im Spiele ist, der Natur Gewalt; die Frucht des Geistes aber ist mehr verborgen, und nur wenige assen sich vom Lichte leiten. Deshalb finden sich auch so viele unter den Sterblichen, welche die Wahrheit vergessen, auf ihr Fleisch merken und dasselbe immer mehr verzärteln und pflegen. Sie sind begeisterte Liebhaber der Ehre und wollen von Beschimpfungen nichts wissen; sie haschen nach Reichtum und verabscheuen die Armut; sie lechzen nach Vergnügen und haben grosse Furcht vor der Abtötung. Alle diese sind Feinde des Kreuzes Christi'; mit Furcht und Entsetzen fliehen sie davor und betrachten es als eine Schmach, gleich denen, welche den Herrn gekreuzigt haben. 1373. Noch eine andere Täuschung findet Eingang in der Welt, diese nämlich, dass viele Christus nachzufolgen sich einbilden, ohne aber zu leiden, zu wirken und sich anzustrengen. Sie sind schon zufrieden, weil sie im Sündigen nicht mehr dreist sind; sie wollen die ganze Vollkommenheit nur in einer Klugheit oder trägen Liebe finden, in der sie ihrem Willen nichts versagen und keine solchen Tugenden ausüben, welche dem Fleische ein wenig wehe tun. Dieser Täuschung würden sie entgehen, wenn sie beachten wollten, dass mein heiligster Sohn nicht bloss Erlöser, sondern auch Lehrmeister war, und dass Er der Welt den Schatz seiner Verdienste hinterlassen hat, nicht bloss als Rettungsmittel von der Verdammnis, sondern auch als Heilmittel, welches für die an der Sündenkrankheit darniederliegende Natur notwendig ist. Niemand war so weise wie mein Sohn und Herr; und niemand vermochte die Erfordernisse der Liebe so gut zu erfassen wie Er; denn Er war und ist ja die Weisheit und Liebe selbst. Auch war Er mächtig genug, um seinen Willen in allem ins Werk zu setzen. Allein trotzdem, dass Er tun konnte, was Er wollte, erwählte Er doch nicht ein weichliches, dem Fleische angenehmes Leben, sondern vielmehr ein Leben voll Mühseligkeiten und Schmerzen. Denn Er hätte sein Lehramt nicht genügend oder vollständig ausgeübt, wenn Er die Menschen bloss erlöst, sie aber nicht auch unterwiesen hätte, wie sie den Teufel, das Fleisch und sich selbst überwinden sollen, und wenn Er sie nicht belehrt hätte, dass diese grossartigen Siege nicht anders errungen werden als durch das Kreuz, d.h. durch Mühsal, Busse, Ahtötung und Demütigung. Denn das sind die Kennzeichen und Beweise der Liebe, das sind die Abzeichen der Auserwählten. 1374. Weil du nun, meine Tochter, den Wert des heiligen Kreuzes und die Ehre erkennst, welche die Demütigungen und Trübsale von demselben empfangen haben, so umfasse dein Kreuz und nimm es mit Freude auf dich, um damit meinem Sohne und deinem Lehrmeister nachzufolgen. Dein Ruhm im sterblichen Leben sei kein anderer als Verfolgung, Verachtung, Krankheit, Trübsal, Armut, Demütigung und alles dasjenige, was der Natur des sterblichen Fleisches peinlich und lästig fällt. Und damit du bei allen deinen Übungen mich nachahmest und mir Freude bereitest, so will ich, dass du in nichts Irdischem eine Erleichterung oder Ruhe suchest oder zulassest. Auch sollst du nicht lange bei dir selbst Erwägungen über deine Leiden anstellen, noch auch dieselben mit dem Verlangen nach Erleichterung offenbaren. Und noch weniger sollst du die von Geschöpfen dir etwa zugefügten Verfolgungen und Beschwerden als grösser und lästiger darstellen: nie sollst du deinem Munde die Äusserung entschlüpfen lassen, dass du vieles leidest, noch deine Leiden mit denen anderer Bedrängten vergleichen. Ich sage zwar nicht, es sei schon eine Sünde, wenn jemand sich irgend eine ehrbare Erleichterung auf mässige Weise gestattet oder sich mit geduldiger Ergebung beklagt. Bei dir aber, liebste Tochter, würde eine solche Erleichterung schon eine Untreue gegen deinen Bräutigam und Herrn sein. Denn Er hat dich allein gegen sich weit mehr verpflichtet als tausend andere. Wenn du also im Leiden und Lieben deine Schuldigkeit tun willst, so darfst du es hierin an nichts fehlen lassen: du darfst dich nicht eher zufrieden geben, als bis du mit der vollkommensten Hingabe und Treue leidest und liebest. Der Herr will an dir eine solche Gleichförmigkeit mit sich selbst sehen, dass du deiner trägen Natur keinen Seufzer mehr erlaubest, ausser zu einem Zwecke, der viel höher ist als der blosse Genuss der Ruhe und des Trostes. Und beseelt dich die Liebe, so wirst du dich auch von ihrer süssen Gewalt ziehen lassen, um im Lieben auszuruhen, und bald wird dich auch die Liebe zum Kreuze dieser Erleichterung entsagen lassen, wie du siehst, dass ich dies in demütiger Unterwürfigkeit getan habe. Halte an dem allgemeinen Grundsatze fest, dass jeder menschliche Trost etwas Unvollkommenes und Gefährliches ist. Und nur das darfst du annehmen, was der Allerhöchste dir entweder durch sich selbst oder durch seine heiligen Engel zusendet. Und von den Tröstungen seiner göttlichen Rechten sollst du sorgfältig das aufsuchen, was dir zu grösseren Leiden Kraft verleiht: von dem aber, was daran angenehm ist und in eine fühlbare Tröstung übergehen könnte, sollst du dich losmachen. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die allerseligste Jungfrau und Himmelskönigin Maria gegeben hat. Lehre. Betrachtung und Nachahmung des gekreuzigten Heilandes. 1409. Meine Tochter, du sollst mit deinem ganzen Verlangen darauf bedacht sein, dass du in deinem Leben niemals die Erkenntnis der Geheimnisse vergessest, welche ich dir in diesem Hauptstück offenbart habe. Ich, deine Mutter und Lehrmeisterin, werde den Herrn bitten, Er möge durch seine göttliche Kraft die Erkenntnisse, die ich dir mitgeteilt habe, deinem Herzen einprägen, damit sie dein Leben lang unauslöschlich darin gegenwärtig bleiben. Diese Wohltat soll aber nach meiner Absicht darauf hinzielen, dass du unaufhörlich an Christus den Gekreuzigten, meinen heiligsten Sohn und deinen Bräutigam, denkst. Niemals sollst du die Schmerzen vergessen, die Er am Kreuze erduldet, niemals die Lehre ausser acht lassen, die Er am Kreuze verkündet und ausgeübt hat. Dies muss der Spiegel sein, nach welchem du die Schönheit deiner Seele herstellen und in ihr jene innere Herrlichkeit erlangen sollst, welche dir als einer Tochter des Fürsten geziemt, so dass du als Braut des allerhöchsten Königs glücklich beginnest, voranschreitest und herrschest. Dieser Ehrentitel legt dir die Pflicht auf, mit Aufbietung aller Kräfte deinem Bräutigam nachzufolgen und Ihm, soweit es dir mit seiner Gnade möglich ist, gleichförmig zu werden. Diese Gleichförmigkeit soll auch die Frucht meiner Belehrung sein. Und darum ist es mein Wille, dass du fortan mit Christus ans Kreuz geheftet lebest' und, dem irdischen Leben abgestorben, deinem Muster und Vorbilde ähnlich werdest. Es ist mein Wille, dass die Wirkungen der ersten Sünde in dir ausgetilgt werden und du nur mehr für das lebest, was die göttliche Kraft in dir wirkt und zustande bringt. Der ganzen Erbschaft, welche dir als einer Tochter des ersten Adam zugefallen ist, sollst du entsagen, damit du das Erbe des zweiten Adam erhaltest, nämlich das Erbe Jesu Christi, deines Erlösers und Lehrmeisters. 1410. Dein Leben muss ein schweres Kreuz sein, woran du angenagelt bist, keineswegs aber ein breiter Weg mit Dispensen und Interpretationen, welche denselben wohl weit, breit und bequem, nicht aber sicher und vollkommen machen. Darin besteht ja die Täuschung der Kinder Babylons und Adams, dass sie, ein jeder in seinem Stande, bei ihren Werken das Gesetz Gottes leichter zu machen suchen, und dass sie bei der Rettung ihrer Seelen handeln und feilschen. Sie wollen den Himmel ja recht wohlfeil erkaufen, oder besser gesagt, sie setzen sich der Gefahr aus, ihn ganz zu verlieren, wenn es einmal darauf ankommt, auf engeren Pfaden zu wandeln und sich der Strenge des göttlichen Gesetzes und seiner Gebote anzubequemen. Dieses Streben hat dann zur Folge, dass sie zu Lehren und Meinungen ihre Zuflucht nehmen, welche die Pfade und Wege zum ewigen Leben breiter machen. Dabei bedenken sie aber nicht, was mein heiligster Sohn ihnen gesagt hat, dass nämlich diese Wege sehr schmal sind'; sie bedenken nicht, dass der Sohn Gottes selbst auf schmalen Wegen gewandelt ist, damit niemand sich einbilde, er dürfe auf anderen Wegen wandeln, auf Wegen, die da für das Fleisch und die durch die Sünde verkehrten Neigungen breit genug sind. Diese Gefahr ist noch grösser, wenn es sich um Geistliche und Ordensleute handelt, deren Standespflicht es ist, ihrem göttlichen Lehrmeister nachzufolgen und seinem armen Leben sich gleichförmig zu machen; denn eben deshalb haben sie den Weg des Kreuzes erwählt. Sie aber wollen, dass ihre Würde oder der Ordensstand ihnen zeitliche Vorteile gewähre und ihnen Ehre und grösseren Beifall eintrage, als ihnen in einem anderen Stande zuteil geworden wäre. Und damit sie dies erreichen, machen sie sich das Kreuz, das sie zu tragen versprochen haben, leicht, und zwar so, dass sie an demselben ein ziemlich fleischliches Leben führen, in das sie sich, gestützt auf trügerische Meinungen und Erklärungen, hineinleben. Aber seinerzeit werden sie erkennen, wie wahr der Ausspruch des Heiligen Geistes ist, der da sagt: "Jeglicher Weg scheinet dem Menschen recht in seinen Augen; der Herr aber wäget die Herzen'." 1411. Ich will, meine Tochter, dass du von einem solchen Irrtum dich fernhaltest; denn du musst ganz nach der Strenge deiner Profess leben, und zwar in den strengsten Punkten derselben, so dass du dich auf diesem Kreuze weder auf diese noch auf jene Seite wenden kannst, eben weil du mit Christus an dasselbe festgenagelt bist; und selbst dem geringsten Punkte deiner Profess und der ihr entsprechenden Vollkommenheit musst du jeden zeitlichen Vorteil nachsetzen. Deine rechte Hand muss durch den Gehorsam angenagelt sein, so dass du dir keine Bewegung, kein Wort, kein Werk und keinen Gedanken mehr vorbehälst, welcher nicht durch diese Tugend geregelt würde. Willst du eine Hand rühren, so darf dies nur nach fremdem, nicht aber nach deinem Willen geschehen. In keinem Stücke darfst du für dich selbst weise sein': du musst vielmehr unwissend und blind sein, damit die Oberen dich führen. "Wer ein Versprechen macht", sagt der Weise', "der nagelt seine Hand an und bleibt mit seinen Worten gebunden und gefesselt." Du nun hast deine Hand durch das Gelübde des Gehorsams angenagelt, und infolge dieses Aktes bist du der Freiheit und des Rechtes über dein Wollen und Nichtwollen beraubt. Deine linke Hand ist angenagelt durch das Gelübde der Armut; du darfst zu nichts von dem, was die Augen zu ergötzen pflegt, eine Neigung oder Vorliebe mehr bewahren: denn hinsichtlich des Gebrauches und des Verlangens nach derlei Dingen musst du ganz genau dem armen und am Kreuze entblössten Heilande nachfolgen. Durch das dritte Gelübde, nämlich das der Keuschheit, müssen deine Füsse angenagelt sein, damit deine Schritte und Bewegungen rein, keusch und Gott wohlgefällig seien. Und deshalb darfst du nicht erlauben, dass man in deiner Gegenwart auch nur ein Wort vorbringe, das der Reinigkeit nicht vollkommen entspricht. Du sollst auch kein Bild von etwas Irdischem in deinen Sinnen dulden und kein menschliches Wesen anschauen oder berühren. Deine Augen und alle deine Sinne sollen der Keuschheit geweiht sein und zu nichts anderem mehr verwendet werden, als um sie auf Jesus den Gekreuzigten zu richten. Das vierte Gelübde der Klausur wirst du sicher bewahren in der Seitenwunde meines allerheiligsten Sohnes: das ist der Wohnort, den ich dir anweise. Und damit du diese Lehre lieblich und diesen Weg nicht gar zu schmal findest, so beschaue und betrachte in deinem Herzen das Bild meines heiligsten Sohnes und Herrn, wie es dir gezeigt wurde: Er ist voll Wunden, Qualen und Schmerzen, und zuletzt ist Er ans Kreuz genagelt; keine Stelle ist an seinem hochheiligen Leibe, welche nicht verwundet und gemartert wäre. Wir beide, mein heiligster Sohn und ich, waren feiner und empfindsamer als alle Menschenkinder und haben für diese doch so bittere Schmerzen ertragen, um sie zu ermuntern, dass sie um ihres eigenen und ewigen Vorteiles und um der Liebe willen, welche so nachdrückliche Gegenliebe verlangt, geringere Schmerzen zu ertragen sich nicht weigern. Für diese Liebe sollten die Sterblichen sich dankbar erzeigen; sie sollten den mit Dornen und Disteln besäten Weg betreten und das Kreuz auf sich nehmen, um durch die Nachahmung und Nachfolge Christi zur ewigen Seligkeit zu gelangen; denn das ist der gerade Weg, der zum Himmel führt. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die Himmelskönigin gegeben hat. Lehre: Kraft des Leidens Christi gegen die Hölle 1433. Meine Tochter, du hast durch das göttliche Licht eine tiefe Erkenntnis erhalten von dem glorreichen Sieg, welchen mein Sohn und Herr am Kreuze über die Teufel davontrug, und von der niederschmetternden Gewalt, mit welcher Er sie überwunden und unterjocht hat. Du musst aber wohl wissen, dass dir von diesen unaussprechlichen Geheimnissen noch weit mehr, als dir bekannt wurde, verborgen ist; denn solange die Kreatur im sterblichen Fleische lebt, fehlt ihr die Befähigung, um in dieselben so, wie sie in sich selbst sind, einzudringen; und die göttliche Vorsehung spart die vollständige Erkenntnis derselben auf, um im Himmel in der beseligenden Anschauung, wo man zur vollkommenen Erkenntnis dieser Geheimnisse gelangen wird, die Heiligen damit zu belohnen, die Verworfenen aber zu beschämen, und zwar je nach dem Grade der Erkenntnis, den sie am Ende ihrer Laufbahn hierüber erhalten. Indes ist das, was du vernommen hast, schon hinreichend, um dir die Gefahr des sterblichen Lebens zu zeigen und dich zu dem Vertrauen zu ermuntern, dass du deine Feinde besiegen werdest. Ich möchte dich aber auch aufmerksam machen, dass der Drache um dessentwillen, was du in diesem Hauptstücke geschrieben hast, in erhöhtem Masse gegen dich erbittert ist. Er war dies freilich allezeit und hat dich deshalb an der Beschreibung meines Lebens zu hindern gesucht, und du hast dies auch beim ganzen Verlauf deiner Arbeit erkannt. Jetzt aber ist sein Stolz stärker gereizt, weil du aufgedeckt hast, wie sehr er beim Tode meines heiligsten Sohnes gedemütigt, niedergeschmettert und geschädigt wurde, in welchem Zustande er verblieb und welche Pläne er mit seinen höllischen Geistern schmiedete, um an den Kindern Adams und insbesondere an den Kindern der heiligen Kirche seinen Sturz zu rächen. All dies hat ihn aufs neue in Verwirrung und Aufregung versetzt, weil er sieht, dass seine Pläne denen kund werden, welche bisher nichts davon wussten. Diese Wut wirst du aus den Schwierigkeiten erkennen, die dir der Satan mittels verschiedener Versuchungen und Verfolgungen in den Weg legen wird; ja du hast bereits die Raserei und Grausamkeit dieses Feindes zu erkennen und zu erfahren begonnen, und ich mache dich aufmerksam, ja recht grosse Vorsicht zu gebrauchen. 1434. Du bist mit Recht in Staunen versetzt, da du auf der einen Seite die Kraft der Verdienste meines Sohnes und die Wirksamkeit des Erlösungswerkes sowie das Verderben und die Schwächung, welche daraus für die Teufel hervorging, erkannt hast, andererseits aber siehst, wie die bösen Geister in furchtbarer Verwegenheit eine so grosse Gewalt und Herrschaft über die Welt ausüben. Bei diesem Staunen gibt dir nun aller dings jenes Licht Aufschluss, welches dir in dem Inhalt deiner Aufzeichnungen gegeben wurde; ich will aber doch noch mehreres für dich beifügen, damit du gegen deine boshaften Feinde eine noch grössere Vorsicht anwendest. Es ist gewiss: als die bösen Geister das Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung innewurden, als sie sahen, wie mein heiligster Sohn in so grosser Armut, Niedrigkeit und Verachtung geboren wurde, als sie sein Leben, seine Wunder, sein Leiden, seinen geheimnisvollen Tod und alles das sahen, was er sonst noch auf Erden tat, um die Menschen an sich zu ziehen, da wurden sie ganz ohnmächtig und verloren alle Kraft, die Gläubigen in der Weise zu versuchen, wie sie die Nichtgläubigen zu versuchen pflegten und wie sie stets alle zu versuchen begehren. Und dieser Schrecken der Teufel vor den Getauften und Anhängern Jesu Christi dauerte in den ersten Zeiten der Kirche viele Jahre hindurch fort; denn damals erglänzte an den Gläubigen die Kraft Gottes, und zwar infolge des Eifers, mit dem sie das Beispiel meines Sohnes nachahmten, ihren heiligen Glauben bekannten, die Lehre des heiligen Evangeliums befolgten und die Tugenden übten; denn sie verrichteten heldenmütige und überaus feurige Akte der Liebe, der Demut, der Geduld und der Verachtung der Eitelkeit und der trügerischen Scheingüter der Welt. Ja gar viele haben für Jesus Christus ihr Blut vergossen und ihr Leben geopfert und für die Verherrlichung seines heiligen Namens erhabene und wunderbare Taten vollbracht. Diese unüberwindliche Stärke kam ihnen dadurch zu, dass sie dem Leiden und Tode ihres Erlösers so unmittelbar nahestanden, das wunderbare Beispiel seiner ausgezeichneten Geduld und Demut lebendiger vor Augen hatten und von den Teufeln nicht so stark versucht wurden; denn diese vermochten sich von der schweren Niederlage, welche ihnen der Sieg des gekreuzigten Gottessohnes beigebracht hatte, nicht so schnell zu erheben. 1434. Du bist mit Recht in Staunen versetzt, da du auf der einen Seite die Kraft der Verdienste meines Sohnes und die Wirksamkeit des Erlösungswerkes sowie das Verderben und die Schwächung, welche daraus für die Teufel hervorging, erkannt hast, andererseits aber siehst, wie die bösen Geister in furchtbarer Verwegenheit eine so grosse Gewalt und Herrschaft über die Welt ausüben. Bei diesem Staunen gibt dir nun allerdings jenes Licht Aufschluss, welches dir in dem Inhalt deiner Aufzeichnungen gegeben wurde: ich will aber doch noch mehreres für dich beifügen, damit du gegen deine boshaften Feinde eine noch grössere Vorsicht anwendest. Es ist gewiss: als die bösen Geister das Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung innewurden, als sie sahen, wie mein heiligster Sohn in so grosser Armut, Niedrigkeit und Verachtung geboren wurde, als sie sein Leben, seine Wunder, sein Leiden, seinen geheimnisvollen Tod und alles das sahen, was er sonst noch auf Erden tat, um die Menschen an sich zu ziehen, da wurden sie ganz ohnmächtig und verloren alle Kraft, die Gläubigen in der Weise zu versuchen, wie sie die Nichtgläubigen zu versuchen pflegten und wie sie stets alle zu versuchen begehren. Und dieser Schrecken der Teufel vor den Getauften und Anhängern Jesu Christi dauerte in den ersten Zeiten der Kirche viele Jahre hindurch fort; denn damals erglänzte an den Gläubigen die Kraft Gottes, und zwar infolge des Eifers, mit dem sie das Beispiel meines Sohnes nachahmten, ihren heiligen Glauben bekannten, die Lehre des heiligen Evangeliums befolgten und die Tugenden übten; denn sie verrichteten heldenmütige und überaus feurige Akte der Liebe, der Demut, der Geduld und der Verachtung der Eitelkeit und der trügerischen Scheingüter der Welt. Ja gar viele haben für Jesus Christus ihr Blut vergossen und ihr Leben geopfert und für die Verherrlichung seines heiligen Namens erhabene und wunderbare Taten vollbracht. Diese unüberwindliche Stärke kam ihnen dadurch zu, dass sie dem Leiden und Tode ihres Erlösers so unmittelbar nahestanden, das wunderbare Beispiel seiner ausgezeichneten Geduld und Demut lebendi ger vor Augen hatten und von den Teufeln nicht so stark versucht wurden; denn diese vermochten sich von der schweren Niederlage, welche ihnen der Sieg des gekreuzigten Gottessohnes beigebracht hatte, nicht so schnell zu erheben. 1435. Diese Gleichförmigkeit mit Jesus Christus und die vollkommene Nachahmung seines Beispiels, wie es die Teufel an den ersten Kindern der Kriche wahrnahmen, flössten den bösen Geistern eine solche Furcht ein, dass sie ihnen gar nicht zu nahen wagten; sie flohen in Eile davon, wenn ein Christ in die Nähe kam; und dies war der Fall nicht nur bei den Aposteln, sondern überhaupt bei allen Gerechten, welche die Lehre mei nes heiligsten Sohnes annahmen. Diese brachten, indem sie mit aller Vollkommenheit handelten, dem Allerhöchsten die Erstlinge der Gnade und Erlösung als Opfer dar. Dasselbe würde aber auch bis auf den heutigen Tag noch der Fall sein, wie man dies auch an den Vollkommenen und Heiligen sieht und erfährt wenn alle Katholiken die Gnade annehmen, mit ihr mitwirken, sie benützen und auf dem Kreuzwege wandeln würden, wie Lu zifer dem Gesagten gemäss dies gefürchtet hat. Allein im Ver- der Zeit begann in vielen Gläubigen die Liebe, der Eifer und die Andacht zu erkalten, sie vergassen mehr und mehr die Wohltat der Erlösung, gaben ihren Neigungen und fleischlichen Begierden nach, liebten die Eitelkeit und Habsucht und liessen sich durch die Kunstgriffe und falschen Einflüsterungen Luzifers betören. Damit haben sie aber die Ehre des Herrn geschmälert und sich den Händen ihrer Todfeinde überliefert. Durch diese abscheuliche Undankbarkeit ist die Welt in den äusserst unglücklichen Zustand geraten, worin sie sich gegenwärtig befindet, und die Teufel haben Gott gegenüber wiederum ihren Stolz geltend gemacht, so dass sie in ihrer Vermessenheit die Herrschaft über alle Adamskinder wiedererlangen wollen, und zwar infolge der Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit der Katholiken. Ja die Vermessenheit der bösen Geister geht so weit, dass sie die ganze Kirche zu vernichten suchen. Viele Menschen bringen sie dazu, der Kirche nicht zu glauben; die Kinder der Kirche aber verleiten sie, dass sie eben diese Kirche geringschätzen und den Preis des Blutes und Todes ihres Erlösers sich nicht zunutze machen. Das grösste Unheil besteht indes darin, dass viele Katholiken gar nicht zur Erkenntnis dieses Verderbens gelangen und darum auch keine Mittel dagegen aufsuchen. Und doch können sie annehmen, dass jene Zeiten nicht mehr ferne sind, auf welche mein heiligster Sohn drohend hinwies, als er den Töchtern Jerusalems erklärte, dass die Unfruchtbaren glücklich seien', und viele den Bergen und Hügeln zurufen werden, sie möchten über sie herfallen und sie bedecken, damit sie den Brand so abscheulicher Sünden nicht sehen müssten, in den die Söhne des Verderbens gleich einem dürren, unfruchtbaren, saftund kraftlosen Holze geworfen werden. Du, meine Tochter, lebst in diesem so unglücklichen Zeitalter; damit nun nicht auch du in das Verderben so vieler Seelen hineingezogen werdest, so beweine dasselbe in der Bitterkeit deines Herzens; vergiss niemals die Geheimnisse der Menschwerdung, des Leidens und Sterbens meines heiligsten Sohnes, sondern danke dafür im Namen so vieler, welche diese Geheimnisse geringschätzen. Ich versichere dir, dass das fromme und aufmerksame Andenken an die Geheimnisse der Erlösung allein schon der Hölle grossen Schrecken einflösst und ihr grosse Qual verursacht; die bösen Geister fliehen und entfernen sich weit von denen, welche mit dankbarer Gesinnung über das Leben und die Geheimnisse meines allerheiligsten Sohnes nachdenken, BUCH SECHS. LEHRE welche mir die Himmelskönigin gab. Lehre: Die Seitenwunde Jesu, unsere Zuflucht. Göttl?che Vorsehung. 1451. Meine Tochter, die Wunde, welche mein allerheiligster Sohn durch den Lanzenstich in seiner Seite empfing, war bloss für mich grausam und schmerzlich; ihre Wirkungen und Geheimnisse aber sind für die heiligen Seelen, welche deren Süssigkeit zu kosten verstehen, überaus lieblich. Mir verursachte sie grosse Pein; jene aber, für welche die Gnaden dieses Geheimnisses bestimmt sind, schöpfen daraus grosse Geisteswonne und Linderung in ihren Schmerzen. Damit du dies aber recht auffassest und dir zunutze machst, musst du wohl beherzigen, dass mein Sohn und Herr um seiner feurigsten Liebe zu den Menschen willen ausser den Wunden an Händen und Füssen auch die Seitenwunde empfangen wollte und sein Herz, den Sitz der Liebe, durchbohren liess, damit die Seelen, durch diese Pforte eintretend, die Liebe in ihrer Quelle kosten und geniessen und dort ihren Trost und ihre Zuflucht finden möchten. Es ist mein Wille, dass auch du während der Zeit deiner Verbannung in der Seitenwunde des Herrn all deinen Trost suchest; sie sei deine Zuflucht und deine sichere Wohnstätte auf Erden. Dort wirst du die Eigenschaften und Gesetze der Liebe, worin du mir nachfolgen sollst, kennenlernen und einsehen, wie du als Vergeltung für erlittene Beleidigungen Segnungen über jene aussprechen sollst, welche gegen dich oder irgend etwas, was dir angehört, ein Unrecht begangen haben, wie du erkannt hast, dass ich tat, als ich durch die meinem verstorbenen Sohne beigebrachte Herzenswunde verwundet wurde. Ich gebe dir, meine Tochter, die Versicherung, dass du kein anderes Werk verrichten kannst, welches auf wirksamere Weise die erwünschte Gnade vom Allerhöchsten dir zu verschaffen imstande ist. Und ein Gebet, das man verrichtet, indem man die Beleidigungen verzeiht, ist nicht bloss für den Betenden selbst, sondern auch für den Beleidiger sehr mächtig; denn das gütigste Herz meines heiligsten Sohnes wird gerührt, wenn es sieht, dass die Kreaturen Ihm im Verzeihen und im Gebete für die Beleidiger nachfolgen, da sie so an der erhabenen Liebe teilnehmen, welche der Herr am Kreuze bewiesen hat. Schreibe diese Lehre tief in dein Herz ein und übe sie im Werke aus, um mir in dieser Tugend, welche ich überaus hoch geschätzt habe, nachzufolgen. Durch diese Wunde schaue auf das Herz Jesu Christi, deines Bräutigams, und auf mich; in diesem Herzen liebe auf ebenso süsse als wirksame Weise deine Beleidiger und überhaupt alle deine Mitmenschen. 1452. Beachte auch die Bereitwilligkeit und Aufmerksamkeit, womit der Allerhöchste in seiner Vorsehung zur rechten Zeit den Kreaturen, welche Ihn mit wahrem Vetrauen anrufen, in ihren Nöten zu Hilfe kommt, wie Er an mir getan hat, als ich betrübt und hilflos dastand und das Begräbnis meines heiligsten Sohnes nicht auf die gebührende Weise einzuleiten wusste, Um mir in dieser Bedrängnis zu Hilfe zu kommen, rührte der Herr in seiner barmherzigen Liebe und Güte die Herzen des Joseph und Nikodemus und der übrigen Gläubigen, so dass sie kamen, um meinen heiligsten Sohn zu beerdigen. Der Trost, den diese gerechten Männer in jener Bedrängnis mir verschafften, war so gross, dass der Allerhöchste sie um dieses Werkes und meines Gebetes willen in reichem Masse die wunderbaren Wirkungen seiner Gottheit empfinden liess, so dass sie während der Kreuzabnahme und der Bestattung der Leiche mit Trost erfüllt waren. Von jener Stunde an waren sie innerlich erneuert und über die Geheimnisse der Erlösung erleuchtet. Es ist nämlich eine Anordnung der lieblich und mächtig wirkenden Vorsehung des Allerhöchsten, dass Er, um einzelnen Menschen Gelegenheit zur Erwerbung von Verdiensten zu geben, andere in Not kommen lässt. Er bewegt dann diejenigen, welche dem Bedrängten Hilfe zu bringen imstande sind, zum Mitleid, damit auf diese Weise der Wohltäter um seiner gespendeten Wohltat sowie um des Gebetes des Armen willen mit der Gnade belohnt werde, die er sonst nicht erhalten hätte. Und der Vater der Erbarmung, welcher durch seine Gnadenhilfe zum verrichteten Werke Antrieb und Ermunterung gegeben hat, bezahlt dafür später so aus, als wäre Er dies aus Gerechtigkeit schuldig, einzig aus dem Grunde, weil wir bei dem wenigen, was wir unserseits zu dem guten Werke beitragen, seinen Einsprechungen folgen, während das ganze Werk, sofern es gut ist, ein Geschenk seiner Hände ist'. 1453. Betrachte ferner die höchste Gerechtigkeit der göttlichen Vorsehung, vermöge welcher der Allerhöchste anordnet, dass die geduldige Ertragung von Unbilden belohnt werde. Nachdem mein allerheiligster Sohn unter Verachtungen, Beschimpfungen und Lästerungen gestorben war, fügte es der Allerhöchste alsbald, dass Er ein ehrenvolles Begräbnis erhielt. Viele der Anwesenden wurden innerlich angetrieben, Ihn als den wahren Gott und Erlöser zu bekennen und Ihn für einen Heiligen, Unschuldigen und Gerechten zu erklären, so dass Er in dieser nämlichen Stunde noch, in welcher man Ihn auf die schmählichste Weise ans Kreuz schlug, den Tribut der höchsten Anbetung und Verehrung als Sohn Gottes empfing. Und selbst seine Feinde fühlten in ihrem Innern Schrecken und Beschämung über die Missetat, welche sie gegen Ihn begangen hatten. Und wenn auch nicht alle diese Gnade sich zunutze machten, so ist doch gewiss, dass alle diese Gnaden Früchte des unschuldigsten Todes des Herrn waren. Auch ich habe durch meine Bitten dazu beigetragen, dass der Herr von meinen Freunden anerkannt und verehrt wurde. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die heiligste Jungfrau und Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Wandel in Gottes Gegenwart 1464. Meine Tochter, merke wohl auf die in diesem Hauptstücke enthaltene Lehre; denn sie ist für dich besonders passend und notwendig wegen des Standes, in welchen der Allerhöchste dich gesetzt hat, und wegen der Verpflichtung, welche dir obliegt, seine Liebe zu erwidern. Diese Verpflichtung besteht darin, dass du bei deinen Handlungen und Übungen und im Verkehre mit den Menschen, magst du nun als Vorgesetzte regieren und befehlen oder als Untergebene gehorchen, kurz, dass du bei allen äusseren Beschäftigungen im innersten und oberen Teile der Seele die Aufmerksamkeit und den Hinblick auf den Herrn bewahrst und dich niemals abwendest von, Lich te des Heiligen Geistes, welcher dir allezeit beisteht, um ununterbrochen mit dem Herrn zu verkehren. Mein heiligster Sohn will im Verborgenen deines Herzens jene Pfade sehen, welche dem Teufel verborgen bleiben und zu denen die Leidenschaften keinen Zutritt erlangen. Es sind dies die Pfade, welche zu jenem Heiligtume führen, in das nur der Hohepriester eintritt' und wo sich die Seele des innigsten Verkehres mit ihrem Könige und Bräutigam erfreut, wenn sie anders, gänzlich mit Ihm allein beschäftigt und Iosgeschält, Ihm das Brautgemach zum Ausruhen bereitet. Dort wirst du deinen Herrn voll Güte, den Allerhöchsten ganz freigebig, deinen Schöpfer voll Barmherzigkeit, deinen süssen Bräutigam und Erlöser voll Liebe finden. Die Macht der Finsternisse und die Wirkungen der Sünde wirst du dort nicht zu fürchten haben; denn diese sind in jenem Reiche des Lichtes und der Wahrheit unbekannt. Aber die ungeordnete Liebe zum Sichtbaren und die Nachlässigkeit in Beobachtung des göttlichen Gesetzes verschliesst diese Wege; jede Anhänglichkeit und unordentliche Regung der Leidenschaften versperrt sie; jede Sorge um nutzlose Dinge bereitet Hindernisse auf denselben, ganz besonders aber schadet die Unruhe des Gemütes und der Mangel an Seelenfrieden und Ruhe des Herzens. Das Herz muss ganz einsam, rein und von allem Iosgeschält sein, was nicht Licht und Wahrheit heisst. 1465. Du hast diese Lehre wohl vernommen und kennst sie aus Erfahrung, und überdies habe ich sie dir an meinem Beispiele wie in einem klaren Spiegel gezeigt. Du hast gesehen, wie ich mich verhalten habe in den Schmerzen, Ängsten und Kümmernissen während des Leidens meines heiligsten Sohnes sowie bei den Sorgen Bemühungen, Anstrengungen und Beschäftigungen für die Apostel, für die Grablegung des Herrn und für die heiligen Frauen; und wie ich überhaupt im ganzen Verlaufe meines Lebens meine Handlungsweise einrichtete. Du hast gesehen, wie ich die äusseren Beschäftigungen mit den Beschäftigungen des Geistes so vereinigte, dass sie einander nicht hinderten und störten. Willst du darum in dieser Handlungsweise meinem Beispiele folgen, wie ich dies von dir verlange, so ist es durchaus notwendig, dass du weder durch den notwendigen Verkehr mit den Menschen, noch durch die Beschäftigungen deines Standes, noch durch die Armseligkeiten des Lebens in der Verbannung, noch durch die Versuchungen und die Bosheit des Teufels in deinem Herzen irgendeine Anhänglichkeit auf kommen lässt, welche dich hindern, oder einen Gedanken, welcher dich zerstreuen würde. Merke wohl, meine Tochter, wenn du in diesem Streben nicht sehr wachsam bist, so wirst du viel Zeit verlieren, unendlich viele und ausserordentliche Gnaden verschleudern, die höchsten und heiligsten Absichten des Herrn vereiteln und überdies mich und die heiligen Engel betrüben, da wir insgesamt wünschen, dass du mit uns verkehrst. Du wirst die Ruhe des Geistes, die Tröstungen deiner Seele, gar manche Grade der Gnade, die heissersehnte Vermehrung der göttlichen Liebe und endlich auch noch die überreiche Belohnung im Himmel verlieren. Da siehst du, wie wichtig es für dich ist, auf mich zu hören und mir in allem zu gehorchen, worüber ich mit mütterlicher Herablassung dich unterweise. Erwäge und betrachte dies, meine Tochter, und merke in deinem Innern auf meine Worte, damit du dieselben durch meine Vermittlung und durch die Gnade Gottes auch im Werke ausübest. Auch ermahne ich dich, dass du mir in jener treuen Liebe nachfolgst, mit der ich die Wonne und den Jubel zurückhielt, um meinem Herrn und Lehrmeister nachzufolgen und Ihn dafür sowie für die Wohltat zu preisen, welche Er den Heiligen in der Vorhölle dadurch erwies, dass seine heiligste Seele hinabkam, um sie zu befreien und mit Freude über seine Anschauung zu erfüllen: denn das waren lauter Werke seiner unendlichen Liebe. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die allerseligste Jungfrau Maria gegeben hat. Lehre: Verdienst r:hkeit der guten Werke 1474. Meine Tochter, deine Besorgnis, dass du die inneren Erleuchtungen über die hocherhabenen Geheimnisse, wie du sie eben beschrieben hast, mit Worten nicht vollständig wiederzugeben vermagst, soll dir zur Freude gereichen. Es ist ja ein Sieg für die Kreatur und ein Ruhm für den Allerhöchsten, wenn sich das Geschöpf von der Grösse so erhabener Geheimnisse, welche im sterblichen Fleische bei weitem nicht vollständig durchschaut werden können, als besiegt erklärt. Beim Leiden meines heiligsten Sohnes habe ich seine Schmerzen mitempfunden; und wenn ich auch nicht wirklich das Leben dabei verlor, so empfand ich doch geheimnisvollerweise die Schmerzen des Todes. Dieser Todesart aber entsprach bei mir auch eine wunderbare und geheimnisvolle Auferstehung zu einem höheren Zustande der Gnade und des Handelns. Und weil die Wesenheit Gottes unendlich ist, so bleibt, wenn die Kreatur auch noch so grossen Anteil daran hat, immer noch weit mehr zum Erkennen, Lieben und Geniessen übrig. Damit du aber jetzt schon mit Hilfe des eigenen Urteils aus der Erwägung über die Gaben des verherrlichten Leibes einiges von der Herrlichkeit Christi, meines Sohnes und Herrn, und jener welche ich und die Heiligen geniessen, abnehmen könnest, will ich dir den Grundsatz darlegen, wonach du hiebei von den Gaben des Leibes auf die der Seele schliessen kannst. Wie dir nämlich schon bekannt ist, bestehen die letzteren im Schauen, im Besitze und im Genusse Ividere, comprehendere, frui. Die Gaben des Leibes sind die schon wiederholt angeführten, nämlich die Klarheit, Leidensunfähigkeit Feinheit und Behendigkeit, claritas, impassibilitas, subtilitas, agilitas. 1475. Durch jedes gute und verdienstliche Werk, welches ein Mensch im Stande der Gnade verrichtet hat, erlangt jede einzelne dieser Gaben einen entsprechenden Zuwachs, und bestände das Werk auch in weiter nichts als im Aufheben eines Strohhalmes oder im Darreichen von einem Trunke Wassers aus Liebe zu Gott. Durch jedes dieser ganz unbedeutenden Werke wird der Mensch, wenn er einmal in die Seligkeit eingeht, eine Klarheit erlangen, welche die Klarheit vieler Sonnen übertrifft. Was die Leidensunfähigkeit anbelangt, so wird er der Verwesung und Zersetzung welcher sonst alle irdischen Dinge und also auch die Menschen unterworfen sind, so sehr entzogen, dass alle menschliche Sorgfalt und Stärke nicht imstande wäre, die Verwesung und überhaupt alle schädlichen Einflüsse in ähnlicher Weise vom Menschen abzuhalten. Vermöge der Feinheit gelangt er dahin, dass er über alles, was ihm etwa hindernd im Wege stehen könnte, erhoben wird und eine neue Kraft erhält, alles, was er will, zu durchdringen. Durch die Gabe der Behendigkeit erlangt er für jedes verdienstliche Werk die Fähigkeit, sich leichter und schneller zu bewegen als die Vögel, die Winde und alle tätigen Kreaturen, wie z.B. das Feuer und die übrigen Elemente, welche ihrem natürlichen Mittelpunkte zustreben. Aus dem Zuwachse nun, welchen man hinsichtlich der Gaben des Leibes sich verdient, kannst du auf den Zuwachs bei den Gaben der Seele schliessen, weil die ersteren den letzteren entsprechen und aus denselben hervorgehen, Denn in der beseligenden Anschauung erlangt der Mensch für jegliches Verdienst eine grössere Klarheit und Erkenntnis von den göttlichen Eigenschaften und Vollkommenheiten, als alle Gelehrten und Weisen der Kirche in diesem sterblichen Leben jemals besessen haben. Ebenso wird auch die Gabe des Besitzes oder des Innehabens des beseligenden Gegenstandes, nämlich Gottes, vermehrt. Denn infolge des Besitzes und der Festigkeit, womit man dieses höchste und unendliche Gut umfängt, wird dem Gerechten eine neue Sicherheit und eine Ruhe verliehen, die unschätzbarer ist als der Besitz all dessen, was die Geschöpfe an Kostbarkeiten, Reichtümern, Ergötzlichkeiten und Freuden gewähren, selbst wenn man alles dieses ohne Furcht vor einem Verluste als Eigentum besässe. Vermöge der Gabe des Genusses, welches die dritte der Seele verliehene Gabe ist, werden dem Gerechten zum Lohne für jedes noch so geringfügige Werk, das er aus Liebe verrichtet hat, im Himmel so erhabene Grade der geniessenden Liebe verliehen, dass auch die grösste Zuneigung des Herzens, welche die Menschen im Leben gegen das Sichtbare tragen, mit diesem Zuwachse niemals verglichen werden kann; und ebenso ist auch die daraus entspringende Wonne mit nichts von dem zu vergleichen, was in diesem sterblichen Leben zu finden ist. 1476. Gehe nun, meine Tochter, in deiner Betrachtung weiter und mache aus diesen so wunderbaren Belohnungen, welche einem einzigen für Gott vollbrachten Werke entsprechen, den richtigen Schluss auf die grosse Belohnung der Heiligen, welche aus Liebe zu Gott so heroische und grossartige Werke vollbracht und so grausame Qualen und Martern erduldet haben, wie das in der heiligen Kirche bekannt ist. Ist nun aber dies schon bei den Heiligen der Fall, die doch blosse Menschen und der Sünde und den Unvollkommenheiten unterworfen waren, welche am verdienstlichen Handeln hindern, so denke einmal, und zwar mit aller dir möglichen Aufmerksamkeit darüber nach, welches die Herrlichkeit meines heiligsten Sohnes sei, und du wirst alsdann einsehen, wie wenig die menschliche Fassungskraft zumal im sterblichen Leben imstande ist, dieses Geheimnis nach Gebühr zu verstehen und sich von der unermesslichen Grösse der Herrlichkeit Jesu Christi eine entsprechende Vorstellung zu bilden. Die heiligste Seele meines Herrn war in seiner göttlichen Person mit der Gottheit wesenhaft vereinigt, und es war eine aus der hypostatischen Vereinigung hervorgehende Folge, dass der unermessliche Ozean der Gottheit sich in diese Seele ergoss und sie beseligte; hatte ja doch die Gottheit sich ihre eigene Wesenheit dieser Seele auf unaussprechliche Weise mitgeteilt. Die heiligste Seele Jesu hatte zwar diese Glorie nicht zu verdienen gehabt; sie wurde ihr schon im ersten Augenblicke der Empfängnis in meinem Schosse als notwendige Folge der hypostatischen Vereinigung verliehen. Allein die Werke, welche der Herr nachher, während der dreiunddreissig Jahre verrichtet hat: seine Geburt in Armut, sein Leben in Mühsalen, seine Liebe im Wandel, seine Mühen bei allen Tugenden, seine Predigt, sein Unterricht, sein Leiden, seine Verdienste, die Erlösung des ganzen Menschengeschlechtes, die Stiftung der Kirche und alles, was er nach der Lehre der katholischen Kirche sonst noch getan hat: alle diese Werke, sage ich, verdienten die Verherrlichung des reinsten Leibes meines Sohnes; und diese entsprach der Herrlichkeit seiner Seele. Alles dies ist aber unaussprechlich und unendlich erhaben; die Offenbarung desselben ist für das ewige Leben vorbehalten. Und wie an meinem Sohne und Herrn, so hat der mächtige Arm des Allerhöchsten verhältnismässig auch an mir als an einem blossen Geschöpfe Grosses getan, infolgedessen ich die Schmerzen und Peinen der Passion alsbald vergass. Dasselbe war auch bei den Altvätern der Vorhölle der Fall und ist es auch bei den übrigen Heiligen, wenn sie den Lohn empfangen. Ich vergass die bitteren Schmerzen, die ich erduldet hatte; denn das Übermass der Freude verscheuchte alle Pein; indes ist dem Auge meines Geistes niemals entschwunden, was mein Sohn für das Menschengeschlecht gelitten hat. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die heiligste Königin Maria gegeben hat. Lehre- Ederin de, Liebe 1493. Meine Tochter, die Lehre, welche ich dir zu diesem Hauptstücke gebe, wird dir zugleich den gewünschten Aufschluss darüber geben, warum mein heiligster Sohn das eine Mal als Pilger, das andere Mal als Gärtner erschienen ist, und warum Er sich nicht immer schon auf den ersten Anblick zu erkennen gab. Wisse also, meine Tochter: Die heiligen Frauen und die Apostel waren zwar Schüler des Herrn und schon damals besser und vollkommener als alle übrigen Menschen auf Erden. Gleichwohl waren sie an Vollkommenheit und Heiligkeit noch Kinder und in der Schule eines solchen Lehrmeisters noch nicht so weit vorangeschritten, wie sie es hätten sein sollen. Sie waren noch schwach im Glauben, zeigten noch zu wenig Festigkeit in den anderen Tugenden und zu geringen Eifer für das, was ihr Beruf und die vom Herrn empfangenen Wohltaten verlangten. Nun aber wiegen an Seelen, welche mit Gunsterweisungen überhäuft und zur Freundschaft und zum vertrauten Umgange mit Gott auserwählt sind, selbst geringere Fehler in den Augen der höchsten Gerechtigkeit schwerer als manche grobe Vergehungen bei anderen Seelen, die zu einer solchen Gnade nicht berufen sind. Um dieser Gründe willen waren die Apostel und heiligen Frauen, obwohl sie die Freundschaft des Herrn besassen, wegen ihrer Fehler und wegen der Trägheit, Lauigkeit und Mattigkeit ihrer Liebe nicht so vorbereitet, dass der göttliche Meister ihnen ohne weiteres die himmlischen Wirkungen seiner Erkenntnis und Gegenwart hätte mitteilen können. Er redete sie in seinem väterlichen Wohlwollen zuerst an, bevor Er sich ihnen offenbarte, und disponierte sie so durch Worte des Lebens, welche ihnen Licht und Gnade einflössten. Hatte Er aber in ihren Herzen den Glauben und die Liebe wieder angefacht, dann gab Er sich ihnen zu erkennen und teilte ihnen vom Uberflusse seiner Gottheit, welche sie fühlten, und andere wunderbare Gaben und Gnaden mit, wodurch sie erneuert und über sich selbst erhoben wurden. Hatten sie dann diese Gunstbezeigungen zu kosten begonnen, so verschwand Er wieder ihren Blicken, damit sie abermals und mit grösserem Verlangen nach seiner Mitteilung und seinem süssesten Umgange sich sehnen möchten. Darin nun liegt das Geheimnis, dass Er der Magdalena, den Aposteln und Jüngern auf dem Wege nach Emmaus unter einer fremden Gestalt sich zeigte. Und dasselbe tut Er im entsprechenden Verhältnisse auch an vielen anderen Seelen, die Er zu seinem vertrauten Umgang auserwählt. 1494. Diese wunderbare Anordnung der göttlichen Vorsehung wird dir zur Belehrung, aber auch zur Zurechtweisung dienen, wegen der Ungläubigkeit, mit welcher du die ausserordentlichen Gnaden, die du aus der mildesten Hand meines göttlichen Sohnes empfängst, schon so oft in Zweifel gezogen hast. Es ist nun endlich einmal Zeit, dass du die Angste, mit denen du dich immer abgehärmt hast, mässigest, damit deine Demut nicht in Undank und deine Zweifelsucht nicht in Halsstarrigkeit ausarte und du nicht trägen Herzens werdest, jenen Gaben Glauben zu schenken. Ferner wird es für dich sehr lehrreich sein, aufmerksam zu erwägen, wie der Allerhöchste in seiner unermesslichen Liebe den Demütigen und Zerknirschten so schnell zu Hilfe kommt und wie Er allen nahe ist, welche in sehnsuchtsvoller Liebe Ihn suchen, sowie auch denjenigen, welche sein Leiden und Sterben betrachten oder davon sprechen. Alles dies siehst du an Petrus, an Magdalena und an den Jüngern. Ahme darum, meine Tochter, den Eifer der Magdalena nach, die ihren Lehrmeister aufsuchte und nicht einmal bei den Engeln verweilte, sich nicht mit den anderen vom Grabe entfernte und keinen Augenblick ruhte, bis sie Ihn, den liebevollen und süssen Herrn, wieder gefunden hatte. Diese Gnade wurde ihr aber auch deshalb zuteil, weil sie während des ganzen Leidens Christi mit liebeglühendem Herzen mir zur Seite gestanden war. Dies hatten auch die anderen heiligen Frauen getan, und dadurch verdienten sie, die ersten zu sein, welche durch die Auferstehung erfreut wurden. Nach diesen gelangte die Demut und Reue, womit der hl. Petrus seine Verleugnung beweinte, zu diesem Glücke'; denn alsbald ward der Herr geneigt, ihn zu trösten und den heiligen Frauen aufzutragen, dass sie Ihm im besonderen Nachricht von seiner Auferstehung geben sollten; hierauf erschien ihm der Herr selbst, bestärkte ihn im Glauben und erfüllte ihn mit Wonne und Gnadengaben. Auch den beiden Jüngern von Emmaus erschien der Herr, wiewohl sie noch zweifelten, früher als anderen, einzig deswegen, weil sie in mitleidsvoller Liebe von seinem Leiden und Sterben redeten. Ich versichere dich, meine Tochter, jedes gute Werk, das ein Mensch in guter Meinung und mit aufrichtigem Herzen verrichtet, wird von Gott unverzüglich und grossartig belohnt. Schneller, als das Feuer in seiner Lebendigkeit dürres Werg entzündet, schneller, als der Stein, wenn ihn nichts hindert, dem Mittelpunkt der Erde zufliegt, heftiger und gewaltiger, als das Meer dahinwogt, strömt die Gnade und Liebe des Allerhöchsten in die Seelen ein, wenn sie sich dazu vorbereiten und ihre Sünden, welche die göttliche Liebe gewaltsam aufhalten, entfernen. Es ist dies eine Wahrheit, welche die Seligen des Himmels in ganz besonderer Weise mit Bewunderung erfüllt; denn ihnen ist diese Wahrheit offenbar. Lobpreise darum den Herrn um dieser seiner unendlichen Güte willen! Lobpreise Ihn, weil Er in seiner Güte selbst aus den Übeln grossartige Güter hervorgehen lässt, wie er beim Unglauben der Apostel getan hat. Durch sein Verhalten gegci die Apostel hat der Herr das Attribut seiner Barmherzigkeit of fenbart: Er hat seiner eigenen Auferstehung bei allen Menschen grössere Glaubwürdigkeit verschafft, Er hat die Kraft der Sün denvergebung und seine Milde in hellstem Lichte gezeigt. Alles dieses hat der Herr dadurch erreicht, dass Er den Aposteln Verzeihung gewährte, ihre Sünden gleichsam vergass, ihnen nachging und sich ihnen zeigte. Er hat es erreicht, indem Er wie ein liebevoller Vater sich zu ihnen herabliess und ihnen in ihrer Hilflosigkeit und Schwachgläubigkeit Licht und Lehre spendete. BUCH SECHS. LEHRE welche mir die heiligste Jungfrau und Himmelskönigin Maria gab. Lehre: Dank für die der allerseligsten Jungfrau erwiesenen Gnaden 1507. Wenn du, meine Tochter, die verborgenen, von der Rechten des Allmächtigen mir verliehenen Gnadenerweisungen anstaunst, so fühlst du dich mit Fug und Recht vom Verlangen beseelt, für solche Wunderwerke den Herrn in alle Ewigkeit zu lobpreisen. Viele dieser wunderbaren Gnaden entdecke ich dir jetzt noch nicht; du wirst sie erst dann erfahren, wenn du nicht mehr im sterblichen Fleische wandelst. Indes ist es mein Wille, dass du schon als Erdenpilgerin, und zwar von Stunde an, es als deine ganz besondere Aufgabe betrachtest, den Herrn dafür zu lobpreisen und zu verherrlichen, dass Er, obwohl ich ein Adamskind war, mich aus dem Staube erhoben, die Macht seines Armes an mir offenbart und Grosses an mir getan hat, während ich nichts davon im strengen Sinne verdienen konnte. Damit du zu diesen Lobpreisungen des Allerhöchsten noch mehr angeeifert werdest, wiederhole oftmals in meinem Namen den Lobgesang, welchen ich verfasst und in welchem ich alle diese Gnaden kurz zusammengefasst habe, nämlich das Magnifikat. Wenn du allein bist, so bete dasselbe mit dem Angesichte auf der Erde liegend oder unter Kniebeugungen; vor allem aber soll es mit dem aufrichtigsten Affekte der Liebe und Verehrung geschehen. Diese Übung wird in meinen Augen sehr wohlgefällig und angenehm sein, und wenn du sie so verrichtest, wie ich es wünsche, so werde ich sie den Augen des Herrn darstellen. 1508. Weil du aber wieder darüber staunst, dass die Evangelisten diese vom Herrn an mir vollbrachten Wunder nicht aufgezeichnet haben, so will ich dich nochmals hierüber belehren, obwohl ich es früher schon getan habe; denn es ist mein Wunsch, dass alle Sterblichen diese Wahrheit ihrem Gedächtnisse einprägen. Ich selbst habe nämlich den Evangelisten befohlen, über meine Vorzüge nur soviel niederzuschreiben, als eben erforderlich war, damit die Kirche auf die Artikel des Glaubens und die Gebote des göttlichen Gesetzes gegründet werde. Denn als Lehrmeisterin der Kirche erkannte ich durch die vom Allerhöchsten für dieses Amt mir eingegossene Wissenschaft, dass dieses für die damalige Zeit, in welcher die Kirche noch in der Wiege lag, so geziemend sei. Übrigens sind meine Vorzüge in dem einen Vorzuge eingeschlossen, dass ich die Mutter Gottes und darum voll Gnade bin; die nähere Erklärung desselben aber hat sich die göttliche Vorsehung auf die geeignete und passende Zeit vorbehalten, wann nämlich der Glaube genauer erkannt und befestigt sein würde. Einige dieser meine Person betreffenden Geheimnisse sind bisher im Verlaufe der Zeit nach und nach deutlicher offenbart worden; allein die Fülle dieses Lichtes ist dir, einem armen und niedrigen Geschöpfe, verliehen worden, weil die Welt in ihrem gegenwärtigen unglücklichen Zustande dessen bedarf Die göttliche Barmherzigkeit will dieses höchst zeitgemässe Heilsmittel den Menschen jetzt anbieten, damit alle Hilfe und ewiges Heil suchen, und zwar durch meine Vermittlung. Dies hast du allezeit erkannt und wirst es später noch deutlicher einsehen. An erster Stelle aber verlange ich von dir, dass du dich gänzlich auf die Nachahmung meines Lebens verlegst sowie auf die ununterbrochene Betrachtung meiner Tugenden und Werke, damit du zum erwünschten Siege über meine und deine Feinde gelangest. LEHRE welche mir die heiligste Jungfrau und Himmelskönigin Maria gab. Buch sechs. LEHRE: Selbstverleugnung. Verlangen nach dem Himmel 1529. Meine Tochter, du wirst diesen zweiten Teil meines Lebens glücklich beschliessen, wenn du eine lebendige Überzeugung gewonnen hast von der Lieblichkeit und Kraft der göttlichen Liebe und von der unermesslichen Freigebigkeit Gottes gegen die Seelen, welche ihm kein Hindernis in den Weg legen. Es ist der Neigung des höchsten Gutes und seinem vollkommenen und heiligen Willen entsprechend, seinen Geschöpfen eher Freud als Leid, eher Trost als Betrübnis zu schicken, sie eher zu belohnen als zu bestrafen, eher zu ermutigen als einzuschüchtern. Allein die Sterblichen verstehen diese göttliche Wissenschaft nicht; sie verlangen, aus der Hand des höchsten Gutes nur irdische und gefährliche Tröstungen, Vergnügungen und Belohnungen zu empfangen; diese ziehen sie den wahren und sicheren Freuden vor. Die göttliche Güte aber verbessert diesen schädlichen Irrtum, wenn sie die Menschen durch Trübsale zu rechtweist, mit Widerwärtigkeiten bestraft und mit der Strafrute belehrt. Die menschliche Natur ist träge, schwerfällig und roh; wird sie nicht kultiviert und ihre Härte nicht gebrochen, so bringt sie niemals eine schmackhafte Frucht und ist ihrer Neigungen wegen nicht fähig, vom höchsten Gute eine liebevolle und zärtliche Behandlung zu erfahren. Darum ist es notwendig, dass sie angespornt, mit dem Hammer der Leiden fein zugerichtet und im Schmelzofen der Trübsale erneuert werde, damit sie dadurch für die Gaben und Gunsterweisungen Gottes empfänglich und tauglich werde; denn die Trübsale sind es, welche den Menschen lehren, der Liebe zu den trügerischen Gütern der Welt, unter denen der Tod verborgen ist, zu entsagen. 1530. Als ich sah, welchen Lohn mir die ewige Güte bereitet hatte, da erschien mir alles, was ich gelitten hatte, als gering. Und deshalb hat die göttliche Vorsehung die wunderbare Anordnung getroffen, dass ich nach meinem eigenen Willen und meiner Wahl wiederum zur streitenden Kirche zurückkehrte; denn diese Anordnung sollte zu meiner grösseren Glorie und zur Erhöhung des heiligen Namens des Allerhöchsten gereichen; auch sollte dadurch der Kirche und ihren Kindern auf die wunderbarste und heiligste Weise Hilfe verschafft werden. Ich aber glaubte verbunden zu sein, während der Jahre, in denen ich noch auf der Welt lebte, jener Seligkeit, die ich im Himmel besass, zu entbehren und auf die Welt zurückzukehren, um neue Früchte guter Werke zu gewinnen und nach dem Wohlgefallen des Allerhöchsten zu arbeiten. Alles dies schuldete ich der göttlichen Güte, die mich aus dem Staube erhoben hatte. Du aber, meine Tochter, sollst aus diesem Beispiele eine Lehre ziehen und dich allen Ernstes bemühen, meinem Beispiele zu folgen, zumal in dieser Zeit, in welcher die heilige Kirche sich in einer so trostlosen Lage befindet und von lauter Drangsalen umgeben ist, während ihre Kinder nicht daran denken, ihr Trost zu bereiten. Ich verlange von dir, dass du in dieser Angelegenheit dich mit aller Anstrengung abmühest: bete, flehe, schreie aus der Tiefe deines Herzens zum Allmächtigen für die Kinder der Kirche; leide und bringe nötigenfalls selbst dein Leben zum Opfer für die Kirche. Denn ich versichere dir, meine Tochter, dass dein Bemühen in den Augen meines heiligsten Sohnes und in meinen Augen sehr wohlgefällig sein wird. Alles zur Ehre und Verherrlichung des Allerhöchsten, des unsterblichen und unsichtbaren Königs der Weltzeiten', und zur Ehre seiner heiligsten Mutter Maria, von Ewigkeit zu Ewigkeit! @@@@@ Buch 7 @@@@@ BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Königin und Herrin der Engel gegeben hat. 8. Meine Tochter, ich habe dir schon so oft wiederholt, du mögest dich von allem Sichtbaren und Irdischen freimachen und dir selbst in allem, was du von einer Tochter Adams an dir hast, absterben. Es ist dies die Lehre, welche ich dir unablässig eingeschärft habe, und welche du auch im ersten und zweiten Teile meines Lebens niedergelegt hast. Nunmehr ersuche ich dich mit einer verdoppelten mütterlichen Zärtlichkeit und lade dich ein im Namen meines göttlichen Sohnes, in meinem eigenen Namen und im Namen der Engel, die dich gleichfalls sehr lieben, alle irdischen Dinge zu vergessen und ein neues, erhabeneres Leben zu beginnen, ein Leben, das der ewigen Glückseligkeit möglichst nahe kommt. Ich will, dass du dich ganz und gar von Babylon entfernest, den Täuschungen und Eitelkeiten, wodurch deine Feinde dir nachstellen, ein für allemal entsagest und dich der heiligen Stadt des himmlischen Jerusalem näherst, um in ihren Vorhallen Wohnung zu nehmen. Dort sollst du dich ganz und gar nur damit befassen, in wahrer Vollkommenheit mein Beispiel nachzuahmen, um auf diese Weise mit dem Beistande der göttlichen Gnade zur innigsten Vereinigung mit meinem Herrn, deinem göttlichen und höchst getreuen Bräutigam, zu gelangen. Höre also, meine fochter, mit freudiger Hingabe und bereitwilligem Herzen meine Stimme! Folge mit feurigem Eifer mit nach und erneuere dein Leben nach dem Bilde, das du von dem meinigen entwirfst. Betrachte was ich getan habe, nachdem ich von der Rechten meines Sohnes zur Erde zurückgekehrt war. Dringe durch aufmerksame Betrachtung in meine Werke ein, auf dass du nach dem Masse der Gnade, die du empfangen wirst, dasjenige, was du erkennst und niederschreibst, in deiner Seele abbilden mögest. Der göttliche Beistand wird dir nicht fehlen, wenn du dich seiner nicht durch deine Nachlässigkeit unwürdig machst; denn der Allerhöchste verweigert denselben niemals denjenigen, welche das Ihrige tun, um sein heiligstes Wohlgefallen zu erfüllen. Bereite also dein Herz und erweitere es; belebe deinen Willen, reinige deinen Verstand, entledige deine Seelenkräfte von allen Bildern der sichtbaren Geschöpfe, damit keines dich behindere oder zur geringsten Unvollkommenheit verleite. So wirst du befähigt sein, dass der Allerhöchste die Schätze seiner verborgenen Weisheit in dir niederlege; so wirst du bereit und tauglich sein, mit Hilfe dieser Weisheit alles das zu tun, was unseren Augen das Wohlgefälligste ist; denn das ist es, was wir dich lehren. 9. Dein Leben muss von heute an so sein, wie wenn du, dem früheren Leben abgestorben, vom Tode auferweckt wärest, um ein neues Leben zu beginnen. Und gleichwie jemand, dem eine solche ausserordentliche Gnade zuteil würde, ganz erneuert erscheinen und sich inmitten alles dessen, was er kurz vorher noch liebte, als Fremdling betrachten und nach Gesinnungen, Neigungen und Handlungsweise ganz und gar verändert sein würde, so, meine Tochter, und in noch höherem Grade will ich, dass du von nun an gleichsam wiedergeboren und erneuert seiest. Denn du musst jetzt leben, als fingest du an, durch die Wirksamkeit der göttlichen Allmacht an den Gaben der Glorie in der Weise teilzunehmen, wie es dir jetzt möglich ist. Um aber diese göttlichen Wirkungen in dir zu erfahren, musst du dazu mitwirken; durch eine heilige Freiheit des Geistes soll dein Herz wie eine wohlgeglättete Tafel sein, auf die der Allerhöchste mit seinem göttlichen Finger schreiben und zeichnen kann, was ihm beliebt, oder auch wie weiches Wachs, in welches er das Siegel meiner Tugenden einprägen kann. Der Herr will, dass du in seiner allmächtigen Hand ein geeignetes Werkzeug seiest, um seinen heiligen und vollkommenen Willen auszuführen; ein Werkzeug aber widersteht in keiner Weise der Hand des Künstlers; und hat es einen Willen, so bedient es sich desselben nur, um sich bewegen zu lassen. Mut also, meine vielgeliebte Tochter; komm, wohin ich dich rufe! Wisse, dass, wenn es Gott dem höchsten Gute eigen ist, sich zu jeder Zeit seinen Geschöpfen in Gnade mitzuteilen, dieser gütigste Vater der Barmherzigkeit doch in den gegenwärtigen Zeitläuften ganz besonders seine freigebige Güte gegen die Sterblichen offenbaren will. Denn die Zeit, die ihnen gewährt ist, geht zu Ende, und es sind ihrer nur wenige, die sich dazu bereiten mögen, die Gaben seiner allmächtigen Hand zu empfangen. Versäume also ja nicht, o Tochter, eine so günstige Gelegenheit; folge, ja eile mir nach in meinen Fussstapfen. Betrübe nicht den Heiligen Geist, indem du zögerst, während ich dich mit zärtlicher Mutterliebe zu einem so grossen Glück und zu einem so erhabenen Unterricht der Vollkommenheit einlade. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Königin und Herrin der Engel gegeben hat. Lehre,- Andacht und Vertrauen zur allerseligsten Jungfrau 37. Meine Tochter, zu deiner Freude und zum Troste aller meiner Diener will ich dir mitteilen, dass das, was du in den letzten Hauptstücken geschrieben hast, das Wohlgefallen und die Bestätigung des Allerhöchsten gefunden hat. Denn es ist der Wille Gottes, dass der Welt kund werde, was ich für die Kirche getan, nachdem ich vom Himmel wieder herabgestiegen, um den Gläubigen beizustehen; die Sterblichen sollen wissen, wie sehnlich ich wünsche, den Katholiken zu helfen, die zu meiner Fürbitte und meinem Schutze ihre Zuflucht nehmen. Für sie Fürsprache einzulegen, ist ja das Amt, mit welchem der Allerhöchste mich betraut hat, und mit mütterlicher Liebe biete ich ihnen meine Fürsprache an. Auch hast du den Heiligen und besonders meinem Sohne Johannes eine ganz besondere Genugtuung bereitet, indem du von der Freude sprachst, welche sie empfanden, als ich bei der glorreichen Himmelfahrt meines Sohnes und Herrn mit ihm zum Himmel aufstieg. Denn es ist Zeit, dass die Kinder der Kirche dieses Geheimnis erfahren, und dass sie bestimmter die Grösse der Reichtümer erkennen, über welche mich der Herr gesetzt hat, damit sie, genauer darüber unterrichtet, wieviel ich für sie tun kann und will, sich zu grösseren Hoffnungen erheben. Wie könnte ich auch als zärtliche Mutter nicht Mitleid haben, wenn ich sehe, wie meine Kinder vom Satan so sehr getäuscht und von seinem Sklavenjoch, dem sie sich blindlings unterstellt haben, so sehr niedergedrückt sind. Mein Diener Johannes hat in dem einundzwanzigsten und in dem zwölften Kapitel der Geheimen Offenbarung noch andere grosse Geheimnisse hinsichtlich der Gnadenauszeichnungen hinterlegt, mit denen der Allerhöchste mich überhäuft hat. Von diesen Geheimnissen hast du in dieser Geschichte soviel mitgeteilt, als die Gläubigen für jetzt zu fassen vermögen und zu wissen brauchen, um durch meine Vermittlung ihr Heil zu finden. Weiteres wirst du hierüber noch in der Folge aufzeichnen. 38. Aber schon von heute an sollst du aus dem, was du gehört und niedergeschrieben hast, Frucht ziehen. Du sollst nämlich vor allem neue Fortschritte machen in der herzlichen liebe und Andacht zu mir und dich in der Hoffnung befestitgen, dass ich dich in allen deinen Trübsalen beschützen, in allen deinen Handlungen leiten werde, und dass die Pforten meiner Barmherzigkeit dir und allen denen, welche du mir empfehlen wirst, stets offen stehen werden, vorausgesetzt, dass du so beschaffen bist, wie ich es will und wünsche. Damit aber dieser mein Wunsch sich erfülle, so wisse, meine Tochter: Wie ich im Himmel durch göttliche Macht erneuert wurde, um, auf die Erde zurückgekehrt, mit einer neuen Vollkommenheit zu wirken, so will der Herr, dass auch du erneuert werdest in dem Himmel deines Herzens, in der tiefen Sammlung deines Geistes und in der Einsamkeit deiner geistlichen Übungen, in welche du dich zurückgezogen hast, um den Rest meines Lebens ru beschreiben. Halte dieses Zusammentreffen von Umständen durchaus nicht für zufällig, sondern für eine besondere I ügung der Vorsehung, wie du erkennen wirst, wenn du an die Begegnisse jener Zeit zurückdenkst, wo du diesen dritten feil zu schreiben anfingest. Da du also so glücklich bist, den gegenwärtigen Unterricht in gänzlicher Einsamkeit und unbehindert durch die Leitung deiner Gemeinde zu empfangen, so ist es deine strenge Pflicht, dich mit Hilfe der Gnade nach dem Vorbilde meines Lebens zu erneuern und, soweit es möglich ist, in dir darzustellen, was du in mir siehst. Dies ist der Wille meines Sohnes, mein eigener Wille und das Ziel deiner Wünsche. Sei also aufmerksam auf meine Lehren und umgürte dich mit Kraft. Fasse einen wirksamen Willensentschluss, mit Aufinerksamkeit, Eifer, Umsicht, Standhaftigkeit und mit allem Fleisse zu tun, was deinem Herrn und Bräutigam wohlgefällig ist. Gewöhne dich daran, ihn nie aus den Augen zu verlieren, wenn du zum Verkehre mit den Menschen und zu den Wer ken der Martha zurückkehrst. Ich werde deine Lehrmeisterin sein: die Engel werden dir zur Seite stehen, auf dass du, ange feuert durch ihre Erleuchtungen, im Verein mit ihnen unaufhör lich den Herrn lobest; der Herr selbst aber wird dir seine Kraft verleihen, auf dass du seine Schlachten schlagest gegen seine und deine Feinde. Habe acht, dass du dich so grosser Gnaden und Auszeichnungen nicht unwürdig machest. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir Maria, die Königin des Himmels, gegeben hat. Lehre: Nachfolge Mariä. 55. Meine Tochter, du bist mit Recht erstaunt über die verborgenen und erhabenen Gunstbezeigungen, welche ich von der Hand meines Sohnes empfing, über die Demut, womit ich sie aufnahm und dafür dankte, sowie über die Liebe und Aufmerksamkeit, womit ich mitten im Genusse dieser Gnaden für die Bedürfnisse der Apostel und Gläubigen der heiligen Kirche sorgte. Es ist nun Zeit, meine Tochter, dass du die Frucht dieser Erkenntnis in dir sammelst; denn du kannst jetzt nicht mehr fassen, und mein Verlangen in bezug auf dich ist kein geringeres, als eine getreue Tochter zu haben, welche mich mit Eifer nachahmt, und eine gelehrige Schülerin, welche von ganzem Herzen mir nachfolgt. Darum zünde an das Licht eines lebendigen Glaubens und bedenke, dass ich höchst mächtig bin, um dich mit Gnaden zu bereichern. Vertraue fest, dass ich deine Wünsche überreich erfüllen und dir meine Gaben nicht vorenthalten, sondern mit Freigebigkeit erteilen werde, um dich mit grossen Gütern zu erfüllen. Um sie jedoch zu empfangen, musst du dich bis unter die Erde erniedrigen und dich als das letzte von allen Geschöpfen ansehen. Denn aus dir selbst bist du in der Tat unnützer als der geringe Staub, den du mit Füssen trittst, und dir ist nichts in höherem Grade eigen, als Armseligkeit und Bedürftigkeit. Beim Lichte dieser Wahrheit erwäge aufmerksam, wie gross und liebenswürdig die Güte und Herablassung des Allerhöchsten gegen dich ist, und zu welchem Grade von Dankbarkeit du ihm gegenüber verpflichtet bist. Denn wenn derjenige, der seine Schuld bezahlt, wenn er sie auch ganz genau entrichtet, keinerlei Ursache hat, sich zu rühmen, so sollst du dich fürwahr verdemütigen, da du für deine so grosse Schuld nicht Zahlung leisten kannst. Du wirst immer Schuldnerin bleiben, wenn du auch arbeitest, soviel du nur kannst. Was würde es erst sein, wenn du träge und nachlässig werden solltest? 56. Mittelst dieser Umsicht und Aufmerksamkeit wirst du erkennen, wie du mich nachahmen sollst in den verschiedenen Tugenden: im lebendigen Glauben, in der festen Hoffnung, in der feurigen Liebe, in der tiefen Demut und in der Verehrung und Anbetung, wie sie der unendlichen Majestät des Herrn gebühren. Ich warne dich aufs neue vor der Arglist der höllischen Schlange, welche überaus wachsam ist, um die Menschen von der Gott schuldigen Verehrung abzuhalten und sie dahinzubringen, mit hoffärtiger Vermessenheit diese Tugend und das Gute, welches sie in sich enthält, geringschätzig zu behandeln. Die Weltmenschen und die Lasterhaften wiegt Satan in törichtes Vergessen der katholischen Wahrheiten ein, damit nicht der göttliche Glaube ihnen die heilige Scheu und Ehrfurcht vor Augen stelle, welche dem Allerhöchsten gebührt, wodurch sie dann den Heiden ähnlich werden, welche die wahre Gottheit nicht erkennen. Andere, welche ein Verlangen nach Tugend haben und einige gute Werke üben, stürzt dieser Feind in eine gefährliche Lauigkeit und Nachlässigkeit, in der sie ihr Leben hinbringen, ohne zu bedenken, welch grosse Verluste sie durch ihren Mangel an Eifer erleiden. Jene endlich, welche sich mehr der Vollkommenheit nähern, sucht dieser Drache durch ein plumpes Vertrauen zu betrügen, vermöge dessen sie wegen der Gunstbezeigungen, die sie von Gott empfangen, und wegen der Güte, die sie in ihm erkennen, sich für sehr vertraut mit dem Herrn ansehen und die demütige Ehrerbietigkeit und heilige Scheu vernachlässigen, womit man vor dem Angesichte einer so hohen Majestät erscheinen muss, vor welcher, wie die heilige Kirche singt, sogar die himmlischen Gewalten zittern. Da ich dich aber schon bei anderen Gelegenheiten auf diese Gefahr aufmerksam gemacht habe, so genügt es für heute, dir dies ins Gedächtnis zu rufen. 57. Ich verlange indes, dich in der Ausübung dieser Lehre so treu und so genau zu finden, dass du sie bei allen deinen Handlungen, jedoch ohne Ziererei und Übermass, in Anwendung bringest. Handle also, dass du durch Wort und Beispiel alle, welche mit dir verkehren, die heilige Furcht und Ehrerbietigkeit lehrest, welche die Geschöpfe ihrem Schöpfer schulden. Besonders will ich, dass du dies allen deinen Ordensschwestern zur Warnung und Lehre mitteilest, auf dass sie wissen, mit welcher Demut und Ehrfurcht sie mit Gott umzugehen haben. Der wirksamste Unterricht von deiner Seite wird aber das gute Beispiel sein, welches du bei den vorgeschriebenen Übungen zu geben hast. Denn diese darf man aus Furcht vor eitler Ehre weder verborgen tun noch unterlassen. Die Pflicht, ein gutes Beispiel zu geben, haben besonders diejenigen, welche andere regieren, weil dieselben kraft ihres Amtes verpflichtet sind, ihre Untergebenen zu ermahnen, zu bewegen und ihnen den Weg der heiligen Furcht des Herrn zu zeigen. Dieses geschieht aber wirksamer durch das Beispiel als durch die Worte. Insbesondere ermahne deine Ordensschwestern zu der Ehrerbietung, welche sie den Priestern als den Gesalbten Christi des Herrn zu erweisen haben. Bitte du selbst nach meinem Vorbilde die Priester jedesmal um ihren Segen, wenn du zu ihnen kommst, um sie zu vernehmen, und wenn du dich von ihnen verabschiedest. Jedesmal auch, wenn du dich von der göttlichen Güte mit reichlicheren Gaben beschenkt siehst, richte deine Augen auf die Not und Drangsale deines Nebenmenschen, auf die Gefahr, worin die Sünder schweben, und bitte für alle mit lebendigem Glauben und festem Vertrauen. Denn man hat keine wahre Liebe zu Gott, wenn man sich damit begnügt, ihn zu geniessen, und dabei seiner leidenden Brüder vergisst. Du hast vielmehr die Pflicht, dieses höchste Gut, das du kennst und dessen du teilhaftig geworden bist, inständig darum zu bitten, dass es sich allen mitteile. Denn dieses höchste Gut selbst schliesst niemand von sich aus, und alle haben notwendig, dass es sich ihnen mitteile und ihnen helfe. Um dir eine Regel für alle Fälle zu geben, so suche meine Liebe recht zu erkennen, und du wirst in allen Stücken wissen, wie du dich zu verhalten hast. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir unsere Herrin, die grosse Königin des Himmels, gegeben hat. Lehre: Die Gaben des Hl Geistes 68. Meine Tochter, die Kinder der Kirche haben wenig Verständnis und Dankbarkeit für die Wohltat, die der Allerhöchste ihnen erwiesen hat, indem er ihnen den Heiligen Geist sandte, nachdem er den Menschen seinen Sohn als Lehrer und Erlöser gesendet hatte. Die Liebe, womit er sie liebte, und wodurch er sie an sich zu ziehen suchte, war so gross, dass er, um sie seiner göttlichen Vollkommenheiten teilhaftig zu machen, zuerst den Sohn, welcher die Weisheit, und dann den Heiligen Geist sandte, welcher seine Liebe ist, damit sie von diesen beiden Vollkommenheiten nach dem Masse ihrer Empfänglichkeit bereichert würden. Obwohl der Heilige Geist das erstemal nur über die Apostel und die übrigen, welche mit ihnen waren, herabkam, so gab er doch in jener Ankunft selbst schon ein Unterpfand und eine Bürgschaft, dass dieselbe Wohltat auch den übrigen Kindern der Kirche als Kindern des Lichtes und des Evangeliums zuteil werden, und dass allen dieselbe Gnade verliehen werden sollte, wenn sich alle auf den Empfang derselben gebührend vorbereiteten. Zur Beglaubigung dieser Wahrheit kam der Heilige Geist selbst über viele von den Gläubigen in sichtbarer Gestalt oder in sinnenfälligen Wirkungen, weil sie eben wahrhaft getreue Diener, demütig, aufrichtig, lauteren Herzens und darum gehörig vorbereitet waren, ihn zu empfangen. Und auch jetzt kommt er in viele gerechte Seelen, obwohl nicht unter so sichtbaren Zeichen wie damals, weil das jetzt weder notwendig noch geziemend ist. Was seine inneren Wirkungen und Gaben betrifft, so sind die selben heute wie dazumal und immer ganz dieselben und werden jedem nach seiner Empfänglichkeit und der Stufe seiner Vollkommenheit erteilt. 69. Glücklich die Seele, welche darnach schmachtet und seufzt, diese Wohltat zu empfangen und dieses göttlichen Feuers teilhaftig zu werden, das da entzündet, erleuchtet, alles Irdische und Fleischliche verzehrt, die Seele reinigt und zu neuem Eifer erhebt, indem es sie mit Gott selbst vereinigt und an seinen Vollkommenheiten teilnehmen lässt. Diese Glückseligkeit, meine Tochter, wünsche ich dir als eine wahrhafte und liebevolle Mutter; und damit du sie in Fülle empfangest, ermahne ich dich von neuem, dein Herz zu bereiten und dahin zu arbeiten, dass du in demselben einen unwandelbaren Gleichmut und Frieden bewahrest, was dir auch immer widerfahren möge. Die göttliche Güte will dich zu einer erhabenen und sicheren Wohnstätte erheben, wo alle Beängstigungen deines Geistes ein Ende nehmen, wo die Angriffe der Welt und der Hölle dich nicht erreichen, und wo der Allerhöchste in dir eine Ruhestätte und einen würdigen Tempel seiner Glorie finden will. Es wird dir nicht an Angriffen und Versuchungen seitens des Teufels fehlen, die alle mit höchster Arglist angelegt sein werden. Wandle also vorsichtig, auf dass du keinerlei Unruhe in das Innere deiner Seele eindringen lassest. Bewahre deinen Schatz geheim für dich, geniesse die Wonne des Herrn, erfreue dich der süssen Wirkungen seiner keuschen Liebe und der Gnadeneinflüsse seiner Wissenschaft; denn was diese Gaben betrifft, so hat der Herr dich unter Tausenden auserwählt und seine freigebigste Hand weit über dich geöffnet. 70. Beherzige also deinen Beruf und sei versichert, dass der Allerhöchste dir aufs neue die Mitteilung seines göttlichen Geistes und seiner Gaben anbietet. Wisse aber, dass, wenn er sie dir gibt, er dir die Freiheit des Willens nicht benimmt, sondern diesem immer das Vermögen lässt, je nach seiner Wahl das Gute oder das Böse zu tun. An dir ist es also, im Vertrauen auf die göttliche Hilfe einen wirksamen Entschluss zu fassen, mir in allen Werken, die du in meinem Leben erkennen wirst, nachzufolgen und den Wirkungen und der Kraft der Gaben des Heiligen Geistes kein Hindernis zu setzen. Zum bessern Verständnis dieser Lehre werde ich dir in bezug auf alle diese sieben Gaben das, was die Ausübung betrifft, erklären. 71. Die erste Gabe, nämlich die Weisheit, verleiht Verständnis und Geschmack für die göttlichen Dinge, erweckt in uns die herzliche Liebe, die wir ihnen schulden, und macht, dass wir in allem nach demjenigen streben und verlangen, was das Beste, Vollkommenste und dem Herrn Wohlgefälligste ist. Zu dieser heiligen Bewegung musst du dadurch mitwirken, dass du dich ohne Vorbehalt dem göttlichen Wohlgefallen hingibst und alles verachtest, was dich daran hindern könnte, so wün schenswert und anlockend es auch für dich sein möge. Hiebei ist dir die Gabe des Verstandes dienlich, welche die zweite von den sieben Gaben ist und ein besonderes Licht zu tiefer Durchdringung der Gegenstände erteilt, die sich dem Verstande darbieten. Mit dieser Gabe des Verstandes musst du mitwirken, indem du deine Aufmerksamkeit und dein Nachsinnen von allen profanen und unnützen Vorstellungen abkehrst und fernehältst, welche dir Satan entweder selbst oder durch Vermittlung anderer Geschöpfe darbietet, um deinen Verstand zu zerstreuen und ihn nicht recht in die Wahrheit der göttlichen Dinge eindringen zu lassen. Solche eitle Vorstellungen sind ein grosses Hindernis. Diese zwei Arten von Erkenntnissen sind miteinander unvereinbar. Überdies ist die menschliche Fassungskraft beschränkt, und wenn sie auf viele Gegenstände zerteilt ist, so beachtet und begreift sie die einzelnen weniger, als wenn sie nur auf einen Gegenstand gerichtet würde. Man erfährt auch hierin die Wahrheit des Ausspruches im Evangelium, dass niemand zwei Herren dienen kann. Hat dann die Seele sich ganz der Erkenntnis des Guten zugewendet, und ist sie in dieselbe eingedrungen, so bedarf sie der Stärke, welche die dritte Gabe ist und dazu verhilft, mit Entschlossenheit alles das auszuführen, was der Verstand als das Heiligste, Vollkommenste und dem Herrn Wohlgefälligste erkannt hat. Die Schwierigkeiten oder Hindernisse, welche sich seiner Ausübung entgegenstellen, werden durch die Stärke überwunden, indem die Seele sich lieber jeder Anstrengung und Mühe unterzieht, als dass sie sich des wahren und höchsten Gutes, das sie erkennt, berauben liesse. 72. Weil es aber oft geschieht, dass der Mensch infolge seiner natürlichen Unwissenheit, seiner Zweifel und seiner Versuchungen die Schlüsse oder Folgerungen, die er aus der erkannten göttlichen Wahrheit ziehen sollte, nicht erfasst und deshalb rücksichtlich der Ausführung des erkannten Bessern und inmitten der menschlichen Mittel, welche die Klugheit des Fleisches ihm aufdrängen möchte, unschlüssig bleibt, so kommt ihm, als die vierte, die Gabe der Wissenschaft zu Hilfe. Diese erteilte dem Menschen das nötige Licht, um ein Gut von dem andern zu unterscheiden; sie lehrt das was gewisser und sicherer ist, zu erwählen und sich darüber nötigenfalls auch zu erklären. An diese schliesst sich die Gabe der Frömmigkeit an, welche die fünfte ist und die Seele mit sanfter Gewalt zu allem geneigt macht, was zum Dienste und Wohlgefallen Gottes und zum geistlichen Wohle des Nächsten gehört, und zwar so, dass man es tut, nicht etwa aus einem bloss natürlichen Drange, sondern aus einem heiligen, vollkommenen und tugendhaften Beweggrunde. Damit ferner die Seele sich in allem mit hoher Klugheit verhalte und benehme, erhält sie sechstens die Gabe des Rates, welche die Vernunft dahin führt, mit Rücksicht auf sich selbst und auf andere wohl zu erwägen und zu ihren guten und heiligen Zwecken die angemessensten Mittel zu wählen. Den Schluss von allem macht die Furcht, welche die sämtlichen Gaben bewahrt und besiegelt. Diese Gabe bewegt das Herz, alles zu fliehen und von sich zu entfernen, was unvollkommen, vermessen und mit der Tugend nicht übereinstimmend ist. Diese Gabe dient darum der Seele als eine Art Schutzmauer. Man muss jedoch den Gegenstand und das Mass dieser heiligen Furcht wohl verstehen, damit man darin nicht zu weit gehe und nicht etwa da fürchte, wo nichts zu fürchten ist, wie es dir schon so oftmals widerfahren ist, indem der Satan in seiner Arglist dir statt der heiligen Furcht eine ungeordnete Furcht selbst vor den Gaben des Herrn einzuflössen wusste. Dieser Unterricht wird dich nun in den Stand setzen, zu wissen, wie du die Gaben des Allerhöchsten benützen und mittelst derselben dich wohl zu verhalten habest. Ich mache dich jedoch nochmals aufmerksam, dass die Wissenschaft der heiligen Furcht zwar eine eigentümliche Wirkung der Gaben Gottes in einer Seele ist, dass er sie aber derselben vereint mit Süssigkeit, Friede und Ruhe und gerade zum Behufe der Erkenntnis und Wertschätzung seiner Gaben einflösst; denn alles, was von der Hand des Allerhöchsten kommt, ist gross und kostbar. Die wahre, heilige Furcht hindert die Seele nicht, die Wohltaten des Allerhöchsten, die sie emp fangen hat, sehr wohl zu kennen; im Gegenteil führt diese Furcht sie dahin, Gott aus allen Kräften dafür zu danken und sich selbst bis in den Staub zu verdemütigen. Da du nun diese Wahrheiten ohne Irrtum erkennst, so lass jetzt ein für allemal die Feigheit der knechtischen Furcht; dann wird dir die kindli che Furcht bleiben; diese aber wird dir ein Leitstern sein, um sicher durch dieses Tal der Zähren hindurchzukommen. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. Lehre: Benützung der Gnade 93. Meine Tochter, die in diesem Hauptstücke erwähnten Vorgänge enthalten vieles über das verborgene Geheimnis der Vorherbestimmung der Seelen. Wisse, dass die Erlösung hinreichend war, um alle Menschen zu retten, denn sie war reichlich und überfliessend. Das Wort der Wahrheit wurde allen denjenigen dargeboten, welche die Predigten hörten, oder zu welchen die Kunde von der Ankunft meines Sohnes in die Welt gelangte. Nebst der Predigt und andern äusseren Zeichen des Heiles wurden allen auch innere Einsprechungen und Gnadenhilfen gegeben, um das Heil zu erkennen und zu suchen. Dessenungeachtet wunderst du dich, dass auf die erste Predigt des Apostels unter der grossen Menschenmenge, die damals in Jerusalem war, sich dreitausend Menschen bekehrten. Es ist aber weit mehr zu verwundern, dass sich jetzt so wenige zum Wege des ewigen Heiles bekehren, da doch das Evangelium weiter ausgebreitet, die Predigt häufiger, die Diener des Evangeliums zahlreicher, das Licht der Kirche heller und die Kenntnis der göttlichen Geheimnisse eingehender ist. Denn ungeachtet alles dessen sind jetzt die Menschen blinder, die Herzen verhärteter, der Stolz kecker und die Habsucht ohne Grenzen; alle Laster werden ohne Scheu und Furcht Gottes verübt. 94. Bei dieser ihrer Verkehrtheit und tiefen Versunkenheit können die Sterblichen sich nicht über die allerhöchste und gerechteste Vorsehung des Herrn beklagen, der seine väterliche Barmherzigkeit allen angeboten hat und noch anbietet. Er lehrt sie den Weg des Todes; wenn er daher zulässt, dass einige ihr Herz verhärten, so handelt er nach Billigkeit und Gerechtigkeit. Über sich selbst werden sich einstens die Verdammten beklagen, aber fruchtlos, wenn sie nach Ablauf der Gnadenzeit einsehen, was sie zur rechten Zeit hätten einsehen können und sollen. Wenn sie in dem kurzen und augenblicklichen Leben, welches ihnen bewilligt wird, um das ewige Leben zu verdienen, Augen und Ohren der Wahrheit und dem Lichte verschliessen, dagegen dem Teufel Gehör schenken und seinem gottlosesten Willen sich ganz und gar überlassen; wenn sie die Güte und Langmut des Herrn so schlecht benützen: was können sie dann zu ihrer Entschuldigung anführen? Wenn sie keine Unbill zu verzeihen wissen, sondern für die geringste Beleidigung auf die grausamste Rache sinnen; wenn sie, um ihre vergängliche Habe zu vermehren, alle Ordnung des Reche tes und alle Bruderliebe mit Füssen treten; wenn sie über einem schmachvollen Vergnügen die ewige Strafe vergessen, und wenn sie überdies die Einsprechungen, Gnadenhilfen und Warnungen verachten, die Gott ihnen sendet, damit sie das Verderben fürchten und sich vom Wege desselben enthalten: wie können sie dann über die göttliche Güte sich beklagen? Mögen also die Menschen, die gegen Gott gesündigt haben, ihren Irrtum erkennen und nicht vergessen, dass es ohne Busse keine Gnade, ohne Besserung keine Verzeihung und ohne Verzeihung keine Seligkeit gibt. Allein sowie Gnade, Verzeihung und Seligkeit keinem Unwürdigen gegeben werden, so werden sie demjenigen niemals versagt, der ihrer würdig ist; die Barmherzigkeit hat niemals gefehlt und wird niemals demjenigen fehlen, der sie zu erlangen sucht. 95. Aus allen diesen Wahrheiten sollst du, meine Tochter, die heilsamen Lehren ziehen, die für dich passen. Die erste möge die sein, dass du die geringste heilige Einsprechung, welche dir zuteil wird, die geringste Warnung oder Lehre, welche du hörst, mit aller Aufmerksamkeit aufnehmest, käme sie auch vom geringsten Diener des Herrn oder von was immer für einem Geschöpfe. Du musst mit Ernst und Klugheit dafürhalten, es sei kein Zufall und geschehe nicht ohne göttliche Anordnung, dass dir diese Warnung zukomme; denn es ist ausser Zweifel, die göttliche Vorsehung hat bei allen ihren Anordnungen die Absicht, dir eine heilsame Lehre zu geben; du sollst daher alles mit Demut und Dankbarkeit aufnehmen und in deinem Herzen darüber nachdenken, um zu erkennen, zu welcher Tugend dich jener Mahnruf, den du erhalten hast, antreiben kann und soll, und diese Tugend sollst du dann nach bestem Wissen ins Werk setzen. Und sollte die Sache dir auch kleinlich erscheinen, verachte sie nicht, sondern tue sie; dieses gute Werk wird dich zu andern verdienstlicheren und tugendhafteren Werken vorbereiten. Zweitens beherzige wohl, welchen Schaden es der Seele bringt, wenn man so viele Gnaden, Einsprechungen, Zurufe und andere Wohltaten des Herrn verachtet. Denn die Undankbarkeit, deren man sich dadurch schuldig macht, rechtfertigt vollkommen die Strenge, womit der Allerhöchste es zulässt, dass viele Sünder sich verhärten. Wenn diese Gefahr aber für alle eine furchtbare ist, wie sehr wird sie es für dich sein, wenn du so überreichliche Gnaden und Gunstbezeigungen vereitelst, welche du von der Güte des Herrn vor tausend anderen empfangen hast? Und da mein heiligster Sohn mit solcher Sorgfalt alles für dein und der andern Seelen Bestes anordnet, so ist es endlich drittens mein Wille, dass du nach meinem Vorbilde, das ich dir gezeigt, in deinem Herzen die innigste Begierde erweckest, allen Kindern der heiligen Kirche und überhaupt allen anderen Menschen, so sehr du nur kannst, zu helfen. Rufe und flehe vom Grunde deines Herzens zu Gott, er möge alle Seelen mit den Augen seiner Barmherzigkeit anschauen und sie retten. Damit sie dieses Glück erreichen, biete dich an, für sie nötigenfalls auch zu leiden. Erinnere dich, wieviel sie meinen Sohn und deinen Bräutigam gekostet haben, der zu ihrer Erlösung sein Blut vergossen und sein Leben hingegeben hat; und sei auch eingedenk, wieviel ich in der heiligen Kirche gearbeitet habe. Verlange unablässig von der göttlichen Barmherzigkeit die Frucht dieser Erlösung: und damit du es nicht vergessest, so lege ich dir dies hiermit kraft jenes Gehorsames auf, welchen du mir schuldest. BUCH SIEBEN. LEHRE welche die grosse Königin der Engel, die seligste Jungfrau Maria, mir gegeben hat. Lehre: Liebe Mariä zu den Menschen. HI. Kommunion. 115. Meine Tochter, obwohl du im gegenwärtigen Leben nie das Geheimnis der Liebe wirst durchdringen können, die ich zu den Menschen hegte und noch fortwährend hege, will ich zu dem, was du hierüber schon gehört, behufs deines fernern Unterrichtes dich aufs neue aufmerksam machen, dass der Allerhöchste, als er mir im Himmel den Titel einer Mutter und Lehrmeisterin der heiligen Kirche verlieh, mir eine unaussprechliche Teilnahme an seiner unendlichen Liebe und Barmherzigkeit gegen die Kinder Adams geschenkt hat' Und da ich ein blosses Geschöpf, die verliehene Gnade aber eine unermessliche war, so würde ich infolge der mächtigen Einwirkung derselben oftmals das natürliche Leben verloren haben, wenn nicht die göttliche Macht es mir durch ein Wunder erhalten hätte. Eine ganz ähnliche Wirkung brachte in mir oft die Freude hervor, welche ich fühlte, wenn einzelne Seelen in die Kirche und später in die Glorie eingingen. Nur ich war imstande, die Grösse eines solchen Glückes vollkommen zu erkennen und zu würdigen. Und in dem Masse, als ich sie erkannte, dankte ich Gott dafür mit glühendem Eifer und tiefer Verdemütigung. Besonders überwältigend ergriff mich die Liebe zu den Menschen, wenn ich um Bekehrung der Sünder betete, und wenn einer der Gläubigen verloren ging. Bei diesen und andern Gelegenheiten litt ich unter der Freude und dem Schmerze weit mehr als die Martyrer in allen ihren Qualen. Denn ich bemühte mich für jede einzelne Seele mit einer unaussprechlichen und übernatürlichen Kraftanstrengung. Soviel also verdanken mir die Kinder Adams, denn, wie gesagt, ich habe oft und oft mein Leben für sie dargebracht; und wenn ich jetzt nicht mehr in der Lage bin, es darbringen zu können, so ist die Liebe, womit ich um ihr ewiges Heil bitte, jetzt nicht geringer, sondern noch höher und vollkommener. 116. War nun aber die Kraft meiner Liebe zu Gott selbst in bezug auf den Nächsten so gross, so magst du daraus erkennen, wie gross die Inbrunst dieser meiner Liebe gegen den Herrn selbst gewesen sein muss, da ich ihn im heiligsten Sakramente in mich aufnahm. In dieser Beziehung teile ich dir ein Geheimnis mit, das mir begegnete, als ich zum erstenmal aus der Hand des heiligen Petrus kommunizierte. Bei dieser Gelegenheit gab nämlich Gott der Allerhöchste meiner Liebe eine solche Heftigkeit, dass mein Herz sich buchstäblich öffnete und sich, wie es mein Verlangen war, meinem allerheiligsten Sohne im Sakramente gänzlich hingab, auf dass er darin throne wie ein König auf seinem rechtmässigen Throne. Hieraus, meine Vielgeliebte, magst du erkennen, dass, wenn ich in der Glorie, deren ich jetzt geniesse, des Schmerzes fähig wäre, eine der grössten Ursachen dazu für mich die entsetzliche Gleichgültigkeit und Vermessenheit wäre, womit die Menschen den hochheiligen Fronleichnam meines göttlichen Sohnes zu empfangen wagen: die einen voll Unreinigkeit und Sündengreuel, die andern ohne Verehrung und heilige Scheu, fast alle ohne Aufmerksamkeit, ohne Erwägung und Beherzigung dessen, was dieser Bissen in sich und für sie ist, dass er nämlich nichts Geringeres ist als Gott selbst, und für sie der Keim entweder des ewigen Lebens oder des ewigen Todes. 117. Fürchte also, meine Tochter, die Gefahr einer solchen Vermessenheit; beweine sie für so viele Kinder der Kirche, die sie begehen und nicht beweinen; bitte den Herrn um Abhilfe, und was dich betrifft, benütze diese Lehre, die ich dir erteile, um dich einer immer tieferen Erkenntnis dieses Sakramentes der Liebe würdig zu machen. Wenn du dich anschickst, dasselbe zu empfangen, so entferne aus deinem Geiste alle Bilder und Vorstellungen von Dingen dieser Erde und denke an nichts anderes als daran, dass du Gott selbst empfangen willst, den Unendlichen und Unerforschlichen. Spanne alle deine Kraft an, um ihm die grösstmögliche Liebe, Demut und Dankbarkeit zu bezeigen; denn bei alledem wirst du immer noch hinter dem zurückbleiben, was du dem Herrn schuldest, und was ein so verehrungswürdiges Geheimnis verdient. Damit du dich besser vorbereitest, so nimm dir zum Muster und Spiegel, was ich beim Empfange der heiligen Kommunion getan habe; namentlich ahme dabei mein Inneres nach, wie du schon tust bei den drei Fussfällen, die du beim Eintritt in den Chor verrichtest, und die ich billige. Ich billige auch den vierten, den du hinzugefügt hast, um im heiligsten Sakramente jenen Teil von Fleisch und Blut als gegenwärtig zu verehren, welchen mein allerheiligster Sohn von meinem Blute annahm, und der durch meine Milch zunahm und wuchs6. Setze diese Andacht immerhin fort; denn es ist die Wahrheit, dass in dem konsekrierten Leibe ein Teil meines Blutes und Wesens zugegen ist, wie du es erkannt hast. Bei der Liebe, die du zu meinem Sohne hast, würde es dich gewiss im höchsten Grade schmerzen, das heiligste Fleisch und Blut Christi auf die Erde geworfen und von jemand aus Verachtung mit Füssen getreten zu sehen. In gleicher Weise sollst auch du Trauer und Schmerz empfinden bei dem Gedanken, dass ihn so viele Kinder der Kirche ohne Ehrfurcht, ja ohne alle Rücksicht behandeln. Weine also über ein solches Unheil, weine, weil es so wenige sind, die darüber weinen; weine, weil so viele die Absicht vereiteln, die mein allerheiligster Sohn mit unermesslicher Liebe zu erreichen sucht. Und damit du um so mehr weinest, so tue ich dir zu wissen, dass, so zahlreich in der neugegründeten Kirche diejenigen waren, welche selig wurden, so zahlreich jetzt die sind, welche zugrunde gehen. Ich sage dir nicht, was in dieser Hinsicht Tag für Tag geschieht; denn wenn du es wüsstest und eine wahre Liebe hättest, so würdest du vor Schmerz sterben. Dieses Unheil kommt aber daher, weil die Kinder des Glaubens der Finsternis nachgehen, die Eitelkeit lieben, nach Reichtümern begehren und fast alle die sinnlichen und trügerischen Vergnügungen suchen; denn dadurch wird der Verstand so verblendet und umnachtet, dass er das Licht nicht mehr erkennt, zwischen Böse und Gut nicht mehr unterscheidet und die Lehre des Evangeliums nicht mehr zu fassen vermag. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel, die seligste Jungfrau Maria, gegeben hat. Lehre: Vorbereitung zur heiligen Kommunion 132. Meine Tochter, aus allem, was ich dir bis zu dieser Stunde über mein Leben und Wirken geoffenbart habe, erkennst du wohl, dass du in mir allein unter allen blossen Geschöpfen das Muster und Vorbild jener höheren Heiligkeit und Vollkommenheit finden kannst, nach welcher du Verlangen trägst. Soeben aber hast du die höchste Tugendstufe erwähnt, welche ich im sterblichen Leben erstiegen habe. Nach Empfang dieser Wohltat bist du noch viel mehr als bisher verpflichtet, dein Verlangen nach Tugend zu verdoppeln und mit dem Aufgebote aller deiner Fähigkeiten das, was ich dich lehre, vollkommen nachzuahmen. Es ist Zeit, meine geliebte Tochter, dass du dich endlich, wie Recht und Pflicht es erfordern, ganz meinem Willen hingibst, um zu erfüllen, was ich von dir fordere. Damit du dich zur Erlangung dieses Gutes um so mehr aneifern mögest, so höre, was ich dir nun sagen werde. Es betrifft diejenigen, welche meinen allerheiligsten Sohn in der heiligen Kommunion mit Ehrfurcht und Eifer empfangen, nachdem sie sich nach Kräften vorbereitet haben, um ihn mit einem wohlgereinigten Herzen und mit Eifer in sich aufzunehmen. In diesen Seelen bleibt der Sohn Gottes, wenn auch nicht unter den sakramentalen Gestalten, denn diese vergehen, so doch durch eine ganz besondere Art von Gnade, durch welche er, gleichsam zum Dank für die ihm gewährte Gastfreundschaft, ihnen beisteht, sie bereichert und seiner Leitung würdigt. Es gibt aber nur wenige Seelen, welche diese Gunst erlangen, weil die meisten sie nicht schätzen, noch suchen, sondern das Allerheiligste ohne jene Vorbereitung, gedankenlos, gewohnheitsmässig und ohne jene Ehrerbietung und heilige Furcht empfangen, welche dieses Sakrament ihnen einflössen sollte. Was dich betrifft, die du nun diese verborgene Gnade kennst, so will ich, dass du, weil du aus Gehorsam gegen deinen Obern täglich kommunizierst, auch täglich dich würdig vorbereitest, um dieser so grossen Gunstbezeigung nicht beraubt zu werden. 133. Zu diesem Behufe musst du vor Augen haben, was du über mein Verhalten in diesem Punkte vernommen hast. Nach diesem Vorbilde musst du deine frommen Begierden, deinen Eifer, deine Ehrfurcht, deine Liebe, kurz alles regeln, was du zu tun hast, um dein Herz zu einem würdigen Tempel und Palaste für deinen göttlichen Bräutigam und höchsten König zu bereiten. Trage also Sorge, dich vor, wie nach der Kommunion ernstlich in deinem Innern zu sammeln; gedenke der Treue, welche du als Braut ihm schuldest, und besonders vergiss nicht, deinen Augen einen Zügel und allen deinen Sinnen eine Umzäunung anzulegen, auf dass kein unheiliges und fremdartiges Bild in den Tempel des Herrn eindringe. Bewahre dich unversehrt, rein und lauter von Herzen; denn in ein Herz, das von irgend etwas Geschaffenem befleckt oder eingenommen ist, kann die Fülle der göttlichen Erleuchtung und Weisheit nicht eingehen'?. Alles dieses wirst du mit Hilfe des Lichtes einsehen, das Gott dir gegeben hat, wenn du mit einer durchaus geraden und reinen Absicht deine ganze Aufmerksamkeit auf dasselbe richtest. Und da du den Verkehr mit den Geschöpfen nicht ganz vermeiden kannst, so sollst du eine grosse Herrschaft über deine Sinne üben; du darfst ihnen nicht gestatten, dir Bilder irgend welcher sichtbaren Sache zuzuführen, ausser sie könnten dir helfen, jene hohe und reine Tugend zu üben, welche von dir gefordert wird. Trenne, so wie ich getan habe, das Kostbare von dem Gemeinen und die Wahrheit von der Lüge; und damit du mich hierin auf vollkommene Weise nachahmest, so will ich, dass du von nun an lernest, mit welcher Umsicht du alle Dinge, grosse wie kleine, verrichten musst, um nicht deren Frucht zu verlieren, indem du die Ordnung der Vernunft und des göttlichen Lichtes umkehrst. 134. Betrachte mit Aufmerksamkeit die so allgemeine Täuschung der Menschen und den unersetzlichen Schaden, den sie sich alle Tage selbst zufügen, indem sie bei den Entschliessungen ihres Willens sich gewöhnlich nur durch dasjenige bestimmen lassen, was sie von den verschiedenen sich darbietenden Gegenständen durch die Sinne wahrnehmen, und hierauf hin sogleich und ohne weitere Überlegung und Beratung die Wahl für ihr Tun und Lassen treffen. Denn da die Binnenfälligen Dinge sofort die Leidenschaften und Neigungen des niederen Teils der Seele in Bewegung setzen, so ist die notwendige Folge davon, dass ihre Werke nicht nach dem gesunden Urteile der Vernunft, sondern unter dem mächtigen Einflusse der durch die Sinne und ihre Objekte erregten Leidenschaften verrichtet werden. So ist derjenige sogleich zur Rache entschlossen, der bei einer empfangenen Unbill nur an den Schmerz denkt, welchen sie verursacht. Ein anderer ist sofort bereit, eine Ungerechtigkeit zu begehen, weil er seinem Verlangen nach fremdem Eigentum folgt, das ihm ins Auge fällt. Auf diese Weise handeln so viele Unglückselige, welche der Begierlichkeit der Augen, der Begierlichkeit des Fleisches und der Hoffart des Lebens nachgehen, dieser dreifachen Lockspeise, welche Welt und Satan ihnen darbieten und ausser welchen dieselben nichts zu bieten haben. Durch diese Unbesonnenheit und Täuschung halten sie die Finsternis für Licht, das Bittere für süss, das tödliche Gift für ein Heilmittel ihrer Leidenschaften und die blinde Unwissenheit für Weisheit, weil ihre Weisheit die irdische und teuflische ist". Du also, meine Tochter, hüte dich vor diesem verderblichen Irrtum und entscheide in keiner Sache nach dem, was in die Sinne fällt, und nach den Annehmlichkeiten, welche sich dir durch die Sinne vorstellen. Berate dich über das, was du zu tun hast, vor allem mit der inneren Erkenntnis und Erleuchtung, welche Gott dir mitgeteilt hat, damit du nicht blindlings handeln mögest, und welche er dir zu diesem Zwecke immer geben wird. Sodann wende dich um Rat an deinen Obern und Seelenführer, wenn du hierzu Zeit hast, bevor du dich über ein Unternehmen entschliessen musst. Ist dein Oberer abwesend, so berate dich mit einer anderen Person, wäre es auch eine Untergebene; denn dies ist immerhin sicherer, als nach seinem eigenen Urteil zu handeln, welches die Leidenschaften so leicht verwirren und verdunkeln können. Diese Verhaltensregel sollst du in allem befolgen, was du tun wirst, besonders in deinen äusseren Handlungen, indem du da stets mit Klugheit, Verschwiegenheit und Berücksichtigung dessen vorgehst, was die Umstände und die Bedürfnisse des Nächsten an die Hand geben. Unter allen Verhältnissen aber, welcher Art sie auch sein mögen, ist das Notwendigste, auf diesem tiefen Meere des Verkehrs mit den Geschöpfen, welches nur mit steter Gefahr des Untergangs befahren wird, den Leitstern des inneren Lichtes nie aus den Augen zu verlieren. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel, die seligste Jungfrau Maria, gegeben hat. 152. Meine Tochter, in dem, was du gehört und in diesem Hauptstücke niedergeschrieben hast, findest du viele und wichtige Lehren für dein Heil und für dasjenige aller Kinder der heiligen Kirche. Zuerst ist wohl zu beherzigen, mit welcher Sorge ich für das ewige Wohl aller Gläubigen wachte, ohne irgend eine ihrer Nöten und Gefahren zu übersehen oder zu vergessen. Ich lehrte sie die Wahrheit erkennen, betete unablässig für sie, ermutigte sie in ihren Beschwerden, drängte den Allerhöchsten, ihnen beizustehen, und besonders verteidigte ich sie gegen die Teufel und deren Arglist, Wut und Raserei. Alle diese Wohltaten spende ich noch jetzt vom Himmel aus. Wenn aber nicht alle dieselben erfahren, so geschieht dies nicht, als wäre ich meinerseits nicht für sie besorgt, sondern weil es nur wenige Gläubige gibt, die mich von ganzem Herzen anrufen, und die sich in den Stand setzen, die Frucht meiner mütterlichen Liebe zu verdienen und zu empfangen. Ich würde alle gegen den Drachen verteidigen, wenn alle mich anriefen und die gefährlichen Nachstellungen fürchteten, womit er sie umgibt, um sie in die ewige Verdammnis zu stürzen. Damit die Menschen aus diesem so gefährlichen Zustande sich aufraffen, gebe ich ihnen diese neue Warnung: Ich sage dir für gewiss, meine Tochter, dass diejenigen, die sich zugrunde richten, nachdem mein heiligster Sohn für sie gestorben ist, und nach den Gnaden und Wohltaten, die er auf meine Fürbitte der Welt erwiesen hat, schwerere Peinen in der Hölle leiden als diejenigen, die zugrunde gingen, bevor er in die Welt gekommen, und bevor ich mich in der Welt befand. Desgleichen werden diejenigen, welche nun diese Geheimnisse zwar hören, aber sie zu ihrem Verderben verachten, grössere und vielfältigere Strafen zu erdulden haben. 153. Auch sollen die Menschen wohl bedenken, welchen Wert sie auf ihre Seelen legen müssen, für die ich so vieles getan habe und täglich tue, seit mein heiligster Sohn sie durch sein Leiden und Sterben erlöst hat. Die Heilsvergessenheit der Menschen ist im höchsten Grade tadelnswürdig und verdient die furchtbarste Züchtigung. Denn welchen vernünftigen Grund kann ein Mensch, der den Glauben besitzt, wohl haben, um soviel für Erhaschung einer vergänglichen Sinnenfreude zu tun, die oft nur einige Augenblicke, jedenfalls aber nicht länger als das Leben dauert, und für seine Seele, die ewig leben wird, nicht mehr Achtung zu hegen, nicht mehr zu tun, als wie wenn auch sie mit den sichtbaren Dingen endete? Und sie bedenken nicht, dass, wenn alles Vergängliche vergangen ist, alsdann die Seele anfängt entweder zu leiden oder zu geniessen, was ewig dauern und nie ein Ende nehmen wird. Indem du diese Wahrheit und die Verkehrtheit der Menschen einsiehst. so wundere dich nicht, dass der höllische Drache heutzutage so mächtig über die Menschen ist. In einem beständigen Kampfe wird der Sieger stets in dem Masse stärker, als der Besiegte an Kräften verliert. Dies bewahrheitet sich besonders in dem erbitterten und unablässigen Streit, den die Christen gegen die bösen Geister zu bestehen haben. Denn wenn die Seelen den Satan besiegen, so schöpfen sie aus ihrem Siege neue Kräfte, und Satan verliert an Gewalt, sowie es geschah, da mein Sohn ihn besiegte und ich ihm infolge davon den Kopf zertrat. Wenn aber diese Schlange sich als Siegerin über die Menschen erblickt, alsdann erhebt sie mit Stolz ihr Haupt, zieht aus der Schwäche ihrer Gegner allen möglichen Vorteil, erhält neuen Mut und gewinnt über sie nur um so grössere Herrschaft. So steht es heutzutage mit Luzifer in der Welt, und dies aus dem einzigen Grunde, weil die Liebhaber der Eitelkeit sich ihm freiwillig unterworfen haben und ihm unter seiner Fahne und um seiner trügerischen Verheissungen willen folgen. Dieser unheilvollen Verblendung ist es zuzuschreiben, dass die Hölle ihren Rachen so weit aufgetan hat; denn je mehr Seelen der Satan verschlingt, desto unersättlicher wird sein Hunger und desto heftiger seine Gier, das ganze Menschengeschlecht in die Abgründe der Hölle zu begraben. 154. Fürchte also, meine geliebte Tochter, fürchte diese Gefahr in dem Masse, als du sie erkennst, und lebe in beständiger Sorge, den Betrügereien dieses grausamen Feindes keinen Zugang in dein Herz zu geben. Zur Warnung hast du das Beispiel von Ananias und Saphira, in welchen Satan den Hang zum Geld erkannte und sogleich zu einer Bresche ausbildete, um in ihre Seelen einzudringen. Es ist mein Wille, dass du nichts von den Gütern dieses Lebens verlangest. Du musst alle Neigungen und Leidenschaften der schwachen Natur dergestalt in dir zurückdrängen und ausrotten, dass selbst die bösen Geister trotz all ihrer Schlauheit nicht die mindeste ungeordnete Regung von Stolz, Habsucht, Eitelkeit, Zorn oder irgend einer anderen Leidenschaft in dir entdecken. Hierin besteht die Wissenschaft der Heiligen, ohne welche niemand mit Sicherheit im sterblichen Fleische leben kann; dass man sie nicht kennt, das ist der Grund, warum zahllose Seelen verloren gehen. Lerne du mit grossem Fleisse diese Wissenschaft und lehre sie deine Ordensfrauen, damit eine jede für sich selbst eine unermüdete Schildwache sei. Auf diese Weise werden sie im Frieden, in wahrer, ungeheuchelter Liebe leben. Jede für sich und alle zusammen, geeint in der Ruhe des Heiligen Gei stes und gestärkt durch die Übung aller Tugenden, werden sie für ihre Feinde eine uneinnehmbare Festung bilden. Erinnere dich und erinnere auch deine Klosterfrauen an die Bestrafung des Ananias und der Saphira; ermahne sie auch, recht getreu zu sein in Beobachtung ihrer Regeln und Konstitutionen; denn dadurch werden sie sich meines Schutzes und meiner ganz besonderen Fürsprache teilhaftig machen. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gegeben hat. 177. Meine Tochter, da du in diesem Hauptstücke mehrere Einzelheiten über den bitteren Schmerz vernommen hast, mit welchem ich den Seelenverlust anderer beweinte, so siehst du aufs neue, was du für dein ewiges Seelenheil und für das Seelenheil deiner Mitmenschen tun sollst, um mich in jener Vollkommenheit nachzuahmen, welche ich von dir verlange. Ich würde mich keines Leidens, selbst des Sterbens nicht geweigert haben, wenn es notwendig gewesen wäre, um den Untergang auch nur einer einzigen Seele zu verhindern. Ja es würde für meine brennende Liebe eine wahre Linderung gewesen sein, für einen so heiligen Zweck zu leiden oder zu sterben. Ist nun bei dir dieser Schmerz nicht stark genug, um dir den Tod zu geben, so musst du wenigstens bereit sein, zu diesem Behufe alles zu leiden, was der Herr dir auferlegen wird. Auch sollst du nicht unterlassen, aus allen deinen Kräften zu beten und dich zu bemühen, um deine Brüder womöglich auch vor der kleinsten Sünde zu bewahren. Wenn du dieses Ziel nicht sogleich erreichst und es dir scheint, als ob der Herr dich nicht erhöre, so sollst du darum das Vertrauen nicht verlieren, sondern es nur noch mehr beleben und im vertrauensvollen Gebete ausharren; ein so eifriges Bemühen kann Gott niemals missfällig sein; er verlangt ja weit mehr als du die Rettung aller seiner Erlösten. Solltest du nach allen deinen Anstrengungen nicht erhört werden, so wende die Mittel an, welche Klug heit und Liebe dir gebieten, und erneuere dein Gebet mit um so grösserer Inbrunst. Denn die Liebe für den Nächsten und der Eifer für Verhinderung der Sünde, die Gott so sehr beleidigt, gefallen ihm unter allen Umständen. "Er will nicht den Tod des Sünders'", und weit entfernt, den direkten und vorgefassten Willen zu haben, dass einige seiner Geschöpfe zugrunde gehen, will er vielmehr, wie du soeben geschrieben hast, alle retten, wenn nur sie selbst sich nicht zugrunde richten. Und obwohl seine Gerechtigkeit ihn zwingt, dies letztere wegen der Freiheit des menschlichen Willens zuzulassen, so lässt er dasselbe gegen seine Neigung zu. Daher sollst du auch bei solchen Gebeten nicht engherzig und zurückhaltend sein; jene Bitten aber, welche zeitliche Güter zum Gegenstande haben, stelle dem Herrn einfach vor und bitte ihn, er möge tun, was seinem heiligen Willen angemessen ist. 178. Wenn ich verlange, dass du für das Heil deiner Brüder mit solchem Liebeseifer wirkest, so urteile selbst, was du für deine eigene Seele tun und wie wert du sie halten sollst, da ja ein unendlicher Preis für sie bezahlt wurde. Höre daher die Mahnung, die ich dir als Mutter erteile: Wollen Versuchungen und Leidenschaften dich zu einem Fehler verleiten, wie gering er auch sei, so erinnere dich an die Tränen, mit welchen ich die Sünden der Menschen sah und sie zu verhindern verlangte. Gib nicht auch du mir zu solchen Tränen Anlass. Denn, meine vielgeliebte Tochter, wenn ich jetzt auch diesen Schmerz nicht mehr fühlen kann, so würdest du mich wenigstens einer ausserordentlichen Freude berauben, derjenigen nämlich, dich in meiner Schule vollkommen werden zu sehen, nachdem ich mich gewürdigt habe, deine Mutter und Meisterin zu sein, um dich als Tochter und Schülerin zu leiten. Würdest du hierin ungetreu sein, so würdest du einen meiner süssesten Herzenswünsche vereiteln. Ich wünsche nämlich sehnlich, dass du in allen deinen Werken meinem Sohne wohlgefällig seiest, und dass du ihn nicht hinderst, seinen heiligsten Willen an dir vollkommen zu verwirklichen. Erwäge bei dem eingegossenen Lichte, das du empfangen hast, wie gross deine Sünden wären, wenn du solche begehen würdest, nachdem du von dem Herrn und von mir mit so vielen Wohltaten überhäuft und so vielfältig verpflichtet worden bist. An Gefahren und Versuchungen wird es dir in der Zeit, die dir zu leben noch erübrigt, nicht fehlen. Erinnere dich nur immer meiner Lehren, meiner Schmerzen, meiner Tränen, und sei besonders eingedenk, was du meinem allerheiligsten Sohne schuldest. Er ist mit seinen Wohltaten und mit der Zuwendung der Früchte seines Blutes deshalb so freigebig gegen dich, weil er will, dass du dich durch Gegenliebe und Dankbarkeit erkenntlich zeigest. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. Buch sieben. LEHRE: Hochschätzung der göttlichen Geheimnisse 199. Meine Tochter, die göttlichen Geheimnisse machen auf den irdischen Sinn der Menschen auch nach der lebhaftesten Darstellung nur wenig Eindruck, solange dieser Sinn, der ohnehin mehr an die sichtbaren Dinge gewohnt ist, letzteren auch noch mit Absicht zugekehrt wird und das Innere nicht von den Finsternissen der Sünde befreit, rein und klar geworden ist. Der Mensch ist schon von Natur aus schwerfällig und wenig befähigt, sich zu hohen und himmlischen Dingen zu erheben. Hängt er sich nun bei dieser seiner so beschränkten Fähigkeit zur Tugend auch noch mit seinem ganzen Sinnen und Trachten an die Scheingüter der Welt, so kann die Folge keine andere sein, als dass er sich mehr und mehr von der Wahrheit entfernt, an die Finsternis gewöhnt und allmählich das Licht gar nicht mehr verträgt". Dieses ist der Grund, weshalb die irdischen und tierischen Menschen die Grosstaten des Allerhöchsten und die Werke, welche ich für sie getan und noch täglich für sie tue, so wenig beachten und schätzen. Sie treten die Perlen mit Füssen und unterscheiden nicht zwischen dem Brote der Kinder und der Nahrung unvernünftiger Tiere. Die himmlischen und göttlichen Dinge erscheinen ihnen geschmacklos und widerstreben ihrem Geschmacke, der durch die sinnlichen Genüsse ganz und gar verkehrt ist, und so sind sie unfähig, die übersinnlichen Dinge zu verstehen und die Wissenschaft des Lebens und das Brot der Erkenntnis zu kosten, welche darin enthalten sind. 200. Was dich betrifft, geliebte Tochter, so wollte der Herr dich in Gnaden vor dieser Gefahr bewahren. Er gab dir Erkenntnis und Licht und vervollkommnete dadurch deine Sinne und Geistesfähigkeiten, auf dass du, gehoben und gestärkt durch die göttliche Gnade, seine wunderbaren Werke, die ich dir offenbare, verstehest und gebührend achtest. Zwar kannst du dieselben, wie ich dir schon oft gesagt habe, in deinem sterblichen Leben nie ganz erkennen und vollständig würdigen; allein innerhalb der Grenzen deiner Fähigkeit kannst und sollst du von denselben einen hohen Begriff fassen und sie hochachten. Das fordert die Ausbildung deiner Erkenntnis, dies fordert auch die Nachahmung meines Tuns und Lebens, wozu ich dich, wie du weisst, berufen habe. Mein Leben war, selbst nachdem ich zum Himmel erhoben und zur Rechten meines allerheiligsten Sohnes gestellt worden, auf dieser Erde nichts anderes als ein Gewebe von Peinen und Trübsalen allerart. Erkenne daraus, dass, wenn du mir als deiner Mutter nachfolgen, meine Schülerin sein und wahrhaft glücklich werden willst, dein Leben geradeso beschaffen sein muss. Die unveränderliche Demut, Klugheit und Unparteilichkeit, womit ich die Apostel und die Gesamtheit der Gläubigen leitete, soll dir als Muster dienen, wie du deine Untergebenen mit Sanftmut, Mässigung, demütigem Ernst und besonders mit Unparteilichkeit regieren musst. Erleichtert wird dies, wenn die, welche andere leiten, von aufrichtiger Liebe und Demut beseelt sind. Würden sie bei ihrem Verhalten diese Tugenden sich zur Richtschnur nehmen, dann würden sie weder herrisch im Befehlen, noch unordentlich eingenommen von ihrer eigenen Meinung sein, noch würden sie die Ordnung der Gerechtigkeit umkehren, wie es heutzutage zum grössten Schaden in der ganzen Christenheit geschieht. Denn nachgerade mischten sich Stolz, Eitelkeit, Interesse, Eigenliebe und Rücksichten auf Fleisch und Blut in beinahe alle Handlungen derjenigen, welche regieren, so dass alles in die Irre geht und alle Staatswesen mit grauenvollen Ungerechtigkeiten und Unordnungen erfüllt sind. 201. Mein brennender Eifer für die Ehre meines Sohnes und wahren Gottes, für die Predigt und Verteidigung seines heiligsten Namens; die Freude, die ich fühlte, wenn in dieser Hinsicht die Absichten Gottes verwirklicht, die Seelen gewonnen wurden und die Kirche sich ausbreitete, wie mein Sohn durch sein Leiden und Sterben bezweckt hatte; die Gnaden, welche ich dem glorreichen Martyrer Stephanus erwirkte, weil er als der erste für diese heiligen Zwecke sein Leben hingab: alle diese Dinge, meine Tochter, müssen für dich ebensoviele Beweggründe sein, den Allerhöchsten für so göttliche und aller Verehrung und Verherrlichung würdige Werke zu loben, mich aber nachzuahmen und Gottes unermesslicher Güte für die Weisheit zu danken, welche sie mir verliehen hat, um in allem mit einer vollendeten Heiligkeit und in steter Übereinstimmung mit seinem heiligsten Willen zu handeln. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. 219. Meine Tochter, zu deiner ferneren Belehrung und zu deinem Trost will ich dir über das, was du in vorstehendem Hauptstück niedergeschrieben hast, noch einige Geheimnisse hinsichtlich meines Wirkens offenbaren. Wisse, dass, nachdem die Apostel das Glaubensbekenntnis verfasst hatten, ich es täglich oftmals auf den Knien und mit tiefster Ehrfurcht gebetet habe. Beim Aussprechen des Artikels: "Geboren aus Maria, der Jungfrau" warf ich mich mit soviel Demut, Dankbarkeit und Preis des Allerhöchsten zur Erde, dass kein Geschöpf imstande ist, es zu begreifen. Indem ich diese Akte machte, gedachte ich an alle Menschen und opferte sie in deren Namen auf, um die Unehrerbietigkeit zu sühnen, womit sie diese verehrungswürdigen Worte aussprechen. Auf mein Ansuchen geschah es, dass Gott der heiligen Kirche eingab, so oft im göttlichen Offizium das Credo, das Paternoster und das Ave Maria zu sprechen. Durch meine Vermittlung geschah es auch, dass in den geistlichen Orden die Gewohnheit eingeführt wurde, sich während dieser Gebete öfters zu verneigen, und der Gebrauch, dass alle Gläubigen sich bei den Worten des Credo: "Und er ist Fleisch geworden - et incarnatus est" - auf die Knie werfen. Denn auf diese Weise bezahlt die Kirche wenigstens teilweise, was sie dem Herrn dafür schuldet, dass er ihr diese Erkenntnis verliehen, und dankt ihm wenigstens in etwas für die verehrungswürdigen Geheimnisse, die er für uns gewirkt, und die das Symbolum uns lehrt. 220. Meine Engel pflegten mir auch oftmals das Credo mit so himmlischer Harmonie und Lieblichkeit zu singen, dass mein Geist darob im Herrn frohlockte. Andere Male sangen sie mir das Ave Maria bis zu den Worten: "Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus." Beim Aussprechen des allerheiligsten Namens Jesus und des Namens Maria machten sie eine sehr tiefe Verneigung. Dadurch erweckten sie in mir nur um so mehr die Gefühle der Demut und der Liebe, und ich erniedrigte mich dabei jedesmal bis zum Staube, indem ich die Grösse des göttlichen Wesens und die Geringfügigkeit und das Irdische des meinigen anerkannte. Meine Tochter, sei denn auch du tief von der Verehrung durchdrungen, mit weicher du das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und das Gegrüsst seist du, Maria aussprechen sollst, und hüte dich wohl, in die plumpe Unehrerbietigkeit zu verfallen, deren sich viele Gläubigen hierin schuldig machen. Das oftmalige Wiederholen dieser Gebete und dieser göttlichen Worte in der Kirche kann kein Grund sein, die Ehrfurcht ausser acht zu lassen, welche man denselben schuldet. Allein woher kommt diese vermessene Nachlässigkeit? Sie kommt daher, weil man diese Gebete nur mit den Lippen ausspricht, ohne ernstlich zu bedenken, was sie besagen und enthalten. Was daher dich, meine Tochter, betrifft, so will ich, dass du diese Gebete zum beständigen Gegenstand deiner Betrachtung machest. Zu diesem Zwecke hat dir auch der Herr jene Vorliebe für den christlichen Unterricht gegeben, welche du fühlst. Es gefällt mir und meinem Sohne sehr, dass du einen Abriss der Glaubenswahrheiten beständig bei dir trägst und denselben oftmals zu lesen gewohnt bist. Ich gebe dir hiermit den Befehl, dass du dies von heute an täglich tuest. Rate auch deinen Untergebenen, ein gleiches zu tun. Ein solches Buch ist ein Juwel, der die Bräute Christi ziert, und alle Gläubigen sollten denselben tragen. 221. Eine weitere Lehre für dich liegt in der Sorgfalt, die ich trug, das Glaubensbekenntnis, sobald dies in der Kirche nötig wurde, auch niederschreiben zu lassen. Es ist eine sehr tadelnswerte Trägheit, wenn man zwar weiss, was die Ehre und der Dienst Gottes sowie das eigene Seelenheil erfordert, es aber nicht sogleich ins Werk setzt oder nicht wenigstens allen Fleiss anwendet, in Ausübung zu bringen. Dies ist für die Menschen um so schmachvoller, da sie, wenn ihnen eine zeitliche Sache abgeht, sogleich voll Unruhe sind und sogleich den Herrn bitten, ihnen dieselbe zu gewähren, wie z.B. die Genesung von einer Krankheit oder die Früchte des Feldes oder andere, noch weniger notwendige, ja oft überflüssige und gefährliche Dinge; und dies eben zu der Zeit, da sie in bezug auf viele Verpflichtungen, die sie offenbar als den Willen oder das Wohlgefallen Gottes erkennen müssen, sich harthörig stellen oder gar mit einer für Gott beleidigenden Sorglosigkeit die Ausführung auf ein ungewisses "Späterhin" verschieben. Hüte dich ja, meine Tochter, in diese Unordnung zu verfallen. Bedenke, wie sehr ich mich bemühte, alles zu tun, was für die Kinder der Kirche notwendig war, und trachte nach meinem Vorbild, in allem, was du als den Willen Gottes und entweder für dein eigenes Heil, oder für das des Nächsten als notwendig erkennst, eine gewissenhafte Pünktlichkeit zu beobachten. BUCH SIEBEN. LEHRE welche die grosse Königin mir gegeben hat. Lehre: Klageruf über die Nachlässigkeit der Seelenhirten 240. Meine Tochter, die Lehre, welche ich dir zu diesem Hauptstück gebe, besteht darin, dass ich dich ermahne und dir befehle, mit tiefen Seufzern, mit blutigen Zähren, falls sie dir zu Gebote stehen, und in der Bitterkeit deiner Seele darüber zu weinen, dass die heilige Kirche zu gegenwärtiger Zeit in so ganz anderem Zustande sich befindet, als sie sich bei ihrem Beginn befunden hat. 0 wie ist doch verdunkelt das reinste Gold der Heiligkeit, wie ist verändert die gesunde Farbe!" Die alte Schönheit, in welcher die Apostel die Kirche gegründet haben, ist verloren, und dafür sucht man nun unechte Farben und trügerische Schminke, um die Hässlichkeit und Schmach der Laster, welche sie in unseliger Weise entstellen und mit furchtbarem Greuel erfüllen, zu bedecken. Willst du diese Wahrheit in ihrer ersten Ursache und in ihrem tiefsten Grunde erkennen, so musst du dich an das erinnern, was dir früher schon im himmlischen Lichte gezeigt worden ist, nämlich an den gewaltigen Drang, mit welchem die Gottheit ihre Güte und Vollkommenheiten den Geschöpfen mitzuteilen geneigt ist. So heftig ist der Drang des höchsten Gutes, sich in die Seelen zu ergiessen, dass bloss der menschliche Wille, welcher vermöge der ihm verliehenen Wahlfreiheit den Strom der Gottheit aufnehmen sollte, ihn aufzuhalten imstande ist. Und wenn der Mensch vermöge seines freien Willens dem Drange und den Gnadeneinflüssen der unendlichen Güte widersteht, so tut er, menschlich gesprochen, der unendlichen Güte Gottes und seiner freigebigsten Liebe gleichsam Gewalt an und betrübt sie. Würden dagegen die Geschöpfe die unendliche Güte Gottes nicht aufhalten, würden sie dieselbe in ihrer ganzen Kraft wirken lassen, dann würde der Strom der Gottheit sich in alle Seelen ergiessen und dieselben in höchster Fülle teilhaftig machen der Natur und der Vollkommenheiten Gottes". Der Herr würde erheben aus dem Staube die Gefallenen und bereichern die armen Kinder Adams; er würde aus ihrem Elende sie erlösen und sie setzen neben die Fürsten seines himmlischen Reiches". 241. Hieraus wirst du, meine Tochter, zwei Dinge lernen, welche der menschlichen Weisheit verborgen sind. Fürs erste wirst du einsehen, welch grosses Wohlgefallen und welch grosse Freude dem höchsten Gut jene Seelen bereiten, welche, mit glühendem Eifer für Gottes Ehre beseelt, durch ihre Anstrengungen und ihre Wachsamkeit ihm gleichsam helfen, aus anderen Seelen die Hindernisse zu beseitigen, die sie durch ihre Sünden dem Wirken Gottes entgegengesetzt haben; denn diese Sünden sind es, welche den Herrn hindern, die Seelen zu rechtfertigen und ihnen die zahllosen Güter mitzuteilen, wie sie dieselben von der unermesslichen Güte Gottes zu empfangen fähig sind, und wie der Allerhöchste sie ihnen verleihen will. Das Wohlgefallen, das Gott empfindet, wenn man ihm in diesem Werke hilft, ist so gross, dass es in diesem sterblichen Leben nicht begriffen werden kann. Aus diesem Grunde ist es etwas so Grosses und Erhabenes um den Dienst der Apostel, der Bischöfe, der Priester und aller Verkündiger des göttlichen Wortes, welche vermöge ihres Amtes die Nachfolger der Gründer der Kirche sind und durch ihre Bemühen zur Erweiterung und Erhaltung der Kirche beitragen: sie alle müssen ja Mitarbeiter und Werkzeuge der unermesslichen Liebe sein, welche Gott zu den Seelen trägt, zu den Seelen, die er erschaffen hat, damit sie seiner Gottheit teilhaftig werden. Das zweite, was du beherzigen sollst, ist die Grösse und der Überreichtum der Gaben und Gnaden, welche Gottes unbegrenzte Macht jenen Seelen mitteilen wird, welche seiner Macht kein Hindernis entgegensetzen. Diese Wahrheit offenbarte der Herr schon im Beginne seiner heiligen Kirche, indem er den Gläubigen, welche in dieselbe eintraten, sich in so vielen Wundern zu erkennen gab, seinen Heiligen Geist so oft sichtbar auf dieselben herabkommen liess, denselben die Macht verlieh, mit Hilfe des Credo z.B. selbst Wunder zu wirken, nebst vielen anderen Wohltaten, die sie aus der Hand des Allerhöchsten empfingen. 242. Am meisten erglänzte die Güte und Allmacht Gottes in den Aposteln und Jüngern. Der Grund war, weil sie dem ewigen und heiligen Willen Gottes keine Hindernisse entgegensetzten: sie waren in der Tat Werkzeuge und Gehilfen der göttlichen Liebe, sie waren echte Nachahmer Jesu Christi und folgten seiner Wahrheit. Dies war der Grund, warum sie zu einer so erhabenen Teilnahme an den Vollkommenheiten Gottes gelangten, besonders an seiner Wissenschaft, Heiligkeit und Macht, und warum sie zu ihreni eigenen Frommen, sowie zum Heile fremder Seelen Wunder wirkten, welche die Sterblichen nie genugsam preisen können. Von den Aposteln an wurde diese göttliche Weisheit mit ihren Wirkungen auf andere Söhne der Kirche von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt und übertragen. Ich will hier nicht von den unzähligen Märtyrern sprechen, welche Blut und Leben für den heiligen Glauben hingeopfert haben. Aber betrachte die Stifter der geistlichen Orden, die grossen Heiligen, welche in diesen letzteren geblüht, die Kirchenlehrer, Bischöfe, Prälaten und apostolischen Männer, in welchen Gottes Güte und Allmacht sich deutlich geoffenbart haben! Es können sich daher die übrigen Priester und Seelenhirten und überhaupt alle Gläubigen nicht entschuldigen, wenn Gott in ihnen die Wunder und Gnaden nicht wirkt, die er in den ersten Gläubigen gewirkt hat und die er fortwährend noch wirkt in allen, welche er hiezu tauglich findet! 243. Damit die Beschämung aller unwürdigen Diener der heiligen Kirche, welche heutigen Tages leben, um so grösser sei, so höre: Als der Allerhöchste den ewigen Ratschluss fasste, seine unendlichen Gnadenschätze den Seelen mitzuteilen, hat er eben diese Gnaden an erster Stelle und unmittelbar den Kirchenvorstehern, Priestern, Predigern und allen Verwaltern des göttlichen Wortes zuzuwenden gedacht. Denn es war sein Wille, dass sie alle, soweit es von ihm abhänge, an Heiligkeit und Vollkommenheit mehr Engeln als Menschen gleichen sollten: Er wollte, dass sie vor allen anderen Erdenpilgern zahlreicher Vorrechte und Auszeichnungen der Natur und Gnade sich erfreuten, damit sie, gestärkt durch so ausserordentliche Gnaden, taugliche Diener des Allerhöchsten würden, was sicher geschähe, wenn sie die Ordnung der unendlichen Weisheit Gottes nicht verkehren, sondern der Würde, zu welcher sie aus allen anderen berufen und auserwählt sind, entsprechen wollten. Diese unermessliche Güte Gottes ist aber heutzutage dieselbe wie in den Anfangszeiten der Kirche; der Drang des höchsten Gutes, die Seelen zu bereichern, hat sich nicht verändert: er kann sich gar nicht verändern; die Freigebigkeit und Güte Gottes hat nicht abgenommen; die Liebe, die er zu seiner Kirche trägt, ist allezeit unendlich gross; er, die Barmherzigkeit selbst, hat sein Auge dahin gerichtet, wo Elend ist, und solches gibt es heutzutage in massloser Fülle; das Geschrei der Schäflein Christi ertönt so laut, als es nur möglich ist; der Prälaten, Priester und Kirchendiener gibt es so viele, wie nie zuvor. Wenn nun all dies sich so verhält, wem ist dann der Untergang so vieler Seelen und der jammervolle Zustand des christlichen Volkes zuzuschreiben? Wem ist es dann zuzuschreiben, dass die Ungläubigen heutigen Tages sich nicht der heiligen Kirche anschliessen, sondern sie bedrücken und mit Trauer erfüllen? Wie kommt es, dass die Prälaten und Diener der Kirche nicht mehr im Glanze der Heiligkeit dastehen, und dass Jesus Christus nicht mehr in ihnen verherrlicht. wird, wie dies in den vergangenen Jahrhunderten, zumal in den ersten Zeiten der Kirche der Fall war? 244. 0 meine Tochter! ich lade dich ein, über ein solches Elend deinen Klageruf zu erheben. Schau, wie die Steine des Heiligtumes zerstreut liegen an den Strassenecken der Städte. Siehe, wie die Priester des Herrn sich gleich gemacht haben dem Volke, während sie doch das Volk heilig und sich ähnlich machen sollten! Die Würde der Priester und ihr reicher, kostbarer Tugendschmuck sind beschmutzt durch den ansteckenden Umgang mit den Weltleuten. Die Gesalbten des Herrn, die doch geweiht sind, um nur mit dem Herrn zu verkehren und um ihm zu dienen, sie sind freiwillig herabgesunken vom Adel ihrer Gottähnlichkeit und haben ihren Glanz verloren, weil sie sich herabgewürdigt haben zu einer gemeinen Handlungsweise, welche ihrer ausgezeichneten Stellung unter den Menschen unwürdig ist. Sie ergeben sich der Eitelkeit, folgen dem Geize und der Habsucht, dienen dem eigenen Interesse, lieben das Geld, setzen ihre Hoffnung auf Schätze von Gold und Silber; sie lassen sich herab, den Weltleuten, den Mächtigen, ja was noch schlimmer ist, selbst verächtlichen Frauenspersonen zu schmeicheln und zu Gefallen zu handeln; es kommt zuweilen sogar vor, dass sie an den Versammlungen und dem Rate der Bösen teilnehmen. Kaum ist noch ein Schäflein in der Hürde Christi, das die Stimme seines Hirten in ihnen erkennt und das bei ihnen die gesunde Nahrung und Weide der Tugend und Heiligkeit findet, deren Lehrmeister sie sein sollten. Die Kindlein bitten um Brot, und niemand ist, der es ihnen bricht's. Und wenn es auch noch gereicht wird, so geschieht es um des zeitlichen Vorteiles willen, oder weil es eben sein muss. Wie wird aber eine mit Aussatz bedeckte Hand dem Armen und Kranken gesunde Nahrung bieten können? Wie soll der höchste Arzt der Seelen einer solchen Hand die Arznei anvertrauen, von welcher das Leben abhängt? Wenn diejenigen, welche die Mittler und Fürsprecher der übrigen sein sollten, mit grösseren Sünden beladen sind als diese, wie werden sie dann Barmherzigkeit herabziehen auf jene, welche geringerer oder höchstens gleicher Sünden schuldig sind? 245. Dies sind die Ursachen, warum die Prälaten und Priester in gegenwärtiger Zeit nicht mehr die Wunder wirken, welche die Apostel und Jünger des Herrn beim Entstehen der Kirche gewirkt haben, und welche so viele andere Seelenhirten wirkten, die, von glühendem Eifer für Gottes Ehre und für die Bekehrung der Seelen entflammt, das Leben der Apostel nachgeahmt haben. Das sind die Ursachen, warum die der Kirche anvertrauten Schätze des Leidens und Sterbens Jesu Christi weder in den Priestern und Kirchendienern, noch in den übrigen Sterblichen Frucht bringen. Denn wenn die Priester diese Schätze verachten und nicht daran denken, sie für sich nutzbar zu machen, wie werden sie dieselben an die übrigen Kinder der Familie Christi austeilen? Das sind die Ursachen, warum sich gegenwärtig nicht mehr wie ehedem die Ungläubigen zur Erkenntnis des wahren Glaubens bekehren, obgleich sie unter den Augen der Kirchenfürsten, Kirchendiener und Verkündiger des Evangeliums leben. Die Kirche ist heutzutage mehr als je bereichert mit zeitlichen Gütern, Einkünften und Besitztümern; sie hat Überfluss an gelehrten Männern, welche sich reiche Wissenschaft erworben haben, Überfluss an hohen Prälaturen und einträglichen Stellen. Und da man alle diese Güter dem Blute Jesu Christi zu verdanken hat, so sollte man auch alles nach dem Willen und Wohlgefallen des Herrn verwenden, d.h. man sollte es verwenden zur Bekehrung der Seelen, zur Unterstützung der Armen Christi, zur Unterhaltung des Kultus und zur Verherrlichung des heiligsten Namens Jesu Christi. 246. Ob dies geschieht, das mögen die Gefangenen sagen, welche mit den Einkünften der Kirchen aus der Sklaverei losgekauft werden; die Ungläubigen mögen es sagen, welche bekehrt, und die Ketzereien, welche ausgerottet werden; sie mögen sagen, welche Summen aus den Kirchengütern für fromme Zwecke verausgabt werden. Ja, sagen werden es die Paläste, welche vom Gute der Kirche erbaut, die Majorate, welche damit gestiftet, die prächtigen Landhäuser, welche damit hergestellt sind, und, was noch trauriger ist, sagen werden es die profanen und schändlichen Ausgaben derjenigen, welche, den obersten Hohenpriester Jesus Christus entehrend, von der Nachfolge des Herrn und ihrer eigenen Amtsvorgänger, der Apostel, ebenso weit entfernt sind, als die verkommensten Weltleute dem Herrn ferne stehen. Und wenn die Predigt derjenigen, die das Wort Gottes verwalten, tot, kraftlos und unfähig ist, die Zuhörer zu beleben, so liegt die Schuld nicht an der Wahrheit und Lehre der Heiligen Schrift, sondern an dem schlechten Gebrauch, welchen die Prediger davon machen, indem sie sich von verkehrten Absichten leiten lassen. Sie verfehlen den Zweck der Predigt und vertauschen die Ehre Jesu Christi mit ihrer eigenen Ehre und eitlen Hochschätzung, den geistlichen Nutzen mit dem schnöden zeitlichen Gewinn; und haben sie diese ihre beiden Zwecke erreicht, dann kümmern sie sich um keine weitere Frucht ihrer Predigt. Sie nehmen darum auch der gesunden und heiligen Lehre die Lauterkeit und Reinheit, (manchmal auch die Wahrheit), mit welcher die heiligen Verfasser sie geschrieben und die heiligen Kirchenlehrer sie ausgelegt haben. Was sie sagen, das sind nur Spitzfindigkeiten und Erfindungen ihres eigenen Geistes, welche in den Zuhörern mehr Bewunderung und Beifall erregen, als dass sie ihnen Nutzen bringen. Gelangt aber das Wort Gottes an die Ohren der Sünder in einer so entstellten Form, so erkennen sie in der Lehre nicht so sehr die Liebe Christi, als vielmehr den Geist des Predigers; und dann hat die Predigt nicht die Kraft und Wirksamkeit, in die Herzen einzudringen, mag sie auch noch so künstlich ausgearbeitet und darauf angelegt sein, die Ohren zu erfreuen. 247. Wundere dich daher nicht, geliebteste Tochter, dass die göttliche Gerechtigkeit zur Strafe für diese Eitelkeiten und Missbräuche und andere Missstände, welche die Welt gar wohl kennt, die Prälaten, die Priester und die Verkündiger des göttlichen Wortes so ohne Hilfe lässt, und dass die Kirche, die in ihren Anfängen so erhaben dastand, nunmehr so tief darniederliegt. Es ist in der Tat noch eine grosse Gnade Jesu Christi für seine Kirche, dass es in dieser Zeit, in welcher er so sehr von allen verlassen und verachtet ist, noch einige Priester gibt, die von diesen beklagenswerten Lastern frei sind. Gegen diese Guten ist der Herr sehr freigebig; allein ihre Zahl ist sehr klein, wie der Ruin des christlichen Volkes und die Verachtung bekunden, in welche der Stand der Priester und der Verkündiger des Wortes Gottes gesunken ist. Denn wenn die heiligen und seeleneifrigen Priester zahlreich wären, so würden sich die Sünder ganz gewiss bekehren und bessern, viele Ungläubige würden sich zum Glauben wenden, man würde allgemein die Prälaten, Priester und Prediger mit Ehrfurcht ansehen und hören und sie wegen ihrer Würde und Heiligkeit ehren und achten, nicht aber bloss wegen des äusseren Prunkes, wodurch sie sich Achtung verschaffen, aber eine Achtung, die eigentlich nichts anderes ist als nutzloser, weltlicher Beifall. Sei nicht ängstlich und in Sorge darüber, dass du dieses niedergeschrieben hast. Denn sie selbst wissen gar wohl, dass es wahr ist: und du schreibst es ja nicht nach deinem eigenen Willen, sondern auf meinen Befehl. Weine, meine Tochter, über diese Übel und lade Himmel und Erde ein, dass sie dir klagen helfen: denn es gibt sehr wenige, die dies tun, und das ist die grösste Unbill, die der Herrn von allen Kindern seiner Kir che erfährt. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir Maria, die grosse Königin des Himmels, gegeben hat. Lehre: Selbstverleugnung. Hingabe an den göttlichen Willen. 273. Meine Tochter, alle Gläubigen sollen wohl wissen, dass Gott den heiligen Paulus hätte bekehren und rechtfertigen können, auch ohne so grosse Wunder zu wirken, wie sie seine Allmacht bei diesem staunenerregenden Werke getan hat. Er hat aber diese Wunder gewirkt, damit die Menschen sehen, wie geneigt er ist, ihnen zu verzeihen und sie zu seiner Gnade und Freundschaft zu erheben, aber auch, um ihnen zu zeigen, wie man nach dem Beispiele dieses grossen Apostels dem Rufe Gottes folgen und mit seiner Gnade mitwirken müsse. Der Herr erweckt und ruft viele Seelen durch die Kraft seiner Einsprechungen und Gnaden. Viele entsprechen denselben, gelangen zur Rechtfertigung und empfangen die heiligen Sakramente der Kirche; allein nicht alle beharren in ihrer Rechtfertigung und noch wenigere schreiten zur Vollkommenheit fort. Die meisten endigen, nachdem sie im Geiste angefangen, im Fleische. Was ist aber die Ursache, dass sie nicht in der Gnade beharren, sondern schnell wieder in ihre Sünden zurückfallen? Weil sie in ihrer Bekehrung nicht wie der heilige Paulus sagen: "Herr! was willst du aus mir machen, und was willst du, dass ich für dich tue21?" Und wenn sie auch so sprechen, so geschieht dies oft nur mit den Lippen und nicht von ganzem Herzen, da sie stets einen Rest von Liebe zu ihrem eigenen Ich, zum Geld und Gut, zum eigenen Willen, zum Vergnügen oder gar zur Gelegenheit der Sünde bewahren und daher schnell straucheln und wieder fallen. 274. Der Apostel war ein lebendiges und wahrhaftes Vorbild derer, die sich zum Lichte der Gnade bekehren; und zwar nicht bloss deshalb, weil er vom Zustande tiefsten Sündenelendes in einen wunderbar hohen Stand der Gnade versetzt und von Gott auf ausserordentliche Weise begünstigt wurde, sondern auch wegen der Art und Weise, wie er mit der Gnade seiner Berufung freiwillig mitwirkte: er machte sich von seinem schlimmen Zustande, ja von seinem eigenen Willen vollständig los und überliess sich ganz und gar dem Willen und der Verfügung Gottes. Denn diese Verleugnung seiner selbst und diese Hingabe an das Wohlgefallen Gottes ist in den Worten ausgesprochen: "Herr! was willst du, dass ich tun soll?" Auf diesen Worten beruhte aber auch sein ganzes Heil, soweit dies von ihm selbst abhing. Denn da er diese Worte mit aufrichtigem, zerknirschtem und gedemütigtem Herzen sprach, so entäusserte er sich damit ganz und gar seines eigenen Willens und übergab sich ganz dem Willen Gottes; er entsagte für immer einem Gebrauche seiner Fähigkeiten und Sinne, der ihn in das Sündenleben hätte zurückstürzen können, in welches er sich früher verirrt hatte. Er verpflichtete sich, auf welche Art und Weise immer er Gottes Willen erkennen werde, denselben ohne Verzug und ohne Widerrede zu vollbringen, und ging dann auch sogleich auf den Befehl des Herrn selbst in die Stadt und gehorchte, daselbst angekommen, dem Jünger Ananias in allem, was dieser ihm befahl. Da nun der Allerhöchste, der die Geheimnisse der Menschenherzen durchforscht22, die Aufrichtigkeit sah, mit welcher Paulus seinem Rufe entsprach und sich ganz dem göttlichen Willen und Wohlgefallen hingab, so nahm er ihn nicht bloss mit höchstem Wohlgefallen auf. sondern überhäufte ihn wahrhaft mit einem Uberflusse der höchsten und wunderbarsten Gnaden und Gaben. Paulus konnte dieselben zwar nicht verdienen, allein er hätte sie gewiß nicht erlangt, hätte er sich nicht dem göttlichen Willen so ganz und gar hingegeben. Dies war es, wodurch er sich zu ihrem Empfange befähigte. 275. Da dem nun so ist, meine Tochter, so will ich, dass du dich bemühest, aufs vollkommenste dasjenige auszuüben, was ich dir schon so oft empfohlen habe, nämlich dich selbst zu verleugnen, alle Geschöpfe zu verlassen, alles Sichtbare, Scheinbare und Trügerische zu vergessen. Wiederhole oft, aber weit mehr mit dem Herzen als mit den Lippen die Worte: "Herr! was willst du aus mir machen?" Denn wenn du etwas nach deinem eigenen Willen tun willst, so suchst du schon nicht mehr mit Aufrichtigkeit den Willen Gottes. Das Werkzeug hat keine andere Bewegung und keine andere Tätigkeit als diejenige, welche es von der Hand des Künstlers empfängt. Hätte es eine eigene Bewegkraft, so könnte es dem Willen desjenigen, der es handhabt, widerstehen, ja entgegentreten. Dasselbe Verhältnis besteht zwischen Gott und der Seele. Wenn diese einen Willen hat, der sie in Bewegung setzt, ohne zu warten, bis Gott sie bewegt, so widersetzt sie sich dem Wohlgefallen des Herrn. Da aber der Herr die Rechte der Willensfreiheit, welche er der Seele gegeben hat, achtet, so lässt er zu, dass sie sich verirre, weil sie selbst es so will und nicht auf den Antrieb ihres göttlichen Werkmeisters wartet. 276. Da es übrigens nicht zweckmässig wäre, wenn die gesamte Tätigkeit der Geschöpfe in diesem sterblichen Leben auf wunderartige Weise durch unmittelbare Anordnung Gottes regiert würde, so hat Gott, um den Menschen jede eitle Entschuldigung zu benehmen, ihnen sein Gesetz ernstlich ins Herz gegraben und es zudem in seiner heiligen Kirche hinterlegt, damit man durch diese seinen göttlichen Willen erkenne, sich darnach richte und ihn getreu erfülle. Überdies hat er in seiner Kirche die Obern und Priester bestellt, damit man sie höre und ihnen gehorche wie dem Herrn selbst, der ihnen ja beisteht. Wer ihnen gehorcht, der gehorcht dem Herrn23 und darf seines Heiles sicher sein. Alle diese Vorteile, meine geliebte Tochter, sind dir in Fülle geboten. So sei aber nun auch bedacht, keinerlei Bewegung, Vorsatz, Wunsch oder auch nur Gedanken zuzulassen, noch in etwas deinen Willen zu tun, ohne den Willen dessen zu Rate gezogen zu haben, der die Sorge für deine Seele auf sich genommen hat. Denn an ihn weist dich der Herr, wie er den Saulus an Ananias wies. Du bist hiezu um so strenger verpflichtet, weil dich der Herr ganz besonders in Liebe und Gnade angesehen hat, und weil er will, dass du ein Werkzeug in seinen Händen seiest. Er steht dir bei, regiert und bewegt dich durch sich selbst, durch mich und durch seine heiligen Engel, und er tut dies mit der Treue, Aufmerksamkeit und Beharrlichkeit, die dir bekannt sind. Erwäge daher, wie gerecht es ist, dass du allem eigenen Wollen absterbest, der Wille Gottes aber aufs neue in dir auflebe und allein es sei, der all dein Tun und Lassen beseele und belebe. Mache daher allen eigenen Reflexionen ein Ende und sei fest überzeugt: wenn du die Wissenschaft der weisesten, den Rat der klügsten Menschen, ja die natürliche Erkenntnis der Engel miteinander vereinigtest, du würdest im entferntesten nicht den Willen Gottes mit solcher Sicherheit erkennen und ausführen, wie wenn du dich ganz und gar seinem heiligsten Wohlgefallen überlässest. Er allein weiss, was dir zuträglich ist, und er will es mit einer ewigen Liebe. Er hat deine Wege erwählt; er ist es, der dich auf denselben führt. Lass dich also von seiner göttlichen Weisheit leiten und verliere nicht deine Zeit damit, dass du nachdenkst, was du tun sollst. Denn ein solches Nachdenken ist voll Gefahr des Irrtums, in dieser Lehre aber, die ich dir gebe, ist lautere Sicherheit und Gewissheit. Schreibe sie dir tief ins Herz und beobachte sie aus allen deinen Kräften, auf dass du dich meiner Fürsprache würdig machest und durch sie der Allerhöchste dich an sich ziehe. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. Lehre: Anrufen Mar;ä in Versuchungen. 300. Meine Tochter, alles, was du im sterblichen Leben zu sagen vermagst, ist unvermögend, den Neid Luzifers und seiner Dämonen gegen die Menschen vollkommen auszudrücken und die Bosheit und Arglist zu beschreiben, womit er sie in die Sünde und dadurch in die ewige Verdammnis zu stürzen sucht. Alle guten Werke, die sie tun können, sucht er zu verhindern; und wenn sie dennoch solche verrichten, so sucht er sie durch Verleumdung zu entstellen, zu zerstören und zu verderben. Dagegen gibt es kein erdenkliches böses Werk, das seine Bosheit nicht den Seelen einzureden suchte. Aber andererseits hält auch Gott denjenigen, die mit ihm getreu mitwirken, der höllischen Bosheit gegenüber einen bewunderungswürdigen Schutz in Bereitschaft. Daher die Mahnung des Apostels, inmitten dieser teuflischen Fallstricke mit Vorsicht nicht als Unweise, sondern als Weise zu wandeln und die Zeit zu erkaufen, weil die Tage dieses sterblichen Lebens böse und voll der Gefahren sind". Und an einer anderen Stelle sagt er: "Seid standhaft und unerschütterlich; seid voll des Eifers im Werke des Herrn, da ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn." Der böse Feind kennt diese Wahrheit und fürchtet sie. Darum bietet er mit äusserster Bosheit alle seine Arglist auf, um die Seelen, nachdem sie eine Sünde begangen haben, zu entmutigen, damit sie die Hoffnung aufgeben und alle guten Werke fahren lassen. Auf diese Weise entreisst er ihnen die Waffen, mit denen die heiligen Engel die Seelen schützen und die bösen Geister bekämpfen können. Denn obwohl diese Werke im Sünder nicht durch die Liebe belebt und beseelt sind, so dass sie die Gnade und Glorie verdienen könnten, so sind sie doch dem, welcher sie verrichtet, von grossem Nutzen. Die gute Gewohnheit, sie zu tun, bestimmt oftmals die göttliche Barmherzigkeit, einem solchen Sünder wirksamere Gnaden zu verleihen, um diese Werke mit grösserem Eifer oder mit Reue über seine Sünden und mit wahrer Liebe zu verrichten, wodurch er zur Rechtfertigung gelangt. 301. Aus jeglichem guten Werke, das der Mensch tut, nehmen wir Seligen Anlass, ihn gegen seine Feinde zu verteidigen und Gott zu bitten, er möge ihn gnädig ansehen und aus der Sünde ziehen. Die Heiligen freuen sich und fühlen sich verpflichtet, wenn man sie in Not und Gefahr von Herzen anruft und eine zärtliche Andacht zu ihnen trägt. Sind nun schon die Heiligen vermöge ihrer Liebe so geneigt, den Menschen in den Gefahren und Kämpfen, welche ihnen die Hölle bereitet, beizustehen, so darfst du dich nicht wundern, geliebteste Tochter, dass ich gegen die Sünder, die mich anrufen und zu meiner Milde ihre Zuflucht nehmen, so barmherzig bin und ihre Rettung weit mehr verlange als sie selbst. Zahllos sind diejenigen, die ich dein höllischen Drachen entrissen habe, weil sie einige Andacht zu mir trugen, mochte diese Andacht auch in nichts weiterem bestehen als im Abbeten eines "Gegrüsst seist du, Maria", oder in irgend einem Worte oder einer Anrufung, die sie zu meiner Ehre gesprochen haben: So gross ist meine Liebe zu den Sündern, dass, wenn sie zur rechten Zeit und im Ernste mich anrufen würden, kein einziger verloren ginge. Allein die Sünder und Verworfenen tun dies nicht. Denn weil die geistigen Wunden, d.h. die Sünden, dem Körper nicht weh tun, so kümmern sich die Sünder nicht darum. Und je öfter solche Wunden geschlagen werden, um so weniger verursachen sie Schmerz und Empfindung; denn die Sünde ist bereits ein Schlag auf einen toten Körper, der eine Verletzung weder fürchten, noch abhalten, noch empfinden kann. 302. Die Folge dieses schändlichen Stumpfsinnes ist die, dass die Menschen an die Gefahr der ewigen Verdammnis und an die Anstrengungen der Teufel, sie hineinzustürzen, gar nicht denken. Ohne eigentlich zu wissen, welchen Grund sie für ihre falsche Sicherheit haben, schlafen und ruhen sie mitten in ihrem Elende, da sie doch allen Grund hätten, sich zu fürchten und einigermassen zu bedenken, was es um den ewigen Tod ist, der sie aus unmittelbarer Nähe bedroht. Zum wenigsten sollten sie den Herrn, mich und die Heiligen um Hilfe anrufen. Allein auch dies wenige, das sie doch nur geringe Mühe kosten würde, wollen sie nicht tun. Sie verschieben es bis zu einer Zeit, da sie oftmals keine Hilfe mehr finden können, weil ihr Gebet nicht die Eigenschaften hat, welche zur Erhörung erforderlich ist. Und wenn ich einigen noch in ihrer letzten Stunde zum Heile verhelfe, weil ich weiss, wieviel es meinen allerheiligsten Sohn gekostet hat, sie zu erlösen, so ist dies eine Ausnahme und kein allgemeines Gesetz, das für alle gälte. So kommt es, dass sich viele Kinder der Kirche in die Verdammnis stürzen, weil sie, ebenso undankbar wie unverständig, die vielen und mächtigen Hilfsmittel verschmähen, welche die göttliche Güte ihnen zur schönsten Zeit angeboten hat. Es wird für sie eine eigene Beschämung sein, dass sie die Barmherzigkeit Gottes und die Güte, mit welcher ich ihnen hätte helfen wollen, sowie die Liebe der Heiligen, die gerne für sie gebeten hätten, kannten, dass sie aber dennoch weder Gott die Ehre geben, noch mir, den Engeln und den Heiligen die Freude bereiten wollen, sie zu retten, was wir getan haben würden, wenn sie uns von ganzem Herzen angerufen hätten. 303. Noch ein anderes Geheimnis will ich, meine Tochter, dir aufdecken. Du weisst, wie mein Sohn und Herr im Evangelium gesagt hat, dass die Engel im Himmel sich freuen, wenn ein Sünder Busse tut und durch die Rechtfertigung den Weg des ewigen Legens wieder betritt2'. Dasselbe geschieht in seiner Art, wenn die Gerechten Werke wahrer Tugend üben und somit neue Stufen der Glorie verdienen. Gleichwie nun der Himmel sich freut, wenn die Sünder sich bekehren und die Gerechten ihre Verdienste vermehren, so herrscht bei den bösen Geistern in der Hölle Freude, wenn die Gerechten sündigen, oder wenn die Sünder neue Missetaten begehen. Keine, auch noch so kleine Sünde kann ein Mensch begehen, an welcher nicht die Teufel in der Hölle ihre Freude hätten. Und diejenigen bösen Geister, welche mit dem Verführen der Menschen beschäftigt sind, geben jenen, die in den ewigen Kerkern wohnen, unverzüglich Nachricht, damit auch diese sich freuen, die neuen Sünden sich merken und sie gleichsam in die Schuldbücher eintragen, um die Schuldigen vor dem gerechten Richter anzuklagen. Auch dazu geben die Verführer ihren Genossen in der Hölle Nachricht, damit die letzteren wissen, dass sie jetzt mehr Recht und Gewalt über diese unglücklichen Sünder haben, welche je nach der Grösse der begangenen Sünde mehr oder weniger auf ihren Willen eingegangen sind. Das ist der Hass der bösen Geister gegen die Menschen, das die Verräterei, die sie an ihnen üben, wenn sie durch irgend ein vorübergehendes und trügerisches Vergnügen dieselben zur Sünde reizen. Andererseits aber hat Gott, der gerecht ist in allen seinen Werken, angeordnet, dass zur Züchtigung der teuflischen Bosheit die Bekehrung der Sünder und die guten Werke der Gerechten den Teufeln jedesmal eine eigene Qual bereiten, weil sie sich mit grenzenloser Bosheit über den Untergang der Menschen freuen. 304. Diese von Gottes Vorsehung über die bösen Geister verhängte Strafe ist für sie alle eine furchtbare Pein; denn nicht nur wird dadurch ihr tödlicher Hass gegen die Menschen beschämt und niedergedrückt, sondern so oft ein Gerechter einen Sieg erringt oder ein Sünder sich bekehrt, entzieht Gott der Herr den bösen Geistern wenigstens teilweise die Macht, welche die Menschen ihnen dadurch eingeräumt haben, dass sie sich von der Arglist des Satans überwinden liessen und legen ihren wahren Gott sündigten. Da lassen dann die Teufel den Verdammten die vermehrte Pein entgelten, die sie erfahren, so dass, wie über jede Bekehrung und über jedes gute Werk im Himmel Freude, so in der Hölle nun Qual und neuer Schrecken herrscht. Die Teufel brechen in ein verzweifeltes Geheul aus, welches sämtlichen Bewohnern jener finsteren, schreckensvoller Kerker neue akzidentelle Peinen verursacht. Das ist der Anteil, welchen, freilich in ganz verschiedener Weise, Himmel und Hölle an der Bekehrung und Rechtfertigung des Sünders nehmen. Wenn die Seelen durch die Sakramente, insbesondere durch eine wahrhaft reumütige Beicht, die Rechtfertigung erlangen, dann geschieht es oft, dass die bösen Geister längere Zeit hindurch nicht mehr wagen, vor dem Büsser zu erscheinen. Mehrere Stunden lang nach einer solchen Beichte haben sie nicht den Mut, ihn auch nur anzuschauen, wenn er nicht etwa selbst ihnen wieder Kraft gibt, indem er sich gegen Gott undankbar zeigt und sich neuerdings den Gefahren und Gelegenheiten zur Sünde aussetzt. Denn in diesem Falle legen die Teufel die Furcht wieder ab, welche ihnen die aufrichtige Busse des Sünders und seine Rechtfertigung eingeflösst hat. 305. Im Himmel ist zwar weder Schmerz noch Traurigkeit möglich. Wären sie aber möglich, so würde nichts auf der Welt die Heiligen des Himmels mehr betrüben als die Wahrnehmung, wie ein Gerechtfertigter wieder in die Sünde fällt und die Gnade nochmals verliert, oder wie sich der Sünder immer mehr von der Gnade entfernt und sich mehr und mehr in die Unmöglichkeit versetzt, sie wieder zu erlangen. Die Bosheit der Sünde ist so gross, dass sie ihrer Natur nach fähig wäre, den Himmel zu Leid und Schmerz zu bewegen, wie die Tugend und Busse die Hölle zu peinigen und zu quälen vermögen. Nun bedenke, meine liebe Tochter, in welch gefahrvoller Unwissenheit hierüber die meisten Menschen leben. Diese Unwissenheit ist schuld, dass sie den Himmel der Freude berauben, die er ob der Rechtfertigung einer Seele empfindet, dass sie Gott die äussere Ehre verkürzen, die ihm daraus erwächst, und der Hölle die Strafe ersparen, die ihr dadurch für ihre gottlose Freude über den Fall und den Untergang der Menschheit zuteil würde. Von dir nun verlange ich, dass du als getreue und kluge Magd von den erhaltenen Erleuchtungen Gebrauch machest und dir Mühe gebest, für solche Übel Ersatz zu leisten. Sei bedacht, dem Sakramente der Busse stets mit Eifer, Vertrauen, Hochachtung und mit innigem Schmerz über deine Sünden zu nahen. Denn dieses Gnadenmittel bereitet dem Teufel einen grossen Schrecken, und er gibt sich viele Mühe, die Seelen davon abzuhalten oder sie durch seine List dahinzubringen, es lau, gewohnheitsmässig, ohne Reue und ohne die anderen erforderlichen Bedingungen zu empfangen. Und zwar tut der Satan dies nicht bloss deshalb, um die Seelen zugrunde zu richten, sondern auch um der Marter zu entgehen, die er beim Anblicke eines wahren Büssers und eines wahrhaft Gerechtfertigten empfindet, der ihn und seinen Stolz beschämt und niederschlägt. 306. Auf eines will ich dich, meine Freundin, schliesslich noch aufmerksam machen. Es ist unzweifelhaft wahr, dass die höllischen Drachen die Urheber und Meister der Lüge sind und im Verkehre mit den Menschen nichts anderes suchen, als sie in allem zu betrügen, und was noch mehr ist, ihnen den Geist des Irrtums mitzuteilen, durch welchen sie dann dieselben sicher verderben. Allein wenn sie sich bei ihren Versammlungen gegenseitig über die Betrügereien beraten, durch welche sie die Sterblichen irreführen wollen, dann sprechen sie unter sich freilich auch über Wahrheiten, die sie wissen und nicht leugnen können. Wenn sie dann aber von ihrer Erkenntnis den Menschen mitteilen, dann ist ihre Absicht niemals die, die Menschen zu belehren, sondern sie durch ein Gemisch von Wahrem und Falschem mit Finsternis zu umgeben und um so sicherer ihre gottlosen Pläne zu erreichen. Weil du nun in diesem Hauptstücke und überhaupt in dieser ganzen Geschichte die Geheimnisse so vieler höllischen Komplotte und Verschwörungen aufgedeckt hast, darum sind die bösen Geister im höchsten Grade gegen dich ergrimmt. Sie glaubten nämlich, diese Geheimnisse würden nie zur Kenntnis der Menschen gelangen, und man würde niemals erfahren, was sie in ihren geheimen Beratungen beschliessen. Daher suchen sie in dem Zorn, den sie gegen dich gefasst haben, an dir Rache zu nehmen. Allein der Allerhöchste wird dir beistehen, wenn du ihn anrufst und dir Mühe gibst, der Schlange den Kopf zu zertreten. Bete auch zum Herrn, er möge in seiner Güte es so fügen, dass die Warnungen und Unterweisungen, die ich dir hier gebe, den Sterblichen die Augen öffnen. Bitte ihn, er möge ihnen sein göttliches Licht senden, auf dass sie sich diese Wohltat zunutzen machen. Du selbst aber trachte deinerseits einer solchen Gnade zuerst und mit aller Treue zu entsprechen, da du unter allen Kindern dieses Jahrhunderts am vielfältigsten durch Gnaden und Wohltaten verpflichtet bist. Denn je mehr du vor anderen empfängst, desto schrecklicher wäre dein Undank und desto grösser der Triumph der Teufel, deiner Feinde, wenn du, obwohl ihre Bosheit kennend, dennoch nicht alle deine Kräfte anspanntest, sie unter dem Schutze des Allerhöchsten und mit Hilfe seiner Engel zu besiegen. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die grosse Himmelskönigin gegeben hat. Lehre: Liebe Mariä zu den Seelen. 328. Meine Tochter, was du in diesem Hauptstück Wunderbares niedergeschrieben hast, dass nämlich Gottes unendliche Macht mich auf ihren königlichen Thron erhoben hat, um an den Beschlussfassungen der göttlichen Weisheit teilzunehmen, ist so gross und ausserordentlich, dass es allen Begriff der Erdenpilger übersteigt und von den Menschen erst durch die beseligende Anschauung im himmlischen Vaterlande, dann aber auch mit ganz besonderer Wonne begriffen werden wird. Nun war aber diese erstaunliche Gnade eine Wirkung und Belohnung der brennenden Liebe, mit der ich das höchste Gut umfing, und der tiefen Demut, womit ich mich als dessen Dienerin erkannte und verhielt. Diese zwei Tugenden waren es, welche mich zum Throne der Gottheit erhoben und mir auf demselben, während ich noch im sterblichen Fleische lebte, einen Platz verschafften. Ich will dir daher auch noch nähere Kenntnis von diesem Geheimnisse geben, das unstreitig eines der erhabensten ist, die der Allmächtige in mir gewirkt hat, und eines derjenigen, welche die Engel und Heiligen am meisten bewundern. Was die Bewunderung betrifft, die du dafür hegst, so verlange ich, dass du dieselbe ganz und gar in dem Wunsche und der Sorge aufgehen lassest, mich in dem nachzuahmen, was mir so grosse Gnade erworben hat. 329. Bedenke, geliebteste Tochter, dass ich nicht bloss einmal, sondern oftmals seit der Herabkunft des Heiligen Geistes in meinem sterblichen Fleische zum Throne der allerheiligsten Dreieinigkeit erhoben worden bin, bis ich endlich nach meinem Tode zum ewigen Genusse der Herrlichkeit, die ich jetzt besitze, in den Himmel einging. In dem, was dir von meinem Leben noch zu schreiben erübrigt, wirst du noch manches Verborgene über diese mir verliehene Wohltat inne werden. Jedesmal aber, da die Hand des Allerhöchsten sie mir verlieh, empfing ich auf verschiedene Weise überreiche Einflüsse von Gnade und Gaben, wie sie nur die unendliche Macht Gottes zu verleihen und meine Fassungskraft aufzunehmen imstande war, eine Fassungskraft, welche der Herr mir zu dem Zwecke verliehen hat, um einer unaussprechlichen und gewissermassen unermesslichen Anteilnahme an den göttlichen Vollkommenheiten fähig zu sein. Bei solchen Gnadenerweisungen richtete der himmlische Vater mehr als einmal folgende Worte an mich: "Meine Tochter, meine Braut, deine Liebe und Treue, welche grösser ist als die aller übrigen Geschöpfe, zieht uns mächtig an und bereitet uns die Fülle des Wohlgefallens, das unser heiliger Wille zu haben begehrt. Steige herauf auf unseren Thron, damit du versenkt werdest in den Abgrund unserer Gottheit und, soweit dies einem blossen Geschöpfe möglich ist, den vierten Platz in unserer Dreieinigkeit einnehmest. Nimm Besitz von unserer Herrlichkeit, deren Schätze wir in deine Hände legen. Dein sind der Himmel, die Erde und alle Abgründe. Geniesse im sterblichen Leben schon, mehr als alle Heiligen im unsterblichen, die Vorrechte einer glückselig Verklärten. Dienen sollen dir alle Nationen und alle Geschöpfe, denen wir Dasein gegeben. Es sollen dir gehorchen die Mächte der Himmel, und unter deinem Befehle sollen stehen die obersten Seraphim. Alle Güter, die wir in unserem ewigen Rate besitzen, sollen mit dir geteilt sein. Höre den "grossen Rat" unserer Weisheit und unseres Willens. Nimm Anteil an unseren Beschlüssen; denn dein Wille ist höchst heilig und getreu. Durchschaue die Gründe, welche in unseren gerechten und heiligen Entschliessungen uns leiten. Dein Wille und unser Wille soll einer sein; einer soll auch der Beweggrund sein, der in unseren Anordnungen für unsere Kirche uns bestimmt!" 330. Mit solch unaussprechlicher und unvergleichlicher Güte führte der Allerhöchste meinen Willen zur vollkommensten Gleichförmigkeit mit dem seinigen, damit alles, was zum Wohle der Kirche verfügt wird, durch meine Anordnung geschehe: und meine Anordnung soll keine andere sein als die des Herrn, dessen Bestimmungsgründe ich mit ihrer Vernünftigkeit und Billigkeit in Gottes ewigem Rate erkannte. In ihm erkannte ich unter anderem, dass es vermöge eines allgemeinen Gesetzes nicht angehe, mich alle Leiden der Kirche und insbesondere der Apostel allein und an ihrer Statt tragen zu lassen, wie ich es gewünscht hätte. Obwohl nun dieses Verlangen meiner Liebe unausführbar war, so war es doch keine Abweichung vom Willen Gottes. Im Gegenteil hatte Gott es mir eingeflösst als ein Mittel, ihm dadurch zu zeigen, wie unermesslich ich ihn liebe. Und um des Herrn willen trug ich eine so grosse Liebe zu den Menschen, dass ich allein alle ihre Mühen und Strafen für sie zu leiden verlangte. Da nun dieser mein Liebesdrang von meiner Seite ein aufrichtiger und ich von Herzen bereit war, sobald ich könnte, ihn auszuführen, so war derselbe in den Augen des Herrn so wohlgefällig und ich wurde so belohnt, als hätte ich ihn nach Wunsch erfüllt; litt ich ja doch auch wirklich sehr vieles deswegen, weil ich nicht für alle leiden konnte. Hieraus erkennst du die Quelle und die Natur des Mitleids, das ich mit den Qualen der Apostel und Martyrer, sowie auch aller andern empfand, die für Christus gelitten haben. Denn ich war in allen und mit allen betrübt und selbst gemartert und starb gewissermassen mit einem jeglichen aus ihnen. So gross war die Liebe, die ich für die Gläubigen, meine Kinder, hegte. Und abgesehen vom Leiden, das mir jetzt unmöglich ist, hege ich dieselbe Liebe noch jetzt, obwohl die Menschen es nicht erkennen und nicht bedenken, in welch hohem Grade sie verpflichtet sind, für meine Liebe zu danken. 331. Das sind die Wohltaten, die ich empfing, als ich von der Erde zur Rechten meines heiligsten Sohnes erhoben war und in dem einem blossen Geschöpfe mitteilbaren Masse die Vorrechte seiner Glorie genoss. Die Beschlüsse und andere Geheimnisse der unendlichen Weisheit wurden an erster Stelle der allerheiligsten Menschheit meines Herrn geoffenbart, und zwar durch ihre unerforschlichen Beziehungen zur Gottheit, mit der sie im ewigen Worte vereinigt ist. Sodann gelangten sie durch Vermittlung meines heiligsten Sohnes an mich, jedoch auf eine andere Weise. Denn die Vereinigung seiner Menschheit mit der Person des ewigen Wortes ist eine unmittelbare, wesenhafte und ihr durchaus innerliche; so partizipiert die Menschheit meines Sohnes an der Gottheit und deren Beschlüssen auf eine mit seiner wesentlichen und persönlichen Vereinigung im Verhältnis stehende Art und Weise. Was mich betrifft, so empfing ich diese Auszeichnung gleichfalls auf wunderbare und einzige Weise; denn wenn ich auch ein blosses Geschöpf war und keineswegs göttliche Wesenheit besass, so war ich doch der heiligsten Menschheit meines Sohnes gleichförmig und nach ihr die unmittelbar Nächste an der Gottheit. Für jetzt aber, meine Tochter, kannst du hierüber mehr nicht fassen, und ganz durchdringen wirst du dieses Geheimnis nie, solange du auf Erden lebst. Die Seligen des Himmels begriffen es, ein jeder nach Massgabe der ihm verliehenen Erkenntnis. Sie begriffen sowohl die Ähnlichkeit, die ich mit meinem heiligsten Sohne hatte, als auch den Abstand, der uns voneinander trennt; und dieses gab und gibt ihnen zur Stunde noch Anlass zu neuen Lob- und Dankgesängen auf den Allmächtigen. Denn dieses Wunder war eines der grossen Dinge, die sein allmächtiger Arm an mir getan hat. 332. Damit du deine natürlichen und übernatürlichen Kräfte noch mehr anspannest und sie zu heiligen Anmutungen und Begierden selbst nach dem, was du nicht auszuführen vermagst, antreibest, so offenbare ich dir noch ein Geheimnis. Es ist folgendes: Als ich sah, wie die Seelen kraft der Verdienste des Erlösers durch die vollkommene Reue und durch den Empfang der Taufe und anderer Sakramente die Gnade der Rechtfertigung empfingen, wodurch sie gereinigt und geheiligt wurden, da schätzte ich diese Gnade so hoch, dass ich gewissermassen einen heiligen Neid und heftiges Verlangen darnach empfand. Da ich aber keine Sünden auf mir hatte, von denen ich hätte gereinigt und gerechtfertigt werden können, so konnte ich auch jener Gnade nicht in der Weise teilhaftig werden, wie die Sünder dieselbe empfangen. Weil ich indes die Verschuldungen der Sünder bitterlicher beweinte, als sie selbst alle zusammen es tun, und weil ich für die Gnade der Rechtfertigung, welche der Herr in freier Barmherzigkeit den Seelen gewährt, inniger dankte als sie, so erlangte ich durch diese Anmutungen und Werke eine grössere Gnadenfülle, als zur Rechtfertigung aller Adamskinder insgesamt notwendig wäre: so gross war das Wohlgefallen, das der Allerhöchste an meinen Werken hatte, und so gross die Kraft, die er ihnen verlieh, damit sie Gnade fänden in seinen göttlichen Augen. 333. Bedenke nun, meine Tochter, welches deine Verpflichtung ist, nachdem du so grosse Geheimnisse und so verehrungswürdige Wunderwerke erfahren hast. Lasse die Talente, welche du empfangen hast, nicht brachliegen; vereitle und verachte nicht so zahlreiche Gaben deines Herrn. Tritt in meine Fussstapfen durch vollkommene Nachahmung aller meiner Werke, die ich dir geoffenbart habe. Und damit du die göttliche Liebe immer mehr in dir entflammest, so bedenke stets, dass mein heiligster Sohn und ich in unserem sterblichen Leben beständig nach dem Heil aller Adamskinder seufzten und verlangten und bitterlich den Untergang so vieler Seelen beweinten, die sich durch verkehrte, trügerische Freude in das Verderben stürzen. In dieser Liebe und in diesem Seeleneifer musst du dich auszeichnen und fleissig üben als getreueste Braut meines Sohnes, der, von dieser Tugend angetrieben, sich ans Kreuz dahingab; und ebenso musst du dich darin üben als meine Tochter und meine getreue Schülerin. Wenn die Gewalt dieser Liebe mir nicht das Leben raubte, so geschah dies nur, weil der Herr durch ein Wunder es mir erhielt. Die Liebe ist es, welche mir meinen Platz auf dem Throne Gottes und im Rate der allerheiligsten Dreieinigkeit verschafft hat. Wenn du so fleissig und eifrig mir nachfolgen und mir so pünktlich gehorchen wirst, wie ich es von dir verlange, meine Freundin, so werde ich dir, sei dessen versichert, ähnliche Gnaden wie meinem Diener Jakobus gewähren; ich werde dir in deinen Trübsalen beistehen und dich leiten, wie ich es dir schon oft verheissen habe. Der Allerhöchste aber wird gegen dich freigebiger sein, als du es nur zu wünschen vermagst. BUCH SIEBEN. LEHRE welche mir die Himmelskönigin Maria gegeben hat. Lehre: Wachsamkeit gegen die Arglist des Teufels. 361. Meine Tochter, du weisst, dass ich nicht ohne guten Grund so oft in dieser Geschichte dir davon Mitteilung mache, welches die geheimen Absichten der Hölle gegen die Menschen sind, welche Pläne und Ränke sie schmiedet, um dieselben zu verderben, mit welch unermüdlichem und unversöhnlichem Hass sie dieses Ziel zu erreichen sucht, wie sie keine Zeit und Gelegenheit dazu versäumt, wie sie allerorts Steine des Anstosses ausstreut, und wie sie ringsum allen Menschen, welchen Standes sie auch seien, tausend Netze stellt, um sie darin zum Falle zu bringen. Du weisst auch, dass die Schlingen, welche sie den um ihr ewiges Heil und die Freundschaft Gottes ernstlich besorgten Seelen stellt, wegen ihrer Verborgenheit noch gefährlicher sind als alle andern. Überdies habe ich dir oftmals gesagt, dass der Satan ausser diesen Nachstellungen, die er allen Sterblichen bereitet, aus besonderem Hass noch ganz eigene für dich plant und betreibt. Nun muss gewiss allen Kindern der Kirche daran gelegen sein, aus der Unwissenheit herauszukommen, in welcher sie hinsichtlich so unvermeidlicher Gefahren des ewigen Unterganges leben. Sie wissen und beachten nicht, dass der Verlust der Erkenntnis dieser verborgenen Gefahren eine Strafe der ersten Sünde war; und nachher, wenn sie sich die Erleuchtung verdienen könnten, machen sie sich derselben durch freigewollte Sünden nur noch unfähiger und unwürdiger. Daher kommt es, dass auch unter den Gläubigen gar viele so gedankenlos und sorglos dahinleben, wie wenn es keine bösen Geister gäbe, welche sie anfechten und täuschen. Und wenn die Menschen auch manchmal daran denken, so geschieht es nur ganz oberflächlich und flüchtig; schnell kehren sie zu ihrer Gedankenlosigkeit zurück, welche bei vielen nichts Geringeres zur Folge hat als die ewigen Peinen. Wenn ihnen der Satan zu allen Zeiten, an allen Orten, bei allen Handlungen und Gelegenheiten Schlingen legt, dann wäre es nur vernünftig und pflichtgemäss, dass ein Christ keinen Schritt zu tun wage, ohne sich vom Herrn die Gnade zu erflehen, die Gefahr zu erkennen und in ihr nicht zu fallen. Weil aber die Vergesslichkeit und Unachtsamkeit der Kinder Adams in dieser Hinsicht so gross ist, so verrichten sie kaum eine Handlung, bei welcher sie nicht von der höllischen Schlange verwundet und von dem Gifte, das sie aus ihrem Munde speit, verletzt würden. So häufen sie Schuld auf Schuld, Übel auf Übel und fordern die Gerechtigkeit Gottes heraus, während sie seine Barmherzigkeit von sich stossen. 362. Da nun du, meine teuere Tochter, die Wachsamkeit deiner Seelenfeinde und den besonderen Ingrimm kennst, den sie gegen dich gefasst haben, so ermahne ich dich, mit Gottes Gnade eine so grosse und beständige Wachsamkeit zu entwickeln, als dir notwendig ist, um so arglistige Feinde zu überwinden. Merke dir, was ich tat, als ich erkannte, dass Luzifer mich verfolgen und die Kirche zerstören wollte: ich verdoppel te meine Gebete und meine Seufzer und Tränen; und da sich die bösen Geister des Herodes und der Juden von Jerusalem bedienen wollten, so hätte ich zwar beim Verbleiben in dieser Stadt weniger zu fürchten gehabt und ich wäre auch gerne geblieben: allein ich habe dennoch Jerusalem verlassen, um ein Beispiel der Klugheit und des Gehorsams zu geben: der Klugheit, indem ich die Gefahr mied: des Gehorsams, indem ich mich durch den Willen des heiligen Johannes leiten liess. Du bist nicht stark, und der Verkehr mit den Geschöpfen setzt dich weit mehr der Gefahr aus. Überdies bist du meine Schülerin: du hast meine Handlungen und mein Leben zum Vorbilde, das du nachahmen musst: so will ich denn auch, dass du, sobald du die Gefahr wahrnimmst, dich davon entfernest, solltest du dich auch zu einem schmerzlichen Opfer entschliessen müssen. Ich verlange ferner, dass du dich allezeit durch den Gehorsam gegen deinen Führer leiten lassest; denn dieser Gehorsam ist der sichere Leitstern und eine starke Säule, um nicht zu fallen. Gib wohl acht, dass der Teufel dir nicht unter dem Scheine der Frömmigkeit eine Schlinge verberge, und dass du nicht etwa, indem du andere gewinnen möchtest, selbst zu Schaden kommst. Traue nicht deinem eigenen Urteil, sollte es dir auch noch so gut und sicher erscheinen, und mache niemals beim Gehorchen eine Schwierigkeit, da ja ich um des Gehorsams willen eine so mühevolle und beschwerliche Reise unternommen habe. 363. Erneuere in dir auch das Verlangen, in meine Fussstapfen zu treten und mich vollkommen nachzuahmen, um so die Geschichte meines Lebens zu vollenden und es in dein Herz einzuschreiben. Laufe dem Wohlgeruche meines Lebens und meiner Tugenden nach auf dem Wege der Demut und des Gehorsams. Wenn du mir gehorchen wirst, wie ich es von dir verlange, und wozu ich dich so oft ermahne und auffordere, so werde ich dir als meiner Tochter in allen deinen Nöten und Trübsalen beistehen. Mein Sohn wird in dir, wie er es verlangt, seinen Willen erfüllen, und zwar noch bevor du dieses Werk vollendet haben wirst. Die Verheissungen, die du oftmals aus unserem Munde gehört hast, werden erfüllt, und du wirst von Gottes mächtiger Hand gesegnet werden. Preise und verherrliche den Allerhöchsten für die ausserordentliche Gnade, die er meinem Diener Jakobus in Saragossa erwiesen, für die Kirche, die mir der Apostel noch vor meinem Tode daselbst erbaut hat, und für alles, was ich dir über dieses Wunder geoffenbart habe; denn dieser Tempel war der erste, der nach Einführung des neuen Gesetzes erbaut wurde, zum höchsten Wohlgefallen der allerheiligsten Dreieinigkeit. @@@@@ Buch 8 @@@@@ Buch 8. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die Himmelskönigin Maria gegeben hat. Lehre: Opfergeist. 388. Meine Tochter, in dem, was du in diesem Hauptstück vernommen hast, findest du viele Regeln, um gut und vollkommen zu handeln. Von allem erwäge, dass, wie Gott der Grund und Ursprung alles Seins und aller Fähigkeiten der Kreaturen ist, er gemäss der Ordnung der Vernunft auch das Endziel für sie alle sein muss. Denn da sie alles ohne Verdienst empfangen, so schulden sie alles demjenigen, der es ihnen aus freier Güte gegeben hat; und da sie all ihr Sein und ihre Kräfte empfangen haben, um zu wirken, so gehören auch ihre Werke dem Schöpfer, nicht aber ihnen selbst oder einem andern. Diese Wahrheit, welche ich klar erkannte und stets in meinem Herzen trug, bestimmte mich zu jener Übung, die du so oft mit Bewunderung vernommen und aufgezeichnet hast, nämlich mich zur Erde niederzuwerfen und mich bis in den Staub zu erniedrigen, um die unwandelbare göttliche Wesenheit mit tiefster Ehrfurcht und Hingabe anzubeten. Indem ich erwog, wie ich aus nichts erschaffen und aus Erde gebildet sei, versenkte ich mich vor der Grösse Gottes in mein Nichts und anerkannte ihn als meinen Urheber, der mir Leben, Dasein und Bewegung verliehen', ohne welchen ich nicht geschaffen wäre, und welchem ich daher als einzigem Ursprung und Ziel alles Geschaffenen alles verdanke und alles wieder erstatten müsse. Bei der Erwägung dieser Wahrheit erschien mir alles, was ich tat und was ich litt, als eine Kleinigkeit, und obwohl ich nie aufhörte, zu wirken, so lechzte und seufzte ich doch beständig darnach, noch mehr zu leiden und zu tun, und meines Herzens Durst wurde nie gestillt, weil ich mich stets als Gottes Schuldnerin ansah und dafür hielt, dass ich am meisten verpflichtet, dabei aber arm sei. Die Wahrheit liegt schon dem natürlichen Verstande nahe genug; das Licht des Glaubens aber liesse sie noch viel leichter und deutlicher erkennen, wenn nur die Menschen darauf achten möchten. Denn diese Verbindlichkeit ist sonnenklar und erleidet keine Ausnahme. Da sie aber leider so allgemein vergessen wird, so will ich, dass wenigstens du Sorge tragest, mich in diesen Werken und Übungen, welche ich dich gelehrt habe, nachzuahmen. Insbesondere empfehle ich dir, dich um so tiefer zu demütigen und in den Staub zu beugen, wenn der Allerhöchste dich zu sich emporzieht und dich vorzüglicherer Liebkosungen würdigt. Ein Vorbild davon siehst du in der Demut, die ich übte, wenn mir eine ausserordentliche Gunst zuteil ward, zum Beispiel, da der Herr dem heiligen Jakobus befahl, mir während meines sterblichen Lebens einen Tempel zu erbauen, wo ich angerufen und öffentlich verehrt werden sollte. Diese Gunst samt mehreren anderen Auszeichnungen demütigte mich mehr, als ein Mensch es fassen kann. Und wenn also ich mich so tief demütigte, obwohl ich so viele gute Werke getan, so bedenke, was du tun musst, wenn der Herr dir seine Freigebigkeit zeigt, da doch deine Vergeltung so spärlich ist. 389. Ferner ermahne ich dich, meine Tochter, mich auch durch eine grosse Umsicht und einen wahren Geist der Armut in Befriedigung deiner Bedürfnisse nachzuahmen. Verschmähe jede Art von Bequemlichkeit, sollte sie dir auch von deinen Nonnen oder von solchen, die dir wohlwollen, angeboten werden. In diesen Dingen musst du immer das ärmste, bescheidenste, unansehnlichste und geringste wählen und annehmen, denn sonst kannst du nicht meine Jüngerin sein, noch meinen Geist erlangen, vermöge dessen ich, ohne jedoch in ein Extrem zu verfallen, alle unnötigen Bequemlichkeiten und allen Prunk verschmähte, welche die Gläubigen mir in Jerusalem anboten. Ebenso habe ich auch in Ephesus für die Zeit meines dortigen Aufenthaltes in bezug auf Wohnung nur das allergeringste, was genügen konnte, angenommen. Diese Tugend der Armut schliesst viele andere Tugenden in sich, welche den Menschen sehr glücklich machen. Allein die Welt, blind und betört, wie sie ist, gefällt und vertieft sich nur in das, was das gerade Gegenteil von dieser Tugend und von der Wahrheit ist. 390. Siehe auch wohl zu, dass du dich vor einem andern sehr gewöhnlichen Irrtum hütest. Er besteht darin, dass die Menschen, obwohl sie wissen müssen, dass alle Güter des Leibes und der Seele Eigentum des Herrn sind, sie in der Regel als ihr Eigentum betrachten. Sie glauben, darauf ein solches Recht zu haben, dass sie, weit entfernt, dieselben Gott gutwillig darzubringen, sogar, wenn er sie ihnen bisweilen entzieht, sich darüber betrüben, ja beklagen, als geschehe ihnen zu weh, ja als tue Gott ihnen ein Unrecht. Die Eltern lieben mit einer so ungeordneten Liebe ihre Kinder und die Kinder hinwieder ihre Eltern, die Männer ihre Frauen und diese ihre Männer; alle Sterblichen hängen so an ihrer Habe, ihrer Ehre, ihrer Gesundheit und anderen zeitlichen Vorteilen, und gewisse Seelen an ihren geistlichen Tröstungen, dass, wenn sie dieselben verlieren, sie sich masslos betrüben. Und wenn ihr Verlangen nach Wiedererlangung des Verlorenen auch offenbar unerfüllbar ist, so leben sie doch in steter Unruhe dahin, nehmen keinen Trost an, ja gehen oft, indem die Unordnung des Gefühls sich auch der Vernunft bemächtigt, zur Ungerechtigkeit gegen Gott den Herrn über. In dieser Verkehrtheit verurteilen sie die Werke der göttlichen Vorsehung, berauben sich grosser Verdienste, die sie erwerben könnten, wenn sie dem Herrn das, was ihm gehört, freudig aufopfern würden, und geben zu erkennen, dass sie im Falle der Wiedererlangung des Verlorenen dessen Besitz als ihr höchstes Gut ansehen und mit diesen vergänglichen, hinfälligen Scheingütern, wenn es möglich wäre, viele Jahrhunderte lang vergnügt dahinleben würden. 391. Kein Adamskind konnte je ein sichtbares Gut in höherem oder in gleichem Grade lieben, wie ich meinen heiligsten Sohn und meinen Bräutigam Joseph geliebt habe. Und obwohl diese Liebe, solange ich in ihrer Gesellschaft lebte, immer wohlgeordnet war, so habe ich doch das Opfer der Entbehrung dieses Umganges für die ganze übrige Zeit, da ich allein auf Erden leben musste, bereitwilligst Gott gebracht. Ich will nun, dass du diese Gleichförmigkeit des Willens und diese Ergebung nachahmest, wenn dir eines von jenen Dingen entrissen wird, welche du in Gott lieben musst. Denn ausser Gott darfst du eben gar keine lieben. Nur eine Art von Wünschen und Verlangen muss dich beständig erfüllen: der Wunsch und das Verlangen, das höchste Gut zu sehen und es auf immer und ewig im himmlischen Vaterlande zu lieben. Nach dieser Glückseligkeit musst du dich mit Tränen und Seufzern, aus der ganzen Tiefe deines Herzens sehnen: für sie musst du mit Freuden alle Mühen und Beschwerden des sterblichen Lebens ertragen. In diesen Gesinnungen musst du dich so sehr befestigen, dass du von heute an in dir den lebendigen Wunsch unterhaltest, alles dasjenige zu leiden, wovon du weisst oder erfährst, dass die Heiligen es gelitten haben, um dich auf solche Weise Gottes würdig zu machen. Wisse übrigens noch: dieser Wunsch zu leiden und dieses Verlangen und Aufstreben nach der Anschauung Gottes müssen so beschaffen sein, dass das Verlangen zu leiden die Stelle des Leidens vertreten muss, welches du nicht erreichen kannst, und dass du eben darum wirklich leidest, weil du der Leiden, die du so sehnlichst wünschest, nicht würdig bist. Siehe wohl zu, dass du deiner Sehnsucht nach der beseligenden Anschauung nicht einen fremdartigen Beweggrund beimischest, z.B. das Verlangen, von den Leiden dieses Lebens durch die Freuden befreit zu werden, welche jene Anschauung gewährt. Denn nach dem höchsten Gute verlangen, um den Mühen des Lebens enthoben zu werden, das heisst nicht Gott, sondern sich selbst zu seinem eigenen Vorteil lieben, und ein solches Verlangen ist vor Gott, der alles weiss und abwägt, nicht eines Lohnes würdig. Übest du jedoch jene Dinge aufrichtig, wahr und in aller Vollkommenheit, als eine getreue Dienerin und Braut meines Sohnes, verlangst du ihn zu sehen, um ihn zu lieben und zu lobpreisen und nie mehr zu beleidigen, wünschest du dir alle Arten von Leiden und Trübsalen zu diesem einzigen Ende: dann glaube mir und sei versichert, dass du uns sehr wohlgefällig sein und jenen Stand der Liebe erlangen wirst, nach welchem du so anhaltend strebest. Denn zu eben diesem Zwecke sind wir gegen dich so grossmütig und freigebig. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die seligste Jungfrau Maria, die grosse Königin der Engel, gegeben hat. Lehre: Anrufen Mariä in der Todsünde. 410. Meine Tochter, den Eindruck, welchen die meinem Diener Jakobus durch mich zuteil gewordene Gnade auf dich gemacht hat, veranlasst mich, dich mit einem Vorrechte bekannt zu machen, das der Allerhöchste mir bestätigte, als ich ihm die Seele seines Apostels im Himmel vorstellte. Ich habe dir zwar schon andere Male etwas von diesem Geheimnis gesagt; allein ich will dir jetzt ein grösseres Verständnis desselben geben, auf dass du wahrhaft meine Tochter und meine getreue Dienerin seiest. Als ich die gebenedeite Seele des Jakobus in den Himmel einführte, redete der ewige Vater mich an und sprach zu mir, so dass alle Seligen des Himmels es vernahmen: "Meine Tochter und meine Taube, die ich mir aus allen Geschöpfen als Gegenstand meines Wohlgefallens auserwählt habe, alle Bewohner des Himmels, Engel und heiligen, sollen hiemit wissen: Zur Erhöhung meines Namens, zu deiner Ehre und zum Heile der Menschen gebe ich dir mein königliches Wort: wenn die Sterblichen in der Stunde ihres Todes nach dem Beispiele meines Dieners Jakobus dich mit Inbrunst des Herzens anrufen und dich um deine Vermittlung bei mir bitten, so werde ich mich in Güte zu ihnen neigen, sie mit den Augen eines mitleidsvollen Vaters anschauen, sie verteidigen und in den Gefahren dieser letzten Stunde behüten. Ich werde die grausamen Feinde, die sich in jenem entscheidenden Augenblicke alle Mühe geben, die Seelen zu verderben, aus deren Nähe vertreiben. Ich werde ihnen durch dich grosse Gnadenhilfen verleihen, damit sie dem Feinde widerstehen und, sofern sie das Ihrige tun, meiner Gnade teilhaftig werden. Du wirst mir ihre Seele vorstellen, und sie werden von meiner freigebigen Hand eine vorzügliche Belohnung erhalten." 411. Für dieses Vorrecht brachte die ganze triumphierende Kirche und ich mit ihr dem Allerhöchsten ein Lob- und Danklied dar. Obwohl also eigentlich die Engel das Amt haben, die Seelen beim Austritte aus der Gefangenschaft dieses sterblichen Lebens vor den Richterstuhl des gerechten Richters zu geleiten, so ist doch mir dieses Vorrecht in höherem Grade erteilt worden, als je ein Vorrecht von Gott dem Allmächtigen an Sterbliche erteilt wurde. Denn ich besitze dieses Vorrecht, wie auch viele andere aus einem ganz besonderen Titel und in einem vorzüglichen Grade, und ich bediene mich desselben oftmals und habe es namentlich zugunsten mehrerer Apostel gebraucht. Da du, wie ich sehe, gerne wissen möchtest, auf welche Weise auch du dahin gelangen könntest, dass ich mich dieses meines Vorrechtes zu deinen Gunsten bediene und dir ein so wünschenswertes Gut zuteil werden lasse, so höre, was ich auf dein frommes Verlangen antworte. Du wirst diese Gnade erlangen, wenn du dich derselben nicht durch Undank und Gleichgültigkeit unwürdig machen wirst; besonders wenn du die unverletzte Reinigkeit bewahrest, als die Tugend, welche ich von dir und allen anderen Seelen ganz besonders verlange. Die grosse Liebe, die ich Gott schulde und die ich wirklich für ihn hege, drängt mich nämlich zu dem innigsten Wunsche, dass alle Menschen Gottes heiligstes Gesetz beobachten, und dass keiner Gottes Freundschaft und Gnade verliere. Dies muss dir über Gesundheit und Leben gehen, und du musst bereit sein, eher zu sterben, als gegen deinen Gott und dein höchstes Gut zu sündigen. 412. Demnach verlange ich, dass du mir gehorchest, meine Lehren ins Werk setzest und dir alle mögliche Mühe gebest, um das, was du hinsichtlich meiner erkennest und niederschreibst, auch nachzuahmen. Deine Liebe darf keine Unterbrechung erleiden; keinen Augenblick sollst du die herzliche Zuneigung ausser acht lassen, zu welcher die freigebige Barmherzigkeit des Herrn dich verpflichtet hat, damit du für alles, was du dem Herrn und auch mir schuldest, dich dankbar erzeigest. Deine Verbindlichkeit ist in dieser Hinsicht ohnehin weit grösser, als du sie im sterblichen Leben abtragen könntest. Sei getreu in der Dankbarkeit, eifrig in der Andacht, tätig im Streben nach dem, was das Heiligste und Vollkommenste ist. Erweitere dein Herz und hüte dich wohl, es durch Kleinmut, zu welchem der böse Geist dich verleiten möchte, zusammenzupressen. Vertraue auf den Herrn, wie du es schuldig bist, und lege deine Hände an grosse und schwierige Dinge. Lass dich nicht niederbeugen, lass dich nicht entmutigen durch die Widerwärtigkeiten; setze dem Willen Gottes in dir kein Hindernis entgegen und vereitle nicht seine höchsten Absichten, die alle auf seine Verherrlichung abzielen. Bewahre eine unerschütterliche Hoffnung auch in den grössten Bedrängnissen und schwersten Prüfungen. Zu diesem Zwecke habe vor Augen das Beispiel meiner Diener Jakobus und Petrus und bediene dich der Erkenntnisse, welche ich dir über die glückselige Sicherheit derjenigen mitgeteilt habe, welche sich unter den Schutz und die Vorsehung des Allerhöchsten stellen. Durch dieses Vertrauen und durch die Andacht, welche er zu mir trug, erlangte der heilige Jakobus die ausgezeichnete Gnade, welche ich ihm bei seinem Martyrtum erwies: so überwand er die unermesslichen Schwierigkeiten, welche demselben vorhergingen. Kraft dieses Vertrauens blieb auch der heilige Petrus in Kerker und Banden so ruhig, dass er nicht im geringsten den inneren Frieden verlor. Dadurch verdiente er zugleich, dass wir, mein heiligster Sohn und ich, mit so viel Sorgfalt auf seine Rettung und Befreiung Bedacht nahmen. Solcher Gnaden machen sich die Weltmenschen, diese Kinder der Finsternis, unwürdig, weil sie ihr ganzes Vertrauen auf die sichtbaren 'Dinge und auf ihre teuflische und irdische Klugheit setzen. Erhebe also du, meine Tochter, dein Herz: mache es frei von diesen Irrtümern; strebe nach der höchsten Reinheit und Heiligkeit, denn der Arm des Allmächtigen, der so Wunderbares in mir gewirkt hat, wird auch mit dir sein. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die Königin der Enge, gegeben hat. Lehre: Trauer über den unglücklichen Zustand der Welt. 427. Meine Tochter, wie du bemerkt haben wirst, stelle ich dir in dieser meiner Lebensgeschichte, welche du schreibst, einerseits oft den beklagenswerten Zustand der Welt und der Kirche, worin du lebst, vor Augen, andererseits drücke ich dir ebensooft mein mütterliches Verlangen aus, dass du mich nachahmen mögest. Sei überzeugt, meine teure Tochter, es geschieht dies, weil ich in der Tat viele Gründe habe, zu wünschen, dass du mit mir trauerst und dass du jetzt jenes Elend beweinest, welches ich als Erdenpilgerin beweinte. Ich selbst würde mich in den jetzigen Zeiten noch tiefer betrüben, wenn der Stand, in welchem ich mich befinde, dem Schmerze zugänglich wäre. Ich versichere dich, o Seele, du lebst in Zeiten, in welchen das Elend der Kinder Adams so gross ist, dass du es mit blutigen Tränen beweinen solltest. Und weil du nicht imstande bist, dieses Elend auf einmal und zu gleicher Zeit zu erkennen, so erinnere ich dich zu wiederholten Malen an das, was ich vom Himmel aus auf dem ganzen Erdkreis, insbesondere aber unter den Kindern des heiligen Glaubens geschehen sehe. Wende also deine Augen auf die Gesamtheit der Menschen und siehe, wie der grösste Teil derselben in der Finsternis und im Irrtum des Unglaubens dahinlebt und ohne Aussicht auf Rettung der ewigen Verdammnis zuläuft. Siehe auch, wie die Kinder des Glaubens und der Kirche dabei so sorglos sind und um ein solches Unglück unbekümmert dahinleben; keiner ist, der darüber trauerte! Denn da sie ihr eigenes Heil für nichts achten, so nehmen sie noch viel weniger auf dasjenige anderer Bedacht. Weil der Glaube in ihnen tot und die göttliche Liebe erstorben ist, so fühlen sie keinen Schmerz darüber, dass die Seelen zugrunde gehen, Seelen, die doch für Gott erschaffen und mit dem Blute des menschgewordenen Sohnes Gottes erkauft sind. 428. Alle sind Kinder des einen Vaters, welcher im Himmel ist, und jeder hat die Pflicht, seinem Bruder zu helfen, wie er kann. Diese Pflicht liegt aber besonders den Kindern der Kirche ob, und sie können es tun durch Gebete und Fürbitten. Unter den Christen aber haben diese Pflicht hinwiederum in höherem Masse diejenigen, welche Macht haben, und diejenigen, die ihre ganze Existenz dem christlichen Glauben verdanken und die auch von der freigebigen Hand Gottes ganz besonders begünstigt sind. Jene, welche um des Gesetzes Christi willen so grosse zeitliche Vorteile geniessen, dieselben aber ganz und gar nur auf die Gemächlichkeit und das Wohlsein des Fleisches verwenden, sind gerade die, welche als Mächtige auch mächtig gepeinigt werden 10. Wenn die Hirten und Vorsteher des Hauses des Herrn nur darauf sinnen, gemächlich zu leben und aller persönlichen Arbeit auszuweichen, so machen sie sich verantwortlich für den Untergang der Herde Christi und für die Verheerung, welche die höllischen Wölfe darin anrichten. 0 meine Tochter, in welchem beklagenswerten Stande befindet sich doch das christliche Volk durch die Schuld jener schlechten Diener, welche ihm Gott nach seinen geheimen Gerichten zu Machthabern und Hirten gegeben hat! Welche Züchtigung und welche Schande harret ihrer! Sie werden vor dem Tribunale des gerechten Richters keine Entschuldigung haben, denn der katholische Glaube, den sie bekennen, belehrt sie genugsam; das eigene Gewissen mahnt sie ebenfalls, aber für alles dieses haben sie taube Ohren. 429. Die Sache Gottes und das Interesse seiner Ehre ist verlassen und ohne Verteidiger. Die Seelen, welche seine Reichtümer, seine Herde bilden, sind ohne die rechte Weide. Fast alle suchen nur für sich zu erwerben und zu bewahren, indem dabei der eine auf diese, der andere auf jene Weise seine teuflische Arglist und Verfahrungsweise in Anwendung bringt. Die Wahrheit ist verdunkelt und vergewaltigt, die Schmeichelei zu Ehren gebracht, die Habsucht jeder Schranke enthoben, Christi Blut mit Füssen getreten, die Frucht seiner Erlösung verschmäht und verachtet. Niemand will seine Ruhe und sein Interesse darangeben, wenn es gilt, dem Herrn etwas zu retten, was ihn Blut und Leben gekostet hat. Selbst die Freunde Gottes sind hierin nicht ohne Schuld, denn sie üben die Liebe und heilige Freiheit nicht mit dem Eifer, wie sie es schuldig sind. Die meisten lassen sich von ihrer Zaghaftigkeit überwinden, oder sie begnügen sich damit, für sich selbst zu sorgen, und lassen das allgemeine Wohl der Seelen im Stiche. Nun wirst du begreifen, meine Tochter, wie es gekommen ist, dass, nachdem mein allerheiligster Sohn die Kirche des Neuen Bundes mit seinen eigenen Händen gepflanzt und mit seinem Blute befruchtet hat, so unglückliche Zeiten über sie hereingebrochen sind, dass von eben diesen Zeiten gilt, was der Herr durch den Mund seiner Propheten klagend gesprochen hat: "Was die Raupe zurückliess, das hat die Heuschrecke gefressen, und was die Heuschrecke zurückliess, das frass der Käfer, und was dieser übrig liess, das verzehrte der Schimmel und Mehltau". Und wenn der Herr durch seinen Weinberg geht, um dessen Früchte zu sammeln, so gleicht er einem, der nach der Weinlese ein Träubchen sucht, das etwa noch übrig geblieben, oder nach der Ernte eine Olive, welche der Satan noch nicht herabgeschüttelt und davongetragen hat`! 430. Nun sage mir, meine Tochter: wenn du eine wahre Liebe zu meinem Sohne und zu mir trägst, ist es dann wohl möglich, dass du in deinem Herzen Trost, Ruhe und Freude finden kannst angesichts der furchtbaren Verheerungen, die der Satan unter den Seelen anrichtet, unter den Seelen sage ich, die der Herr mit seinem Blute und ich mit dem Blute meiner Zähren erkauft habe? denn in der Tat sind die Zähren, die ich für die Rettung der Seelen vergoss, oftmals blutig gewesen. Könnte ich heute noch Tränen vergiessen, ich würde es tun, und zwar mit erhöhtem Schmerz und Mitleiden. Weil es mir aber jetzt nicht mehr möglich ist, über die der Kirche drohenden Gefahren zu weinen, darum weine du; nimm keinen irdischen Trost an in einer Zeit, die so überaus unglücklich und bejammernswert ist. Weine also bitterlich und lass dir die Belohnung solchen Schmerzes nicht entgehen. So lebhaft soll dein Schmerz sein, dass du keinen anderen Trost begehrst als den, für deinen geliebten Herrn dich zu betrüben. Bedenke, was ich getan habe, um die Verdammung des Herodes zu verhindern und um überhaupt alle, welche sich meiner Fürsprache teilhaftig machen wollen, vor dem ewigen Verderben zu bewahren; und in der beseligenden Anschauung Gottes lege ich für meine frommen Diener ununterbrochen Fürsprache ein, damit sie ihr Heil erlangen. Werde ja nicht mutlos durch Leiden und Trübsale, welche mein allerheiligster Sohn dir in der Absicht schickt, dass du deinen Brüdern Hilfe bringest und deinem Herrn das Besitztum vermehrest. Und weil die Kinder Adams ihm so viele Unbilden zufügen, so gib dir Mühe, ihm einigen Ersatz zu leisten durch die Reinheit deiner Seele; diese Reinheit muss aber mehr der eines Engels als einer Erdenpilgerin gleichen. Gegen die Feinde Gottes schlage die Schlachten des Herrn, sowohl in seinem als in meinem Namen; zertritt den bösen Geistern den Kopf, gebiete ihrem Stolze und schleudere sie in die Tiefe. Und wenn du Gelegenheit hast, mit den geweihten Dienern Christi zu reden, so rate ihnen, dass sie kraft der ihnen verliehenen Gewalt und mit lebendigem Glauben dasselbe tun, um die Seelen zu schützen und eben damit auch die Ehre und Glorie des Herrn zu verteidigen. Wenn sie dies tun, so werden sie in der Kraft Gottes die bösen Geister niederwerfen und besiegen. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die grosse Königin und Herrin des Himmels gab. Lehre: Wachsamkeit gegen die Arglist des Teufels. 453. Meine Tochter, der Stolz des Teufels schliesst von seiner Seite ein gewisses Streben in sich, dessen Verwirklichung er selbst als unmöglich erkennt. Dieses Streben zielt dahin, dass die Gerechten und Heiligen, wie sie Gott dienen und gehorchen, so auch ihm dienen und gehorchen, damit er hierin Gott ähnlich sei. Allein dieses Verlangen ist unerreichbar, denn es enthält in sich eine Ungereimtheit und einen Widerspruch. Das Wesen der Heiligkeit besteht ja darin, dass sich das Geschöpf den göttlichen Willen zur Richtschnur nehme und durch dessen Erfüllung Gott über alles liebe. Die Sünde dagegen besteht in der Abweichung von dieser Richtschnur, indem man etwas anderes liebt urid dem Teufel gehorcht. Allein die Ehrbarkeit der Tugend ist der Vernunft so sehr entsprechend, dass selbst der Feind dieses anerkennen muss. Darum geht das Streben des Satans besonders dahin, soweit möglich die Guten zum Falle zu bringen, denn er ist voll Neid und Wut darüber, dass er sie nicht zu seinen Diensten hat; er brennt vor Begierde, Gott die Ehre zu rauben, die er in seinen Heiligen hat und die der Satan nicht zu erreichen vermag. Darum gibt er sich alle Mühe, irgend eine Zeder des Libanon, d.h. eine Seele von hoher Heiligkeit unter seine Füsse zu bringen und solche, welche zuvor Diener des Allerhöchsten waren, unter sein Sklavenjoch zu beugen. Dies zu erreichen bietet er all seinen Fleiss, seine Schlauheit, seine Wachsamkeit auf. Eben dieses Verlangen ist auch der Grund, warum er darauf bedacht ist, dass einzelne sittliche Tugenden, wenn auch nur dem Namen nach, ihm geweiht werden, wie die Heuchler tun und wie auch die Jungfrauen der Diana getan haben. Denn auf diese Weise glaubt er von dem, was Gott liebt und begehrt, auch seinen Teil zu bekommen und die Tugenden, an denen der Herr sein Wohlgefallen hat und durch die er den Seelen seine Reinheit mitteilt, wenigstens ihrem Gegenstande nach zu besudeln und zu verderben. 454. Meine Tochter, die Schleichwege, Kunstgriffe und Fallstricke, deren sich die höllische Schlange zur Verkehrung der Gerechten bedient, sind so zahlreich, dass die Seelen ohne einen besonderen Beistand Gottes sie nicht zu erkennen, geschweige denn ihnen zu entkommen und so vielen Netzen und verräterischen Anschlägen auszuweichen vermöchten. Um sich dieses Schutzes des Herrn zu versichern, muss die Seele nach dem Willen seiner Majestät ihrerseits die gehörige Sorgfalt anwenden, auf sich selbst Misstrauen setzen und niemals nachlassen, um diesen Beistand zu flehen und darnach zu verlangen. Denn es ist ausgemacht, dass sie aus sich selbst nichts vermag und bald zugrunde gehen wird. Was aber die göttliche Güte ganz besonders geneigt macht, ist ein mit Eifer erfülltes Herz und eine freudige Andacht bei göttlichen Dingen, vor allem aber beständige Demut und steter Gehorsam; diese sind es, welche Standhaftigkeit und Kraft verleihen, dem Feinde zu widerstehen. Nicht um dich zu entmutigen, sondern um dich zu warnen und vorsichtig zu machen, sage ich dir, dass auch bei den Gerechten jene Werke sehr selten sind, welche nicht wenigstens teilweise vom Gifte der höllischen Schlange angesteckt wären. Denn fast immer sucht der Satan mit höchster Schlauheit irgend eine Leidenschaft oder irdische Neigung anzuregen, welche dann die gute Meinung des Handelnden beeinflusst oder verdirbt, so dass er nicht mehr rein aus Liebe zu Gott oder aus dem der Tugend eigenen Beweggrunde handelt, sondern irgendein anderes Verlangen miteinfliessen lässt, welches dann die Handlung ganz oder teilweise verkehrt. Und da dieses Unkraut unter den Weizen gemischt ist, so ist es sehr schwer, dasselbe schon anfangs zu unterscheiden, besonders wenn die Seele nicht ganz und gar von jeder irdischen Neigung losgeschält ist und ihre Werke nicht im Lichte Gottes untersucht. 455. Du nun, meine Tochter, bist schon oft auf diese Gefahr und auf die Wachsamkeit aufmerksam gemacht worden, womit der Teufel dir mehr als anderen Seelen zusetzt. Sei darum auch du gegen ihn ebenso wachsam und vertraue bei deinen Werken ja nicht dem blossen Scheine der guten Meinung. Diese muss freilich immer gut und recht sein, ist aber für sich allein nicht hinreichend und wird vom Menschen auch nicht immer erkannt. Denn gar oft täuscht der Teufel die Seele unter dem Scheine der guten Meinung, indem er ihr irgend einen scheiribar guten oder ganz fernliegenden Zweck vorhält, um sie in eine nächste Gefahr zu stürzen. Die Folge davon ist, dass sie in der Gefahr fällt, den guten Zweck aber, der sie betrügerischerweise anlockte, keineswegs erreicht. Manchmal sucht der Satan zu verhindern, dass der Mensch neben der guten Meinung auch die anderen Umstände in Betracht ziehe; dadurch aber wird das Werk unklug und fehlerhaft. Bisweilen bedecken sich auch die irdischen Neigungen und Leidenschaften mit dem Mantel irgendeiner scheinbar guten Meinung und nehmen insgeheim den grössten Teil des Herzens ein. Das Heilmittel bei so grossen Gefahren besteht darin, dass du deine Werke bei dem Lichte prüfest, welches der Herr dem höheren Teile deiner Seele eingiesst. Denn mittelst desselben wirst du verstehen, wie du das "Kostbare vom Gemeinen'", die Lüge von der Wahrheit und das Bittere der Leidenschaften von der Süssigkeit des Vernünftigen sondern sollst. Auf diese Weise wird das göttliche Licht, das sich in dir findet, keinen Teil an der Finsternis haben, und "dein Auge wird einfältig sein" und dem "ganzen Leibe deiner Handlungen'" Reinheit verleihen, und so wirst du ganz und in allem deinem Herrn und mir wohlgefällig sein. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die grosse Königin Maria gegeben hat. Lehre: Demut und Gehorsam. 473. Meine Tochter, es ist mein Wille, dass du stets der Ermahnung eingedenk seiest, welche ich dir schon im Anfang gegeben habe, als ich dir diese erhabenen Geheimnisse meines Lebens aufzuschreiben befahl. Es ist nämlich keineswegs meine Absicht, dass du bloss ein totes Werkzeug seiest, um dieselben der Kirche mitzuteilen. Vielmehr geht meine Absicht dahin, dass du an erster Stelle und mehr als alle andern diese grosse Wohltat dir zunutzen machest, indem du an dir selbst meine Lehre und das Beispiel meiner Tugenden im Werke aus übest. Denn dazu beruft dich der Herr, und dazu habe ich dich zu meiner Tochter und Schülerin auserwählt. Und weil du auf den Akt der Demut, den ich übte, als ich ohne den Willen rneines Sohnes Johannes den Brief des heiligen Petrus nicht öffnen wollte, in gebührender Weise aufmerksam gemacht hast, so will ich dir noch weitläufiger die in jener meiner Handlung enthaltene Lehre auseinandersetzen. Du sollst also wissen, dass es in den beiden Tugenden der Demut und des Gehorsams, welche das Fundament der christlichen Vollkommenheit bilden, nichts Unbedeutendes gibt, dass vielmehr alle Übungen derselben dem Allerhöchsten überaus wohlgefällig sind und von seiner freigebigen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit reichlich belohnt werden. 474. Beachte, meine Tochter: Gleichwie der menschlichen Natur nichts schwerer fällt als die Unterwerfung des eigenen Willens unter den Willen eines anderen, so ist auf der anderen Seite für den Menschen nichts notwendiger als eben diese Unterwerfung, denn nur so wird es dem Menschen gelingen, seinen stolzen Nacken zu beugen, während Satan darauf ausgeht, dass alle Adamskinder ihren Nacken erheben. Die bösen Geister geben sich die grösste Mühe, die Menschen dahin zu bringen, dass ein jeder seinem Eigensinn und Eigenwillen folge. Es ist dies ein Mittel, durch welches der böse Feind viele Siege erreicht und zahllose Seelen auf die verschiedenste Weise in das Verderben zieht. Denn er sucht alle Stände und Geschlechter der Sterblichen mit diesem Gifte anzustecken und jeden Menschen dahin zu bringen, dass er seinem Eigensinn folge, dass kein Untergebener dem Willen und den Bestimmungen des Vorgesetzten sich unterwerfe, dass er vielmehr dieselben verachte und mit Füssen trete und so die Ordnung der göttlichen Vorsehung, durch welche alles so schön geregelt ist, umstosse. Und weil alle diese Regierung des Herrn durchkreuzen und vereiteln, darum ist die Welt voll Verwirrung und Finsternis. Alle Verhältnisse sind in Unordnung gebracht, weil ein jeder ohne Rücksicht auf Gott, auf ein Gesetz oder auf irgend etwas anderes sich einzig nach seinem eigenen Gutdünken richtet. 475. Es ist dies eine für jedermann verderbliche und in den Augen des höchsten Lenkers und Herrn aller Dinge sehr missfällige Sache. Allein von weit grösserer Bedeutung ist sie bei Ordensleuten, welche, obwohl sie durch ihre Ordensgelübde gebunden sind, dennoch auf jede Weise diese Bande zu lokkern oder ganz abzuschütteln sich bemühen. Ich spreche jetzt nicht von solchen, welche ihre Gelübde in frecher Weise brechen und dieselben in kleinen wie in grossen Dingen übertreten: das ist eine entsetzliche Verwegenheit, welche nichts Geringeres zur Folge hat als das Urteil der ewigen Verdammnis. Ich ermahne vielmehr jene, welche im Ordensstande ihr Heil sicher stellen wollen. Ihnen sage ich: wenn sie der Gefahr der Verdammnis entgehen wollen, so mögen sie sich wohl hüten, Meinungen und Auslegungen zu suchen, welche den Zweck haben, um den Gehorsam, den sie Gott in ihren Obern schuldig sind, zu feilschen und ihn zu lockern. Man untersucht z.B. beim Gehorsam - und dasselbe gilt in entsprechender Weise auch von den andern Gelübden - wie weit man im eigenmächtigen Handeln gehen könne, ohne gerade zu sündigen, und ob man über dieses oder jenes ohne Erlaubnis des Obern nach eigenem Gutdünken verfügen könne. Solche Bestrebungen zielen nie auf die Beobachtung der Gelübde ab, sondern auf deren Übertretung, und das Gewissen macht wohl darüber Vorwürfe, aber man hört nicht darauf. Ich sage darum diesen Religiosen: es ist der Satan, welcher sie antreibt, solche giftige Fliegen zu verschlucken, damit sie, auf diese Weise an scheinbar geringe Fehler gewöhnt, nach und nach dahin gelangen, auch die Kamele zu verschlucken, d.h. grobe Fehler zu begehen. Solche Religiosen, welche immer nur darauf sinnen, den Kreis ihrer Rechte bis an die Grenzlinie der Todsünde hin auszudehnen, verdienen zum wenigsten so viel, dass einstens der gerechte Richter, wenn er ihre Gewissen erforscht und durchsucht, das Mass ihrer Belohnung auf das niedrigste herabsetzt, gleichwie auch sie Gott zuliebe und Gott zu Gefallen nur das Allerwenigste tun wollen und ihr ganzes Leben damit verbrachten, dieses Allerwenigste herauszubringen. 476. Solche Grundsätze, durch welche man das Gesetz Gottes leicht zu machen sucht, und welche nur sinnliche Genüsse und Befriedigung des Fleisches bezwecken, sind vor meinem heiligsten Schrie und vor mir im höchsten Grade verabscheuungswürdig, denn es verrät einen grossen Mangel an Liebe, wenn man seinem göttlichen Gesetz nur deshalb gehorcht, weil man nicht mehr anders kann; auf diese Weise wirkt nur die Furcht vor der Züchtigung, nicht aber die Liebe zum Befehlenden, und es würde darum gar nichts geschehen, wenn die Zuchtrute nicht geschwungen wäre. Nicht selten geht der Untergebene, um sich vor einem untergeordneten Obern nicht demütigen zu müssen, den höheren Vorgesetzten uni eine Erlaubnis an; oder er begehrt bisweilen eine solche Erlaubnis bloss im allgemeinen oder von einem solchen, welcher nicht so gut zu erkennen und zu beurteilen vermag, wie gefährlich die Erlaubnis für den Bittsteller ist. Man kann nun allerdings nicht in Abrede stellen, dass dieses immerhin noch ein gewisser Gehorsam ist; allein es ist auch ebenso ausgemacht, dass alle diese Schleichwege nur dazu dienen, dass man mit grösserer Freiheit und Gefahr, aber auch mit geringerem Verdienste handle. Denn offenbar ist das Verdienst grösser, wenn man in demütiger Unterwürfigkeit einem untergeordneten Obern gehorcht, oder einem solchen, welcher weniger natürliche Begabung besitzt oder dem eigenen Vorteil und Geschmack weniger entspricht. Eine derartige Lehre habe ich in der Schule meines heiligsten Sohnes nicht vernommen und auch bei meinen Werken nicht angewendet. Denn für alle Dinge bat ich diejenigen um Erlaubnis, welche ich als Vorgesetzte betrachtete, und niemals bin ich, wie du im bisherigen gesehen hast, ohne Vorgesetzte gewesen. Selbst um den Brief des heiligen Petrus, des Oberhauptes der Kirche, zu lesen und zu öffnen, wartete ich die Zustimmung des Untergeordneten ab, der für mich der unmittelbare Vorgesetzte war. 477. Darum, meine Tochter, ist es mein Wille, dass du ja nicht der Lehre jener folgest, welche Dispensen und Erlaubnisse zu ihrer Bequemlichkeit suchen. Ich erwähle und beschwöre dich vielmehr, dass du mich nachahmest und mir auf dem geraden und sicheren Wege der Vollkommenheit nachfolgest. Erweiterungen und Auslegungen suchen heisst den Stand des religiösen und christlichen Lebens zugrunde richten. Du musst dich darum beständig demütigen, unter dem Gehorsam leben und dich nicht etwa damit entschuldigen, dass du Oberin bist; du hast ja Beichtväter und Ordensobere. Und kannst du bisweilen, wenn sie etwa abwesend sind, ihre Erlaubnis nicht einholen, so frage eine deiner Untergebenen oder eine in niedrigeren Ämtern stehende um Rat und befolge denselben. Dir müssen alle als Obere gelten: und glaube nicht, dies sei schon etwas Grosses: du bist ja die mindeste von allen Sterblichen und musst dich darum an den untersten Platz setzen: als die geringste von allen sollst du dich unter alle demütigen: dann wirst du meine wahre Nachfolgerin, meine Tochter und Schülerin sein. Ferner sei auch darin pünktlich, dass du täglich zweimal vor mir deine Fehler bekennest, mich jedesmal, wenn es zu irgendeiner Handlung notwendig ist, um Erlaubnis bittest und dann jeden Tag deine begangenen Fehler beichtest. Was du aber gegen mich und die Diener des Herrn zu beobachten habest, werde ich dir mitteilen und dir befehlen. Auch sollst du dich nicht schämen, deine gewöhnlichen Fehler öffentlich zu bekennen, damit du in jeder Hinsicht in den Augen des Herrn und in den meinigen dich demütigest. Diese der Welt und dem Fleische verborgene Weisheit sollst du nicht nur selbst erlernen, sondern auch deine Nonnen darin unterrichten. Indem ich dich diese Weisheit lehre, will ich dich für die Mühe belohnen, die du bei Beschreibung meines Lebens gehabt hast. Merke dir also diese überaus wichtigen Lehren und Winke, die ich dir zum Lohne hiefür gebe, und wisse: wenn du mich vollkommen nachahmen willst, wie du es schuldig bist, so darfst du weder mit jemand verkehren, noch reden, noch handeln, noch Briefe schreiben oder empfangen, noch dich bewegen, noch einen Gedanken fassen, ohne, soweit es tunlich ist, von mir und von deinem Seelenführer die Erlaubnis einzuholen. Weltlich und fleischlich gesinnte Menschen nennen zwar diese Tugenden Albernheiten oder Zeremonien; allein diese einem gewaltigen Hochmute entstammende Unwissenheit wird der Strafe nicht entgehen, wenn einmal vor dem gerechten Richter die Wahrheit ans Licht kommt und es sich zeigt, welches die Toren und welches die Weisen gewesen sind. Alsdann werden jene belohnt werden, welche als wahre Knechte im kleinen wie im grossen getreu" sich erwiesen haben. Die Toren werden dann sehen, dass sie durch die "Klugheit des Fleisches" sich selbst das Verderben zugezogen haben: doch dann wird keine Rettung mehr möglich sein. 478. Und weil der Umstand, dass ich zu Ephesus in eigener Person jene Gemeinschaft zurückgezogener Frauen geleitet habe, in dir einige Eifersucht erregt hat, so sage ich dir, dass du hiezu keinen Grund hast. Denn bedenke wohl, dass ihr, nämlich du und deine Nonnen, mich zur Vorgesetzten und besonderen Patronin erwählt habet, damit ich als Königin und Herrin euch regiere. Deine Ordensfrauen sollen wissen, dass ich dieses Amt angenommen habe und mich für immer als Oberin aufstelle, jedoch unter der Bedingung, dass sie vollkommen in ihrem Berufe und recht getreu gegen ihren Herrn, meinen heiligsten Sohn, seien, der sie zu seinen Bräuten erwählt hat. Schärfe es ihnen darum oft ein, dass sie sich vor der Welt in acht nehmen und davon zurückziehen, dieselbe von ganzem Herzen verachten, die Geistessammlung bewahren, sich im Frieden erhalten und ja nicht von dem Geiste meiner wahren Töchter abarten, welche jene Lehre befolgen und ausüben, die ich dir in dieser meiner Lebensgeschichte für dich und für sie gegeben habe. Sie sollen diese Lehre mit der höchsten Ehrfurcht und Hochschätzung aufnehmen und sie voll Dankbarkeit ihrem Herzen einprägen. Denn eben dadurch, dass ich ihnen mein durch deine Hand beschriebenes Leben zum Vorbilde und Leitsterne für ihre Seelen gegeben habe, übe ich das Amt einer Mutter und Vorsteherin aus, damit sie als Untergebene und Töchter meinen Fussstapfen folgen, meine Tugenden nachahmen und meiner treuen Liebe sich dankbar erweisen. 479. Auch noch eine andere wichtige Bemerkung kannst du aus diesem Kapitel abnehmen, dass nämlich jene, welche nicht in gehöriger Weise gehorchen, alsbald sich betrüben, traurig und verwirrt werden, wenn ihnen bei Ausführung des Befohlenen irgend etwas Widerwärtiges begegnet. Zur Beschönigung ihrer Ungeduld aber schieben sie die Schuld auf den Befehlenden und suchen ihn bei den andern oder bei den Obern in Misskredit zu bringen, als ob der Befehlende die Pflicht gehabt hätte, alle widerwärtigen Vorkommnisse, die zufällig dem Untergebenen zustossen, ferne zu halten, oder als ob die Leitung aller Dinge der Welt seiner Sorge anvertraut wäre und er alles ganz nach dem Geschmacke des Untergebenen anordnen könnte. Es ist dies ein Irrtum, der von der Wahrheit himmelweit abweicht. Gott lässt es ja oft gerade zur Belohnung des Gehorsams zu, dass dem Gehorchenden Schwierigkeiten begegnen, damit auf diese Weise sein Verdienst grösser und seine Krone herrlicher werde. Manchmal geschieht es freilich auch, dass Gott den Untergebenen für sein Widerstreben züchtigt, weil er nämlich nur ungern gehorcht. An all diesem trägt aber der Obere, welcher befiehlt, keine Schuld. Der Herr hat bloss gesagt: "Wer euch höret und euch gehorcht, der hört mich und gehorcht mir". Darum schlägt die mit dem Gehorsam verbundene Mühe allezeit zum Vorteile des Gehorchenden aus. Macht dieser davon keinen Gebrauch, so liegt die Schuld davon keineswegs an dem Befehlenden. Ich habe es dem heiligen Petrus nicht zur Schuld angerechnet, dass er mich von Ephesus nach Jerusalem kommen liess, obwohl ich auf der Reise so vieles zu leiden hatte; im Gegenteil, ich bat ihn um Verzeihung, dass ich seinem Befehle nicht rascher nachgekommen sei. Sei darum über deine Vorgesetzten niemals unwillig oder verdriesslich, denn das wäre eine abscheuliche Freiheit, welche das Verdienst des Gehorsams vernichtet. Betrachte sie vielmehr mit Ehrfurcht als Stellvertreter Christi, dann wird der Lohn für den Gehorsam reichlich sein. Folge meinen Fussstapfen, meinem Beispiele und meiner Lehre, dann wirst du in allem vollkommen sein. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die seligste Jungfrau Maria, die Königin der Engel, gegeben hat. Lehre: Starkmutiger Widerstand gegen den Satan. 499. Meine Tochter, die Beharrlichkeit und unüberwindliche Stärke, womit ich die grausame Hartnäckigkeit der höllischen Geister besiegte, enthält für dich eine der wichtigsten Lehren, um in der Gnade zu verharren und grosse Verdienste zu erwerben. Die Natur der Menschen und die der Engel, und zwar auch der bösen Engel, haben ganz verschiedene, einander entgegengesetzte Eigenschaften. Die Natur der Geister ist nicht der Ermüdung unterworfen, die der Menschen dagegen gebrechlich und träge, so dass sie im Handeln bald ermüdet und nachlässt; wenn ihr bei Ausübung der Tugend eine Schwierigkeit aufstösst, so verliert sie den Mut und lässt von dem Begonnenen ab. Was sie heute mit Freuden vollbringt, tut sie morgen mit Unlust; was sie heute leicht findet, das findet sie morgen schwierig; bald will sie etwas, bald will sie es nicht; bald ist sie voll Eifer, bald ist sie wieder lau. Der Teufel dagegen zeigt sich niemals müde; nie ist er im Verfolgen und Versuchen der Menschen träge. Indes lässt es der Allerhöchste hiebei an seiner Vorsehung nicht ermangeln, denn er setzt den Teufeln Schranken und tut ihrer Gewalt Einhalt, so dass sie die von Gottes Zulassung bestimmte Grenzlinie nicht zu überschreiten, noch alle ihre unermüdlichen Kräfte zur Verfolgung der Seelen anzuwenden vermögen. Den Menschen dagegen verleiht er in ihrer Schwachheit seine Hilfe, gewährt ihnen Gnade und Kräfte, wodurch sie ihren Feinden zu widerstehen und sie auf dem Kampfplatz, wo diese ihnen mit ihren Versuchungen nahen dürfen, zu besiegen imstande sind. 500. Aus diesem Grunde ist auch die Unbeständigkeit jener Seelen unentschuldbar, welche bei Übung der Tugend und zur Zeit der Versuchung matt werden, weil sie nicht genug Starkmut und Geduld besitzen, um die kurze Bitterkeit zu ertragen, welche ihnen bei Verrichtung der guten Werke und beim Widerstande gegen den Teufel zustösst. Bald legt sich nämlich ihnen die Neigung der Leidenschaft in die Quere, welche nur nach dem verlangt, was für den Augenblick ergötzt und in die Sinne fällt; und auch der höllische Geist fällt sie in seiner teuflischen Verschmitztheit gewaltig an und weist sie auf das Lästige und Beschwerliche bei der Abtötung hin; ja er stellt diese, soweit er kann, als schädlich für die Gesundheit und das Leben dar. Mittelst solcher Täuschungen bringt er unzählige Seelen zum Falle und stürzt sie von einem Abgrund in den andern. In dieser Hinsicht weise ich dich, meine Tochter, auf einen Irrtum hin, der bei den Weltleuten allgemein vorkommt, der aber in den Augen des Herrn und in meinen Augen sehr verabscheuungswürdig ist. Dieser besteht darin, dass gar viele Menschen schwach, unbeständig und lau sind, wenn es sich darum handelt, ein Werk der Tugend, der Abtötung oder der Busse für ihre Sünden im Dienste Gottes zu verrichten. Und eben diese Menschen, die sich zum Guten so schwach zeigen, sind zum Sündigen gar stark. Im Dienste des Teufels sind sie standhaft und unternehmend: sie verrichten im Dienste des bösen Feindes Werke, welche schwerer und mühevoller sind als alles, was das Gesetz Gottes ihnen befiehlt; kurz, um ihre Seele zu retten, sind sie schwach und kraftlos, um sich aber die ewige Verdammnis zu verdienen, sind sie stark und kräftig. 501. Und dieser Schaden erstreckt sich zum Teil auch auf jene, welche sich zu einem vollkommenen Leben bekennen, dabei aber mehr, als billig ist, auf ihre Gebrechlichkeit Rücksicht nehmen. Infolge dieses Irrtums bleiben sie entweder weit in der Vollkommenheit zurück, oder es gewinnt der Teufel bei seinen Versuchungen nicht wenige Siege. Damit nun du, meine Tochter, dich nicht in solche Gefahren verwickelst, wird es dir von Nutzen sein, wenn du betrachtest, mit welchem Starkmute und welcher Standhaftigkeit ich dem Teufel und der ganzen Hölle widerstanden, und mit welcher Überlegenheit ich seine falschen Vorspiegelungen und Versuchungen von mir gewiesen habe, ohne mich durch dieselben beirren zu lassen oder auf sie zu achten. Denn dies ist die beste Art und Weise, seinen herrschsüchtigen Stolz zu besiegen. Auch unterliess ich wegen solcher Versuchungen meine guten Werke keineswegs, noch setzte ich meine Übungen aus; im Gegenteil, ich vermehrte sie noch: ich lag mit noch grösserem Eifer unter Flehen und Tränen dem Gebete ob, wie man dies zur Zeit des Kampfes gegen jene Feinde tun soll. Und darum ermahne ich auch dich, dieses mit allem Eifer zu tun; denn deine Versuchungen sind keine gewöhnlichen, sondern der Art, wie sie nur von der grössten Bosheit des Teufels kommen können. Ich habe dir dies schon oftmals gesagt, und die eigene Erfahrung lehrt es dich. 502. Und da du bemerkt hast, welch grossen Schrecken die bösen Geister empfanden, als sie gewahrten, dass ich meinen im heiligsten Sakramente gegenwärtigen Sohn in meinem Herzen trug, so mache ich dich auf zwei Dinge aufmerksam: das erste ist, dass alle der heiligen Kirche anvertrauten Sakramente, insbesondere die hochheilige Eucharistie, gewaltige Waffen bilden, um die höllischen Anschläge zu vereiteln und alle Teufel in Schrecken zu versetzen. Gerade dieses war eine der verborgenen Absichten, welche mein heiligster Sohn bei Einsetzung dieses erhabenen Geheimnisses und der übrigen Sakramente hatte. Wenn aber heuzutage die Seelen diese Kraft und diese Wirkung nicht immer erfahren, so liegt der Grund darin, dass sie, an den Gebrauch dieser Sakramente gewöhnt, viel von der Ehrfurcht und Hochschätzung verloren haben, womit sie dieselben behandeln und empfangen sollten. Sei versichert: jene Seelen, welche die heiligen Sakramente mit Ehrfurcht und Andacht empfangen, sind den höllischen Geistern furchtbar; sie besitzen eine grosse und mächtige Gewalt über den Satan, ähnlich wie du dies an mir gesehen und in dem Vorausgehenden beschrieben hast. Der Grund ist der: Wenn sich dieses göttliche Feuer in einer reinen Seele befindet, so ist es sozusagen in seinem Elemente; in mir aber entfaltete es, soweit dies bei einem blossen Geschöpfe möglich ist, die ganze Kraft seiner Wirksamkeit, und darum war ich der Hölle so furchtbar. 503. Das zweite, was ich zum Beweise dieser Wahrheit anführen will, ist dieses, dass die genannte Gnade nicht auf mich allein beschränkt blieb; Gott liess sie in gewissem Grade auch auf andere Seelen übergehen. Gerade in diesen Zeiten ist es in der Kirche geschehen, dass Gott dem höllischen Drachen, um ihn zu besiegen, eine Seele zeigte und gegenüberstellte, welche Christus im heiligsten Sakramente in ihrem Herzen trug. Dadurch hat er den Luzifer so niedergeschlagen und gebändigt, dass derselbe geraume Zeit hindurch nicht mehr vor jener Seele zu erscheinen wagte und sogar an den Allmächtigen die Bitte stellte, er möge sie ihm in diesem Zustande, d.h. mit dem hochwürdigsten Gute im Herzen nicht mehr zeigen. Bei einer anderen Gelegenheit ereignete es sich, dass Luzifer mit Hilfe einiger Ketzer und anderer schlechten Christen gegen das katholische Königreich Spanien einen höchst verderblichen Plan schmiedete, hätte Gott nicht mittelst dieser nämlichen Person denselben vereitelt, so wäre ganz Spanien schon zugrunde gegangen und eine Beute seiner Feinde geworden. Aber die göttliche Güte hat zur Vereitelung dieses Planes sich der obengenannten Person bedient, indem er dieselbe nach dem Empfange der heiligen Kommunion dem Teufel und seinen Helfershelfern zeigte. Durch den hiedurch verursachten Schrecken bewogen, standen die bösen Geister von dem ruchlosen Plane ab, den sie geschmiedet hatten, um Spanien mit einem Male zugrunde zu richten. Wer diese Person ist, sage ich dir nicht: denn es ist nicht notwendig, und ich habe dir dieses Geheimnis nur deshalb mitgeteilt, damit du einsehest, wieviel in Gottes Augen eine Seele gilt, welche sich für seine Gaben empfänglich macht und ihn im heiligsten Sakramente würdig empfängt. Du siehst hieraus aber auch, dass er sich nicht bloss gegen mich um meiner Mutterwürde und Heiligkeit willen so freigebig und mächtig gezeigt hat, sondern dass er auch in andern Seelen, welche seine Bräute sind, erkannt und verherrlicht werden will. Denn er kommt seiner Kirche in ihren Nöten zu Hilfe, je nachdem Zeit und Umstände es erfordern. 504. Hieraus kannst du aber auch abnehmen, dass die Teufel gerade deshalb, weil sie jene Seelen so sehr fürchten, welche die heilige Kommunion und die andern Sakramente würdig empfangen und dadurch eine unüberwindliche Stärke gegen sie erlangen, sich auch ganz besonders bemühen, um solche Seelen zum Falle zu bringen oder zu bewirken, dass sie keine so grosse Gewalt über sie erlangen, als der Herr ihnen mitteilt. Wende darum gegen diese unermüdeten und arglistigen Feinde alle Sorgfalt an und folge mir in diesem meinem Starkmut nach. Ferner verlange ich von dir, dass du die Konzilien der heiligen Kirche und überhaupt alle kirchlichen Versammlungen mit ihren Anordnungen und Beschlüssen in hohen Ehren haltest. Denn bei Konzilien ist der Heilige Geist gegenwärtig und bei den im Namen des Herrn veranstalteten Versammlungen ist er nach seiner Verheissung gleichfalls unter den Versammelten', deshalb muss man ihren Anordnungen und Geboten gehorchen. Und ist auch jetzt die Gegenwart des Heiligen Geistes bei den Konzilien nicht mehr an sichtbaren Zeichen wahrzunehmen, so hört er deshalb doch nicht auf, dieselben unsichtbarerweise zu leiten: es sind ja jetzt die Zeichen und Wunder dabei nicht mehr so notwendig, wie in den ersten Zeiten der Kirche: und insofern sie notwendig sind, unterlässt der Herr auch jetzt nicht, solche zu wirken. Du aber lobe und preise den Herrn für all diese Wohltaten seiner freigebigen Güte und Barmherzigkeit, insbesondere für jene, die er mir erwiesen hat, solange ich im sterblichen Fleische wandelte. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die Königin der Engel, gegeben hat. Lehre: Das Reich des Lichtes und das Reich der Finsternis. 529. Meirie Tochter, mit der Empörung, welche Luzifer und seine bösen Engel im Himmel erhoben, nahmen jene Kämpfe ihren Anfang, welche bis zum Ende der Welt fortdauern werden: die Kämpfe zwischen dem Reiche des Lichtes und dem Reiche der Finsternis, zwischen Jerusalem und Babylon. Führer und Haupt der Kirche des Lichtes ist das menschgewordene Wort als Urheber der Heiligkeit und Gnade. Zum Anführer der Kinder der Finsternis hat sich Luzifer, der Urheber der Sünde und des Verderbens, aufgeworfen. Jeder dieser beiden Fürsten verficht seine Sache; jeder sucht sein Reich zu vergrössern und die Zahl seiner Anhänger zu vermehren. Jesus Christus tut es durch die Wahrheit seines göttlichen Glaubens, durch die Gaben seiner Gnade, durch die Heiligkeit der Tugend, durch die Tröstungen im Leiden und durch die sichere Hoffnung auf die Herrlichkeit, die er den Seinen verheissen hat. Überdies hat er den Engeln befohlen, den Seinen zur Seite zu stehen, sie zu trösten, zu schützen und endlich in sein Reich einzuführen. Luzifer dagegen wirbt die Seinigen durch Irrtum, Lüge, Verrat, durch schändliche, abscheuliche Laster, durch Finsternis und Verwirrung. Jetzt behandelt er sie wie ein Tyrann: er quält sie ohne Erleichterung und peinigt sie ohne wahre Tröstungen. Für das Jenseits aber hält er ihnen fürchterliche und ewige Qualen bereit, die er mit unermesslicher Grausamkeit teils selbst, teils durch seine Teufel ihnen antun wird, solange Gott Gott ist. 530. Doch ach, meine Tochter, obwohl dies unfehlbare Wahrheit und den Sterblichen keineswegs unbekannt ist, obwohl der Sold so ungleich und der Lohn so verschieden ist, so ist doch die Zahl der Soldaten, welche Jesus Christus, ihrem rechtmässigen Herrn, König, Haupt und Vorbild folgen, sehr gering, gross aber ist die Zahl derer, welche Luzifer unter seiner Fahne hat, und doch hat Luzifer die Seinen nicht erschaffen: er spendet ihnen weder Leben, noch Unterhalt, noch irgend einen Dank; er hat sich nicht verdient gemacht und konnte die Seinen sich nicht verpflichten, wie der Urheber des Lebens und der Gnade, mein allerheiligster Sohn, es getan hat und immerfort noch tut. Da siehe, wie gross der Undank der Menschen ist, wie töricht ihre Untreue, wie verhängnisvoll ihre Blindheit! Einzig deshalb, weil ihnen der Herr den freien Willen gelassen hat, ihm als ihrem Haupt und Meister zu folgen und ihm dankbar zu sein, haben sie sich unter die Fahne Luzifers gestellt; diesem dienen sie, und zwar umsonst; ihm öffnen sie den Zutritt zum Hause Gottes und zum Tempel des Herrn, damit er als Tyrann ihn zerstöre und entweihe und den grössten Teil der Menschheit nach sich in die Hölle ziehe zu den ewigen Qualen. 531. Dieser Kampf dauert ununterbrochen fort, denn der Fürst der Ewigkeit wird in seiner unendlichen Güte nicht ablassen, die Seelen zu schützen, die er erschaffen und mit seinem Blute erlöst hat. Allein er will eben nicht bloss in eigener Person gegen den Drachen kämpfen; auch nicht bloss durch seine Enge/; vielmehr gereicht es ihm zur grösseren Ehre und zur Erhöhung seines heiligen Namens, wenn er seine Feinde und deren grimmigen Stolz durch dieselben Geschöpfe besiegen und beschämen kann, welche Luzifer zur Zielscheibe seiner Rache gegen den Herrn erkoren hat, nämlich durch die Menschen. machten, die Sache Gottes zu verfechten und seine Ehre zu verteidigen. Allein die heilige Kirche ist ganz einsam und verlassen, selbst von den Kindern, die sie auferzogen hat. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gegeben hat. Lehre: Ausdauer in der Nachfrage Jesu und Mariä. 552. Meine Tochter, keiner von den Sterblichen kann eine Entschuldigung vorbringen, wenn er in seinem Leben nicht das Leben meines heiligsten Sohnes und das meinige nachahmt. Wir haben allen ein Beispiel und Vorbild gegeben, damit ein jeder daran dasjenige finde, worin er seinem Stande gemäss uns nachfolgen soll. Darum kann sich niemand von einer Schuld freisprechen, wenn er nicht nach dem Vorbild seines menschgewordenen Gottes, der sich für alle zum Lehrer der Heiligkeit gemacht hat, vollkommen lebt. Indes wählt er nach seinem göttlichen Willen immer einzelne Seelen aus, die er über die gewöhnliche Ordnung der übrigen Menschen erhebt, damit die Frucht seines Blutes in ihnen reichlicher gewonnen, die Nachahmung seines und meines Lebens in höchster Blüte und Vollkommenheit erhalten und die Güte, Allmacht und Barmherzigkeit Gottes in der heiligen Kirche im herrlichsten Glanze geoffenbart werde. Wenn nun diese zu solchen Zwekken auserwählten Seelen dem Herrn mit Treue und feuriger Liebe entsprechen, so verrät es eine grobe Unwissenheit, wenn die andern sich wundern, dass der Herr gegen jene sich so freigebig und mächtig zeigt und ihnen Wohltaten und Gnaden spendet, weiche die menschliche Fassungskraft übersteigen. Wer solche Gnadenerweise Gottes in Zweifel zieht, der sucht Gott dem Herrn die Ehre, die er aus seinen Werken sich verschaffen will, zu rauben. Er will diese Werke mit der Kurzsichtigkeit und Beschränktheit des menschlichen Verstandes bemessen, der in solchen Ungläubigen infolge ihrer Sünden gewöhnlich in hohem Grade verkehrt und verdunkelt ist. 553. Wenn aber solche von Gott auserwählte Seelen selbst so unwissend sind, dass sie seine Wohltaten in Zweifel ziehen oder sich zu deren Empfang nicht bereiten, oder sie nicht mit der Klugheit, Wertschätzung und Hochachtung gebrauchen, welche die Werke des Herrn erfordern, so wird seine Majestät von solchen offenbar schwerer beleidigt als von andern, denen er solche Gaben und Talente nicht verliehen hat. Der Herr will nicht, dass man das Brot der Kinder verachte und den Hunden vorwerfe, oder dass man die Perlen denen gebe, welche sie mit Füssen treten und verunehren. Denn diese besonderen Gnadenerweise sind das, was sich seine allerhöchste Vorsehung besonders vorbehalten hat; sie sind die kostbarste Frucht des Preises der Erlösung. Nun beachte aber wohl, meine Tochter, dass eine solche Schuld jene Seelen auf sich laden, welche in Widerwärtigkeiten oder bei schwierigeren Vorkommnissen das Vertrauen verlieren, mutlos werden oder den Herrn hindern, dass er sich ihrer als Werkzeuge seiner Macht ganz nach seinem Wohlgefallen bediene. Diese Sünde verdient noch grösseren Tadel, wenn solche Seelen in ihren Werken Christus den Herrn nicht bekennen wollen, sei es aus menschlicher Scheu vor Beschwerden, die etwa damit verbunden sein könnten, sei es aus Furcht vor dem Gerede, das die Welt über solche auffallende Erscheinungen führen könnte. Sie wollen den Willen des Herrn vollziehen, wenn er mit dem ihrigen harmoniert; sollen sie eine Tugendübung vornehmen, so muss sie mit diesen und ähnlichen Bequemlichkeiten verbunden sein. Sollen sie die Liebe üben, so dürfen sie dabei in ihrer Ruhe nicht gestört werden; sollen sie die Wohltaten glauben und hochschätzen, so müssen dieselben mit Freude und Süssigkeit verbunden sein. Handelt es sich aber um die Ertragung einer Widerwärtigkeit oder Beschwerde um Gottes willen, so zeigt sich alsbald Unzufriedenheit, Traurigkeit, Unwille und Ungeduld. Das ist die Ursache, dass Gott seine Wünsche unerfüllt sieht, jene Seelen aber zur Erreichung der Vollkommenheit in der Tugend unfähig werden. 554. Alles dieses hat aber seinen Grund im Mangel an Klugheit, Erkenntnis und wahrer Liebe. Die Folge davon ist, dass solche Seelen weder für sich noch für andere etwas ausrichten und leisten. Denn sie schauen vor allem auf sich selbst und nicht auf Gott, und richten sich mehr nach ihrer eigenen Liebe als nach dem Wohlgefallen und der Liebe Gottes. Ja sie begehen eine grosse Vermessenheit, wenigstens stillschweigend, weil sie Gott selbst lenken oder gar zurechtweisen wollen. Sie sagen, unter diesen oder jenen Umständen würden sie grosse Dinge für Gott tun; weil aber diese Umstände nicht vorhanden seien, vermöchten sie es nicht zu tun. Sie wollen eben ihr Ansehen oder ihre Ruhe nicht auf das Spiel setzen, nicht einmal für das allgemeine Beste oder für die grössere Ehre Gottes. Weil sie aber dieses nicht so klar aussprechen, so leben sie der Überzeugung, dass sie sich der Sünde einer solchen Vermessenheit nicht schuldig machen; der Teufel verbirgt sie ihnen, damit sie dieselbe, während sie sich ihrer schuldig machen, nicht einsehen. 555. Hüte dich daher wohl, meine Tochter, eine solche Verkehrtheit zu begehen, und erwäge deshalb aufmerksam, was du über mich niederschreibst oder inne wirst, und ahme es nach, wie ich dies von dir verlange. Ich konnte solche Sünden nicht begehen; aber dessenungeachtet suchte ich durch mein ununterbrochenes Bemühen und durch mein Gebet vom Herrn zu erlangen, dass er alle meine Handlungen nach seinem heiligen Willen und Wohlgefallen leite und mir keine Freiheit lasse, irgend ein Werk zu vollbringen, das nicht nach seinem grösseren Wohlgefallen wäre. Und in dieser Absicht suchte ich meinerseits alle Kreaturen zu vergessen und mich davon zurückzuziehen. Du dagegen bist der Gefahr zur Sünde ausgesetzt und weisst, wie viele Schlingen dir der Drache in Person oder durch die Geschöpfe gelegt hat, um dich darin zu fangen. Darum ist es notwendig, dass du den Allmächtigen unablässig um seine Leitung bei deinen Handlungen bittest; es ist notwendig, dass du die Tore deiner Sinne verschliessest, damit nie eine Vorstellung oder ein Bild von etwas Weltlichem oder Irdischem Eingang in dein Herz finde. Verzichte sodann auf das Recht über deinen eigenen Willen zugunsten des göttlichen und übergib ihn dem Wohlgefallen deines Herrn und dem meinigen. Und fordert es die Notwendigkeit, dass du, um den Anforderungen des göttlichen Gesetzes und der Liebe zu genügen, mit den Nebenmenschen verkehrst, so lasse dich nur in das unumgänglich Notwendige ein. Ist dies geschehen, so bitte alsbald den Herrn, dass alle Erinnerungen an unnötige Dinge deinem Gedächtnisse entschwinden. Überlege alle deine Werke, Worte und Gedanken vor Gott, vor mir und deinen heiligen Engeln; wir sind ja immer bei dir; ziehe auch wo möglich deinen Beichtvater zu Rate. Geschieht dies nicht, so musst du alles für verdächtig und gefahrvoll halten, was du tust oder dir vornimmst. Bemiss endlich alles nach meiner Lehre und du wirst alsdann erkennen, ob es mit derselben im Widerspruch oder im Einklang stehe. 556. Vor allem aber verliere niemals und nirgends die Wesenheit Gottes aus dem Auge; der Glaube und das hierüber empfangene Licht sind dir zu diesem Zwecke behilflich. Und weil du Gott als dein letztes Ziel und Ende zu betrachten hast, so musst du schon in diesem sterblichen Leben dasselbe auf jene Art zu erreichen beginnen, welche dir mit der Gnade Got tes hienieden möglich ist. Es ist darum an der Zeit, dass du dich von aller Furcht und allen eitlen Träumereien losmachest, womit der Feind dich zu hindern und abzuhalten gesucht hat, den Gnadenerweisen und Wohltaten des Herrn festen Glauben zu schenken. Sei darum stark und klug in diesem Glauben und Vertrauen und überlasse dich in allem dem Wohlgefallen seiner Majestät, damit an dir und von dir geschehe, was ihm gefällt. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. Lehre: Ehrfurcht vor den Priestern. 572. Meine teuerste Tochter, ich habe dich schon öfters auf eine Sache aufmerksam gemacht, welche nebst anderen Dingen mich veranlasst, gegen die Kinder der Kirche, insbesondere gegen die Frauenspersonen Klage zu führen. Ich sage, "insbesondere gegen die Frauenspersonen", denn an letzteren ist der betreffende Fehler schuldbarer und in meinen Augen verabscheuungswürdiger, weil er dem Verhalten, das ich im sterblichen Fleische wandelnd beobachtet habe, schnurstracks zuwiderläuft. Ich will meine Klage in gegenwärtigem Hauptstück nochmals vorbringen, damit doch du meinem Beispiele folgest und von der Handlungsweise anderer Frauenspersonen, die da Törinnen und Töchter Belials sind, dich fernhaltest. Worüber ich Klage führe, ist dies, dass man die Priester des Allerhöchsten ohne Ehrfurcht, ohne Achtung und ohne Respekt behandelt. Es ist das ein Vergehen, welches von Tag zu Tag mehr unter den Gläubigen um sich greift, und darum bringe ich diese meine Mahnung, die du schon anderwärts niedergeschrieben hast, hier noch einmal vor. Sage mir, meine Tochter, wer sollte es für möglich halten, dass die Priester, die Gesalbten des Herrn, die auserwählt und geweiht sind, die Welt zu heiligen, Jesus Christus vorzustellen und seinen Leib und sein Blut zu konsekrieren, dass diese Priester die Diener gemeiner, unreiner, irdisch gesinnter Weiber sind? Wer sollte es für möglich halten, dass ein Priester entblößten Hauptes dasteht, um einem hoffärtigen, erbärmlichen Weibe seine Ehrfurcht zu bezeigen, einzig aus dem Grunde, weil dieselbe reich, er aber arm ist? Ich frage, besitzt denn ein armer Priester weniger Würde als ein reicher? Oder verleihen die Reichtümer eine grössere oder auch nur gleiche Würde, Gewalt und Auszeichnung wie die, welche mein allerheiligster Sohn seinen Priestern und Dienern verleiht? Die Engel sind weit entfernt, die Reichen ihres Vermögens wegen zu ehren, sie ehren aber die Priester um ihrer unaussprechlich hohen Würde willen. Wie kann man also einen solchen Unfug und ein solches Unrecht in der Kirche dulden, dass die Gesalbten des Herrn beschimpft und verachtet werden, und zwar von den Gläubigen, welche doch wissen und bekennen, dass die Priester die geheiligten Diener Jesu Christi sind? 573. Es ist freilich nicht zu leugnen, dass die Priester selbst nicht wenig schuldbar und tadelnswert sind, wenn sie sich mit Hintansetzung ihrer Würde dem Dienste anderer Menschen, zumal von Frauenspersonen hingeben. Indes mögen die Priester in ihrer Armut einige Entschuldigung finden; die Reichen aber finden keine solche in ihrer Hoffart, wenn sie arme Priester ihrer Armut wegen anhalten, ihre Diener zu machen, während doch die Priester in Wahrheit Herren sind. Eine so unnatürliche Handlungsweise flösst den Heiligen Entsetzen ein; in meinen Augen aber ist es höchst missfällig, weil ich gegen die Priester eine grosse Ehrfurcht hatte. Gross war meine Würde als der Mutter des lebendigen Gottes, und doch habe ich mich den Priestern zu Füssen geworfen und habe gar oftmals den Boden geküsst, auf dem ihre Füsse gestanden; und dies tun zu dürfen, habe ich für ein grosses Glück gehalten. Allein die Blindheit der Welt hat den Glanz der priesterlichen Würde verdunkelt; sie hat das Kostbare mit dem Gemeinen verwechselt; sie hat bewirkt, dass in Gesetzen und in Ungesetzlichkeiten der Priester dem Volke gleichgehalten wird, und dass man sich von Priestern wie von Laien unterschiedslos bedienen lässt. Der Priester, der jetzt am Altar steht und dem Allerhöchsten das furchtbar heilige Opfer seines hochheiligen Leibes und Blutes darbringt, er geht von da weg, um einem Sklaven gleich den Diener und Begleiter von Laien, ja selbst von Frauen zu machen, welche nicht bloss ihrer Natur und Stellung nach tief unter ihm stehen, sondern manchmal auch durch ihre Sünden höchst unwürdig sind. 574. Trachte du, meine Tochter, für eine solche Verschuldung und Verirrung der Kinder der Kirche Ersatz zu leisten, soviel in deinen Kräften steht. Ich tue dir zu wissen, dass ich in der gleichen Absicht vom Throne der Herrlichkeit, den ich im Himmel einnehme, mit Ehrfurcht und Hochachtung auf die Priester herabsehe, die auf Erden weilen. Du sollst sie immer mit derselben Ehrfurcht betrachten, mit der du sie ansiehst, wenn sie am Altare stehen oder das allerheiligste Sakrament in Händen oder im Herzen tragen. Überdies sollst du auch die Paramente und überhaupt die priesterlichen Gewänder in hohen Ehren halten. Diese Ehrfurcht hat mich bewogen, die Tuniken für die Apostel zu verfertigen. Was sodann die heiligen Evangelien und die übrigen heiligen Schriften betrifft, so wirst du aus dem, was du niedergeschrieben und vernommen hast, erkennen, wie hoch du sie schätzen sollst, sowohl wegen ihres Inhaltes, als auch wegen der Art und Weise, wie der Allerhöchste die Evangelisten zur Abfassung derselben veranlasste. Bei Abfassung der Evangelien und der übrigen heiligen Schriften hat der Heilige Geist seinen Beistand gewährt, damit die heilige Kirche durch die Fülle der Lehre, der Wissenschaft und der Erleuchtung über die Geheimnisse des Herrn und seiner Werke bereichert und beglückt werde. Dem Papste zu Rom musst du den vollkommensten Gehorsam erweisen und ihn mehr als alle andern Menschen ehren; und wenn du ihn nennen hörst, sollst du deine Ehrfurcht gegen ihn durch Verneigung des Hauptes bezeigen, wie wenn du den Namen meines Sohnes oder den meinigen nennen hörtest; denn der Papst vertritt auf Erden die Stelle Christi. Auch ich habe, solange ich auf Erden lebte, dem Namen des heiligen Petrus meine Ehrfurcht bezeigt, sooft ich ihn aussprechen hörte. Auf alle diese Übungen sollst du wohl bedacht sein und meinen Fussstapfen vollkommen nachfolgen, damit du durch Ausübung meiner Lehre Gnade findest in den Augen des Allerhöchsten. Denn alle diese Übungen sind dem Herrn sehr wohlgefällig, und keine ist geringfügig in seinen Augen, wenn sie nur aus Liebe zu ihm verrichtet wird. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die grosse Königin der Engel, gegeben hat. Lehre: Dankbarkeit für die Wohltat der Erlösung. 591. Meine Tochter, aus dem ganzen Verlaufe meines Lebens werden die Sterblichen sehen, wie ich die Werke der Erlösung, vorzugsweise das Leiden und Sterben meines allerheiligsten Sohnes stets in dankbarem Andenken behielt, besonders nachdem sich der Herr für das ewige Heil der Menschen am Kreuze geopfert hatte. In diesem gegenwärtigen Haupt stück aber wollte ich dir diese meine Sorgfalt und die vielen Übungen, bei denen ich nicht bloss das Andenken, sondern auch die Schmerzen seines Leidens in mir erneuerte, in besonderer Weise beschreiben, damit angesichts dieser Wahrheit die ungeheure Vergesslichkeit, welche die erlösten Menschen gegenüber der unaussprechlichen Wohltat der Erlösung an den Tag legen, ihre Zurechtweisung und Beschämung erfahre. 0 welch schuldbarer, abscheulicher und gefährlicher Undank ist doch dieses Vergessen von seiten der Menschen! Das Vergessen ist ein deutliches Zeichen der Verachtung, denn was man hochschätzt, das wird man nicht in solcher Weise vergessen. Wie sollte man es für denkbar und möglich halten, dass die Menschen das unendliche Gut, das ihnen zuteil geworden, verachten und vergessen, dass sie vergessen die Liebe, mit welcher der ewige Vater seinen eingeborenen Sohn in den Tod dahingab, dass sie vergessen die Liebe und Geduld, mit welcher sein und mein Sohn den Tod für sie annahm? Die tote Erde ist dankbar gegen den, der sie bebaut und pflegt. Die wilden Tiere werden zahm und sanft, um sich für eine empfangene Wohltat dankbar zu zeigen. Und auch die Menschen sind unter sich gegen ihre Wohltäter erkenntlich. Und wenn es jemand an dieser Dankbarkeit gegen sie fehlen lässt, so sind sie verletzt, sehen dies als grobe Beleidigung an und verurteilen es als solche. 592. Wie kommt es nun aber, dass die Menschen bloss gegen ihren Gott und Erlöser undankbar sind, und dass sie vergessen, was er für sie gelitten hat, um sie von der ewigen Verdammnis zu erretten? Und nicht zufrieden mit dieser schlechten Bezahlung von ihrer Seite, beklagen sie sich auch noch, wenn der Herr nicht aufs schleunigste alle ihre Wünsche befriedigt. Damit aber die Sterblichen einsehen, wie schwer eine solche Undankbarkeit gegen sie ins Gewicht fällt, so sage ich dir, meine Tochter: Wenn Luzifer und seine bösen Geister diese Undankbarkeit an einer Seele wahrnehmen - und sie können dieselbe an gar vielen bemerken -, dann machen sie folgenden Schluss: Diese Seele denkt nicht daran und achtet es nicht, welche Wohltat ihr Gott dadurch erwiesen hat, dass er sie erlöste. Darum sind wir sicher, dass sie uns gehört; denn wer so töricht ist, solches zu vergessen, der wird auch unsere Betrügereien nicht merken. Auf! lasst uns sie versuchen und zugrunde richten, denn die mächtigste Waffe gegen uns fehlt ihr. - Und da die bösen Geister durch langjährige Erfahrung diesen Schluss als beinahe unfehlbar richtig erprobt haben, so geben sie sich alle Mühe, das Andenken an das Werk der Erlösung, insbesondere an das Leiden und Sterben Jesu Christi aus dem Geiste der Menschen auszulöschen und zu bewirken, dass man die Gespräche und Predigten über diesen Gegenstand verachtet. Und diese ihre Absicht haben sie an dem grössten Teile der Menschen erreicht und dadurch unsägliches Verderben unter den Seelen angerichtet. Tut aber der Mensch das Gegenteil, dann lassen sie den Mut sinken, ja sie fürchten sich, diejenigen, welche sich die Betrachtung des Leidens Christi und das fromme Andenken daran zur Gewohnheit gemacht haben, auch nur zu versuchen. Denn die Teufel fühlen, wie aus dem Andenken an das Leiden Christi eine Kraft ausgeht, welche es ihnen unmöglich macht, denen, welche diese Geheimnisse andächtig erwägen, zu nahen. 593. Dieses Myrrhenbüschlein', meine Freundin, soll darum nie an deiner Brust und in deinem Herzen fehlen. Strenge alle deine Kräfte an, in der Betrachtung des Leidens Christi meinem Beispiele zu folgen und die Übungen zu verrichten, welche ich verrichtete, um meinem heiligsten Sohne in seinen Schmerzen ähnlich zu werden und die Unbilden, Schmähungen und Lästerungen wieder gutzumachen, welche seine göttliche Person von den Feinden und Kreuzigern zu erdulden hatte. Trachte du dem Herrn einigen Ersatz zu leisten für die Unbilden, welche ihm die Welt heutzutage zufügt durch die schmähliche Undankbarkeit und Gleichgültigkeit der Sterblichen. Und um dies in der Weise zu tun, wie ich es von dir verlange, sollst du das Andenken an den gekreuzigten, gepeinigten und gelästerten Heiland ununterbrochen in dir wach erhalten. Sei standhaft in der Vornahme der Übungen zu Ehren des Leidens Christi und unterlasse sie nie, ausser wenn der Gehorsam es verlangt, oder wenn du durch eine rechtmässige Ursache verhindert bist. Folgst du hierin meinem Beispiele, so werde ich dich derselben Gnadenwirkungen teilhaftig machen, welche ich bei diesen Übungen erfahren habe. 594. Was die tägliche Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Kommunion betrifft, so opfere zunächst deine Übungen zu Ehren des Leidens Jesu Christi in dieser Absicht auf. Dann verrichte nach meinem Beispiele auch die anderen Übungen, welche ich, wie du gesehen, mit so grossem Eifer vorgenommen habe. Bedenke: wenn ich, obwohl Mutter desjenigen, den ich in mein Herz aufnehmen sollte, mich dennoch der heiligen Kommunion für unwürdig erachtete und so viele Mittel anwandte, um die einem so erhabenen Sakramente gebührende Reinheit zu erlangen, was sollst dann du tun, die du so arm und überdies so vielem Elende, so vielen Unvollkommenheiten und Fehlern unterworfen bist! Reinige den Tempel deines Herzens, durchforsche ihn im Lichte Gottes und schmücke ihn mit ausgezeichneten Tugenden. Denn es ist der ewige Gott, den du in dein Herz aufnimmst, er allein war an und für sich würdig, sich im Sakramente zu empfangen. Rufe die Vermittlung der Engel und Heiligen an, damit sie dir von seiner Majestät Gnade erlangen. Vor allem aber ermahne ich dich, dass du mich anrufest und von mir diese Gnade erbittest, denn ich tue dir kund, dass ich eine besondere Patronin und Beschützerin derjenigen bin, welche die heilige Kommunion mit grosser Reinheit zu empfangen wünschen. Und wenn sie mich in dieser Absicht anrufen, dann stelle ich mich im Himmel vor den Thron des Allerhöchsten und bitte den Herrn um seine Huld und Gnade für die, welche ihn auf solche Weise im heiligsten Sakramente zu empfangen wünschen. Denn ich weiss, wie die Stätte bereitet sein muss, in welche der Herr eingehen soll. Und jetzt, da ich im Himmel bin, habe ich den sorgsamen Eifer, mit welchem ich einst während meines irdischen Lebens die Ehre Gottes beförderte, keineswegs verloren. Nächst meiner Fürsprache rufe dann auch die Fürsprache der Engel an, denn diese sind gleichfalls sehr dafür besorgt, dass die Seelen mit grosser Andacht und Reinheit zur heiligen Kommunion gehen. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. Lehre, Vorbereitung auf den Tod. 608. Meine Tochter, wenn die Menschen einmal ihren kurzen Lebenslauf vollendet haben und an das Ende jener Zeit gelangen, die ihnen Gott zur Erwerbung des ewigen Lebens bestimmt hat, dann werden auch alle ihre Täuschungen ein Ende nehmen: alsdann werden sie aus Erfahrung die Ewigkeit kennenlernen, in die sie nun einzugehen im Begriffe sind, um ohne Ende entweder verherrlicht oder gepeinigt zu werden. Alsdann erkennen die Gerechten, worin ihre Glückseligkeit und ihr Rettungsmittel bestanden hat, die Verworfenen aber fühlen ihr bedauernswertes und ewiges Verderben. O wie glücklich, meine Tochter, ist der Mensch, der während der kurzen Dauer seines Lebens zum voraus die himmlische Erkenntnis jener Wahrheiten sich zu verschaffen sucht, die er binnen kurzem aus eigener Erfahrung kennen lernen wird. Das ist die wahre Weisheit, dass man das Ende nicht erst am Ende, sondern schon am Anfange der Laufbahn zu erkennen sucht, damit man nicht immer ins Ungewisse dahinlaufe, sondern doch mit einiger Sicherheit die Erreichung des Zieles erwarten könne. Denke dir einmal, was würden diejenigen tun, die, am Anfange einer Rennbahn stehend, am Ende derselben einen Preis von hohem Werte ausgestellt erblickten, den sie durch emsiges und rasches Laufen gewinnen könnten. Gewiss würden sie mit aller Schnelligkeit den Lauf beginnen und fortsetzen; nirgends würden sie verweilen und durch kein Hindernis würden sie sich aufhalten lassen. Würden sie aber nicht laufen, sondern den Preis und das Ziel des Weges ausser acht lassen, dann würde man sie entweder für Toren halten, oder man würde sagen, sie wissen nicht, was sie verlieren 14. 609. Eine solche Rennbahn ist das sterbliche Leben der Menschen. Kurz ist die Strecke, die zu durchlaufen ist, und am Ende derselben steht eine ewige Seligkeit als Lohn, ewige Qual als Strafe in Aussicht; mit diesen schliesst die Laufbahn ab. Der Anfang derselben ist die Zeit der Geburt, und alle Menschen werden dazu geboren, um, wenn sie den Gebrauch der Vernunft und der Willensfreiheit erlangt haben, diese Bahn zu durchlaufen. Es ist das eine Wahrheit, hinsichtlich welcher sich niemand mit Unwissenheit entschuldigen kann, am allerwenigsten aber die Kinder der Kirche. Wo haben sie nun aber Sinn und Verstand, sie, welche doch den katholischen Glauben besitzen? Warum lassen sie sich von der Eitelkeit umgarnen? Warum und wozu verstricken sie sich in die Liebe zum Scheinbaren und Trügerischen? Warum sind sie so blind und unwissend in bezug auf das Ende, an welchem sie binnen kurzem anlangen? Warum wollen sie denn nicht einsehen, was sie daselbst erwartet? Oder wissen sie etwa nicht, dass sie geboren werden, um zu sterben, und dass das Leben nur ein Augenblick ist? Wissen sie nicht, dass der Tod unfehlbar gewiss, Lohn und Strafe aber unvermeidlich und ewig sind? Was sagen dazu die Liebhaber der Welt, sie, die ihr kurzes Leben (und aller Menschen Leben ist überaus kurz) ganz und gar darauf verwenden, Vermögen zu erwerben und unersättlich nach Ehren zu haschen; sie, die ihre Kräfte und Fähigkeiten im Genusse vergänglicher und schändlicher Vergnügungen verbrauchen? 610. 0 meine Freundin! sieh, wie falsch und trügerisch die Welt ist, in welcher du lebst und welche du vor Augen hast. In dieser Welt sollst du meine Schülerin, meine Nachahmerin, das Kind meines Herzens und die Frucht meiner Gebete sein. Verabscheue die Welt von ganzem Herzen und vergiss sie ganz und gar. Wende nie deine Augen ab vom Ende, dem du schleunigen Schrittes entgegengehest, und von dem Ziele, zu welchem dein Schöpfer aus nichts dich erschaffen hat. Nach diesem Ziele gehe stets dein Sehnen; auf dessen Erreichung sollen alle deine Sorgen und Seufzer gerichtet sein. Siehe nicht um nach dem, was vergänglich, eitel und trügerisch ist. Die göttliche Liebe soll allein in dir leben, sie soll alle deine Kräfte verzehren, denn die Liebe ist nicht echt, wenn sie etwas anderes ausser Gott zu lieben gestattet und wenn sie nicht alles andere sich unterwirft, abtötet und von sich wirft. In dir muss die Liebe stark sein wie der Tod, damit du ein neues Leben lebest, wie ich es wünsche. Setze dem Willen meines heiligsten Sohnes in dem, was er in dir wirken will, kein Hindernis entgegen. Sei versichert, er ist getreu und bezahlt mehr als hundert für eines. Betrachte mit Demut und Ehrfurcht alles, was dir bisher geoffenbart worden ist. Ich ermahne und erinnere dich, dass du dich von der Wahrheit desselben aufs neue überzeugest; ich befehle es dir. Um deine Schuldigkeit zu tun, fahre mit den Übungen, die du von mir gelernt hast, mit neuem Eifer fort, denn diese Geschichte geht dem Ende entgegen. Sei dem Herrn dankbar für die grosse und unschätzbare Gnade, dass er durch deine Oberen die Anordnung und Verfügung getroffen hat, dass du ihn täglich in der heiligen Kommunion empfangen kannst. Bereite dich nach meinem Beispiele darauf vor und setze die Gebete fort, die ich dir anbefohlen und gezeigt habe. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die heiligste Himmelskönigin, gegeben hat. Lehre. Glaubwürdigkeit dieser heiligen Geschichte 620. Meine Tochter, die erste Lehre dieses Hauptstückes soll die Antwort auf ein Bedenken sein, das sich, wie ich bemerke, hinsichtlich der erhabenen und ausserordentlichen Geheimnisse meines Lebens, die du in dieser Geschichte beschreibst, in deinem Herzen erhoben hat. Zwei Sorgen haben dein Herz eingenommen. Fürs erste bist du im Zweifel, ob du auch ein taugliches Werkzeug zur Beschreibung dieser Geheimnisse seiest, und ob es nicht besser wäre, wenn eine andere, verständigere und tugendhaftere Person sie beschriebe, welche ihnen mehr Ansehen verschaffen würde; du seiest ja die geringste, unnützeste und unwissendste von allen. Fürs zweite hegst du Zweifel, ob diejenigen, welche diese Geheimnisse lesen, auch daran glauben werden, da sie so ausserordentlich und unerhört sind, was namentlich von den beseligenden, intuitiven Anschauungen der Gottheit gilt, deren ich während meines sterblichen Lebens so oft gewürdigt wurde. Auf den ersten dieser Zweifel antworte ich dir folgendermassen: Ich gebe dir zu, dass du die geringste von allen bist; du hast dies aus dem Munde des Herrn vernommen, und ich bestätige es, darum musst du davon überzeugt sein. Aber bedenke wohl: die Glaubwürdigkeit dieser Geschichte und alles dessen, was in ihr enthalten ist, hängt nicht von dem Werkzeuge, sondern von dem Urheber ab, welcher kein anderer ist als die höchste Wahrheit selbst; sodann von der inneren Wahrheit dessen, was du schreibst. Und in dieser Hinsicht könnte auch der höchste Seraph, wenn er diese Geschichte schriebe, nichts hinzufügen, gleichwie du diese Glaubwürdigkeit nicht nehmen und nicht verringern kannst. 621. Dass ein Engel dieses Werk schreibe, war an und für sich nicht passend; auch würden die Ungläubigen und alle, die trägen Herzens sind, davon Anlass nehmen, es zu verleumden. Das Werkzeug musste vielmehr ein Mensch sein. Allein es war auch nicht gut, dass derselbe ein grosser Gelehrter und Weiser sei, sonst würde man das Werk seiner Gelehrsamkeit zuschreiben oder man würde das göttliche Licht mit der menschlichen Wissenschaft verwechseln und ersteres weniger klar erkennen, oder man würde es menschlichem Fleiss und menschlichem Nachdenken zuschreiben. Es gereicht vielmehr zur grösseren Ehre Gottes, dass das Werkzeug ein Weib ist, bei welcher weder Wissenschaft noch eigenes Bemühen mitwirken konnte. Auch mir gereicht dies zu besonderer Ehre und Freude, wie es mir auch zur Ehre und Freude gereicht, dass gerade du das Werkzeug bist, denn auf diese Weise wirst du und werden alle anderen einsehen, dass in dieser Geschichle nichts ist, was von dir wäre, und dass du dieselbe dir ebensowenig zuschreiben darfst, als der Feder, mit welcher du sie schreibst. Du bist nichts weiter als das Werkzeug in der Hand des Herrn und die Verkünderin meiner Worte. Und wenn du auch ein armseliges und sündhaftes Geschöpf bist, so darf dir das keine Besorgnis einflössen, als ob deswegen die Ehre, welche die Sterblichen mir schulden, mir entzogen würde. Wenn jemand das, was du schreibst, nicht glaubt, so tut er nicht dir, sondern mir und meinen Worten Unrecht'. Und mögen auch deine Fehler und Verschuldungen zahlreich sein, die Liebe des Herrn und seine unermessliche Barmherzigkeit vermögen alle zu tilgen. Darum hat der Herr auch kein ansehnlicheres Werkzeug wählen wollen; vielmehr hat er dich aus dem Staube erhoben, um an dir seine Macht und Güte zu offenbaren. Er hat die Darstellung dieser Lehre dir anvertraut, damit die Wahrheit und Wirksamkeit, die sie in sich trägt, um so besser erkannt werde. Befolge du dieselbe und bringe sie an dir selbst zur Ausführung, damit du wirklich das seiest, was du zu sein wünschest. 622. Was sodann den zweiten Zweifel und deine Besorgnis betrifft, man möchte dem, was du schreibst, wegen der Grösse der beschriebenen Geheimnisse keinen Glauben schenken, so habe ich im ganzen Verlaufe dieser Geschichte gar vieles darauf geantwortet. Wer von mir die gebührende Vorstellung und die gehörige Achtung vor mir hat, dem wird es nicht schwerfallen, mir Glauben zu schenken; er wird einsehen, dass alle Gnadenauszeichnungen, die du berichtest, mit der Gnade und Würde einer Mutter Gottes, auf welche sie alle abzielen, im vollsten Einklange und im rechten Verhältnisse stehen. Die Werke, welche die göttliche Majestät schafft, sind vollkommen, und wenn jemand hieran zweifelt, so weiss er offenbar nicht, wer Gott ist, und wer ich bin. Wenn sich aber Gott der Herr an den anderen Heiligen so mächtig und freigebig gezeigt hat, wenn, wie man in der Kirche annimmt, manche derselben in ihrem sterblichen Leben die Gottheit geschaut haben, und es ist gewiss, dass sie dieselben schauten, mit welchem Recht und aus welchem Grunde sollte man dann mir absprechen, was man anderen, die weit unter mir stehen, zuerkennt? Alles, was mein allerheiligster Sohn den Heiligen verdient, und alle Gnaden, die er ihnen verliehen hat, hatten zunächst seine Ehre, dann aber auch meine Ehre zum Zwecke. Nun schätzt und liebt man aber den Zweck mehr als die Mittel; letztere liebt man nur um des Zweckes willen. Daraus geht hervor, dass der göttliche Wille von seiner Liebe weit mehr dazu gedrängt war, mich mit Gnaden zu beschenken, als alle anderen, die er um meinetwillen beschenkt hat. Auch ist nicht zu verwundern, wenn er das, was er an jenen einmal getan hat, an derjenigen oftmals tat, die er sich zur Mutter erwählt hat. 623. Die Frommen und Verständigen wissen wohl, und es ist auch in der Kirche schon gelehrt worden, dass der Massstab, wonach die Gnadenauszeichnungen, die ich aus der Hand meines heiligsten Sohnes empfing, kein anderer ist, als seine Allmacht und meine Empfänglichkeit6. Er hat mir alle Gnaden verliehen, die er mir verleihen konnte, und welche ich zu empfangen fähig war. Diese Gnaden waren aber in mir nicht müssig; vielmehr haben sie jederzeit alle jene Früchte gebracht, die sie an einem blossen Geschöpfe hervorbringen konnten. Gott-selbst war mein Sohn, und er ist mächtig, überall zu wirken, wo ihm der Mensch kein Hindernis entgegensetzt. Wenn nun aber ich ihm kein Hindernis entgegensetzte, wer wird dann so verwegen sein dürfen, seine Werke zu begrenzen und der Liebe, die er zu mir als seiner Mutter trug, Schranken zu setzen? Er selbst ist es, der mich seiner Gnaden und Auszeichnungen würdig gemacht hat, und zwar in höherem Grade als alle anderen Heiligen zusammen. Überdies hat keiner von diesen auch nur eine Stunde lang zum Wohle der Kirche auf die beseligende Anschauung Gottes verzichtet, wie ich es getan habe. Sollte aber das, was der Herr sonst noch an mir getan hat, befremdend erscheinen, so mögest du und mögen überhaupt alle wissen, dass alle Gnaden, die der Herr mir verliehen hat, darin begründet und eingeschlossen waren, dass er mich ohne Sünde empfangen werden liess. Denn dass er mich seiner Glorie würdig machte zu einer Zeit, da ich sie gar nicht verdienen konnte, war sicherlich etwas Grösseres, als dass er sie mir offenbarte, nachdem ich sie verdient hatte und ihrem Empfange kein Hindernis entgegensetzte. 624. Durch diese Bemerkungen werden wohl deine Bedenken beseitigt sein; für das übrige aber lasse mich sorgen. Deine Sorge soll sein, mir nachzufolgen und mich nachzuahmen; denn das muss für dich das Ziel von allem sein, was du hörst und niederschreibst. Darauf also verwende deine Wachsamkeit und fasse den Vorsatz, keine Tugend, die du einmal erkannt hast, zu unterlassen, sondern dir alle Mühe zu geben, sie zu üben. Deshalb ist es mein Wille, dass du auch darauf achtest, was die Heiligen getan haben, welche meinem heiligsten Sohne und mir nachgefolgt sind. Denn du schuldest seiner Barmherzigkeit sicher nicht weniger als diese, und gegen keinen derselben habe ich mich gütiger und freigebiger erwiesen als gegen dich. In meiner Schule sollst du die Liebe, die Dankbarkeit und die Demut lernen, die meinen wahren Schülerinnen eigen sind, denn es ist mein Wille, dass du besonders in diesen Tugenden dich auszeichnest und grosse Fortschritte machest. Alle meine Feste sollst du mit inniger Andacht feiern und die Engel und Heiligen einladen, dir dabei zu helfen. Mit ganz besonderer Feierlichkeit aber sollst du das Fest meiner Unbefleckten Empfängnis begehen, denn bei dieser bin ich von der göttlichen Macht vorzüglich mit Gnaden überhäuft worder und habe an dieser Wohltat eine grosse Freude empfunden. Auch jetzt noch habe ich ein ganz besonderes Wohlgefallen daran, wenn die Menschen den Allerhöchsten für dieses grosse Wunder loben und preisen. Am Jahrestag deiner Geburt sollst du nach meinem Vorbilde dem Herrn in besonderer Weise Dank sagen und irgend ein bedeutenderes Werk zu seinem Dienste verrichten. Vor allem aber sollst du an diesem Tag den Vorsatz fassen, dein Leben zu bessern und deine Vervollkommnung aufs neue mit allem Eifer zu beginnen. In solcher Weise sollten überhaupt alle Menschen handeln und die Erinnerung an ihre Geburt nicht so feiern, dass sie sich an den Jahrestagen derselben eitlen Äusserungen irdischer Freuden überlassen. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die heiligste Jungfrau Maria, die Königin der Engel gegeben hat. Lehre: Undankbarkeit gegen Gott. 636. Meine Tochter, die Undankbarkeit gegen Gott ist-eine der hässlichsten Sünden, welche die Menschen begehen. Sie ist eine Sünde, durch welche sich die Menschen in den Augen des Herrn und der Heiligen überaus unwürdig und verabscheuungswert machen; ja die Heiligen haben eine Art Schrecken vor dieser schmachvollen Roheit der Sterblichen. Und wiewohl dieses Laster für die Menschen so unheilvoll ist, so gibt es doch kein anderes, das sie, und zwar jeder im besonderen, mit grösserer Gleichgültigkeit und Häufigkeit begehen. Wohl hat der Herr, um durch dieses höchst undankbare und allgemeine Vergessen seiner Wohltaten nicht gar so sehr beleidigt zu werden, die Anordnung getroffen, dass die heilige Kirche den Mangel an Dankbarkeit, dessen sich ihre Kinder und alle Menschen überhaupt gegen Gott schuldig machen, durch gemeinschaftliche Danksagungen einigermassen ersetze, denn zur Anerkennung der göttlichen Wohltaten verrichtet ja der geheimnisvolle Leib Christi, die Kirche, so viele Gebete und Fürbitten und bringt überdies das Opfer des Lobes und der Verherrlichung dar, wie dies alles in der Kirche vorgeschrieben ist. Allein die Gaben und Gnaden der freigebigen und wachsamen Vorsehung Gottes kommen nicht bloss der Gemeinschaft der Gläubigen im grossen und ganzen zugute, sondern auch jedem einzelnen, der die Gnade empfängt. Und daher ist durch die gemeinschaftliche Danksagung der einzelne seiner Dankesschuld keineswegs entledigt, denn für den Anteil, der ihm von der göttlichen Freigebigkeit zukommt, ist jeder einzelne persönlich zum Danke verpflichtet. 637. 0 wie viele gibt es unter den Sterblichen, die ihr ganzes Leben lang auch nicht einen einzigen Akt wahrer Dankbarkeit gegen Gott dafür erweckt haben, dass er ihnen das Leben gab, dass er es ihnen erhält, dass er ihnen Gesundheit, Kräfte, Nahrung, Ehre, Vermögen nebst anderen zeitlichen und natürlichen Gütern verleiht! Dann gibt es wieder manche, welche, wenn sie für diese Wohltaten zuweilen auch danken, dies nicht aus wahrer Liebe zu Gott, dem Spender dieser Wohltaten, tun, sondern aus Liebe zu sich, weil sie eben an diesen zeitlichen und irdischen Dingen ihr Vergnügen haben und über deren Besitz sich erfreuen. Es ist dies eine Selbsttäuschung, die sich an zwei Kennzeichen erkennen lässt. Das erste ist dies, wenn man beim Verluste dieser irdischen und vergänglichen Güter traurig, unmutig und untröstlich wird; wenn man nichts anderes zu denken, zu erbitten, zu schätzen weiss als eben solche Dinge. Denn das ist ein Zeichen, dass man nur das Scheinbare und Vergängliche liebt. Oft ist es eine reine Wohltat vom Herrn, wenn er den Menschen Gesundheit, Ehre, Hab und Gut und dergleichen Dinge entzieht, damit sie sich nicht mit ungeordneter, blinder Liebe daran hängen. Allein die Menschen sehen solche Verluste als ein Unglück, ja als eine Art Unrecht an, das ihnen zugefügt werde. Sie wollen eben nicht ablassen, ihr Herz an das Hinfällige und Vergängliche zu hängen, um einst selber damit zugrunde zu gehen. 638. Das zweite Kennzeichen der genannten Selbsttäuschung ist dann vorhanden, wenn man in blinder Liebe zum Vergänglichen an die geistigen Güter nicht mehr denkt, sie nicht mehr erkennt und nicht mehr dafür dankt. Es ist das eine Sünde, die insbesondere an den Kindern der Kirche überaus schmachvoll und erschrecklich ist. Keiner von ihnen konnte Gottes Barmherzigkeit sich verbindlich machen oder sie verdienen, und dennoch hat Gottes unendliche Güte sie auf den sicheren Weg zum ewigen Leben geführt und hat ihnen in vorzüglicher Weise die Verdienste des Leidens und Sterbens meines heiligsten Sohnes zugewendet. Jeder, der heutigentages der heiligen Kirche angehört, muss sagen, dass er zu einer anderen Zeit, in einem anderen Jahrhundert hätte geboren werden können, in welchem der Sohn Gottes noch nicht in die Welt gekommen war. Und auch nach dieser Ankunft hätte ihn Gott unter Heiden, Götzendienern, Ketzern und anderen Ungläubigen geboren werden lassen können, wo seine ewige Verdammnis unausbleiblich gewesen wäre. Allein Gott der Herr hat sie alle ohne ihr Verdienst zum Glauben berufen, hat ihnen die Erkenntnis der unfehlbaren Wahrheit verliehen, hat sie in hier Taufe gerechtfertigt und ihnen die Sakramente, die Priester, die Lehre und das Licht des ewigen Lebens verliehen. 1 r hat sie auf den sicheren Weg gestellt, steht ihnen mit seiner Hilfe zur Seite, verzeiht ihnen die begangenen Sünden, erhebtt sie vom Falle, wartet auf ihre Busse, ladet sie ein durch Barmherzigkeit und belohnt sie mit freigebigster Hand. Er benützt sie durch seine Engel, schenkt sich selbst ihnen als Unterpfand und Nahrung des geistlichen Lebens; und dazu uherhäuft er sie mit so grossen Wohltaten, dass man sie nicht zählen und bemessen kann. Und so geht kein Tag, ja keine Stunde vorüber, in welcher ihre Dankesschuld nicht vermehrt würde. 639. Nun sage mir, meine Tochter, wie gross ist diese Dankesschuld, welche die Kinder der Kirche für eine so freigebige, väterliche Güte Gott dem Herrn gegenüber haben? Und wie viele gibt es, die in gebührender Weise dafür danken? Es ist wahrlich die grösste Gnade, dass sich infolge solchen Undankes die Pforten der Barmherzigkeit noch nicht geschlossen haben und dass ihre Quellen noch nicht versiegt sind. Sie ist eben unendlich. Die Wurzel aber, aus welcher diese furchtbare Undankbarkeit der Menschen hauptsächlich stammt, ist ihre masslose Sucht und Gier nach den zeitlichen, scheinbaren und vergänglichen Gütern. Dieser unersättliche Durst ist der Grund ihrer Undankbarkeit, denn weil sie mit solcher Heftigkeit nach dem Zeitlichen verlangen, so erscheint ihnen alles, was sie empfangen, als gering, sie sind für diese zeitlichen Wohltaten nicht erkenntlich und an die geistigen denken sie nicht. So kommt es, dass sie für die einen wie für die anderen im höchsten Grade undankbar sind. Zu dieser ohnehin schon grossen Torheit fügen sie eine andere, noch grössere hinzu. Weit entfernt nämlich, Gott den Herrn nur um das Notwendige zu bitten, bitten sie viel mehr um alles, was ihnen einfällt und was zu ihrem eigenen Verderben ausschlagen muss. Es ist doch schon unter Menschen etwas Unehrenhaftes, einen Mitmenschen, dem man soeben eine Unbill zugefügt hat, um eine Wohltat anzugehen, und weit schmählicher noch ist es, wenn man um diese Wohltat in der Absicht bittet, den Nebenmenschen damit noch mehr zu beleidigen. Wie mag also ein armseliger, aus Erdenstaub gebildeter Mensch, ein Feind Gottes, Gott den Herrn um Leben, Gesundheit, Ehre, Geld und Gut und andere Dinge bitten, für die er noch niemals Dank gesagt und die er bisher nur zur Beleidigung Gottes gebraucht hat? 640. Nun denke man sich überdies, ein solcher Mensch habe noch nie dafür Dank gesagt, dass der Herr ihn erschaffen, erlöst, zu sich gerufen, erwartet und gerechtfertigt hat, und dass er ihm dieselbe Seligkeit bereitet hat, die Gott selbst geniesst, und dieser Mensch wollte nun die Seligkeit beanspruchen, muss man da nicht sagen: es ist eine grenzenlose Verwegenheit und Frechheit, wenn er, der sich durch seinen Undank höchst unwürdig gemacht hat, um etwas anderes bittet als um Erkenntnis einer so grossen Schuld und um Reueschmerz darüber! Ich versichere dich, meine Tochter, diese Sünde fortgesetzten Undankes gegen Gott ist, zumal wenn sie mit so grosser Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit verbunden ist, eines der sichersten Kennzeichen der Verwerfung. Ebenso ist es ein gar schlimmes Zeichen, wenn der gerechte Richter solchen, welche die Wohltat der Erlösung und Rechtfertigung vergessen und bloss um zeitliche Güter bitten, eben niese zeitlichen Güter gewährt, denn alle Menschen lassen das Mittel zur Erlangung des ewigen Lebens ausser acht und bitten um das Werkzeug zu ihrem Tode. Wird es ihnen gegeben, dann ist dies nicht eine Gnade, sondern eine Strafe für ihre Blindheit. 641. Auf alle diese unheilvollen Sünden mache ich dich aufmerksam, damit du dich davor fürchtest und der Gefahr derselben ausweichest. Beachte aber, dass deine Dankbarkeit nicht eine bloss allgemeine und gewöhnliche sein darf; sind ja doch die Gnaden, die du empfangen hast, grösser, als du einzusehen und zu beurteilen imstande bist. Lasse dich nicht irreführen und täuschen, indem du unter dem Vorwand der Demut es nicht wagst, dieselben anzuerkennen und den schuldigen Dank dafür zu bezeigen. Du weisst ja, welche Anstrengungen der Teufel gemacht hat, um die grossen Gnaden, die der Herr und ich in dir gewirkt haben, durch den Hinweis auf deine Fehler und Gebrechen dir als eitel und nichtig erscheinen zu lassen und dir die Meinung beizubringen, als ob die dir verliehenen Gnaden und Erleuchtungen mit solchen Fehlern unvereinbar seien. Mache dich endlich einmal von einem solchen Irrtum frei und überzeuge dich, dass deine Selbsterniedrigung und Demut um so grösser ist, je mehr du die Gnaden, die du aus der freigebigen Hand Gottes empfängst, ihrem Geber zuschreibst. Und je mehr du ihm schuldest, um so mehr wirst du dich als arm und unfähig erkennen, die grosse Schuld zu bezahlen, da du ja nicht imstande bist,die geringste zu tilgen. Diese Wahrheit anerkennen ist nicht Vermessenheit, sondern Klugheit; sie aber nicht einsehen wollen, ist nicht Demut, sondern höchst strafwürdige Torheit. Was du nicht weisst, dafür kannst du ja nicht danken, und nie wird (leine Liebe den rechten Grad erreichen, wenn du dich nicht durch empfangene Wohltaten dazu angetrieben und verpflichtet siehst. - Du fürchtest, du möchtest die Gnade und Freund schaft des Herrn verlieren; allerdings hast du allen Grund, diesen Verlust zu fürchten, weil der Herr dir eine solche Menge von Gnaden verliehen hat. dass sie zur Rechtfertigung gar vieler Seelen hinreichend wären. Allein es ist etwas anderes, in kluger Weise den Verlust der Gnade fürchten, und etwas anderes, die empfangene Gnade in Zweifel ziehen und nicht glauben. In diesem Punkte will der böse Feind in seiner Schlauheit dich irreführen; er will, dass an Stelle der heiligen Furcht in dir eine zähe Ungläubigkeit Platz greife, die er mit dem Deckrnantel einer guten Meinung und heiligen Furcht zu umhüllen weiss. Deine Sorge muss darin bestehen, dass du den dir an vertrauten Schatz bewahrst und eine englische Reinheit erwirbst. Dies wird dir gelingen, wenn du mit Eifer meinem Beispiel folgst und die gesamte Lehre, welche ich dir zu eben diesem Zwecke in dieser Geschichte gebe, getreulich ins Werk setzest. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die grosse Königin der Engel, gegeben hat. Lehre: Gnadenfülle Mariä. 657. Meine Tochter und Schülerin, du bist bei Beschreibung der Geheimnisse, welche ich dir über mein Leben und meine Heiligkeit mitteile, mit Bewunderung erfüllt; richte diese deine Bewunderung ganz und gar darauf, den Allmächtigen, der gegen mich so freigebig gewesen ist, für diese Geheimnisse zu lobpreisen und dich kraft des Vertrauens, womit du meine mächtige Fürsprache und meinen mächtigen Schutz anrufen sollst, über dich selbst zu erheben. Wenn du dich aber darüber wunderst, dass mein göttlicher Sohn in mir Gnade auf Gnade und Gaben auf Gaben häufte, dass er mich so oft seines Besuches würdigte und zum Himmel in seine Gegenwart erhob, so erinnere dich nur an das, was du schon andernorts`' aufgezeichnet hast, dass ich nämlich, um die Kirche zu leiten, auf die beseligende Anschauung Gottes zeitweilig Verzicht geleistet hatte. Und gesetzt auch, es würde diese Liebe nicht verdient haben, dass der Allerhöchste mir, solange ich im sterblichen Fleische lebte, diesen Ersatz dafür gewährte, so würde er doch aus dem Grunde, dass ich seine Mutter bin und er mein Sohn ist, an mir solche Werke und Wunder gewirkt haben, welche kein erschaffener Verstand erfasst, und welche keiner anderen Kreatur zukommen. Die Würde einer Mutter Gottes übersteigt die Sphäre jeder andern Würde so sehr, dass es schmähliche Unwissenheit wäre, Gnaden, welche sich in anderen Heiligen nicht finden, mir abzusprechen. Dadurch, dass das ewige Wort aus meiner Substanz menschliches Fleisch annehmen wollte, legte sich, um nach deiner Vorstellungsweise zu sprechen, Gott der Herr eine Verbindlichkeit auf, deren er sich nur dadurch entledigen konnte, dass er dieser meiner Auserwählung entsprechend, alles das an mir wirkte, was seine Allmacht zu bewirken und ich zu empfangen imstande war. Die Macht Gottes ist unendlich und unerschöpflich; sie bleibt allezeit unendlich; was aber Gott ausser sich mitteilt, ist immer beschränkt und begrenzt. Auch ich bin ein blosses Geschöpf und beschränkt, und im Vergleiche mit der Wesenheit Gottes ist alles Erschaffene nichts. 658. Allein, wenn ich auch ein Geschöpf bin, so habe ich doch der Macht Gottes meinerseits kein Hindernis entgegengesetzt; ich habe mich im Gegenteil würdig gemacht, dass Gottes Allmacht in unbeschränktem Masse mir alle jene Gaben, Gnaden und Auszeichnungen mitteilte, welche sie in geziemender Weise uns zu spenden vermochte. Weil nun aber alle diese Gnaden, mochten sie auch noch so gross und wunderbar sein, immer begrenzt waren, wogegen die Macht und Wesenheit Gottes unendlich und unbegrenzt ist, so sieht man daraus, inwiefern Gott der Herr in uns Gnaden auf Gnaden und Wohltaten auf Wohltaten häufen konnte. Und er konnte dieses nicht bloss tun, sondern es war auch geziemend, dass er es tat, damit er nämlich mit ganzer Vollkommenheit dieses Wunderwerk vollbringe, wodurch er mich zu seiner würdigen Mutter machte. Er lässt ja keines seiner Werke in seiner Art unvollkommen oder in irgend einer Hinsicht mangelhaft. In der mir übertragenen Mutterwürde sind aber auch alle mir verliehenen Gnaden als in ihrer Quelle und ihrem Urgrunde enthalten, woraus sie hervorfliessen'. Wenn darum die Menschen mich als die Mutter Gottes erkennen, erkennen sie im nämlichen Augenblicke stillschweigend und wie in ihrer Ursache jene Eigenschaften, welche mir wegen einer solchen Auszeichnung zukommen. Es ist der Andacht, Frömmigkeit und Ehrfurcht der Gläubigen überlassen, dass sie, um das Wohlgefallen meines Sohnes zu erwerben und sich meinen Schutz zu verschaffen, auf eine würdige Weise über meine Heiligkeit und Gnadengaben nachdenken und dieselben betrachten und bekennen, wie es ihrer Andacht und meiner Würde entspricht. Zu diesem Zwecke sind vielen Heiligen und auch manchen Gelehrten und Schriftstellern besondere Erkenntnisse und Erleuchtungen hierüber mitgeteilt worden. Auch haben einzelne über manche Gnadenauszeichnungen und Vorrechte, welche der Allerhöchste mir verliehen hat, Offenbarungen erhalten. 659. Weil aber viele Sterbliche in dieser Hinsicht ihrer Schuldigkeit nicht nachkommen, indem die einen bei übrigens gutem Eifer zu furchtsam, andere dagegen aus Mangel an Frömmigkeit zu träge und stumpfsinnig sind, so hat mein allerheiligster Sohn in seiner väterlichen Güte gerade zu der Zeit, da die heilige Kirche dessen am meisten bedarf, diese tiefen Geheimnisse den Menschen offenbaren wollen, und zwar in einer Weise, dass sie nicht auf menschliches Nachdenken, noch auf eine durch solches Nachdenken erreichbare Wissenschaft gestützt sind, sondern auf göttlichem Lichte und göttlicher Wahrheit beruhen. Der Herr wollte, dass die Sterblichen neue Freude und neue Hoffnung schöpfen, indem sie da erfahren, wie mächtig ich bin, ihnen zu helfen. Er wollte auch, dass sie dem Allmächtigen die Ehre und das Lob darbringen, das sie um meinetwillen und um der Werke der Erlösung willen ihm schuldig sind. 660. Was diese Verpflichtung betrifft, so sollst du, meine Tochter, dich als die erste betrachten und überzeugt sein, dass du mehr schuldest als alle andern. Ich habe dich zu meiner besonderen Tochter und Schülerin auserwählt, damit du mein Leben beschreibest und eben dadurch dein Herz mit einer feurigeren Liebe und mit inbrünstigerem Verlangen sich erhebe, dich meiner Nachfolge zu befleissen, zu welcher ich dich einlade und berufe. Die Lehre des gegenwärtigen Hauptstückes ist die, dass du dich befleissest, die unaussprechliche Dankbarkeit nachzuahmen, welche ich für die gnadenvolle, in meinem Schosse vollzogene Menschwerdung des ewigen Wortes gehabt habe. Präge dieses wunderbare Werk des Allrnächti gen deinem Herzen ein, damit du es niemals vergessest, und feiere das Gedächtnis. ,hr 'pisse ganz besonders an den betreffenden Tagen, wie du es in bezug auf mich beschrieben hast. An diesen Tagen sollst du in meinem Namen auf Erden dieses Fest mit besonderer Vorbereitung und Freude der Seele feiern und im Namen aller Sterblichen dafür Dank sagen, dass Gott in mir zu ihrem Heile Mensch geworden ist. Desgleichen sollst du ihn auch preisen wegen der Würde, zu welcher er mich erhoben hat, indem er mich zu seiner Mutter erkor. Wisse auch: nächst der Erkenntnis der Wesenheit des unendlichen Gottes bereitet den Engeln und Heiligen nichts ein grösseres Staunen als die Erkenntnis der Vereinigung Gottes mit der menschlichen Natur. Und wiewohl sie immer tiefer in dieses Geheimnis eindringen, so bleibt ihnen doch in alle Ewigkeit immer mehr davon zu erkennen übrig. 661. Damit du aber diese Wohltaten der Menschwerdung und Geburt meines göttlichen Sohnes gebührend feierst und die Gnaden dieser Geheimnisse in dir erneuerst, so bestrebe dich, eine englische Demut und Reinheit zu erreichen. Besitzest du diese Tugenden, dann wirst du dem Herrn die schuldige Danksagung auf eine ihm wohlgefällige Weise darbringen; du wirst durch diese Gegenleistung einiges von der Schuld abtragen, die du dafür auf dir hast, dass Gott deine Natur angenommen hat. Betrachte und erwäge, wie schwer die Sünden der Menschen wiegen, wenn sie, die Christus zu ihrem Bruder haben, von ihrem erhabenen Stande und ihrer Pflicht abweichen. Betrachte, dass du ein Ebenbild des Gottmenschen bist und dass du durch jede Schuld, die du begehst, dieses Bild verunehrst, ja sogar vertilgst. Diese neue Würde, zu welcher die menschliche Natur erhoben worden ist, wird von den Adamskindern gar wenig beachtet; sie wollen ihre alten Gewohnheiten und ihr Elend nicht verlassen, um "Christus anzuziehen'." Du aber, meine Tochter, vergiss das Haus deines ersten Vaters und dein Volk' und suche dich durch die Schönheit deines Erlösers zu erneuern, damit du den Augen des höchsten Königs wohlgefallen mögest. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die Königin der Engel und unsere Königin gegeben hat. Lehre: Feier der kirchlichen Festtage. 675. Meine Tochter, der göttliche Geist, dessen Weisheit und Klugheit die heilige Kirche regiert, hat auf meine Fürbitte angeordnet, dass in der Kirche so viele verschiedene Festtage gefeiert werden, und zwar nicht bloss, damit das Andenken an die göttlichen Geheimnisse und die Werke der Erlösung, an mein heiligstes Leben und das der anderen Heiligen erneuert werde, sondern auch deshalb, damit die Menschen gegen ihren Schöpfer und Erlöser sich dankbar bezeigen und diese Wohltaten nicht vergessen möchten, für welche sie niemals auf würdige Weise danken können. Ferner sind diese Festtage auch dazu eingesetzt, damit die Menschen an diesen Tagen heiligen Übungen obliegen, ihren Geist durch innere Sammlung von den während der anderen Tage durch zeitliche Sorgen veranlassten Zerstreuungen befreien, durch Tugendübungen und den Gebrauch der heiligen Sakramente das ersetzen, was sie durch ihre Zerstreuungen verloren haben, die Tugenden und das Leben der Heiligen nachahmen, meine Fürsprache anrufen und nicht nur die Vergebung ihrer Sünden, sondern überhaupt alle die Gnaden und Wohltaten sich erflehen, welche Gottes Barmherzigkeit ihnen durch diese Mittel anbietet. 676. Das ist der Geist der heiligen Kirche, womit diese als eine liebevolle Mutter ihre Kinder zu leiten und zu nähren verlangt. Und ich, die ich die Mutter aller bin, habe sie alle zu gewinnen Lind anzuziehen gesucht, dass sie auf diesem Wege mit Sicherheit ihr Heil erreichen. Aber die Anschläge der höllischen Schlange waren zu jeder Zeit und sind insbesondere in den unglückseligen Zeiten, in welchen du lebst, dahin gerichtet, meine und des Herrn heilige Absichten zu vereiteln. Und vermag auch der Satan die Anordnung der heiligen Kirche nicht umzustossen, so bewirkt er doch wenigstens so viel, dass der grössere Teil der Gläubigen keinen Nutzen daraus zieht, ja dass diese Wohltat für manche sogar die Veranlassung zu grösserer Verdammnis wird. Der Teufel selbst wird einstens vor dem Richterstuhle der göttlichen Gerechtigkeit gegen diese auftreten, weil sie an den besonders heiligen und festlichen Tagen dem Geiste der heiligen Kirche nicht bloss nicht entsprachen und sie nicht auf Tugendwerke und den Gottesdienst verwendeten, sondern an solchen Tagen sogar schwere Sünden begingen, wie dies von fleischlich und weltlich gesinnten Menschen gewöhnlich geschieht. Wenn die Kinder der Kirche allgemein diese Wahrheit vergessen und verachten und die heiligen, dem Gottesdienste geweihten Tage schänden; wenn sie sich an denselben gewohnheitsmässig und in der grössten Ausgelassenheit dem Spiele, den Lustbarkeiten und Ausschweifungen, den Schmausereien und Trinkgelagen überlassen; wenn sie gerade da, wo sie den Allmächtigen besänftigen sollten, seine Gerechtigkeit nur noch ärger herausfordern und, anstatt ihre unsichtbaren Feinde zu besiegen, sich von denselben besiegen lassen und der furchtbaren Hoffart und Bosheit der bösen Geister diesen Triumph bereiten: so ist das ganz sicher eine grosse und überaus tadelnswerte Vergessenheit und Verachtung. 677. Beweine, meine Tochter, ein solches Verderbnis; ich vermag es jetzt nicht mehr zu tun, wie ich es im sterblichen Leben getan habe und noch tun würde. Such auch, soweit es dir durch die göttliche Gnade möglich ist, dafür Ersatz zu iei sten, und gib dir Mühe, deine Brüder bei dieser so allgemein vernachlässigten Sache zu unterstützen. Das Leben der geistlichen Personen sollte sich freilich von dem Leben der Weltleute dadurch unterscheiden, dass sie keinen Unterschied zwischen den Tagen machen, sondern sich an allen Tagen ganz und gar mit dem Gottesdienste, dem Gebete und heiligen Übungen beschäftigen; und ich will auch, dass du deine Untergebenen dazu anhaltest. Aber nichtsdestoweniger verlange ich, dass ihr euch durch die Feier der Festtage, namentlich der Feste des Herrn und der meinigen auszeichnet, indem ihr dieselben mit grösserer Vorbereitung und Reinheit des Gewissens begehet. Jeden Tag und jede Nacht sollst du mit heiligen, dem Herrn wohlgefälligen Werken ausfüllen, an den Festtagen aber besondere und äusserliche Übungen beifügen. Entflamme alsdann den Eifer deines Herzens und sammle dich ganz in deinem Innern; und sollte es dir auch vorkommen, als tuest du viel, so bemühe dich noch mehr, damit du deine Berufung und Auserwählung sicher stellest'. Unterlass niemals eine Übung aus Nachlässigkeit. Bedenke wohl, dass diese Tage schlimm sind' und das Leben gleich dem Schatten dahinschwindet10. Sei immer voll Aufmerksamkeit, dass du nicht leer an Verdiensten und heiligen und vollkommenen Werken erfunden werdest. Weise jeder Stunde ihre gehörige Beschäftigung zu, wie du siehst, dass ich getan, und wie ich dich schon so oft ermahnt und angeleitet habe. 678. Damit du aber alles dies ins Werk setzest, so ermahne ich dich, stets mit grosser Achtsamkeit auf die heiligen Einsprechungen des Herrn zu merken und die Gnaden, welche dir auf diesem Wege zuteil werden, wie die übrigen Wohltaten hoch anzuschlagen. Diese Achtsamkeit muss von der Art sein, dass du jedes tugendhafte oder vollkommene Werk, zu welchem du dich angetrieben fühlst, möglichst gut vollbringest, ohne eines zu unterlassen. Ich versichere dich, meine Tochter, dass die Menschen gerade deshalb, weil sie derlei Einsprechungen missachten und vergessen, unermessliche Schätze !er Gnade und Glorie verlieren. Alles, was ich meinen heiligsten Sohn, solange ich mit ihm lebte, tun sah, habe ich nachgeahmt; und was immer an heiligen Begierden der göttliche Geist mir einflösste, habe ich auch ausgeführt, wie du vernommen hast. Diesen tätigen Eifer bewies ich ebenso ununterbrochen, wie ich natürlicherweise Atem schöpfte. Durch diesen Liebeseifer bewog ich meinen göttlichen Sohn, mir während meines sterblichen Lebens so viele Gnaden zu verleihen und mich so oftmals heimzusuchen. 679. Ferner ist es mein Wunsch, dass du mit deinen Ordensschwestern auch in bezug auf Einsamkeit und Zurückgezogenheit mein Beispiel nachahmest. Setze darum die Art und Weise fest, wie in deinem Kloster die gewohnten Exerzitien zu halten sind, und sorge, dass diejenigen, welche diesen Übungen obliegen, während der ganzen Zeit, die ihnen der Gehorsam hiezu gestattet, ganz zurückgezogen leben. Du kennst ja aus Erfahrung, welche Früchte man sich in dieser Einsamkeit sammelt. In solcher Einsamkeit hast du beinahe mein ganzes Leben beschrieben, und der Herr hat dich dabei mit besonders grossen Wohltaten und Gnaden heimgesucht, damit du dein Leben bessern und deine Feinde überwinden mögest. Und damit deine Nonnen wissen, wie sie sich bei diesen Exerzitien benehmen sollen, um reichlichere Früchte zu sammeln und grössere Fortschritte zu machen, so will ich, dass du eine besondere Abhandlung für dieselben abfassest, worin du sie über alle Beschäftigungen unterweisest und ihnen hiefür die Zeit- und Stundeneinteilung festsetzest. Diese Einteilung soll aber derart sein, dass jene, welche etwa den Exerzitien obliegt, bei den gemeinschaftlichen Übungen nicht fehle, denn der Gehorsam und die Verpflichtung zu den letzteren geht allen Privatübungen vor. Im übrigen sollen sie während dieser Tage unverbrüchliches Stillschweigen halten und mit dem Schleier bedeckt einhergehen, damit man sie erkenne und niemand sie mit einem Worte anrede. Jene, welche etwa ein Amt haben, sollen deshalb dieser Wohltat nicht beraubt werden, sondern der Gehorsam soll unterdessen andere mit ihrem Amt betrauen. Bitte den Herrn um Licht, damit du dieses gehörig niederschreibest. Ich werde dir beistehen, damit du alsdann das, was ich getan habe, mehr im einzelnen verstehest und es zur Belehrung niederschreibest. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. Lehre: Nachfolge Maria. 692. Meine Tochter, je mehr du in der Beschreibung meiner Werke und meines sterblichen Lebens voranschreitest, um so mehr sollst du auch voranschreiten auf dem Wege meiner vollkommenen Nachfolge. Das Verlangen, dass du dies tuest, wächst in mir in demselben Grade, wie in dir die Erkenntnis und das Staunen über das, was du vernimmst und niederschreibst. Es ist nun Zeit, dass du wieder gutmachest, was du bisher versäumt hast, und dass du den Flug deines Geistes auf jenen Zustand hinrichtest, zu welchem der Allerhöchste dich beruft und ich dich einlade. Ziere deine Werke mit aller Vollkommenheit und Heiligkeit. Bedenke aber, dass der WiderSpruch, welchen deine Feinde, nämlich der Teufel, die Welt und das Fleisch gegen dich erheben, ganz furchtbar und grausam ist. Du wirst unmöglich so grosse Schwierigkeiten und Versuchungen überwinden können, wenn du nicht in deinem Herzen einen feurigen Eifer und ein glühendes Streben anfachst, den Kopf der giftigen Schlange mit unwiderstehlicher Kraft zu zertreten und zu zermalmen, denn der Satan bietet mit teuflischer Hinterlist alle Mittel und alle Trugkünste auf, um dich zum Falle zu bringen oder doch deinen Lauf aufzuhalten, damit du das gewünschte Ziel nicht erreichest und zu jenem Zustand nicht gelangest, auf welchen der Herr, der dich dazu bestimmt hat, vorbereitet. 693. Du darfst nicht vergessen, meine Tochter, dass der Satan mit der grössten Sorgfalt und Aufmerksamkeit jede Nachlässigkeit und Vergesslichkeit, ja selbst die mindeste Unaufmerksamkeit der Seelen beobachtet. Allezeit geht er umher, legt seine Fallstricke und sucht aus jeder Nachlässigkeit Vorteil zu ziehen. Er lässt keine Gelegenheit unbenützt, um ihnen voll Arglist seine Versuchungen beizubringen. Sobald er sie unvorsichtig sieht, regt er ihre Neigungen und Leidenschaften auf, damit sie eine Wunde erhalten, d.h. einen Fehler begehen, bevor sie sich dessen recht bewusst werden. Wenn sie darnach die Wunde schmerzlich fühlen und ein Heilmittel dagegen suchen, so haben sie grössere Schwierigkeiten als zuvor, denn das Aufstehen vom Falle erfordert reichlichere Gnade und grössere Kraftanstrengung als der Widerstand vor dem Fall. Durch die Sünde wird die Kraft der Seele geschwächt, der Feind gewinnt grössere Stärke, die Leidenschaften werden unbändiger und ihre Beherrschung wird schwerer, und so kommt es, dass viele fallen und die wenigsten wieder aufstehen. Um der Gefahr des Falles zu entgehen, muss die Seele stets grosse Wachsamkeit und Umsicht anwenden; sie muss ängstlich besorgt und ununterbrochen bemüht sein, sich der göttlichen Gnade würdig zu machen; sie muss ein stets eifriges Streben in sich nähren, immer das Vollkommenste zu tun; nie darf sie die Zeit müssig vergeuden, so dass der Feind sie unbeschäftigt, sorglos und ohne Übung einer Tugend fände. Wenn die Seele alles dieses beobachtet, dann wird die Schwerfälligkeit der Natur vermindert, die Leidenschaften und bösen Neigungen werden geschwächt, der böse Feind wird mit Schrecken erfüllt, der Geist aber erhebt sich und erlangt neue Kraft gegen das Fleisch, sowie die Oberherrschaft über den niedern und sinnlichen Teil, indem er denselben dem Willen Gottes unterwirft. 694. Zum lebendigen Beispiele für alles dienes dienen dir meine Werke, und gerade deshalb, damit du dieses nicht vergessest, beschreibst du meine Werke und habe ich dir dieselben in dem klaren Lichte gezeigt, das du empfangen hast. Beachte, meine Tochter, alles, was sich in diesem klaren Spiegel deinem Blicke darstellt, und wenn du mich als deine Lehrmeisterin und Mutter und als die Lehrmeisterin aller Heiligkeit und wahren Vollkommenheit erkennst und bekennst, so säume nicht, mich auch nachzuahmen und mir zu folgen. Es ist zwar weder dir noch einem anderen Geschöpfe möglich, die Vollkommenheit und Erhabenheit meiner Werke zu erreichen, und der Herr legt dir eine solche Verpflichtung auch nicht auf. Du kannst aber recht wohl mit seiner göttlichen Gnade dein Leben mit tugendhaften und heiligen Werken ausfüllen und alle deine Zeit und alle deine Fähigkeiten darauf verwenden, indem du nach meinem Beispiel eine fromme Übung an die andere, Gebet an Gebet, Bitte an Bitte und Tugend an Tugend reihest und so keine Zeit, keinen Tag, ja keine Stunde deines Lebens ohne gute Werke verstreichen lassest. So habe ich getan. Ich habe bei der Leitung der Kirche Arbeiten über Arbeiten übernommen und habe so viele Feste mit eifrigster Vorbereitung gefeiert, wie du dies gesehen und beschrieben hast. Kaum hatte ich ein Fest beendigt, so begann ich schon wieder mit der Vorbereitung auf ein anderes, so dass ich nicht einen einzigen Augenblick ohne heilige und gottgefällige Werke vorübergehen liess. Hierin vermögen alle Kinder der Kirche, wenn sie nur wollen, mich nachzuahmen, und du sollst es in höherem Grade als andere tun. Denn zu diesem Zwecke hat der Heilige Geist die Feste und Gedächtnistage angeordnet, welche die Kirche meinem heiligsten Sohne, mir und andern Heiligen zu Ehren feiert. 695. Darum sollst du, wie ich dir schon öfters befohlen habe, diese Feste mit besonderer Andacht feiern, namentlich jene Feste, an welchem die Geheimnisse der Gottheit und Menschheit meines heiligsten Sohnes sowie die Geheimnisse meines Lebens und meiner Verherrlichung gefeiert werden. Sodann sollst du eine besondere Verehrung und Liebe gegen die heiligen Engel tragen sowohl wegen ihrer grossen Erhabenheit, Heiligkeit, Schönheit und wegen ihrer Ämter als auch wegen der grossen Gnaden und Wohltaten, welche du durch diese himmlischen Geister empfangen hast. Trachte ihnen ähnlich zu werden durch Reinheit der Seele, durch die Erhabenheit heiliger Gedanken, durch das Feuer der Liebe sowie dadurch, dass du ein Leben führst, als hättest du keinen irdischen Körper und keine Leidenschaften mehr. Diese himmlischen Geister sollen deine Freunde und Gefährten sein auf deiner Wanderschaft, damit sie es auch später seien im himmlischen Vaterland. Mit ihnen soll jetzt dein Wandel und dein vertrauter Verkehr sein; dann werden sie dir die Eigenschaften und Kennzeichen deines Bräutigams offenbaren; sie werden dir eine sichere Kenntnis von seinen Vollkommenheiten mitteilen, über die richtigen Pfade der Gerechtigkeit und des Friedens dich unterweisen, gegen den Teufel dich schützen und vor seinen Betrügereien dich warnen. Auch wirst du in der täglichen Schule dieser Geister und Diener des Allerhöchsten die Gesetze der göttlichen Liebe erlernen. Höre sie und folge ihnen in allem! BUCH ACHT. LEHRE welche mir die grosse Königin der Engel gegeben hat. Lehre: Vorbereitung zum Tode. 710. Meine Tochter, um zu begreifen, mit welcher Freude die Botschaft des Herrn, dass das Ende meines sterblichen Lebens herannahe, meine Seele erfüllt hat, müsste man begreifen, mit welch gewaltiger Liebessehnsucht ich verlangte, Gott den Herrn in jener Glorie zu schauen und zu geniessen, die er mir bereitet hatte. Es ist dies ein Geheimnis, das in seiner ganzen Grösse von keinem Menschengeiste erfasst werden kann; und was die Kinder der Kirche zu ihrem Troste daran zu erkennen vermöchten, das erkennen sie deshalb nicht, weil sie sich dieser Erkenntnis weder würdig noch fähig machen; sie achten nicht auf das innere Licht und versäumen, ihr Gewissen zu reinigen und zur Aufnahme desselben zu befähigen. Was dich betrifft, so sind mein heiligster Sohn und ich wie in anderen, so auch in diesem Stücke gegen dich überaus freigebig und gnädig gewesen; ja ich versichere dich, meine liebe Tochter, selig, überaus selig sind die Augen, welche sehen, was du gesehen, und die Ohren, welche hören, was du gehört hast. Hab' acht auf den dir anvertrauten Schatz und verliere ihn nicht. Strenge alle deine Kräfte an, die Frucht dieser Erkenntnis und meiner Lehre zu gewinnen. Ein Teil dieser Frucht soll aber darin bestehen, dass du dich von heute an auf die Stunde deines Todes so vorbereitest, wie ich mich vorbereitet habe. Denn wenn du über die Zeit deines Todes Gewissheit hättest, so müsste dir jede Frist als sehr kurz erscheinen, um das Geschäft, das im Tode entschieden wird, sicherzustellen, ein Geschäft, bei dem es sich um ewige Freude oder ewige Qual handelt. Kein vernunftbegabtes Geschöpf war der Belohnung so sicher wie ich. Es ist das eine unfehlbare Wahrheit; überdies erhielt ich drei Jahre vor meinem Tode die Ankündigung desselben. Allein ich habe, wie du gesehen hast, als sterbliche und irdische Kreatur mich dennoch auf den Tod vorbereitet, und zwar mit jener heiligen Furcht, die man vor der Todesstunde haben muss. Ich tat in dieser Hinsicht, was ich als sterbliches Geschöpf und als Lehrmeisterin der Kirche zu tun hatte. Als solche wollte ich in der Kirche ein Beispiel hinterlassen, damit die Gläubigen sehen, was sie zu tun haben, da auch sie sterblich und einer solchen Vorbereitung weit mehr bedürftig sind, um nicht der ewigen Verdammnis anheimzufallen. 711. Unter allen Torheiten und Täuschungen, die der böse Feind in die Welt eingeführt hat, ist keine grösser und gefährlicher als die, dass die Menschen den Tod samt allem, was ihnen im gerechten Gerichte des strengen Richters begegnen wird, vergessen. Beachte, meine Tochter, das ist die Türe durch welche die Sünde in die Welt gekommen ist, denn die Schlange hat dem ersten Weibe vor allem beizubringen gesucht, dass sie nicht sterben werde; sie solle vom Sterben gar nicht reden'. Diese Täuschung besteht heute noch fort, und darum sind unzählig die Toren, welche leben, ohne an den Tod zu denken, und darum auch sterben, als wüssten sie nichts von dem unseligen Lose, das ihrer wartet. Damit nicht auch du dieser Torheit der Menschen verfallest, denke von Stunde an daran, dass du unausbleiblich sterben musst. Bedenke, dass du viel empfangen und wenig bezahlt hast; bedenke, dass die Rechenschaft um so strenger sein wird, je freigebiger dir der höchste Richter seine Gaben und Talente zugewiesen und je langmütiger er auf dich gewartet hat. Ich verlange von dir nicht mehr, aber auch nicht weniger, als was du deinem Herrn und Bräutigam schuldest; das ist aber nichts anderes, als dass du an jedem Orte, zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit das Volkommenste tuest, ohne Nachlässigkeit, ohne Unterbrechung und ohne Vergesslichkeit. 712. Und solltest du als gebrechlicher Mensch irgendwie durch Unterlassung oder aus Nachlässigkeit einen Fehler begehen, so lasse die Sonne nicht untergehen und den Tag nicht verstreichen, ohne diesen Fehler zu bereuen und womöglich zu beichten, und zwar so, dass du zum Gerichte Gottes bereit wärest. Und mag der Fehler auch noch so gering gewesen sein, fasse den Vorsatz der Besserung und beginne mit neuem Eifer und neuer Sorgfalt zu wirken, überzeugt, dass die Zeit zu Ende geht, in welcher du das schwierige und mühevolle Geschäft deines Heiles zu besorgen hast, ein Geschäft, bei welchem es sich darum handelt, eine ewige Glorie und Seligkeit zu verdienen und dem ewigen Tode und endlosen Qualen zu entgehen. Auf die Besorgung dieses Geschäftes müssen alle deine Seelenkräfte und Sinne unaufhörlich gerichtet sein, damit deine Hoffnung eine sichere und freudige sei und du nicht vergeblich dich bemühest oder ins Ungewisse laufest, wie diejenigen, welche sich mit einigen guten Werken begnügen und dabei viele tadelnswerte und böse Werke begehen. Solche können unmöglich in Sicherheit und mit dem freudigen Gefühle der Hoffnung wandeln; ihr eigenes Gewissen muss ihnen Furcht und Traurigkeit einflössen, es sei denn, dass sie ganz gottvergessen, im Taumel sinnlicher Freude dahinleben. Damit du alle deine Werke vollkommen machest, ermahne ich dich, die Übungen, welche ich dich gelehrt habe, fortzusetzen, insbesondere auch die gewohnte Übung zur Erlangung eines guten Todes, mit allen Gebeten, Verbeugungen und Anempfehlungen der Seele, die du dabei zu verrichten pflegst. Darauf empfange geistlicherweise die Wegzehrung, wie wenn du im Begriffe stündest, in das andere Leben hinüberzugehen; nimm Abschied von dem gegenwärtigen Leben und vergiss alles, was darin ist. Entzünde dein Herz durch feurige Begierden nach der Anschauung Gottes; steige empor bis zu seinem Throne, wo einstens deine Wohnung, jetzt aber dein Wandel sein soll. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die Königin der Engel, gegeben hat. 728. Meine Tochter, du staunst über die grosse Hochschätzung und Liebe, welche ich zur heiligen Kirche getragen habe. Dieses dein Staunen möchte ich erhöhen, damit auch du neue Hochschätzung und Ehrfurcht gegen die Kirche in dir erweckest. Zwar bist du im sterblichen Fleische nicht fähig zu begreifen, was in meinem Innern vorging, wenn ich die heilige Kirche betrachtete. Indes wirst du ausser dem, was du bereits erfahren, hierüber noch besser belehrt werden, wenn du die Ursachen erwägst, welche mein Herz zur Hochschätzung der Kirche bestimmten. Diese Ursachen waren keine anderen als die Werke, welche mein heiligster Sohn aus Liebe zur Kirche getan hat. Diese Werke sollen deine Betrachtung sein bei Tag und bei Nacht, denn aus dem, was der Sohn Gottes für die Kirche getan, wirst du erkennen, welche Liebe er zu ihr getragen hat. Um auf Erden das Haupt des Kirchenleibes und in alle Ewigkeit das Haupt der Auserwählten zu sein, ist er aus dem Schosse seines ewigen Vaters herabgekommen und in meinem Schosse Mensch geworden. Um seine durch die erste Sünde Adams verlorenen Kinder wieder zu finden, hat er sich mit sterblichem und leidensfähigem Fleische bekleidet. Um den Menschen das Beispiel seines unschuldigen Lebens und seine wahre und heilbringende Lehre zu hinterlassen, lebte und wandelte er dreiunddreissig Jahre unter ihnen". Um sie auf wirksame Weise zu erlösen und ihnen die unendlichen Güter der Gnade und Glorie zu verdienen, welche die Gläubigen niemals hätten verdienen können, hat er sein bitteres Leiden auf sich genommen, sein Blut vergossen und den schmerzlichen und schimpflichen Tod des Kreuzes erduldet. Damit endlich aus seinem entseelten Leibe in geheimnisvoller Weise die Kirche hervorgehe, hat er denselben mit der Lanze durchbohren lassen". 729. Und weil dem ewigen Vater das Leben, Leiden und Sterben seines Sohnes so überaus wohlgefäUig war, so hat der Erlöser in der Kirche das Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, damit dabei das Andenken an ihn erneuert werde und die Gläubigen ein Mittel haben, die göttliche Gerechtigkeit zu besänftigen und zu versöhnen. Überdies wollte er im heiligsten Sakrament immerdar bei der Kirche bleiben als geistliche Nahrung für deren Kinder. Er wollte, dass die Gläubigen die Quelle der Gnaden bei sich haben. Endlich wollte er in diesem Sakrament ihre Wegzehrung und ein sicheres Unterpfand des ewigen Lebens sein. Ferner hat er seinen Heiligen Geist der Kirche gesendet, damit er sie mit seinen Gaben und seiner Weisheit erfülle. Er hat seiner Kirche überdies verheissen, dass der Heilige Geist sie allezeit leiten und regieren werde, und zwar so, dass sie weder irren, noch zweifeln, noch in eine Gefahr des Irrtums geraten könne. Er hat die Kirche bereichert mit allen Verdiensten seines Lebens, Leidens und Sterbens. Und diese Verdienste teilt er mittelst der Sakramente aus, deren er so viele eingesetzt hat, als die Menschen in allen Lagen des Lebens von der Geburt bis zum Tode notwendig haben, um sich von Sünden zu reinigen, der Beharrlichkeit in seiner Gnade sich zu versichern, vor den bösen Feinden sich zu schützen, dieselben mit den Waffen der Kirche zu besiegen und endlich um ihre eigenen, natürlichen Leidenschaften zu überwinden. Zur Spendung aller dieser Sakramente hat er taugliche Diener aufgestellt und seiner Kirche hinterlassen. Ferner wählt er sich in seiner streitenden Kirche zu jeder Zeit heilige Seelen zu seinen besonderen Vertrauten aus, macht sie seiner verborgenen und geheimen Gnaden teilhaftig und wirkt durch sie, falls es zu seiner Verherrlichung gereicht, Zeichen und Wun der. Er lässt sich durch ihre Werke zur Milde bewegen und erhört ihre Bitten für sich selbst und für andere, damit auf diese Weise die Gemeinschaft der Heiligen in der Kirche erhalten bleibe. 730. Ferner hat er seiner Kirche eine Quelle des Lichtes und der Wahrheit gegeben, nämlich die heiligen Evangelien und überhaupt die ganze vom Heiligen Geiste diktierte Heilige Schrift; sodann die Beschlüsse der heiligen Konzilien und die sicheren alten Überlieferungen. Zu geeigneten Zeiten hat er der Kirche heilige, mit Weisheit erfüllte Lehrer gesendet; er hat ihr gelehrte, zum Unterrichten anderer taugliche Männer, Prediger und Priester in überreicher Menge gegeben. Er hat sie erleuchtet durch wunderbare Heilige; er hat sie geziert durch mannigfache religiöse Orden, in denen das vollkommene, apostolische Leben erhalten und beobachtet werden soll. Er regiert sie durch zahlreiche Kirchenvorsteher und Würdenträger. Und damit in allem Ordnung und Einklang herrsche, hat er in der Kirche ein Oberhaupt aufgestellt, den Papst zu Rom. Dieser ist Christi Stellvertreter; als Haupt des wunderbaren geistlichen Leibes der Kirche ist er mit der obersten Vollgewalt und göttlichen Machtvollkommenheit ausgerüstet. Endlich verteidigt und schützt er seine Kirche gegen die Mächte der Erde und der Hölle bis an das Ende der Welt". Unter allen diesen Wohltaten, die der Herr seiner geliebten Kirche gespendet hat und immer noch spendet, ist sicher nicht die geringste, dass er nach seiner wunderbaren Himmelfahrt mich in der Kirche zurückliess, damit ich durch meine Gegenwart und meine Verdienste sie begründe und leite. Von jener Stunde an und zu allen Zeiten sehe ich darum diese Kirche als mein Eigentum an. Der Allerhöchste hat sie mir geschenkt und mir zugleich befohlen, dass ich als ihre Mutter und Herrin für sie Sorge trage. 731. Dieses, meine Tochter, sind die gewichtigen Titel und Beweggründe, welche mich zu jener Liebe gegen die heilige Kirche, die du an mir kennen gelernt hast, bewogen haben und noch immer bewegen. Diese Beweggründe sollen auch dein Herz anregen und aneifern, mir hierin nachzufolgen und alles zu tun, was du als meine Schülerin und Tochter und als Tochter der Kirche zu tun hast. Liebe, ehre und schätze diese Kirche aus deinem ganzen Herzen, erfreue dich an ihren Schätzen und mache Gebrauch von den himmlischen Reichtümern, welche samt ihrem Urheber in ihr hinterlegt sind. Trage Sorge, dass sie mit dir vereinigt sei und du mit ihr; denn in ihr findest du Zuflucht und ein Heilmittel, Trost in deinen Mühseligkeiten, Hoffnung in deiner Verbannung, Licht und Wahrheit, um mitten in den Finsternissen der Welt auf dem rechten Wege zu wandeln. Für diese heilige Kirche sollst du die ganze Zeit, die dir noch zu leben übrig bleibt, wirken; denn eben dazu ist dir dies Leben gegeben, damit du für die Kirche wirkest und das Beispiel der unermüdlichen Sorgfalt, welche ich während meines sterblichen Lebens für sie gehabt habe, nachahmest. Das ist dein grösstes Glück, ein Glück, für welches du ewiglich danken sollst. Und wisse, meine Tochter, in der Absicht und mit dem Verlangen, dass du dies tuest, habe ich dir einen grossen Teil der Gnadenschätze zugewendet, damit du mein Leben beschreibest. Der Herr hat dich hiebei zu seinem Werkzeug und zur Sekretärin seiner wunderbaren Geheimnisse auserwählt, um durch dich die Zwecke seiner grösseren Ehre zu erreichen. Und wenn du in dieser Sache auch schon manches getan hast, so darfst du doch nicht glauben, du habest jetzt deine Schuldigkeit getan oder auch nur einen Teil deiner Schuld abgetragen. Im Gegenteil, du bist jetzt mehr als je zum Danke verbunden und verpflichtet, alle Lehren, die du niedergeschrieben hast, im Werke zu befolgen. So lange du dies nicht tust, bist du immer noch arm und mit der Bezahlung deiner Schuld im Rückstande und mit Strenge wird von dir Rechenschaft über das Empfangene gefordert werden. Jetzt ist die Zeit zum Arbeiten, damit du einstens in der Stunde deines Todes wohlvorbereitet, von aller Verbindlichkeit frei und durch nichts gehindert seist, den Bräutigam zu empfangen. Betrachte, wie ich ungehindert und von allem Irdischen frei und Iosgeschält gewesen bin, und nach dieser Richtschnur regle dein Verhalten. Nie darf dir das Öl des Lichtes und der Liebe ausgehen, damit, wenn dir dein Bräutigam die Pforten seiner unendlichen Barmherzigkeit und Liebe erschliessen wird, du ungehindert zur Hochzeit eingehen könnest. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die heiligste Jungfrau Maria, die grosse Himmelskönigin, gegeben hat. Lehre: Vorrecht Mariä, den Sterbenden zu helfen. 744. Meine Tochter, ausser dem, was du über mein glorreiches Hinscheiden vernommen und niedergeschrieben hast, will ich dir noch etwas anderes mitteilen, nämlich ein Vorrecht, das mir mein heiligster Sohn in jener Stunde verliehen hat. Wie du geschrieben hast, liess mir seine Majestät die Wahl, ob ich den Tod hinnehmen oder ohne Mühseligkeit zur beseligenden Anschauung in der Ewigkeit eingehen wolle. Hätte ich also den Tod von mir ferne halten wollen, so würde mir der Allerhöchste dieses sicher bewilligt haben, denn so wenig die Sünde an mir teilhatte, so wenig konnte auch der Tod, die Strafe der Sünde, an mir teilhaben, wie dies auch, und zwar mit weit mehr Grund bei meinem Sohne der Fall gewesen wäre, wenn er es nicht auf sich genommen hätte, mittelst seines Leidens und Sterbens an Stelle der Menschen der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung zu leisten. Und so wählte auch ich aus freiem Willen den Tod, um das Beispiel meines Sohnes nachzuahmen und ihm ähnlich zu werden, wie ich ihm ähnlich war in der Teilnahme an seinem bitteren Leiden. Und weil ich meinen wahren Sohn und Gott den Tod erdulden sah, so hätte ich der ihm schuldigen Liebe nicht entsprochen, wenn ich nicht gleichfalls den Tod angenommen hätte. Überdies würde ich jene vollkommene Ähnlichkeit und Gleichförmigkeit mit der heiligsten Menschheit meines Sohnes, welche ich sehnlichst wünschte, und welche auch der Herr von mir verlangte, bei weitem nicht erreicht haben. Und da ich diesen Abgang später nie mehr hätte ersetzen können, so würde meine Seele nicht die Fülle jener Freude genossen haben, die ich jetzt darüber empfinde, dass ich gestorben bin, wie auch mein Gott und Herr gestorben ist. 745. Aus diesem Grunde war meine freiwillige Wahl des Todes dem Herrn so wohlgefällig, die Klugheit und Liebe, die ich dadurch an den Tag legte, bereitete meinem gütigsten Sohne solche Freude, dass er mir zum Lohne dafür und zugunsten der Kinder der Kirche unverzüglich ein ausserordentliches Vorrecht verlieh, welches meinen Wünschen ganz entsprechend war. Dasselbe besteht darin, dass alle meine Verehrer, welche in der Todesstunde meine Vermittlung anrufen und den Herrn bitten, er möge in Ansehung meines seligen Hinscheidens und um der Liebe willen, mit welcher ich nach seinem Beispiele freiwillig den Tod wählte, ihnen helfen, dass alle diese in jener Stunde unter meinem besonderen Schutze stehen; ich werde sie vor dem bösen Feinde beschützen, ihnen beistehen und helfen, sie zuletzt vor den Thron der Barmherzigkeit Gottes führen und dort für sie Fürbitte einlegen'. Hiezu hat mir der Herr aufs neue Auftrag und Vollmacht gegeben, und er selbst hat mir verheissen, er werde solchen Menschen, welche in Verehrung des Geheimnisses meines kostbaren Todes mich auf dem Totenbette anrufen, mächtige Gnadenhilfen verleihen, um gut zu sterben; falls sie aber schon vorher in dieser Gesinnung mich anrufen, so werde er ihnen reichliche Gnadenhilfen verleihen, um in grösserer Reinheit zu leben. Darum wünsche ich sehr, meine Tochter, dass du von heute an stets mit innigster Liebe und Andacht meines Hinscheidens eingedenk seiest. Preise, verherrliche und lobe den Allmächtigen, dass er zu meinen Gunsten und zum Wohle der Sterblichen so verehrungswürdige Geheimnisse an mir wirken wollte. Wenn du dich befleissest, meiner Mahnung nachzukommen, so wirst du den Herrn und mich bewegen, dass wir dir in der letzten Stunde unseren Schutz angedeihen lassen. 746. Auf das Leben folgt der Tod, und in der Regel sind beide einander ähnlich. Der sicherste Bürge eines guten Todes ist darum ein gutes Leben, d.h. ein Leben, in welchem man sich befleisst, das Herz von der Liebe zum Irdischen ganz und gar loszumachen. Die Liebe zum Irdischen drückt in der Todesstunde die Seele gewaltig nieder; sie hält die Seele in schweren Ketten gefangen, so dass sie nicht die volle Freiheit besitzt und unfähig ist, sich über die Dinge zu erheben, die sie in ihrem Leben geliebt hat. 0 meine Tochter, wie ganz anders denken die Sterblichen über diese Wahrheit, und wie sehr handeln sie ihr zuwider! Der Herr gibt ihnen das Leben, damit sie sich während desselben von den Wirkungen der Erbsünde frei machen, um ihnen in der Todesstunde nicht mehr unterworfen zu sein; allein die unwissenden, unglücklichen Kinder Adams verwenden ihr ganzes Leben dazu, sich mit neuen Strikken und Fesseln zu beladen, um dann als Gefangene ihrer Leidenschaften und als Sklaven ihres tyrannischen Feindes zu sterben. Was mich betrifft, so hatte ich an der Erbsünde keinen Teil, und ihre schlimmen Wirkungen hatten auf meine Seelenkräfte keinen Einfluss, und dennoch lebte ich höchst vorsichtig, arm, heilig, vollkommen und ohne jede Anhänglichkeit an etwas Irdisches, und ich habe in meiner Todesstunde gar wohl erfahren, was es um diese heilige Freiheit ist. Betrachte darum, meine Tochter, aufmerksam dieses lebendige Beispiel. Mache dein Herz von Tag zu Tag immer mehr frei. Je mehr du an Jahren zunimmst, um so mehr sollst du frei, bereit und von allem Sichtbaren Iosgeschält sein, damit, wenn dich der Bräutigam zur Hochzeit ruft, du nicht erst dich aufmachen musst, um Freiheit und Weisheit zu suchen, die du dann nicht mehr findest. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die grosse Königin des Himmels, gegeben hat. Lehre: Wie man allem Irdischen absterben soll. 756. Meine Tochter, das Andenken an meinen leiblichen Tod und an das Begräbnis meines heiligen Leibes soll auf deiner Seite ein geistiges Absterben und Begraben werden zur Folge haben. Das muss die Hauptfrucht und die vornehmliche Wirkung der Gnade sein, vermöge deren du mein Leben geschaut und beschrieben hast. Schon oft habe ich dir im Verlaufe dieser Geschichte diesen meinen Wunsch ausgedrückt und meinen Willen kundgetan, damit du diese ganz einzige Gnade, die du der Güte des Herrn und meiner Huld zu verdanken hast, nicht verloren gehen lassest. Es ist etwas Schmähliches, wenn irgend ein Christ, nachdem er durch die Taufe der Sünde abgestorben, in Christus wiedergeboren und zur Erkenntnis gelangt ist, dass der Sohn Gottes für ihn sterben wollte, wieder in die Sünde zurück fällt. Noch schmählicher aber ist es, wenn solches geschieht an Seelen, welche durch besondere Gnade, zur innigsten Freundschaft des Herrn auserwählt und berufen sind; und zur Zahl dieser gehören alle diejenigen, welche sich zu eben diesem Zwecke dem Herrn im heiligen Ordensstande weihen und aufopfern, um ihm nach Massgabe des Standes und der persönlichen Kräfte in besonderer Weise zu dienen. 757. Wenn sich an solchen Seelen Laster finden, die sonst nur bei Weltleuten vorkommen, so flösst dies dem ganzen Himmel Entsetzen ein. Stolz, Anmassung, hochfahrendes, unabgetötetes Wesen, Zorn, Habsucht, Unreinigkeit des Gewissens und andere Abscheulichkeiten sind an solchen Seelen Ungeheuerlichkeiten, welche den Herrn und die Heiligen des Himmels nötigen, ihre Augen von ihnen abzuwenden; sie sind über solche Seelen weit mehr erzürnt und von ihnen weit mehr beleidigt, als wenn andere Menschen solche Sünden begehen. Darum ist es nicht zu verwundern, dass der Herr gar manche Seelen, welche den Titel einer Braut Christi ungerechterweise tragen, verstösst und sie ihrem eigenen bösen Rate überlässt, weil sie eben den Bund der Treue, den sie bei ihrer Berufung und Profess mit Gott und mit mir geschlossen haben, als Treulose gebrochen haben. Wenn nun aber alle Seelen ein solches Unglück zu fürchten und sich vor so schrecklicher Untreue zu hüten haben, so bedenke und erwäge, meine Tochter, welch schreckliche Sache es in Gottes Augen wäre, wenn du ein solches Unrecht begehen würdest. Ja, es ist Zeit, dass du einmal ganz und gar dem Sichtbaren absterbest, und dass dein Leib in der Tiefe der Selbsterniedrigung, die Seele aber in dem Gedanken an die Wesenheit Gottes begraben werde. Deine Lebenstage sind, soweit sie die Welt angehen, vorüber, und ich bin die Richterin in dieser Sache, um die Scheidung deines Lebens von der Welt an dir zu vollziehen. Du hast nichts mehr zu tun mit denen, die in der Welt leben, und sie nichts mit dir. Mein Leben schreiben und sterben, das muss bei dir eines und dasselbe sein. Ich habe dir dies schon oft gesagt, und du hast es mir versprochen und unter herzlichen Tränen deine Versprechen in meine Hände erneuert. 758. Dies muss der Prüfstein meiner Lehre und das Zeugnis für ihre Wirksamkeit sein. Und ich werde nicht zulassen, dass du mir zur Unehre meine Lehre in Verachtung bringst. Nein, Himmel und Erde sollen erfahren, wie mächtig meine Wahrheit und mein Beispiel ist, und deine Werke müssen davon Zeugnis geben. Darum darfst du dich niemals nach deinem Verstand, nach deinem Willen und noch viel weniger nach deinen Neigungen und Leidenschaften richten. Dein Gesetz muss der Wille des Herrn, mein Wille und der Wille der Oberen sein. Und damit du niemals im unklaren darüber seiest, was das Heiligste, Vollkommenste und Gottgefälligste ist, hat der Herr schon Vorsorge getroffen, dass du es durch ihn, durch mich, durch die Engel und durch deinen Seelenführer stets innewerdest. Entschuldige dich nicht mit Unwissenheit, Kleinmut, Schwäche und noch weniger mit Ängstlichkeit. Den ke an deine Pflicht, erwäge die Schwere deiner Verbindlichkeit, schau hin auf das Licht, das dir unaufhörlich und ununterbrochen zukommt. Wirke mit der Gnade, die du empfängst, denn bei solchen Gnaden, wie du sie erhältst, muss dir das schwerste Kreuz leicht und der bitterste Tod süss sein. Im Kreuz ist all dein Heil. Im Kreuz sei deine Wonne. Denn wenn du nicht allem vollständig abstirbst, dann werde ich deinen Weg mit Dornen besäen, und du wirst zur Vollkommenheit, die du begehrst, und zum Stande, wozu dich der Herr beruft, niemals gelangen. 759. Wenn die Welt dich nicht vergisst, so vergiss du sie; wenn sie dich nicht verlässt, so bedenke, dass du sie verlassen hast, und dass ich dich der Welt entrissen habe. Wenn sie dich verfolgt, so fliehe; wenn sie dir schmeichelt, so verachte sie; wenn sie dich verachtet, so ertrage es; wenn sie dich sucht, so lass dich nicht finden, ausser soweit es dazu dient, dass der Allmächtige in dir verherrlicht werde. In allem übrigen sollst du der Welt nur so gedenken wie die Lebenden der Verstorbenen; ja du musst sie vergessen, wie die Verstorbenen die Lebenden vergessen; du darfst mit den Bewohnern der Erde nicht näher verkehren als die Lebenden mit den Toten. Dass ich dir am Anfang, in der Mitte und am Ende dieser Geschichte so oft diese Lehre einpräge, wird dich nicht befremden, wenn du bedenkst, von welcher Wichtigkeit es für dich ist, dass du sie befolgst. Denke, meine liebste Tochter, an die Verfolgungen, welche der Satan durch die Welt und ihre Bewohner im geheimen und verborgenen gegen dich angeschürt, und welcher Vorwände und Anlässe er sich dazu bedient hat. Und wenn Gott dieselben zugelassen hat, um dich zu prüfen und um seine Gnade zu verwerten, so ist es billig, dass du deinerseits einsiehst und bedenkst, dass der dir anvertraute Schatz gross ist, dass du ihn in einem zerbrechlichen Gefässe trägst, und dass die ganze Hölle gegen dich verschworen und im Aufruhr begriffen ist. Du lebst im sterblichen Fleische, umgeben und bekämpft von hinterlistigen Feinden. Du bist eine Braut Christi, meines allerheiligsten Sohnes, und ich bin deine Mutter und Lehrmeisterin. Erkenne darum deine Hilfsbedürftigkeit und Schwäche und zeige, dass du meine liebste Tochter, meine vollkommene und in allem gehorsame Schülerin bist. BUCH ACHT. LEHRE welche mir Maria, die Königin der Engel, gegeben hat. Lehre: Betrachtung der Seligkeit des Himmels. 770. Meine Tochter, bejammernswert und unentschuldbar ist die Unwissenheit der Menschen, wenn sie die ewige Herrlichkeit, welche Gott allen bereitet hat, die sich derselben würdig machen, vorsätzlich vergessen. Beweine mit bitteren Tränen dieses unheilvolle Vergessen und erhebe darüber Klage. Denn es ist kein Zweifel, dass, wer die ewige Seligkeit des Himmels geflissentlich vergisst, sich in der augenscheinlichen Gefahr befindet, derselben verlustig zu gehen. Kein Mensch hat eine rechtmässige Entschuldigung, wenn er sich dieser Sünde schuldig macht, denn das Andenken an die ewige Seligkeit und das Streben sie zu erreichen, kostet niemand viele Mühe, dagegen gibt es gar viele, welche sich mit Aufbietung all ihrer Kräfte bemühen, das Ziel, zu welchem sie erschaffen sind, zu vergessen. Dieses Vergessen - darüber ist kein Zweifel - kommt daher, weil sich die Menschen der Hoffart des Lebens, der Augenlust und der Fleischeslust ergeben, denn weil sie alle Kräfte und Vermögen der Seele und die ganze Zeit des Lebens auf die Erreichung dieser Ziele verwenden, so bleibt ihnen keine Zeit und keine Möglichkeit mehr übrig, um in Ruhe oder auch ohne Ruhe an die ewige Seligkeit des Himmels aufmerksam zu denken oder sich ernstlich darum zu bekümmern. Nun mögen aber die Menschen sagen und bekennen, was ihnen mehr Mühe kostet: das Andenken an den Himmel, oder die Befriedigung ihrer Leidenschaften und das Haschen nach Ehre, Besitz und vergänglichen Freuden, die noch vor Abschluss des Lebens ein Ende nehmen? Und oft geschieht es, dass, wenn sie im Jagen nach solchen Dingen müde geworden sind, sie dieselben doch nicht erlangen und gar nicht erlangen können. 771. 0 wieviel leichter wäre es für die Sterblichen, in diese Verkehrtheit nicht zu fallen! Und noch viel leichter wäre dies für die Kinder der Kirche, denn ihnen stehen Glaube und Hoffnung zu Gebot, durch welche sie ganz mühelos über diese Wahrheit aufgeklärt werden. Selbst dann, wenn die Erlangung eines ewigen Glückes ebensoviel kosten würde, als die Erlangung von Ehre, Besitztum und eitlem Vergnügen, selbst dann wäre es eine grosse Torheit, für das Falsche sich ebensoviel Mühe zu geben als für das Wahre, für die ewigen Peinen ebensoviel als für die ewige Seligkeit. Diese entsetzliche Torheit der Menschen bietet dir, meine Tochter, Stoff genug zum Weinen. Du brauchst nur zu betrachten, wie zahlreich in dem gegenwärtigen, von Krieg und Unfrieden zerrissenen Jahrhunderte jene Unglücklichen sind, welche um des vergänglichen Soldes einer eitlen Ehre, um einer Befriedigung der Rachsucht oder anderer höchst gemeiner Interessen willen den ewigen Tod aufsuchen, an das ewige Leben aber ebensowenig denken und ebensowenig dafür sorgen, als wären sie unvernünftige Tiere. Und es wäre noch ihr Glück, wenn sie mit dem zeitlichen Tode ein Ende nähmen wie die Tiere; weil aber die meisten von ihnen gegen die Gerechtigkeit sündigen und die übrigen, welche sonst noch Gerechtigkeit üben, um ihr Ziel und Ende unbekümmert dahinleben, so verfallen die einen wie die andern dem ewigen Tode. 772. Das ist ein Schmerz über alle Schmerzen, ein Unglück ohnegleichen und ohne Hoffnung auf Rettung. Weine, jammere und trauere in untröstlichem Schmerze über den Untergang so vieler Seelen, die mit dem kostbaren Blute meines allerheiligsten Sohnes erkauft sind. Ich versichere dich, meine Tochter, wären die Menschen einer solchen Gnade nicht unwürdig, so möchte ich im Drange meiner Liebe von dem Throne der Herrlichkeit aus, den ich, wie du gesehen, im Himmel einnehme, über die ganze Welt hin meine Stimme erschallen lassen und den Menschen zurufen: "0 ihr sterblichen, ihr betrogenen Menschen, was tut ihr? Wozu habt ihr euer Leben? Wisst ihr auch, was es heisst: Gott von Angesicht zu Angesicht schauen und an seiner ewigen Seligkeit und Gesellschaft teilnehmen? An was denket ihr? Wer hat denn so sehr euren Verstand verwirrt und verblendet? Was suchet ihr, wenn ihr dieses wahre Gut, die Seligkeit verliert, ohne die ihr keine andere findet? Die Mühe ist kurz, die Glorie unendlich und die Pein ewig." 773. Über diesen Untergang der Seelen möchte ich in dir Schmerz wachrufen. Und dieser Schmerz soll dich antreiben, dir alle Mühe zu geben, um einer solchen Gefahr zu entgehen. Ein lebendiges Beispiel hast du an meinem Leben; dasselbe war ein ununterbrochenes Leiden, und zwar ein Leiden so gross, wie du es gesehen hast. Und doch ist mir, als ich zur ewigen Belohnung einging, alles wie nichts erschienen; ich vergass es, als wäre es gar nichts gewesen. Entschliesse dich darum, meine Tochter, im Leiden mir nachzufolgen; und wäre auch dein Leiden grösser als das aller übrigen Sterblichen, halte es doch für gering und mache keine Schwierigkeiten. Lass dir nichts zu schwer und nichts zu bitter fallen, und müsstest du auch durch Feuer und Schwert hindurchgehen. Lege deine Hand an grosse Dinge und versieh deine Hausgenossen, d.h. deine Sinne mit doppelter Kleidung, indem du leidest und wirkest mit all deinen Kräften. Ich möchte dich hier überdies noch vor einem anderen Irrtum warnen, der unter den Menschen nur zu häufig vorkommt. Sie sagen nämlich: "Trachten wir, nur unser Seelenheil sicherzustellen; ob mehr oder weniger Glorie, daran ist nicht viel gelegen. Dort oben werden wir doch alle zusammenkommen." Das ist, meine Tochter, eine Blindheit, durch welche man das Seelenheil nicht sichert, sondern aufs Spiel setzt. Ein solches Verhalten hat seinen Grund einerseits in einer grossen Torheit und andererseits in einer geringen Liebe zu Gott. Wer sich mit der göttlichen Majestät in solcher Weise abfinden will, der beleidigt Gott; einen solchen Menschen überlässt Gott der Gefahr, alles zu verlieren. Die menschliche Schwäche tut im Guten ohnehin immer weniger, als wonach ihr Verlangen geht; ist also das Verlangen nicht gross, so ist die Ausführung sehr gering; ist aber das Verlangen gering, so setzt man sich der Gefahr aus, alles zu verlieren. 774. Wer sich mit einer mittleren oder gar mit der untersten Stufe der Tugend begnügt, der lässt in dem Willen und in den Neigungen immer noch einen Raum übrig, um darin absichtlich irdische Neigungen und Liebe zum Vergänglichen zu nähren. Die Liebe zum Irdischen lässt sich aber nicht im Herzen bewahren, ohne dass sie sogleich mit der göttlichen Liebe in Streit gerät; und darum kann es nicht anders sein, als dass, wenn die eine bleibt, die andere verloren geht. Wenn der Mensch sich entschliesst, Gott den Herrn aus ganzem Herzen und aus allen Kräften zu lieben, wie Gott es befiehlt, so sieht sich der Herr durch diesen Willen und Entschluss als bezahlt an, wenn auch die Seele im übrigen wegen einzelner Gebrechen gerade nicht die höchste Stufe der Belohnung erreicht. Aber diese Belohnungen verachten oder absichtlich geringschätzen, das ist nicht Kindesliebe noch auch wahre Freundesliebe, sondern die Liebe eines Sklaven, der zufrieden ist, wenn man ihn nur leben und gehen lässt. Könnten die Heiligen des Himmels auf die Welt zurückkehren, um auch nur einen weiteren Grad der Glorie zu verdienen, und müssten sie zu diesem Zwecke auch alle Leiden der Welt bis zum jüngsten Tage erdulden: sie würden es ohne Bedenken tun. Der Grund ist, weil sie eine wahre und volle Erkenntnis von dem Werte der ewigen Seligkeit besitzen und Gott dem Herrn mit vollkommener Liebe anhangen. Nun geht es freilich nicht an, dass den Heiligen die Rückkehr auf die Erde gewährt wird; mir aber ist es, wie du in dieser Geschichte aufgezeichnet hast, gewährt worden und mein Beispiel ist eine Bestätigung der genannten Wahrheit, zugleich aber auch eine Verurteilung der Torheit jener, welche, um nicht leiden und das Kreuz Christi umfassen zu müssen, ein geringeres Mass von Seligkeit wünschen. Ein solcher Wunsch widerspricht ganz und gar dem Drange der unendlichen Güte des Allerhöchsten, welcher wünscht, dass alle Seelen so viele Verdienste erwerben, um in der Seligkeit des Himmels überschwänglich belohnt werden zu können. BUCH ACHT. LEHRE welche mir die heiligste Himmelskönigin Maria gegeben hat. Lehre: Verlangen Mariä, uns zu helfen. 783. Meine Tochter, wenn irgend etwas den Genuss der höchsten Seligkeit und Glorie, die ich im Himmel besitze, vermindern könnte, oder wenn mit dieser Seligkeit noch ein Schmerz vereinbar wäre, dann würde der Anblick des traurigen Zustandes, in welchem sich heutzutage die heilige Kirche und die Welt überhaupt befindet, mir wirklich grossen Schmerz bereiten. Die Menschen wissen, dass sie mich als ihre Mutter, Fürsprecherin und Beschützerin im Himmel haben, und dass es meine Aufgabe ist, ihnen zu helfen, beizuspringen und sie zum ewigen Leben zu führen. Und es ist in der Tat so. Der Allerhöchste hat mir, teils weil ich seine Mutter bin, teils auch aus anderen Gründen, die du niedergeschrieben hast, zahllose Vorrechte verliehen, und alle diese Vorrechte verwende und verwerte ich als Mutter der Barmherzigkeit zugunsten der Sterblichen. Da ich nun aber sehen muss, wie die Menschen mich hindern, ihnen Gutes zu tun, und dass unzählige Seelen aus dem Grunde verloren gehen, weil sie mich nicht von Herzen anrufen, so wäre dies für mein erbarmungsvolles Herz eine Ursache grossen Schmerzes. Da ich aber Schmerz nicht mehr empfinden kann, so führe ich wenigstens gerechte Klage über die Menschen, dass sie sich selbst die ewige Pein zuziehen, mir aber die Ehre, ihnen helfen zu können, nicht antun wollen. 784. Niemals war es in der Kirche unbekannt, was meine Fürbitte vermag, und welche Macht ich im Himmel besitze, um allen zu helfen. Ich habe die Gewissheit dieser Wahrheit durch Tausende und Abertausende von Wundern, Gebetserhörungen und Gnaden bezeugt, die ich an meinen Verehrern gewirkt habe. Und gegen alle diejenigen, die in ihren Nöten mich angerufen haben, bin ich allezeit freigebig gewesen. Zahlreich sind die Seelen, die ich gerettet habe, und dennoch sind es nur wenige im Vergleiche zu denen, die ich retten kann und retten will. Die Welt eilt dahin und die Jahrhunderte gehen schnell vorüber; die Sterblichen aber sind zu träge, um zu Gott zurückzukehren und ihn zu erkennen. Die Kinder der Kirche verwikkeln sich in die Schlingen des Teufels und lassen sich fangen, die Sünder nehmen zu an Zahl, und die Sünden mehren sich, weil die Liebe erkaltet. Und dies geschieht, nachdem Gott Mensch geworden ist, nachdem er die Welt durch sein Beispiel und seine Lehre unterrichtet, durch sein Leiden und Ster ben erlöst und das bei Mitwirkung der Kreatur so heilbringende Gesetz des Evangeliums gegeben hat, und obwohl er die Kirche durch sich selbst und seine Heiligen mit so vielen Wundertaten, Erleuchtungen, Gnaden und Wohltaten verherrlicht. Dies geschieht, obwohl er in seiner Güte die Schätze seiner Barmherzigkeit durch meine Hand und Vermittlung so reichlich austeilt, mich als die Mutter, Helferin, Beschützerin und Fürsprecherin der Menschen erklärt hat und ich pünktlich und in vollkommenster Weise diesen meinen Ämtern entspreche. Dies alles ist ungenügend! Ist es nun angesichts dessen noch zu verwundern, wenn die göttliche Gerechtigkeit erzürnt ist, da doch die Sünden der Menschen jene Züchtigungen verdienen, welche Gott ihnen androht und welche er sie bereits fühlen lässt? Alle diese Umstände zeigen, dass die Bosheit der Sterblichen den höchstmöglichen Grad bereits erreicht hat. 785. Es ist dies, meine Tochter, die volle Wahrheit; aber meine Barmherzigkeit und Milde ist noch grösser als diese Bosheit. Meine Barmherzigkeit ist es, welche die unendliche Güte Gottes zum Erbarmen bewegt und die Gerechtigkeit aufhält. Und so will denn der Allerhöchste gegen die Menschen freigebig sein und die unendlichen Schätze seiner Gnade über sie ausgiessen, wenn sie sich um meine Vermittlung eifrig bemühen und meiner Huld sich würdig machen; denn dann werde ich in wirksamer Weise meine Fürsprache vor dem Throne Gottes für sie einlegen. Dies ist der sichere Weg, dies das mächtige Mittel, um den Zustand der Kirche zu verbessern, die katholischen Reiche zu retten, den Glauben zu verbreiten, den Familien und Staaten Festigkeit zu verleihen und die Seelen in den Stand der Gnade und Freundschaft Gottes zurückzuführen. Dieser Angelegenheit sollst du, liebe Tochter, nach meinem Verlangen deine Sorge und Mühe zuwenden, darin sollst du mich unterstützen, soweit es dir mit dem Beistand der Kraft Gottes möglich ist. Du darfst dich nicht mit der blos sen Beschreibung meines Lebens begnügen; du musst mich vielmehr durch Befolgung meiner Ratschläge und heilsamen Lehren nachahmen. Du hast ja diese Lehren in so reichlichem Masse empfangen, sowohl bei deinen schriftlichen Aufzeich nungen, als auch beim Empfange unzählbarer anderer Wohlta ten und Gunsterweisungen, welche alle auf jene eine Gnade hinzielten. Erwäge darum, meine Tochter, wie strenge du zum Gehorsam gegen mich, deine einzige Mutter und deine recht mässige Lehrmeisterin und Oberin verbunden bist! Ich habe dir alle diese und andere Wohltaten in ausserordentlicher Liebe erwiesen, und du hast deine Ordensgelübde oftmals in meine Hände erneuert und bestätigt und dabei mir ganz besonders Gehorsam gelobt. Erinnere dich an das, was du schon oft dem Herrn und seinen Engeln versprochen hast, und was wir dir alle als unseren Willen kundgetan haben: dass du nämlich seieet, lebest und handelst wie ein Engel, dass du schon im sterblichen Fleische an den Eigenschaften und der Wirkungsweise eines Engels teilhabest und nur mehr mit diesen reinen Geistern umgehest. Und gleichwie jene miteinander verkehren, wie die Höheren den Niedrigeren Erleuchtungen zukommen lassen, so werden sie auch dich über die Vollkommenheiten deines Geliebten erleuchten und dir das Licht mitteilen, dessen du zur Übung aller Tugenden, namentlich der Königin derselben, d.h. der Liebe, nötig hast, damit du von Liebe zu deinem Meister und zum Nächsten entflammt werdest. Nach diesem Stande musst du aus allen Kräften streben; dann wird der Allerhöchste dich würdig finden, dass er an dir seinen heiligsten Willen erfülle und sich deiner ganz nach seinem Wohlgefallen bediene. Möge seine mächtige Hand dich auf ewig segnen, dir die Freude seines Angesichtes zeigen und den Frieden schenken; du aber trachte, dass du dich dessen nicht unwürdig machest.